Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 10.09.2019, Az.: 10 B 3484/19

Informationsinteresse; Verfassungsschutzbericht; zur Struktur gehörend

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
10.09.2019
Aktenzeichen
10 B 3484/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69809
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Verfassungsschutzbehörde kann im Einzelfall einen Verein im Verfassungsschutzbericht erwähnen, der selbst nicht als Bestrebung i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 NVerfSchG gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist, sondern (nur) zur Struktur eines als linksextremistisch eingestuften Vereins gehört.


Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein eingetragener Verein, wendet sich mit seinem Eilantrag gegen seine Erwähnung in der Vorabfassung des vom Antragsgegner herausgegebenen Verfassungsschutzberichts Niedersachsen 2018. Die Vorabfassung des Verfassungsschutzberichts 2018 ist im Internet unter der Adresse www.verfassungsschutz.niedersachsen.de aufrufbar.

Der Antragsteller ist aufgrund eines Beschlusses der Bundesdelegiertenversammlung des F. e. V. im Jahr 2005 gegründet worden. Materielle Grundlage des vom Antragsteller unterhaltenen Archivs sind die Bestände des G.. Dieses wurde zusammen mit der Bundesgeschäftsstelle des F. e. V. Ende der 1990er Jahre gegründet. Sowohl der Antragsteller als auch der F. e. V. haben ihren Sitz in der E. 3 in A-Stadt.

Nach § 1 Abs. 1 seiner Satzung trägt der Antragsteller den Namen „H. -Archiv} – Verein zur Errichtung und Förderung eines Archivs der Solidaritätsorganisation der Arbeiter- und Arbeiterinnenbewegung und der sozialen Bewegungen (Rote-Hilfe-Archiv)“. Er verfolgt nach seiner Satzung den Zweck, die historische, zeitgeschichtliche und rechtsgeschichtliche Wissenschaft und Forschung, Volksbildung und internationale Gesinnung zu fördern (§ 2 Satz 1 der Satzung). Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht, indem der Verein Dokumente und Materialien in ihren aktuellen und historischen Zusammenhängen beschafft, sammelt, sichert und aufbereitet, die mit der gesamten Geschichte der Solidaritätsorganisationen der Arbeiter- und Arbeiterinnenbewegung und der sozialen Bewegungen in Deutschland und international seit dem 1. Weltkrieg zu tun haben; ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt bei der Verfolgungsgeschichte während des NS-Regimes. Der Verein veröffentlicht und verbreitet sein Material und seine Ergebnisse in Seminaren oder Vorträgen und stellt es in sonstiger Weise der wissenschaftlichen Bearbeitung oder der Bildungsarbeit zur Verfügung. Er gewährleistet den Aufbau eines der interessierten Öffentlichkeit zugänglichen Archivs und sichert langfristig dessen materielle und sächliche Ausstattung (§ 2 Satz 2 der Satzung).

Unter der Rubrik „Autonome und sonstige gewaltbereite Linksextremisten“/Unterabschnitt „Die F.“ führt der Verfassungsschutzbericht des Antragsgegners – wie auch der Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat unter der Rubrik „Linksextremismus“, S. 153 – in der Vorabfassung für das Jahr 2018 (S. 76) aus:

„Die bedeutendste Gruppierung, die sich in erster Linie der ‘Antirepressions-Arbeit’ widmet, ist der von Linksextremisten getragene Verein F. e. V. (X). Die X wurde 1975 gegründet und ist in A-Stadt ansässig…

Zur Struktur der X gehört auch das am 18.02.2005 in Umsetzung eines Beschlusses der X-Hauptversammlung in A-Stadt gegründete und auch dort ansässige ‘H. -Archiv}’, benannt nach einem Rechtsanwalt, der während der Weimarer Republik für die X tätig war.“

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 4. Juli 2019 forderte der Antragsteller den Antragsgegner zur Unterlassung der weiteren Verbreitung des Berichts auf, soweit er darin erwähnt werde. Mit Schreiben vom 19. Juli 2019 wies der Antragsgegner diesen Unterlassungsanspruch zurück.

