Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.11.2006, Az.: 9 U 59/06

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
15.11.2006
Aktenzeichen
9 U 59/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 42144
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2006:1115.9U59.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 11.04.2006 - AZ: 4 O 305/04
nachfolgend
BGH - 11.02.2008 - AZ: II ZR 291/06

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 11. April 2006 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.

  4. 4.

    Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter den Beklagten als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin in Anspruch wegen Zahlungen, die der Beklagte für die Gemeinschuldnerin nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vorgenommen habe.

2

Der Beklagte war ursprünglich Geschäftsführer und Alleingesellschafter der SL GmbH. Mit notarieller Urkunde Nr. 127/03, die der im vorliegenden Rechtsstreit zum Prozessbevollmächtigten des Beklagten bestellte Notar S am 2. Juni 2003 errichtet hat, veräußerte der Beklagte seine Gesellschaftsanteile an Herrn W zum Kaufpreis von 35 000,00 €. Die Wirksamkeit des Vertrages wurde in § 3 von der aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht, dass der Erwerber einen Betrag in Höhe von 25 000,00 € an den Beklagten zahlte. Zu einer derartigen Zahlung kam es nicht. Gemäß Teil II derselben notariellen Urkunde hielt Herr W "als neuer Gesellschafter" (GA 148) sofort eine Gesellschafterversammlung ab und berief sich selbst anstelle des Beklagten zum neuen alleinigen Geschäftsführer.

3

In einem an den Erwerber gerichteten Brief vom 2. Juni 2003, der den Eingangsstempel des Notars 3HA vom 4. Juni 2003 trägt, heißt es:

"Übertragung der Gesellschaftsanteile an der SL GmbH Sehr geehrter Herr W,

hiermit genehmige ich sämtliche Erklärungen, die Sie in der Urkunde des Notars S (UR-Nr. 127/2003) für mich als vollmachtloser Vertreter abgegeben haben. Ich genehmige insbesondere Ihre Erklärung zu Abschnitt II., in dem Sie als vollmachtloser Vertreter Ihre Geschäftsführerbestellung und meine Abberufung als Geschäftsführer beschlossen haben."

4

Am 15. September 2003 wurde der Geschäftsführerwechsel im Handelsregister eingetragen. In der Zeit vom 2. Juli 2003 bis zum 20.08.2003 nahm der Beklagte, der weiterhin alleinige Vollmacht über das Bankkonto der Gesellschaft besaß, für die Gemeinschuldnerin Auszahlungen in Höhe von 127 301,95 € vor. Am 15. September 2003 und danach nahm er weitere Auszahlungen in Höhe von 5 850,51 € vor.

5

Am 4. September 2003 vereinbarten die RS GmbH und der Beklagte, dass die ab diesem Zeitpunkt vom Beklagten durchgeführten Frachttransporte nicht mehr für die Gemeinschuldnerin, sondern für die RS GmbH zu erfolgen hatten. Aufgrund dieser Vereinbarung leistete die RS GmbH Zahlungen an den Beklagten in Höhe von 5 858,00 €.

6

Am 15. September 2003 beantragte der neue Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit. Mit Beschluss des Amtsgerichts Pinneberg vom 16. September 2003 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren und mit Beschluss desselben Gerichts vom 1. Dezember 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte gem. § 64 Abs. 2 GmbHG für die von ihm vorgenommenen Auszahlungen hafte, weil er weder durch die Gesellschafterversammlung am 2. Juni 2003 noch danach mangels Eintritts der aufschiebenden Bedingung als Geschäftsführer abberufen worden sei. Hinsichtlich der von der RS GmbH empfangenen Gelder hat der Kläger ein insolvenzrechtliches Anfechtungsrecht behauptet. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich eines Teilbetrages stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Wegen des weitergehenden erstinstanzlichen Vorbringens und der Entscheidungsgründe des Landgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

