Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 09.11.2006, Az.: 20 U 19/06
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 09.11.2006
- Aktenzeichen
- 20 U 19/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 42139
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2006:1109.20U19.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 23.02.2006 - AZ: 14 O 134/05
Fundstelle
- VersR 2007, 1661-1664 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. G. v. O., die Richterin am Oberlandesgericht Z. und den Richter am Oberlandesgericht Dr. S. auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2006 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels das am 23. Februar 2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover im Tenor zu I. 2. mit der Maßgabe geändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 4 720,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 25. Juni 2002 zu zahlen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in der selben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche aus einem Reitunfall gegen die Beklagte geltend.
Der Unfall ereignete sich am 29. März 2002 in einem Wald- und Heidegebiet zwischen S. und H.-S. bei C. Die zu diesem Zeitpunkt 21 Jahre alte Klägerin, die bereits zu diesem Zeitpunkt über eine zehnjährige Reiterfahrung verfügte, Turnierreiterin war und diverse Reitabzeichen besaß, befand sich mit der Beklagten, die ihr Pferd "R." mitgenommen hatte, auf einem gemeinsamen Reiturlaub auf einem Bauernhof in der Nähe von S.. Am Ankunftstag ritt die Klägerin mit dem Pferd der Beklagten nach S. an den Strand. Auf dem Rückweg stürzte die Klägerin vom Pferd und zog sich dabei schwere Kopfverletzungen zu. Der Hergang des Unfalls, an den die Klägerin keine Erinnerung hat, ist im Übrigen streitig. Die Klägerin erlitt infolge des Unfalls eine intracerebrale Kontusionsblutung links frontal und befand sich zunächst drei Tage in intensivmedizinischer Behandlung im Krankenhaus R. in B.. Sie ließ sich auf eigenen Wunsch am 2. April 2002 in das Krankenhaus N. a. R.. verbringen, wo sie bis zum 12. April verblieb. Im Anschluss nahm sie vom 25. April bis zum 23. Mai 2002 an einer Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik am R. in B. O. teil. Sie wurde mit der Diagnose "Zustand nach links parietaler Blutung, Gedächtnisstörungen, ataktisches Gangbild und Kephalgien" aus der stationären Behandlung entlassen. Die Klägerin unterzog sich in der Folgezeit weiterer neurologischer Untersuchungen im Hinblick auf die seit dem Unfall vermehrt auftretenden Kopfschmerzen, einer eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit und Belastbarkeit sowie insbesondere einer deutlichen Einschränkung ihres Kurzzeitgedächtnisses. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Arztberichte des Krankenhauses N.a.R. der Region H. vom 19. April 2002 (GA 10), der Klinik am R. vom 23. Mai 2002 (GA 11), der M.H.H. vom 22. August 2002, 6. September 2002 und 11. November 2002 (GA 13 ff), des MDK N. vom 8. Januar 2003 ( GA 22, 239), der W. Klinik in B. W vom 3. Februar 2004 (GA 204 ff) und dem Abschlussbericht über die medizinische Belastungserprobung des Arbeitstrainings- und Therapiezentrums in S. vom 30. Dezember 2004 (GA 24 ff). Die Klägerin, die vor dem Reitunfall als Industriekauffrau halbschichtig gearbeitet hatte, ist seit dem Unfall arbeitsunfähig. Ein Wiedereingliederungsversuch am Arbeitsplatz in ihrem erlernten Beruf schlug fehl.
Nachdem die hinter der Beklagten stehende Versicherung eine Schadensregulierung mit Schreiben vom 20. Juni 2002 abgelehnt hatte, erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 3. Juni 2003 zunächst eine Teilklage auf Zahlung eines Schmerzensgeldteilbetrages in Höhe von 2 000 € vor dem Amtsgericht N.a.R.. Das Amtsgericht wies mit Urteil vom 20. April 2004 (Gesch.Z. 50 C 1293/03) die Klage ab, weil schon der Vortrag der Klägerin, sie sei auf dem sandigen Reitweg mit dem Pferd gestrauchelt und habe sich dadurch verletzt, nicht die Verwirklichung der spezifischen Tiergefahr erkennen lasse und den Tatbestand des § 833 Satz 1 BGB nicht erfülle. Mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts hat die Klägerin ihren Vortrag dahingehend geändert, dass das Pferd mit dem hinteren Huf auf ein loses Stück Draht getreten und dadurch in Panik geraten sei, anschließend gebuckelt und sie abgeworfen habe. Die abweichende Unfallschilderung hatte die Klägerin damit begründet, dass sie zwischenzeitlich per Zeitungsannonce eine Unfallzeugin ausfindig gemacht habe, die den Hergang des Unfalls beobachtet hätte. Das Landgericht Hannover hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2004 (Gesch.Z. 14 S 52/04) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil das neue Vorbringen gem. § 531 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz nicht mehr zuzulassen sei.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin weitere, über die im Vorverfahren rechtskräftig abgewiesenen Schmerzensgeldbeträge hinausgehende Ansprüche gegen die Beklagte geltend, wobei sie sich auf ihre im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Hannover vorgetragene Unfallschilderung bezieht. Sie ist der Auffassung, dass ihr auf Grund der erheblichen Verletzungen ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 48 000 € sowie eine unbefristete monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 400 € ab dem 1. Mai 2005 zustehe. Darüber hinaus hat die Klägerin materiellen Schadensersatz geltend gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 7 bis 9 der Klageschrift Bezug genommen,
Die Klägerin hat beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen,
- a)
an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 25. Juni 2002 zu zahlen,
- b)
an sie eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 400 € ab dem 1. Mai 2005 vierteljährlich im Voraus jeweils zum 1. Februar, 1. Mai, 1. August und 1. November eines jeden Jahres unbefristet zu bezahlen und
- c)
an sie Schadensersatz in Höhe von 7 083,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 25. Juni 2002 zu zahlen,
- 2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen Schäden aus dem Reitunfall vom 29. März 2002, der sich zwischen S. und H.-S. bei C. ereignet hat, zu bezahlen, soweit die Ansprüche nach dem 1. März 2005 entstanden sind und soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, dass die Klägerin mit der Unfallschilderung, die im Vorprozess nicht mehr zugelassen worden sei, auch im hiesigen Verfahren ausgeschlossen bleibe. Im Übrigen hat sie den Unfallhergang sowie den geltend gemachten Schaden nach Grund und Höhe bestritten. Die Klägerin sei ferner wegen der Umstände im Streitfall jedenfalls einem Tierhüter gleichzustellen und habe sich im Rahmen eines Mitverschuldens nach § 834 BGB zu entlasten.
