Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 29.11.2006, Az.: 15 UF 147/06

Einwand unzulässiger Rechtsausübung hinischtlich der Geltendmachung von Trennungsunterhalt bei Verwirkung der Ansprüche

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.11.2006
Aktenzeichen
15 UF 147/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 35743
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2006:1129.15UF147.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lehrte - 14.06.2006 - AZ: 8 F 8155/05

Fundstellen

  • FF 2007, 152-154 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • ZFE 2007, 350-351 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Trennungsunterhalt

In der Familiensache
...
hat der 15. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B........ sowie
die Richter am Oberlandesgericht Dr. M........ und Dr. S........
auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2006
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. Juni 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Lehrte wird zurück gewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

I.

Die Parteien sind seit dem 19. Januar 2005 rechtskräftig (8 F 8311/03 AG L. ....... ) geschiedene Eheleute. Die Klägerin hat Trennungsunterhalt von insgesamt 11.523,67 EUR für die Zeit vom 1. Juni 2002 bis zum 18. Januar 2005 eingeklagt. Das Amtsgericht hat Verwirkung des Anspruchs angenommen und die Klage abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

2

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin den geltend gemachten Anspruch weiter.

3

II.

Die Berufung ist unbegründet.

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Unter den vorliegenden Umständen steht der Geltendmachung von Trennungsunterhalt (§ 1361 Abs. 1 S. 1 BGB) durch die Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen, weil der Beklagte zum Zeitpunkt der - durch Zustellung der Klageschrift vom 14. März 2005 am 4. April 2005 bewirkten (§ 253 Abs. 1 ZPO) - Klageerhebung nicht mehr mit seiner Inanspruchnahme rechnen musste und sich darauf eingestellt hat.

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Zwar müssen die einzelnen Unterhaltszeiträume innerhalb der streitigen Zeit vom 1.Juni 2002 bis zum 18. Januar 2005 gesondert betrachtet werden, weil ein Unterhaltsanspruch nicht verwirkt sein kann, bevor er fällig geworden ist. Insoweit hat der Bundesgerichtshof aus den Regelungen der §§ 1585 b Abs. 3, 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB gefolgert, dass das Zeitmoment bei Verstreichen lassen einer Frist von mehr als einem Jahr erfüllt sein kann (vgl. BGH FamRZ 1988, 370, 372 f.; 2002, 1698, 1699 f. [BGH 23.10.2002 - XII ZR 266/99]). Aber daraus folgt nicht, dass eine Verwirkung von im letzten Jahr vor Klageerhebung fällig gewordenen Ansprüchen nicht in Betracht kommt. Vielmehr ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Diese rechtfertigen vorliegend die tatrichterliche Gesamtwürdigung, dass ein eventueller Anspruch der Klägerin sowohl nach Maßgabe des Zeit- wie des Umstandsmoments verwirkt ist.

6

1.

Auf das Anwaltsschreiben der Klägerin vom 17. Juni 2002, in dem zur Auskunft zwecks Berechnung des Trennungsunterhalts und zur Zahlung eines solchen von monatlich mindestens 840 EUR ab Juni 2002 aufgefordert wurde, hat der Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 26. Juni 2002 (nur) Unterhaltszahlungen in einer Größenordnung zwischen 50 EUR und 100 EUR monatlich ankündigen lassen. Diese leistete er bis Dezember 2002 und stellte sie dann unter Hinweis auf seine aufgrund der Trennung geänderte steuerliche Veranlagung ein.

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Gleichwohl verfolgte die Klägerin ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt nicht. Stattdessen setzte sie die seit geraumer Zeit zwischen den Parteien schwebenden Verhandlungen über ein als "Ehevertrag und Scheidungsfolgenvereinbarung" bezeichnetes Vertragswerk fort. Die dazu vorgelegten Entwürfe befassten sich jedoch mit der Frage des Trennungsunterhalts gerade nicht. Vielmehr ging es dort - neben der Begründung des Güterstandes der Gütertrennung und dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs - um die Höhe einer der Klägerin zur Abgeltung eines eventuellen Zugewinnausgleichs und zur Auseinandersetzung gemeinsamen Vermögens zu zahlenden Abfindung (§ 5 des Entwurfs) und um einen gegenseitigen Verzicht auf "Unterhaltsansprüche für den Fall der rechtskräftigen Scheidung", mithin auf nachehelichen Unterhalt (§ 6), ferner um die Freistellung der Klägerin von Unterhaltsansprüchen des im Haushalt des Beklagten lebenden, am 25. November 1985 geborenen Sohnes E. ....... (§ 7). Deshalb bestand für die Klägerin aller Anlass, einen von ihr für gegeben erachteten Anspruch auf Trennungsunterhalt geltend zu machen, insbesondre nachdem der Beklagte seine ohnehin geringfügigen Zahlungen ganz eingestellt hatte. Indem sie dies unterlassen hat, brachte sie dem Beklagten gegenüber zum Ausdruck, dass es ihr im Ergebnis um den Abschluss der angestrebten Vereinbarung und nicht um die Deckung des behaupteten Unterhaltsbedarfs ging. Denn von einem bedürftigen Unterhaltsgläubiger ist eine zeitnahe Realisierung seines Anspruchs zu erwarten.