8

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung die abgewiesenen Zahlungsansprüche weiter. Hinsichtlich des Anspruchs aus § 64 Abs. 2 GmbHG macht er geltend, das Landgericht habe wesentliche Aspekte seines tatsächlichen Vortrags unberücksichtigt gelassen. Der notarielle Kauf- und Abtretungsvertrag sei wegen Gesetzes- und Sittenwidrigkeit nichtig. Der Beklagte habe den Vertrag nicht abschließen dürfen, weil er bereits längere Zeit zuvor wegen Überschuldung der Gemeinschuldnerin Insolvenz habe beantragen müssen. Das Stammkapital sei aufgebraucht gewesen, so dass der Beklagte § 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG verwirklicht habe. Strafbar habe sich der Beklagte auch gem. § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG gemacht. Der Verkauf einer insolvenzreifen GmbH für 35 000,00 € sei strafbar und sittenwidrig gewesen. Die Genehmigungserklärung vom 2. Juni 2003 sei ebenfalls gesetzes- und sittenwidrig gewesen. Da der notarielle Vertrag am 2. Juni 2003 beurkundet worden sei, habe das auf denselben Tag datierende Genehmigungsschreiben lediglich die Funktion gehabt, die straf- und zivilrechtliche Verantwortung des Beklagten als Geschäftsführer auf den betrogenen Erwerber abzuwälzen. Der Verzicht auf vertraglich vorgesehene Absicherungen durch ein am Tage der notariellen Beurkundung aufgesetztes privatschriftliches Schreiben sei von dem Beklagten nicht plausibel gemacht worden.

9

Die Stellung des Beklagten als faktischer Geschäftsführer ergebe sich auch aus dem vom Landgericht übergangenen Vortrag, dass der Beklagte weiterhin wie ein Geschäftsführer über das Bankkonto der Gemeinschuldnerin verfügt habe. Dies sei nach Urteilserlass von der Volksbank mit Schreiben vom 10. Mai 2006 bestätigt worden. Verdächtig sei auch, dass der Beklagte sein Genehmigungsschreiben vom 2. Juni 2006 erst in der Schlussphase des über 2 Jahre andauernden Prozesses präsentiert habe. Das Landgericht habe die zum faktischen Geschäftsführer ergangene Judikatur unzutreffend auf den Sachverhalt des Streitfalles übertragen. Der Beklagte habe sich nicht in einer Position wie ein Handelnder befunden, der von vornherein keine Organstellung inne gehabt habe. Er sei vielmehr gegenüber der Volksbank als im Handelsregister eingetragener und gegenüber der Volksbank durch Registerauszug ausgewiesener Geschäftsführer tätig geworden. Durch Nichtmitteilung der Änderung habe er weiterhin als Geschäftsführer gehandelt.

10

Hinsichtlich der verauslagten Frachten in Höhe von 5 858,00 € liege ein Fall inkongruenter Deckung vor. Die RS GmbH habe in ihrem Schreiben vom 8. Juni 2004 bestätigt, dass sie sich weiter an den Rahmenvertrag mit der Insolvenzschuldnerin gebunden gesehen habe. In dem Schreiben sei das Wort "direkt" gesperrt geschrieben worden, wodurch die Ausnahme von der an sich gegenüber der Insolvenzschuldnerin bestehenden Zahlungspflicht hervorgehoben worden sei. Außerdem ergebe sich die von der RS GmbH gewollte Vertragsbeziehung daraus, dass auf eine Dispositionsbefugnis des Erwerbers der Geschäftsanteile Bezug genommen worden sei. Demzufolge habe der Beklagte von der RS die Bezahlung erhalten, die er sonst von der Gemeinschuldnerin erhalten hätte.

11

Der Kläger beantragt,

  1. das Urteil des Landgerichts S vom 11. April 2006 - 4 O 305/04 - insoweit abzuändern, als die Klage teilweise abgewiesen wurde und unter Neufassung des Tenors

    1. 1.

      den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 21 609,84 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Januar 2004 zahlen,

    2. 2.

      den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 127 301,95 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klagerweiterung zu zahlen und

    3. 3.

      dem Beklagten hinsichtlich der Klageforderung zu Nr. 2 vorzubehalten, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenz verfahren erhalten hätten, nach Erstattung an die Masse gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.

12

Der Beklagte beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

13

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er erklärt das privatschriftliche Genehmigungsschreiben mit dem Bedürfnis nach einer Möglichkeit, die nachträgliche Genehmigung vollmachtlos abgegebener Erklärungen aussprechen zu können. Von der Nachgenehmigung habe er Gebrauch gemacht, weil er davon ausgegangen sei, die vereinbarten Zahlungen vom Erwerber kurzfristig zu erlangen, da die zukünftige Auftragslage der Gesellschaft äußerst positiv eingeschätzt worden sei und der Erwerber nach außen hin starke Initiative und Fleiß gezeigt habe. Der Erwerber sei damals bereits vier Jahre lang als Transportunternehmer tätig gewesen. Vor dem Verkauf der Geschäftsanteile sei er mit den vorhandenen Bilanzen der Gesellschaft konfrontiert gewesen. Als freiberuflicher kaufmännischer Mitarbeiter sei er vor dem Kauf mehrere Monate im Büro der Gesellschaft tätig gewesen und mit sämtlichen Geschäftsvorfällen vertraut gewesen.