Daraufhin hat der Antragsteller am 1. August 2019 den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, mit dem er das Unterlasen der weiteren Verbreitung des Verfassungsschutzberichts begehrt, soweit er in dem Bericht genannt wird. Zur Begründung macht er geltend, seine Erwähnung in dem vom Antragsgegner herausgegebenen Verfassungsschutzbericht 2018 sei rechtswidrig. Es gebe keinen Nachweis für seine angebliche Verfassungsfeindlichkeit. Er werde im Zusammenhang mit dem als linksextremistisch eingestuften F. e. V. erwähnt. Dort heiße es, er – der Antragsteller – gehöre zur Struktur des F. e. V. Dies treffe nicht zu. Er sei nicht nur juristisch eigenständig, sondern auch tatsächlich nicht von Weisungen o. ä. von dem F. e. V. abhängig. Unerheblich sei, dass er sich selbst als „Rote-Hilfe-Archiv“ bezeichne. Damit würden weder eine strukturelle Eingebundenheit noch eine inhaltliche Übereinstimmung mit den Zielen des F. e. V. belegt. Er beschäftige sich wissenschaftlich und historisch mit Solidaritätsorganisationen. Der erst 1986 gegründete F. e. V. sei nur ein Teil seiner Arbeit. Er verstehe sich aber nicht als Gedächtnis des F. e. V. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege in der Zeit vor der Gründung des F. e. V. Das ehemalige Archiv des F. e. V. sei zwar die Grundlage des Archivs des Antragstellers, aber nur ein Teil eines viel umfangreicheren Archivbestandes. Der Umstand, dass der Antragsgegner es für nötig erachtet habe, ihn im Zusammenhang mit der I. zu benennen und zu beschreiben, sei geeignet, den Eindruck hervorzurufen, dass er auch inhaltlich mit linksextremistischen Bestrebungen zu tun habe. Dies sei aber gerade nicht der Fall. Von ihm gingen keine Bestrebungen aus, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet seien. Auch sei nicht erkennbar, durch welche konkrete Tätigkeit der Antragsteller den F. e. V. in dessen vermeintlichen verfassungsfeindlichen Bestrebungen unterstütze. Die Archivierung einer Vielzahl von Materialien, wozu auch die Materialien des F. e. V. gehörten, stelle keine Unterstützung einer verfassungsfeindlichen Bestrebung dar. Die Darstellung sei auch deshalb rechtswidrig, weil keine Ausführungen dazu erfolgten, woraus sich seine Verfassungsfeindlichkeit und Gewaltbereitschaft ergeben sollten. Die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht sei zur sachgemäßen Information der Öffentlichkeit nicht erforderlich. Um über die Aktivitäten des F. e. V. zu berichten, bedürfe es nicht der Nennung eines Archivs, das sich der Geschichte der Solidaritätsorganisationen der Arbeiterbewegung verschrieben habe. Auch ein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liege vor. Der Verfassungsschutzbericht sei online verfügbar und werde vom Antragsgegner in gedruckter Form verteilt. Durch die andauernde Zurverfügungstellung und Verbreitung werde die Rechtsbeeinträchtigung permanent wiederholt und vertieft. Im Übrigen drohten ihm durch die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht nicht nur der Entzug der Gemeinnützigkeit und damit der Verlust von Spenden. Vielmehr sei auch zu erwarten, dass Studierende ihre Praktika nicht mehr bei ihm ableisteten, da sie befürchten müssten, dass diese von der jeweiligen Universität nicht anerkannt würden oder sich in ihrem Lebenslauf negativ auswirkten. Zudem sei zu erwarten, dass Kooperationspartner ihre Zusammenarbeit beenden würden.