Das Landgericht hat über den Hergang des Unfalls durch Vernehmung der Zeugin S. Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Landgerichts vom 2. Februar 2006 (GA 82 ff) Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klägerin ein Schmerzensgeld von 48 000 € und materiellen Schadensersatz von 5 056 € zugesprochen sowie die Verpflichtung der Beklagten zum Ausgleich aller weiteren materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 29. März 2002 festgestellt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte in vollem Umfang gegen das angefochtene Urteil und verfolgt ihr erstinstanzliches Prozessziel weiter. Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie hält die Klage für unzulässig, weil sie denselben Streitgegenstand betreffe, über den im Vorverfahren bereits rechtskräftig durch Klageabweisung entschieden worden sei. Sie macht darüber hinaus geltend, dass die Klägerin die Verschuldensvermutung nach § 834 BGB nicht wiederlegt habe. Ferner habe sie auf eigene Gefahr gehandelt, weil sie selbstständig in unbekanntes Gelände ausgeritten sei. Zu Gunsten der Beklagten streite weiterhin die Haftungsbeschränkung gem. § 599 BGB. Die Unfallbedingtheit der von der Klägerin beklagten Beschwerden stehe darüber hinaus nicht fest. Zudem sei das vom Landgericht zugesprochene Schmerzensgeld deutlich übersetzt. In jedem Fall sei davon auszugehen, dass die Klägerin heute alle unfallbedingten Beeinträchtigungen überwunden habe. Die materiellen Schadensersatzpositionen seien bereits nicht schlüssig dargetan.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts, soweit es von der Beklagten angefochten wird und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
Die Verfahrensakten des Amtsgerichts N.a.R. (50 C 1293/03) lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Berufung der Beklagten hat nur im geringen Umfang Erfolg.
1. Zulässigkeit der Klage
Die Klage ist nicht wegen der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts N.a.R. vom 20. April 2004 unzulässig. Ein Urteil über eine Teilklage stellt den Anspruchsgrund nicht auch für spätere Nachforderungen rechtkräftig fest. Die Rechtskraft ist auf den "erhobenen Anspruch" (§ 322 Abs. 1 ZPO), d.h. den Streitgegenstand begrenzt. Der Anspruch wird durch den vom Kläger gestellten Antrag bestimmt. Eine Rechtskrafterstreckung auf den nicht rechtshängig gewordenen Teil des Anspruchs kommt deshalb nicht in Betracht. Dabei kann es dahin gestellt bleiben, ob sich der Kläger die spätere Geltendmachung einer Mehrforderung vorbehalten hat, denn stets entscheidet das Gericht nur im Rahmen des gestellten Antrags und trifft keine Aussage über das Bestehen weiter gehender Ansprüche (vgl. nur BGH NJW 1994, 3165 [BGH 15.06.1994 - XII ZR 128/93]; NJW 1997, 1990 [BGH 09.04.1997 - IV ZR 113/96]; NJW 1997, 3020; NJW 2002, 2167 [BGH 02.05.2002 - III ZR 135/01] sowie aus dem Schrifttum: Münchener Kommentar/Gottwald, ZPO, 2. Aufl., § 322 Rn. 118; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., Vorbemerkung § 322 Rn. 48; Nomos Kommentar zur ZPO/Saenger, § 322 Rn. 25; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 27 Auf., § 322 Rn. 26; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 322 Rn. 150). Keinen Unterschied macht es, wenn die Teilklage ganz oder teilweise abgewiesen worden ist, denn durch die Abweisung wird der Streitgegenstand nicht verändert. Die Rechtskraft reicht auch in diesem Fall nur so weit, als der Anspruch erhoben und über ihn entschieden worden ist. Die Klageabweisung enthält nur die rechtskraftfähige Feststellung, dass der Klageanspruch in der durch die Teilklage konkret bezifferten Höhe nicht besteht. Über die Frage, ob außer dem Anspruch noch mehr oder weitere Ansprüche bestehen, enthält das klageabweisende Urteil hingegen keine Aussage ( BGH NJW 1997, 3019, 3020 [BGH 15.07.1997 - VI ZR 142/95]; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 153 Rn. 15).
So liegt es hier. Im Vorverfahren hat die Klägerin ausdrücklich eine Teilklage erhoben und einen Schmerzensgeldteilbetrag in Höhe von 2 000 € begehrt. Sie hat dabei erklärt, dass sie sich die Geltendmachung weiterer Ansprüche vorbehalte und gerade nicht mit einer uneingeschränkten Klage oder einem unbezifferten Schmerzensgeldantrag den gesamten Anspruch geltend gemacht. Insofern liegt eine offene Teilklage vor, die die Möglichkeit einer Nachforderung gerade eröffnet.