14

Eine Haftung aus § 64 Abs. 2 GmbHG komme nicht in Betracht. Der Beklagte habe die vor seinem Gesellschaftsbeitritt gegebene Verlustsituation unter eigener Verantwortlichkeit zu einer positiven Ertragssituation gewendet. Eine Überschuldung habe sich nicht aufgedrängt und sei für den Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht erkennbar gewesen.

15

Der Beklagte sei nicht faktischer Geschäftsführer gewesen. Er habe der Volksbank über seine Abberufung als Geschäftsführer keine individuelle Mitteilung machen müssen, sondern die Eintragung in das Handelsregister, die am 15. September 2003 erfolgt sei, ausreichen lassen dürfen. Die Unterstützung des Erwerbers habe sich auf die Regelung vereinzelter Bankgeschäfte beschränkt. Es sei Aufgabe des neuen Geschäftsführers gewesen, die Abberufung des Beklagten dem Geldinstitut mitzuteilen und ggf. eine Vollmacht für den Beklagten zu widerrufen. Der Vortrag des Klägers sei hinsichtlich der Einführung des Schreibens der Volksbank vom 10. Mai 2006 als neue Tatsache verspätet. Für die Feststellung einer faktischen Geschäftsführerschaft neben der Tätigkeit eines eingetragenen Geschäftsführers seien Kriterien zu erfüllen, die im Streitfall nicht gegeben seien. Erforderlich sei, dass der Handelnde die Unternehmenspolitik bestimme, Einfluss auf die Unternehmensorganisation nehme, Mitarbeiter einstelle, Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartners gestalte, mit Kreditgebern verhandle, über die Gehaltshöhe entscheide, in Steuerangelegenheiten entscheide und die Buchhaltung steuere. Keines der Kriterien treffe auf den Beklagten zu.

16

Die Zahlung von 5 858,00 € durch die RS GmbH habe der Beklagte für eine eigene Leistung an die RS GmbH erhalten. Aus dem Schreiben dieses Unternehmens vom 8. Juni 2004 ergebe sich nicht, dass diese Unternehmen sich an den Rahmenvertrag mit der Gemeinschuldnerin gebunden gesehen habe. Der Beklagte habe der Gemeinschuldnerin keine weiteren Lkw zur Verfügung stellen wollen. Die RS L^{BP GmbH habe zur Abwendung finanzieller Schäden deshalb einen Direktvertrag mit dem Beklagten geschlossen.

17

Wegen des weitergehenden Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

18

II.

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die über die Verurteilung hinausgehenden Klageanträge zutreffend als nicht begründet angesehen.

19

1. Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 des notariellen Geschäftsanteilskauf- und -abtretungsvertrages vom 2. Juni 2003 vereinbarte aufschiebende Bedingung konnte durch formlosen Verzicht des Begünstigten entfallen (vgl. BGHZ 138, 195, 202 ). Der Verzicht wirkte allerdings nicht zurück, sondern wurde erst mit Zugang der Verzichtserklärung wirksam ( BGHZ 138, 195, 202 ). Die Verzichtswirkung ist mit Wirkung vom 4. Juni 2003 eingetreten, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat.

20

Da der Erwerber der Geschäftsanteile bei Abhaltung der Gesellschafterversammlung vom 2. Juni 2003 mangels Eintritts der vereinbarten und zu diesem Zeitpunkt noch gültigen Bedingung nicht Gesellschafter war, war die Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin zunächst unwirksam. Erklärt hat der Erwerber diese Abberufung, wie eine Auslegung der Formulierung "als neuer Gesellschafter" in der notariellen Urkunde des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ergibt, entgegen der Auffassung des Beklagten nicht als vollmachtloser Vertreter, sondern im eigenen Namen als Nichtberechtigter. Das ist im Ergebnis für die Beurteilung der Abberufungswirkung rechtlich unschädlich.