Der Antragsteller beantragt,

den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es zu unterlassen, den von ihm herausgegebenen Verfassungsschutzbericht 2018 in digitaler, schriftlicher oder sonstiger Form zu verbreiten, verbreiten zu lassen oder sonst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, soweit der Antragsteller in dem Bericht genannt wird.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führt er aus, dass der Antragsteller weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe. Dem Antragsteller stehe ein Anspruch auf Unterlassung der Erwähnung im Verfassungsschutzbericht offensichtlich nicht zu. Es lägen tatsächliche Anhaltspunkte für die strukturelle Zugehörigkeit des Antragstellers zu der verfassungsfeindlichen Bestrebung des F. e. V. vor, welche die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht als verhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte des Antragstellers rechtfertige. Bei der streitgegenständlichen Textpassage handele es sich um eine richtige Tatsachenbehauptung. Der Antragsteller sei strukturell und inhaltlich eng mit dem F. e. V. verbunden. Es sei seine zentrale Aufgabe, Materialien der linksextremistischen I. zu sammeln und aufzubewahren. Er verstehe sich als Gedächtnis des F. e. V. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine nachdrückliche Unterstützung des F. e. V. ergäben sich dabei zunächst aus der Gründungsgeschichte des Antragstellers. Aus einem Schreiben des F. e. V. an das zuständige Registergericht vom 15. Januar 2005 gehe hervor, dass der F. e. V. die Gründung des Antragstellers geplant habe und damit als Initiator und Gründer des Antragstellers hervorgehe. Es gebe zahlreiche Belege für die Aktivitäten des Antragstellers als Archiv der I.. Auch die Teilhabe des Antragstellers an der Infrastruktur (Telefon, Internet, Postanschrift) des F. e. V. verdeutliche die starke Nähe und Einbindung des Antragstellers in die Struktur der linksextremistischen Organisation. Im Berichtsjahr 2018 habe die Nähe zwischen beiden Vereinen fortbestanden. Er – der Antragsgegner – habe zwischen dem öffentlichen Interesse an der Information der Öffentlichkeit zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte des Antragstellers abgewogen. Zu berücksichtigen sei, dass es sich vorliegend lediglich um einen geringen Eingriff handele, da durch die in Rede stehende Passage eine objektiv richtige Tatsache dargestellt werde, nämlich die Einbindung des Antragstellers in die Struktur einer linksextremistischen Organisation. Weitere Beurteilungen und Darstellungen der Tätigkeit des Antragstellers seien nicht vorgenommen worden. Vielmehr handele es sich um eine mittelbare Erwähnung des Antragstellers im Zusammenhang mit der Bestrebung des F. e. V. Eine allgemein gehaltene Information ohne namentliche Nennung des Antragstellers wäre dem Informationsanspruch der Öffentlichkeit nicht gerecht geworden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Sämtlicher Inhalt war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg.

Nach § 123 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Dabei hat der Antragsteller sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Maßgebend hierfür sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Es liegt zwar ein Anordnungsgrund vor. Die Eilbedürftigkeit für das Rechtsschutzbegehren folgt daraus, dass die vom Antragsteller beanstandete Erwähnung in der Vorabfassung des Verfassungsschutzberichts nach wie vor im Internet aufgerufen werden kann. Die bisher bereits erfolgte Verbreitung der Berichterstattung kann zwar nicht mehr rückgängig gemacht werden. Der fortdauernde Eingriff in grundrechtlich geschützte Interessen des Antragstellers kann aber wenigstens für die Zukunft beendet werden.

Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch nach § 123 Abs. 1 VwGO glaubhaft gemacht.

Da der vom Antragsteller vorliegend geltend gemachte Anspruch, gerichtet auf Unterlassung der Verbreitung der Vorabfassung des Verfassungsschutzberichts 2018 ohne vorherige Unkenntlichmachung des Hinweises auf ihn, weder im Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz noch sonst spezialgesetzlich geregelt ist, kann sich ein solcher nur aus der konkret betroffenen Grundrechtsposition des Antragstellers, hier jedenfalls aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.5.2008 – 6 C 13.07 –, juris Rn. 13). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, auf das sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG im Rahmen seines Aufgabenbereichs auch der Antragsteller als juristische Person berufen kann, umfasst den Schutz vor staatlichen Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Bild der betroffenen Person in der Öffentlichkeit auszuwirken. Hierzu zählen auch das Verfügungsrecht und das Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung sowie der Schutz des sozialen Geltungsanspruchs, der sog. „äußeren Ehre“ als das Ansehen in den Augen anderer (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.5.2008 – a. a. O. – juris Rn. 16). Unmittelbarer Ausfluss dieses verfassungsrechtlichen Schutzanspruchs gegenüber (unzulässigen) Grundrechtseingriffen durch eine Veröffentlichung im Verfassungsschutzbericht ist ein entsprechender Unterlassungs- bzw. Löschungsanspruch.