Nichts anderes ergibt sich im Streitfall daraus, dass es sich im Vorverfahren vor dem Amtsgericht N. um einen Schmerzensgeldanspruch handelt. Der Schmerzensgeldanspruch stellt einen einheitlichen Anspruch dar, der nicht willkürlich in Teilbeträge zerlegt werden kann; der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes fordert vielmehr, das Schmerzensgeld unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes auf der Grundlage einer ganzheitlichen Betrachtung der für den Schadensfalle prägenden Umstände zu bemessen (vgl. nur BGH MZV 2004, 240 m.w.N.). Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich hieraus von vornherein die Unzulässigkeit einer Teilklage ergibt. Vielmehr entspricht es der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass die auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtete Schmerzensgeldklage grundsätzlich teilbar ist. Bei einem einheitlichen Anspruch wie dem auf Zahlung eines Schmerzensgeldes hängt die Frage, ob diese im rechtlichen Sinn teilbar ist, davon ab, ob er quantitativ abgrenzbar und eindeutig individualisierbar ist und in welchem Umfang über ihn Streit bestehen kann, ohne dass die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht. Ist die Höhe des Anspruchs im Streit, kann grundsätzlich ein ziffermäßig oder sonst wie individualisierter Teil davon Gegenstand einer Teilklage sein, sofern erkennbar ist, um welchen Teil des Gesamtanspruchs es sich handelt (vgl. zu Vorstehendem insgesamt BGH NZV 2004, 240, 241 [BGH 20.01.2004 - VI ZR 70/03] m.w.N.).
Im Vorverfahren hat die Klägerin gerade kein uneingeschränktes Schmerzensgeld, sondern ausdrücklich nur ein Teilschmerzensgeld für die bereits eingetretenen und erkennbar fortdauernden Schadensfolgen begehrt. Sie hat insofern nur ein "erstrangiges") Teilschmerzensgeld gefordert. Dieses Begehren war jedoch im Hinblick auf die Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes unzulässig, denn ihrem Klagevortrag lässt sich nicht entnehmen, auf welche quantitativ abgrenzbaren und eindeutig individualisierbaren Teile die Klägerin ihren (einheitlichen) Anspruch begrenzt wissen wollte. Ihr Vortrag verhält sich hierzu nicht hinreichend. Amts- und Landgericht haben im Vorverfahren hierauf auch nicht hingewiesen. Die Teilklage ist deshalb auch nicht als unzulässig, sondern unzutreffenderweise als unbegründet abgewiesen worden. Der Streitgegenstand ist im Vorverfahren letztlich unklar geblieben. Dieser Umstand hat Auswirkungen auf die Rechtskraftwirkung des Urteils des Amtsgerichts. Hat die Teilklage - wie hier - keinen individualisierbaren Streitgegenstand, vermag das klageabweisende Urteil auch keine materielle Rechtskraft zu entfalten; denn es bleibt letztlich unklar, welcher konkrete Sachverhalt im Hinblick auf den eingeschränkten Antrag eines Teilschmerzensgeldes im Rahmen einer Teilklage den Gegenstand des Urteils bildet. Insofern kann im Streitfall weder eine entgegenstehende Rechtskraft noch eine Tatsachenpräklusion durch das rechtskräftige Urteil im Vorverfahren angenommen werden.
Nach alledem ist eine Präklusion des Tatsachenvortrags der Klägerin durch (formelle) Rechtskraft des Rechtsstreits im Vorprozess nicht eingetreten.
2. Haftungsgrund
a) Die Beklagte haftet als Tierhalterin für die Unfallfolgen nach § 833 Satz 1 BGB in vollem Umfang. Eine typische Tiergefahr äußert sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbstständigen Verhalten des Tieres. Diese Voraussetzung kann zwar fehlen, wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt und nur daraus der Schaden resultiert, weil er in einem solchen Fall allein durch den Menschen verursacht wird. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn ein Pferd auf die - unter Umständen fehlerhafte - menschliche Steuerung anders als beabsichtigt reagiert. Denn diese Reaktion des Tieres und die daraus resultierende Gefährdung haben ihren Grund in der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens. Das tierische Verhalten muss auch nicht die einzige Ursache des eingetretenen Unfalls sein. Es genügt vielmehr, wenn das Verhalten des Tieres für die Entstehung des Schadens adäquat mit ursächlich geworden ist (vgl. zu Vorstehendem insgesamt BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005, VI ZR 225/04, Seite 5 f. des Urteilsabdrucks).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Die Klägerin hat, wie das Landgericht zutreffend feststellt, auf Grund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme bewiesen, dass sie durch das Pferd der Beklagten verletzt worden ist und sich hierbei dessen spezifische Tiergefahr verwirklicht hat. Die Zeugin S. hat bekundet, dass R. während ihres Gesprächs mit der Klägerin mit seiner Hinterhand an einem Draht gespielt und sich dabei an ihm verhakt habe. Nach Beendigung des Gesprächs habe die Klägerin das Kommando zum Weiterreiten gegeben, woraufhin sich das Pferd erschreckt und einen Satz nach vorn gemacht habe, um - nach Auffassung der Zeugin - vom Draht loszukommen. R sei dann gestiegen und sehr schnell gelaufen, wobei die Klägerin schon nach zehn Metern vom Pferd gefallen sei. Dieser Sachverhalt, den das Landgericht seinem Urteil zu Grunde gelegt hat und an dem kein Anlass zu Zweifeln besteht, führt zu dem Schluss, dass die Klägerin durch das willkürliche Verhalten des Pferdes verletzt worden ist. Denn obwohl sich das Tier unter ihrer Leitung befand, galoppierte es los, stieg und folgte nicht mehr den Einwirkungen und Hilfen seiner Reiterin. Das Verhaken der Hinterhand in einem Draht war zwar Auslöser für das Verhalten des Pferdes, es war jedoch hierdurch nicht etwa äußeren Kräften in einem Maße ausgesetzt, dass es nur noch die Möglichkeit zu dem schädigenden Verhalten gehabt hätte. In jedem Fall ist das eigentümliche Verhalten von R. für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden. Der Berufung kann deshalb nicht darin gefolgt werden, dass sich das Pferd unter Führung der Klägerin quasi nicht anders habe verhalten können.