21

Wie sich aus § 47 Abs. 3 GmbHG ergibt, ist die Ausübung der Mitverwaltungsrechte von GmbH-Gesellschaftern kein höchstpersönliches Recht, sondern die Stimmrechtsausübung für einen fremden Anteil zugelassen (Scholz/K. Schmidt, GmbH, 9. Aufl. 2002, 3 47 Rdnr. 76 und 155). Ob eine im Einzelfall erfolgende Stimmrechtsausübung rechtstechnisch im Wege direkter Stellvertretung, also im fremden Namen, oder durch einen im eigenen Namen handelnden Nichtberechtigten mit Zustimmung des Berechtigten (sog. Legitimationszession bzw. Legitimationsübertragung) erklärt wird, ist unerheblich. Der Gesetzgeber hat die Handlungsform der Legitimationsübertragung in § 129 Abs. 3 AktG für die Aktiengesellschaft anerkannt (ebenso für die GmbH Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 47 Rdnr. 19; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG 4. Aufl. 2002, § 47 Rdnr. 27; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 47 Rdnr. 2; a.A. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 21 m.w.N.; offengelassen von BayObLG ZIP 1986, 303, 306; OLG Hamburg ZIP 1989, 298, 300). Einer unzulässigen Stimmrechtsabspaltung steht die Stimmabgabe im eigenen Namen mit Zustimmung des Gesellschafters nicht gleich, wenn sie - wie hier - in einem konkreten Einzelfall erfolgt und sich die Zustimmung nur darauf bezieht. Die Stimmabgabe aufgrund einer Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung ist allerdings denselben Schranken zu unterwerfen wie die Stimmabgabe als Vertreter nach § 164 BGB (Roth in Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rdnr. 19).

22

In gleicher Weise wie eine Stimmrechtsausübung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht zugelassen werden kann, kann auch die Stimmabgabe durch einen im eigenen Namen handelnden nichtlegitimierten Nichtberechtigten erfolgen. In beiden Fällen wird das Handeln durch Genehmigung des Vertretenen bzw. des Berechtigten wirksam. Auf die Ein-Mann-GmbH ist diese Regelung ebenfalls anwendbar (vgl. OLG Frankfurt NZG 2003, 438; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbH-Gesetz, 18. Auf. 2006, § 47 Rdnr. 55; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rdnr. 76, jeweils zur Vollmacht). Der Beklagte hat als Teilnehmer an der notariellen Verhandlung die Beschlussfassung durch den nichtberechtigten Erwerber nicht beanstandet. Schon darin kann eine konkludente Zustimmung zu sehen sein. Jedenfalls hat aber die anschließende schriftliche Genehmigung das schwebend unwirksame Rechtsgeschäft wirksam gemacht, dann allerdings nicht mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Vornahme der Beschlussfassung (vgl. § 184 Abs. 1 Halbs. 2 BGB). Eine Rückwirkung ist im Interesse klarer Bestimmung der organschaftlichen Zuständigkeit auszuschließen. Damit ist die Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer und die Bestellung des Erwerbers als sein Nachfolger spätestens am 4. Juni 2003 wirksam geworden.

23

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der notarielle Anteilsabtretungsvertrag nicht gem. § 134 BGB oder § 138 Abs. 1 BGB nichtig gewesen. Selbst wenn der Beklagte § 84 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 GmbHG verwirklicht haben sollte, wie der Kläger annimmt, würde davon nicht die Wirksamkeit der Anteilsabtretung beeinflusst. Dass der Erwerber über die Vermögensverhältnisse arglistig getäuscht worden ist, ist nicht substantiiert vorgetragen worden.

24

Der Beklagte hatte nach dem vom Kläger minimal vorgetragenen Sachverhalt, der mit seinem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingehend, jedoch ergebnislos erörtert worden ist, nicht die Stellung eines faktischen Geschäftsführers. Obwohl das Landgericht die Klagabweisung auf diesen Gesichtspunkt gestützt hat, hat der Kläger dazu in der Berufungsbegründung nicht vertiefend Stellung genommen. Aus der Nichtmitteilung der Abberufung gegenüber der Bank, bei der die Gemeinschuldnerin ihr Bankkonto unterhielt, ergab sich zwar bis zur Eintragung der Abberufung in das Handelsregister eine Haftung nach § 15 Abs. 1 HGB, nicht jedoch ein ausreichendes Indiz für eine umfassende Ausübung fortdauernder Geschäftstätigkeit. Es war Angelegenheit des Erwerbers als des neuen Geschäftsführers, für eine Änderung der Verfügungsbefugnis über das Bankkonto zu sorgen. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter umfassenden Zugriff auf die gesamten Geschäftsunterlagen der Gemeinschuldnerin und konnte deshalb unter Heranziehung der Geschäftskorrespondenz, der Frachtbriefe, der Handelsbücher etc. darlegen, wer nach dem 4. Juni 2003 für die Gemeinschuldnerin als Geschäftsführer auftrat. Eine Darlegungsnotlage, die zu einer Herabsetzung der Substantiierungslast des Klägers und/oder der Bejahung einer sekundären Behauptungslast des Beklagten berechtigen könnte, bestand deshalb nicht. Wenn der Kläger keine aussagekräftigen Geschäftsunterlagen vorgefunden haben sollte, hätte er zumindest diesen Umstand vortragen müssen. Er hat auch nicht erklärt, dass er sich bei dem Erwerber, gegen den ebenfalls ein Anspruch nach § 64 Abs. 2 GmbHG gerichtet werden konnte, vergeblich um Informationen bemüht habe.