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2.

Der danach aus der Sicht eines unbeteiligten und vernünftigen Dritten entstandene Eindruck verfestigte sich durch das Anwaltsschreiben vom 5. September 2003. Dort wird auf Seite 3 die Bereitschaft der Klägerin erklärt, "bei Nichterhebung von Barkindesunterhalt" durch den Beklagten "unter gewissen Voraussetzungen ... die ihr zustehenden Trennungsunterhaltsansprüche ruhen zu lassen". Auf Seite 4 wird für den Fall der gerichtlichen Geltendmachung von Kindesunterhalt das Einklagen von Trennungsunterhalt angekündigt. Dies durfte der Beklagte gemäß § 133 BGB dahin verstehen, dass er beim Ausbleiben von Unterhaltsforderungen für den Sohn E. ....... nicht mit einer Klageerhebung betreffend Trennungsunterhalt zu rechnen brauchte. Dem entsprechend hat er auch keinen Kindesunterhalt geltend gemacht. Soweit, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Verhandlungstermin am 10. November 2006 ausgeführt hat, mit der Formulierung "unter gewissen Voraussetzungen" das Zustandekommen der angestrebten Scheidungsfolgenvereinbarung gemeint gewesen sein sollte, ergibt sich dies weder aus dem weiteren Wortlaut des Schreibens noch aus den Umständen.

9

3.

Im Anwaltsschreiben vom 23. September 2004 hat die Klägerin das "endgültige Scheitern außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen" erklären und ankündigen lassen, sie werde "in Kürze" auf die "gesamte Unterhaltsproblematik zurückkommen" und rückständigen wie laufenden Trennungsunterhalt "spezifizieren bzw. gerichtlich einklagen". Mit Anwaltsschreiben vom 25. Oktober 2004 hat die Klägerin schließlich zur Zahlung von insgesamt mindestens 10.277,74 EUR für Juni 2002 bis Oktober 2004 eine Frist bis zum 19. November 2004 setzen und für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs ankündigen lassen, "ohne weitere Ankündigung in das gerichtliche Klarstellungsverfahren über(zu)gehen." Ferner ist dort zur Zahlung eines monatlichen Trennungsunterhalts von 425,87 EUR ab November 2004 aufgefordert worden.

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Nachdem die Klägerin auch nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist und nunmehr fast zweijährigem Ausbleiben jeglicher Zahlungen des Beklagten auf den Trennungsunterhalt nicht wie angekündigt Klage erhoben sondern nur ca. acht Wochen nach Fristablauf am 19. Januar 2005 im Verfahren 8 F 8311/03 AG Lehrte bei Rechtsmittelverzicht einen eigenen Scheidungsantrag gestellt und im Hinblick auf das Bestehen einer neuen Partnerschaft (siehe unter 4.) von der Geltendmachung nachehelichen Unterhalts abgesehen hat, musste der Beklagte nicht mehr mit der Geltendmachung von Trennungsunterhalt rechnen.

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4.

Darauf, ob (wovon das Amtsgericht für die Zeit ab Oktober 2004 ausgeht) neben der allgemeinen Verwirkung des Trennungsunterhalts nach § 242 BGB auch eine solche nach §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 7 BGB anzunehmen ist, weil die Klägerin jedenfalls am 1. April 2003 zu ihrem neuen Partner in dessen Wohnung gezogen war, kommt es nach dem oben festgestellten Geschehensablauf nicht mehr an.

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5.

Davon, dass sich der Beklagte auf die ausbleibende Inanspruchnahme eingestellt hat, kann hier auch im Hinblick auf seine von den Parteien dargestellten wirtschaftlichen Verhältnisse ausgegangen werden, weshalb das Umstandmoment als gegeben anzusehen ist .

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II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

14

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Brick
Dr. Meyer-Holz
Dr. Schwonberg