Das Landgericht hat insoweit auch nicht seine Hinweispflicht gegenüber der Beklagten verletzt. Wenn die Klägerin sich im Vorprozess im Hinblick auf den Unfallhergang auf die Zeuginnen S.-O. und H. bezogen hat, so war das Landgericht weder gehalten, die Zeuginnen von Amts wegen zu vernehmen noch die Beklagte darauf hinzuweisen, dass sie noch keine (Gegen-) Zeugen benannt habe. Die Beklagte hat im vorliegenden Rechtsstreit die Schilderung des Hergangs bestritten, somit traf allein die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für den behaupteten Unfallhergang. Diese hatte jedoch für den konkreten Hergang die Zeugin S. benannt. Ein Hinweis auf fehlende Gegenzeugen hingegen war nicht erforderlich, nachdem das Landgericht ausweislich des Terminsprotokolls vom 2. Februar 2006 das Beweisergebnis mit den Parteivertretern erörtert hat. Im Übrigen ist aus dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten nicht zu erkennen, dass sie sich das Vorbringen der Klägerin aus dem Vorprozess zu Eigen gemacht hat. Vielmehr hat sie erstinstanzlich auf das Vorverfahren hingewiesen, um die Widersprüchlichkeit des Tatsachenvortrags der Klägerin in beiden Verfahren herauszustellen und im Hinblick auf die rechtskräftige Entscheidung im Vorprozess eine Tatsachenpräklusion geltend zu machen. Der Beweisantritt der Beklagten in der Berufungsbegründung ist nach alledem verspätet (§ 531 Abs. 2 ZPO).
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin nicht zu beweisen, dass sie die bei der Leitung des Pferdes erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder dass ein Mangel an Sorgfalt für den Schadenseintritt nicht ursächlich gewesen ist. Dies wäre nur der Fall, wenn die Klägerin auf Grund vertraglicher Pflichten die Obhut über das Pferd übernommen hätte ( BGH VersR 1972, 1047 [BGH 26.06.1972 - III ZR 32/70]; OLG Düsseldorf, VersR 1981, 82; Terbille, VersR 1995, 129, 131 f.; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., § 833 Rn. 22). Eine vertragliche Verbindung der Parteien ist im Streitfall indes nicht festzustellen. Die Parteien sind nicht durch einen Vertrag verbunden gewesen, vielmehr handelte es sich nur um ein Gefälligkeitsverhältnis ohne vertragliche Bindung. Dies hat die Beklagte in 1. Instanz auch zugestanden. Nachdem sie zunächst behauptet hatte, die Parteien hätten sich auf Grund einer verpflichtenden Absprache die Reitmöglichkeit mit R. während des gemeinsamen Urlaubs teilen wollen und die Klägerin durchaus einen Anspruch auf Überlassung des Pferdes gehabt habe, hat die Beklagte nach der Entgegnung der Klägerin, es habe sich um ein reines Gefälligkeitsverhältnis gehandelt, ausdrücklich mit Schriftsatz vom 27. Juni 2005 (GA 47) unstreitig gestellt, dass es eine konkrete Nutzungsvereinbarung nicht gegeben habe. Soweit mit der Berufung nunmehr wiederum behauptet wird, dass die Parteien mit Rechtsbindungswillen einen Leihvertrag im Sinne von § 598 BGB geschlossen hätten, ist der in dieser Rechtstatsache liegende Vortrag neu und in der Berufungsinstanz gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, zumal eine Entschuldigung für den verspäteten neuen Vortrag nicht dargetan ist.
Im Übrigen ist der neue Vortrag nicht durch Tatsachen untermauert. Allein der Umstand, dass die Klägerin sich ein anderes Pferd hätte mieten müssen, wenn sie nicht R. hätte reiten können, spricht ebenso wenig für den Abschluss eines Leihvertrages zwischen den Parteien wie die Planung eines gemeinsamen Reiturlaubs insgesamt. Darüber hinaus gibt es auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ein Leihvertrag zumindest auf Grund formloser Einigung stillschweigend bei dem Ausritt der Klägerin am 29. März 2002 zu Stande gekommen war. Die Klägerin hat in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen, sie sei mit R. ausgeritten, weil die Beklagte von der Anfahrt zum Urlaubsziel zu müde gewesen sei, das Pferd noch zu bewegen. Anlass und Zweck der Überlassung sprechen ebenso wie die Interessenlage der Parteien klar für ein Gefälligkeitsverhältnis. Den Ausritt hat die Klägerin nicht allein aus eigenem Interesse durchgeführt, sondern auch im Interesse der Beklagten, da das Pferd nach dem langen Transport noch bewegt werden musste und die Beklagte sich hierzu nicht in der Lage sah. Zu weiteren Überlassungen des Pferdes an die Klägerin ist es nicht mehr gekommen, weil der Unfall am ersten Tag der Reise geschah. Aus der tatsächlichen Handhabung der Überlassung des Pferdes kann deshalb angesichts der konkreten Umstände des Streitfalls nicht geschlossen werden, dass ein Leihvertrag zu Stande gekommen ist.