25

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den nicht fernliegenden Verdacht erörtert, dass der Beklagte im Zusammenwirken mit dem Anteilserwerber eine gezielte "Bestattung" der GmbH trotz Kenntnis ihrer Überschuldung unter vorheriger Ausplünderung ihres Restvermögens vorgenommen oder dass er sie unter fremder Verantwortung noch "am Leben erhalten" haben könnte, um mit ihr noch eigene Umsätze zu machen. Darauf wäre § 826 BGB auch dann anzuwenden, wenn der Beklagte den Anteilserwerber als undoloses Werkzeug benutzt haben sollte. Der Kläger hat jedoch auch in dieser Hinsicht keine stützenden indiziellen Tatsachen vortragen können. Unmittelbar für § 64 Abs. 2 GmbHG ist ein arbeitsteiliges Zusammenwirken im Sinne von § 830 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB nicht relevant, weil es sich bei § 64 Abs. 2 GmbHG nicht um einen Deliktstatbestand handelt (vgl. BGHZ 146, 264, 278 = NJW 2001, 1280, 1283: Ersatzanspruch eigener Art). Eine deliktsrechtlich bedeutsame Verschleppung der Insolvenzantragspflicht unter Beteiligung des Anteilserwerbers hat der Kläger nicht geltend gemacht.

26

Wegen der Frachten in Höhe von 5 858,00 € ist der Anfechtungstatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht verwirklicht. Der Beklagte hat die Leistungserbringung gegenüber der Gemeinschuldnerin ab dem 4. September 2003 ein stellen wollen, wie es in dem Schreiben der RS GmbH vom 8. Juni 2004 im ersten Absatz heißt. Das dort genannte Datum 4. September 2004 ist offen sichtlich ein Schreibfehler. Welche Vereinbarung zwischen der Gemeinschuldnerin und der RS GmbH gelten sollte, ist dem Schreiben vom 8. Juni 2004 nicht verständlich zu entnehmen. Von Vereinbarungen zwischen den beiden Schwesterunternehmen konnte die vertragliche Vereinbarung zwischen dem Beklagten und der RS GmbH nicht abhängen. Dem Beklagten kam es offensichtlich darauf an, einen neuen Schuldner für die Fracht zu erhalten, da seine Weigerung, gegenüber der Gemeinschuldnerin Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen, durch die Nichtbegleichung seiner Forderungen gegen die Gemeinschuldnerin ausgelöst worden war. Daher war die Zahlung der RS GmbH keine Erfüllung von Forderungen, die dem Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin zustanden.

27

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 97 ZPO und aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen, weil höchstrichterlich bisher ungeklärt ist, unter welchen Voraussetzungen eine Legitimationsermächtigung zur Stimmrechtsausübung in einer GmbH zu gestatten ist. Dasselbe gilt für die Anforderungen an die Substantiierung des Sachvortrags zur faktischen Geschäftsführerstellung bei Fortführung einer zuvor rechtlichen Geschäftsführerstellung über den Zeitpunkt der Abberufung hinaus als Voraussetzung einer Haftung nach § 64 Abs. 2 GmbHG sowie für die zugehörige Verteilung der Darlegungslast zwischen Gläubiger und Schuldner dieses Anspruchs, ferner für die Frage, ob eine Insolvenzverschleppung die Ersatzpflicht nach § 64 Abs. 2 GmbHG auch dann begründet, wenn der nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG strafbare Geschäftsführer im Zeitpunkt masseschmälernder Zahlungen sein Amt verloren hatte.