c) Die Annahme eines Gefälligkeitsverhältnisses schließt die Tierhalterhaftung, auf die sich grundsätzlich auch der Reiter auf dem Pferde berufen kann, nicht aus, vielmehr ist anerkannt, dass eine generelle Haftungsfreistellung aus dem Gesichtspunkt der Gefälligkeit dem Tierhalter nicht zu Gute kommt (vgl. nur BGH NJW 1992, 2474 [BGH 09.06.1992 - VI ZR 49/91]).
d) Soweit die Beklagte die Haftungsbeschränkung gemäß § 599 BGB geltend macht, bleibt ihr Vorbringen ebenfalls ohne Erfolg. Eine analoge Anwendung des § 599 BGB auf die außervertragliche Gefälligkeitsleihe ist abzulehnen, soweit keine Anspruchskonkurrenz von Ansprüchen aus vertraglicher Leihe und Delikt bestehen. Eine analoge Anwendung bei Vorliegen eines Gefälligkeitsverhältnisses hat der Bundesgerichtshof abgelehnt und in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass im Rahmen eines Leihvertrages die Einschränkung des vertraglichen Haftungsmaßstabes ein Äquivalent für die Unentgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung darstelle; die Haftungseinschränkung könne nicht isoliert auf das Deliktsverhältnis übertragen werden, dem dieser Äquivalentsgedanke fremd sei ( BGH NJW 1992, 2474 [BGH 09.06.1992 - VI ZR 49/91]). Demnach kommt in Fällen, in denen es - wie hier - an einem Vertragsverhältnis gem. §§ 598 ff BGB fehlt, die analoge Anwendung des § 599 BGB im Deliktsrecht nicht in Betracht.
e) Auch ein Haftungsausschluss nach den Grundsätzen des Handelns auf eigene Gefahr ist nicht anzunehmen. Grundlage eines solchen Haftungsausschlusses ist der Grundsatz von Treu und Glauben und das sich hieraus ergebene Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Hiernach ist es nicht zulässig, dass der Geschädigte den Beklagten als Schädiger in Anspruch nimmt, wenn er sich bewusst in eine Situation drohender Eigengefährdung begeben hat. Nur bei derartiger Gefahrenexponierung kann von einer bewussten Risikoübernahme mit der Folge eines vollständigen Haftungsausschlusses für den Schädiger ausgegangen werden. Im Rahmen der Tierhalterhaftung kommt insofern eine vollständige Haftungsfreistellung des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, wenn beispielsweise der Geschädigte sich mit der Übernahme des Pferdes oder der Annäherung an ein solches bewusst einer besonderen Gefahr aussetzt, die über die normalerweise mit dem Reiten oder der Nähe zu einem Pferd verbundenen Gefahr hinausgeht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn ein Tier erkennbar böser Natur ist oder erst zugeritten werden muss oder wenn der Ritt als solcher spezifischen Gefahren unterliegt, wie beispielsweise beim Springen oder bei der Fuchsjagd (vgl. zu Vorstehendem insgesamt BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005, VI ZU 225/04, Seite 7, 8 des Urteilsabdrucks).
Für einen vollständigen Haftungsausschluss ist hiernach im Streitfall kein Raum. Die Beklagte hat erstinstanzlich selbst vorgetragen, dass die Klägerin das Pferd jahrelang zuvor mitgeritten habe und mit diesem sehr vertraut gewesen sei. Die Klägerin hat dies zwar nicht vollständig bestätigt, jedoch auch erklärt, dass die Klägerin R. gepflegt und geritten habe. Die Beklagte hat darüber hinaus auch nicht dargetan, dass das Tier selbst problematisch oder gefährlich gewesen sei. Soweit sie darauf abstellt, dass bereits das selbstständige Ausreiten in unbekanntem Gelände eine bewusste Gefahrübernahme darstelle, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar übernimmt der Reiter beim selbstständigen Ausritt deutlich allein die Verantwortung für das Pferd und dessen Verhalten. Er will es als Reiter allein anleiten und beherrschen und setzt sich dabei gerade auch mit der unberechenbaren Natur des Pferdes auseinander, das sich ihm unterordnen soll. Damit tritt die Gefahr, die der Tierhalter durch sein Tier für Außenstehende setzt, zurück gegenüber dem eigenverantwortlichen Handeln des Reiters, der sich bewusst dem unberechenbaren Verhalten des Pferdes und der dadurch für ihn bestehenden Gefahr aussetzt. Indessen besteht diese Situation stets dann, wenn jemand ein Pferd besteigt, um es zu reiten. Derjenige, der allein und selbstständig ausreitet, übernimmt insoweit keine erhöhte Gefahr (vgl. zu Vorstehendem insgesamt BGH NJW 1986, 2883, 2884 [BGH 24.06.1986 - VI ZR 202/85]). Um ein Handeln auf eigene Gefahr anzunehmen, müssen gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Reiter im Einzelfall weitere Risiken übernommen hat, die über diejenigen eines gewöhnlichen Ritts, wozu auch ein selbstständiger Ausritt ins Gelände gehört, hinausgehen. Dafür ist im Streitfall nichts ersichtlich. Soweit die Beklagte unter Hinweis auf die ältere Judikatur bereits das bloße Ausreiten oder gar das Dressurreiten als die bewusste Übernahme eines solchen erheblichen Risikos darstellt, folgt der Senat dem mit der jüngeren höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ( BGH, Urteil vom 20. Dezember 2005, VI ZR 225/04 a.a.O.; BGH NJW 1986, 2883, 2884 [BGH 24.06.1986 - VI ZR 202/85]; OLG Hamm NJW-RR 2001, 390, 391) in der Allgemeinheit nicht. Nach den Umständen des Streitfalls kann die Übernahme einer besonderen Gefährdungslage nicht festgestellt werden. Die Klägerin hat offensichtlich Wege im Gelände benutzt, die vielfach von Reitern frequentiert werden. Die Zeugin S, die mit ihrer Freundin ebenfalls diesen Weg beritt, hat in ihrer Aussage auf eine Reitergruppe verwiesen, die zuvor die Schadensstelle passiert hatte. Insofern erscheint es nicht plausibel, dass sich die Klägerin bei dem von ihr eingeschlagenen Reitweg besondern Gefahren ausgesetzt hätte. Die Beklagte hat des Weiteren auch keine besonderen Schwierigkeiten des Geländes dargetan, die besondere Anforderungen an die Klägerin gestellt hätten. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin sei müde gewesen, ist dem gegenüber ohne jede Substanz. Allein aus dem Umstand, dass die Parteien eine längere Anfahrt zu ihrem Urlaubsdomizil hinter sich hatten und die Beklagte müde gewesen ist, vermag der Senat jedenfalls nicht zu schließen, dass die Klägerin sich in einer Verfassung befunden habe, in der ein Ausritt als Übernahme einer besonderen Gefahr angesehen werden könnte.
f) Dem gegenüber weist die Beklagte in ihrer Berufung zu Recht darauf hin, dass im Rahmen des von ihr den Ansprüchen der Klägerin eingewandten Mitverschuldens im Sinne von § 254 BGB eine Anwendung des § 834 BGB zu Lasten der Klägerin in Betracht zu ziehen ist. Auch im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses kann es angezeigt sein, dass bei Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage hinsichtlich der Einfluss- und Aufklärungsmöglichkeiten des geschädigten Reiters zum Zwecke der Begrenzung der Tierhalterhaftung des Tierhalters die Beweislastregeln des § 834 BGB im Rahmen des Mitverschuldens entsprechend anzuwenden sind (vgl. nur BGH NJW 1992, 2474, 2476 [BGH 09.06.1992 - VI ZR 49/91]; einschränkend: BGH NJW 1993, 2611, 2612 [BGH 22.12.1992 - VI ZR 53/92]). Im Streitfall ist die Interessenlage, die § 834 BGB zu Grunde liegt, vergleichbar. So ist es anerkannt, dass derjenige, der ein gemietetes Pferd selbstständig ausreitet, in der Regel Tierhüter im Sinne von § 834 BGB ist (vgl. BGH NJW 1987, 949, 950 [BGH 30.09.1986 - VI ZR 161/85]). Dem liegt ebenfalls die Wertung zu Grunde, dass sich der Tierhalter durch das selbstständige Ausreiten jeder Einflussmöglichkeit auf das Pferd begibt und allein der Reiter Einfluss- und Aufklärungsmöglichkeiten im Hinblick auf das konkrete Geschehen hat. Ein solcher Befund kann auch im Streitfall angenommen werden, sodass sich die Klägerin gegenüber dem Vorwurf des Mitverschuldens zunächst dem. § 834 Satz 2 BGB zu entlasten hätte. Letztlich kann dies dahingestellt bleiben, weil die Klägerin jedenfalls den Entlastungsbeweis geführt hat und ein Mitverschulden ihrerseits nicht festgestellt werden kann.
Das Landgericht hat sich auf Grund der Aussage der Zeugin S. die Überzeugung gebildet, dass der am Boden befindliche Draht, der Auslöser für die Reaktion des Pferdes war, für die Klägerin nicht erkennbar gewesen ist. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Zeugin hat ausgeführt, dass der Untergrund des betreffenden Wegstücks aus niedergetretenem Gras bestanden und es sich um eine Art Trampelpfad gehandelt habe. Der Draht, der dünn und heruntergetreten gewesen sei, habe sich zudem nicht direkt auf dem Weg, sondern seitlich davon befunden. Erst als sich die Klägerin mit dem Pferd während des gemeinsamen Gesprächs gedreht habe, sei dieses in den Bereich des Drahtes geraten. Der Draht sei (wohl) nicht zu sehen gewesen; nur weil das Pferd damit gespielt habe, sei sie, die Zeugin, auf den Draht aufmerksam geworden. Mit dem Landgericht kann angesichts dieser Aussage, an deren Glaubhaftigkeit auch das Landgericht keinerlei Zweifel gehegt hat, angenommen werden, dass der Draht im Bereich der Unfallstelle nicht ohne weiteres erkennbar gewesen ist. Er ist der Zeugin auch nur wegen des Verhaltens von R. während des Gesprächs aufgefallen. Der Weg selbst hat aus heruntergetretenem Gras bestanden, sodass es nahe liegt, dass der seitlich am Boden liegende Draht neben dem Trampelpfad im Gras nicht erkennbar gewesen ist. Die Zeugin hat auch nicht bekundet, dass der Draht als Begrenzung an dem Weg bis zur Unfallstelle etwa sichtbar gewesen wäre, denn sie hat ihn auch erst bei dem Gespräch mit der Klägerin wahrgenommen. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausgeführt hat, dass im besagten Bereich an der Seite des Weges über viele hundert Meter ein niedriger Draht gespannt sei, kann nicht festgestellt werden, dass sich ihr Vortrag konkret auf die Stelle bezieht, an der sich R. verhakt hat, sondern auf den weiteren Bereich. Die Ausführungen der Beklagten vermögen die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin, die vor dem Landgericht auf Grund mehrerer Nachfragen, die Art und Lage des Drahts präzise beschrieben hat, nicht zu erschüttern. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin den Draht schon zuvor in einem anderen Bereich, durch den sie geritten ist, hätte erkennen können, sodass sie ihr Verhalten an der Unfallstelle entsprechend hätte einstellen müssen. Mit dem Landgericht ist ferner davon auszugehen, dass die Klägerin nicht etwa die von der Zeugin geschilderte Nervosität von R. hätte zum Anlass nehmen müssen, den Boden nach Hindernissen abzusuchen oder vom Pferd abzusteigen. Es ist allgemein bekannt, dass Pferde im Gelände auf die Einflüsse der Umwelt (Nähe anderer Tiere, Reiter, Geräusche etc.) reagieren. Da die Zeugin zudem geäußert hat, dass sie die Klägerin nicht auf den Draht hingewiesen habe, gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin den Draht wahrgenommen hat oder hätte wahrnehmen können. Das Hineindrehen von R. in den seitlichen Bereich des Weges, in dem sich der Draht befand, im Laufe des Gesprächs mit der Zeugin stellt deshalb keinen schuldhaften Verursachungsbeitrag für den Schaden dar.
Die Berufung hat auch keinen Erfolg, soweit sie geltend macht, dass ein Verschulden darin liege, dass die Klägerin während des Gesprächs mit der Beklagten nicht vom Pferd abgesessen sei. Schon nach dem Vorbringen der Beklagten lässt sich nicht feststellen, dass R. durch die Nähe zu den Ponys der Zeugin S. und ihrer Begleiterin "nervös" geworden ist. Die Aussage der Zeugin legt vielmehr nahe, dass das Pferd im Zuge des Spielens mit dem Draht nervös geworden sei. Dass eine Gefahrerhöhung durch das auf dem Pferderücken geführte Gespräch eingetreten ist oder das dieses gar unfallursächlich geworden wäre, ergibt sich aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht. Vielmehr realisierte sich das Schadensereignis erst durch das Kommando der Klägerin zum Weiterreiten nach Beendigung des Gesprächs mit der Zeugin, erst dann erfolgte die Reaktion des Pferdes, das Erschrecken und das Durchgehen, das letztlich zum Unfall führte. Unabhängig von der Frage, auf welcher Tatsachengrundlage das von der Beklagten beantragte Sachverständigengutachten erstattet werden soll, ist ein solches allein deshalb nicht einzuholen, weil auf Grund des unstreitigen und bewiesenen Sachverhalts eine Unfallursächlichkeit durch das Verbleiben auf dem Pferderücken während des Gesprächs für den Unfall nicht erkennbar ist. Es verbleibt deshalb dabei, dass die Beklagte in vollem Umfang haftet.
3. Schadenshöhe
a) Schmerzensgeld
Zu Unrecht greift die Beklagte die Höhe des vom Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldes an. Die Beklagte hat zwar die Klageansprüche dem Grunde und der Höhe nach bestritten, sie hat jedoch nicht den vereinzelten Vortrag der Klägerin zu ihren unfallbedingten Verletzungen und Therapie- bzw. Rehabilitationsmaßnahmen erstinstanzlich in Abrede genommen. Hier hätte sie angesichts der vorgelegten Arztberichte konkret bestreiten müssen, dass eine Unfallbedingtheit der geklagten Beschwerden gegeben sei. Dies ist jedoch nicht erfolgt. In Bezug auf das geltend gemachte Schmerzensgeld hat die Beklagte nur zur Höhe geltend gemacht, dass der rechtskräftig durch Urteil des Amtsgerichts N. aberkannte Schmerzensgeldbetrag von 2 000 € in Abzug gebracht werden müsse und die von der Klägerin behaupteten Beeinträchtigungen allenfalls ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 40 000 € rechtfertigten. Hiermit ist jedoch die Unfallbedingtheit der durch die vorgelegten ärztlichen Atteste dezidiert dargelegten Beeinträchtigungen nicht in Frage gestellt worden. Für das Landgericht bestand deshalb auch kein Anlass, ein Sachverständigengutachten über den Unfall der unfallbedingten Beeinträchtigungen und deren Fortdauer einzuholen. Ein erstmaliges Bestreiten der Berufungsinstanz ist deshalb verspätet und nicht zu berücksichtigen. Der Senat hat sich darüber hinaus anlässlich der Anhörung der Klägerin davon überzeugt, dass sie noch nicht alle unfallbedingten Beeinträchtigungen überwunden hat.
Die Arbeitsunfähigkeit seit dem Schadensereignis ist durch die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Berichte hinlänglich belegt und in 1. Instanz nicht in Abrede genommen worden. Auch der von der Beklagten selbst vorgelegte ärztliche Bericht der W-Klinik vom 12. Februar 2004 verhält sich auf Bl. 1 sowie auf Bl. 2/7 zur fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin und im Übrigen zu den bei ihr fortbestehenden körperlichen Defiziten.
Das Landgericht hat nach alledem bei der Bemessung der Höhe des zuzuerkennenden Schmerzensgeldes den Sachverhalt vollständig ausgeschöpft und in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung (UA 10,11), auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, zu Recht auf die von der Klägerin dargelegten Beeinträchtigungen abgestellt. Dabei hat das Landgericht weder die Ausgleichsfunktion als maßgebliches Kriterium der Schmerzensgeldbemessung noch die Vergleichsrechtsprechung verkannt. Das Ausmaß und die Schwere der physischen und psychischen Beeinträchtigungen, das Maß der Lebensbeeinträchtigungen für die zum Unfallzeitpunkt erst 21 Jahre alte Klägerin auch etwa durch eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit und die Fraglichkeit der endgültigen Wiederherstellung rechtfertigen das vom Landgericht festgesetzte Schmerzensgeld auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen. Der Senat nimmt Bezug etwa auf die bei Slizyk (Beck‘sche Schmerzensgeld-Tabelle, 4. Aufl., dort Seiten 109 - 113 unter Nrn. 1051, 1719, 2754, 2385, 1700, 1774, 1556, 2721) aufgeführten Fälle. Das zuerkannte Schmerzensgeld hält sich in diesem Rahmen und ist vom Senat nicht zu beanstanden.
b) Materieller Schadensersatz
aa) Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass sie bereits in 1. Instanz die Höhe des monatlichen Bruttolohns von 1 700 € für eine auf ein Jahr befristete Tätigkeit ab 1.9./1.10. 2002 der Klägerin für die DMG S.D. GmbH bestritten hat. Nicht in Abrede hat die Beklagte allerdings genommen, dass das Arbeitsverhältnis tatsächlich ohne den Unfall zu Stande gekommen wäre. Die Klägerin hat hierzu die von ihrem künftigen Arbeitgeber ausgefüllte Bescheinigung zur Vorlage bei der BfA vom 1. Oktober 2004 (GA 29) beigefügt. Soweit das Landgericht im Wege der Schadensschätzung gem. § 287 ZPO einen Nettoverdienst von monatlich 1 200 € zuzüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld zu Grunde legt, hat es den Rahmen des ihm eingeräumten Schätzermessens nicht überschritten. Der Verdienst erscheint für eine ausgebildete Industriekauffrau bei einer vereinbarten Wochenarbeitszeit von 35 Stunden als nachvollziehbar. Da die Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 12 425,04 € im Jahr für den Zeitraum des hypothetischen Arbeitsverhältnisses nicht bestritten ist, hat das Landgericht zu Recht einen Differenzbetrag zwischen dem hypothetischen Nettoverdienst und der gezahlten Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von insgesamt 3 327,00 € zugesprochen. Die Berufung hat insofern keinen Erfolg.
bb) Zu Recht greift die Beklagte jedoch die vom Landgericht als Schadensersatz zuerkannten Besuchsfahrten der Eltern an. Das Landgericht hat insofern einen pauschalen Betrag von 500 € zu Grunde gelegt. Allerdings hat es verkannt, dass die Klägerin selbst nicht ausreichend zur Erstattungsfähigkeit von Fahrtkosten naher Angehöriger vorgetragen hat. Derartige Fahrtkosten sind wegen ihrer engen Verbundenheit mit den zu ersetzenden Heilungskosten nur dann als Schadensposition anzuerkennen, wenn die Besuchsfahrten für die Gesundung notwendig sind (vgl. BGH VersR 1991, 559 [BGH 19.02.1991 - VI ZR 171/90]). Hierfür gibt es im Vortrag der Klägerin keinen Anhaltspunkt. Von den in der Klageschrift (dort Seite 8) geltend gemachten Besuchsfahrten sind insgesamt 750 km von der als Gesamtkilometerzahl errechneten Strecke von 2 140 km abzuziehen. Statt der begehrten 577,80 € wären insofern nur 375,30 € zuzusprechen. Insofern hat die Berufung in Höhe von 124,70 € Erfolg.
c) Sonstige Schadenspositionen
Soweit die Berufung Kosten für Fernseh- und Telefonbenutzung in Höhe von insgesamt 170 € und die Erstattungsfähigkeit der eigenen Teile an den Krankenhauskosten über 126 € insgesamt rügt, hat die Berufung ebenfalls zum Teil Erfolg. Während die Telefonkosten als Schadensposition zu akzeptieren sind (vgl. OLG Köln NJW 1988, 2957 [OLG Köln 13.04.1988 - 2 U 141/87]), gilt dies jedoch nicht für die Kosten des Fernsehgeräts, da dieser nur zur Vertreibung der Langeweile dient (so etwa Küppersbusch, Personenschäden, 8. Aufl., Rn. 167). Der Senat schätzt als Anteil der Telefonkostenrechnungsbetrag die Hälfte, sodass die weiteren 85 € nicht erstattungsfähig sind.
Zur Zuzahlung des Eigenteils ist auszuführen, dass der Forderung der Klägerin ihre Eigenersparnis durch Verpflegung in den Krankenhäusern gegenübersteht (vgl. OLG Celle, NZV 1991, 228), § 287 ZPO.
Nach alledem ist lediglich der materielle Schadensersatz um (124,70 € Fahrtkosten, 85 € Fernsehkosten, 126 € Zuzahlung für die Krankenhausaufenthalte =) insgesamt 335,70 € zu kürzen.
4. Feststellungsanspruch
Die Klägerin begehrt zu Recht die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle Schäden. Die Klage ist insofern zulässig und auch begründet. Allein der Umstand, dass die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig ist, legt es nahe, das ihr auch künftig Erwerbsschäden entstehen. Angesichts der in den ärztlichen Berichten aufgeführten körperlichen Defizite, stehen noch weitere berufliche Rehabilitationsmaßnahmen zur Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit an, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass weitere Kosten als unfallbedingte Schäden entstehen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1 i.V.m. 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.