Ein konkreter Unterlassungsanspruch des Antragstellers ergibt sich aber aus diesen Normen vorliegend nicht. Zwar stellt die Veröffentlichung und Nennung des Antragstellers im Verfassungsschutzbericht, der kein beliebiges Erzeugnis staatlicher Öffentlichkeitsarbeit ist, sondern der Abwehr besonderer Gefahren durch eine mit besonderen Befugnissen ausgestattete Behörde dient, einen Grundrechtseingriff dar. Auch wenn der Antragsteller in dem angegriffenen Bericht selbst nicht als „linksextremistisch“ bezeichnet wird, ist seine Nennung als Teil der Struktur der als linksextremistisch eingestuften Organisation F. e. V. grundsätzlich geeignet, sich abträglich auf das Bild des Antragstellers in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.5.2005 – 1 BVR 1072.01 –, juris Rn. 54). Auch wenn der Antragsgegner den Antragsteller selbst nicht als verfassungsfeindlich bewertet und damit nicht vor ihm warnt, hat die Äußerung im Zusammenhang mit dem Bericht über den F. e. V. zumindest den Charakter eines Aufrufs zur besonderen Aufmerksamkeit und Beobachtung. Leser könnten hierdurch davon abgehalten werden, den Antragsteller zu unterstützen oder seine Angebote zu nutzen. Eine solche mittelbare Wirkung des Verfassungsschutzberichts kommt einem – wenn auch nicht schweren – Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gleich (vgl. BVerfG, a. a. O., juris Rn. 55 f.).

Die Nennung im Verfassungsschutzbericht und der damit verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers sind jedoch gerechtfertigt, weil dieses Grundrecht durch § 3 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 2 Satz 1 des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes (NVerfSchG) beschränkt wird, die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Eingriffsnorm gegeben sind und der Eingriff verhältnismäßig ist.

Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 NVerfSchG klärt die Verfassungsschutzbehörde die Öffentlichkeit durch zusammenfassende Berichte über Bestrebungen und Tätigkeiten nach Abs. 1 auf. Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 ist die Verfassungsschutzbehörde verpflichtet, zur Aufklärung der Öffentlichkeit einen jährlichen Verfassungsschutzbericht vorzulegen.

Hiernach war der Antragsgegner befugt, den Antragsteller im Verfassungsschutzbericht zu erwähnen. Der Antragsgegner stuft den Antragsteller selbst nicht als Bestrebung i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 NVerfSchG ein, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet ist. Vielmehr wird im Verfassungsschutzbericht allein der F. e. V. als linksextremistischer Verein eingestuft. Über den Antragsteller wird in diesem Zusammenhang lediglich berichtet, dass er zur Struktur des F. e. V. gehöre. Eine wertende Einstufung zu einer etwaigen Verfassungsfeindlichkeit unterbleibt. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung ist die hier streitige reine Tatsachendarstellung zutreffend.

Dabei versteht die Kammer – anders als möglicherweise der Antragsteller – den Begriff der „Struktur“ (des F. e. V.) nicht im organschaftlichen Sinne als auf die innere, vereinsrechtliche Organisation des Vereins beschränkt, sondern als ein System, dessen Elemente in bestimmter Weise miteinander verknüpft sind, dass sie im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ein erkennbares gemeinsames Ganzes ergeben.

Angesichts dessen greift der Einwand des Antragstellers zu kurz, die Vereine seien formal und organisatorisch voneinander unabhängig und er – der Antragsteller – insbesondere an Weisungen des F. e. V. nicht gebunden.

Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist der Antragsteller vielmehr organisatorisch und inhaltlich in mehreren Bezügen so eng mit dem F. e. V. verbunden, dass die Kammer die Einschätzung des Antragsgegners teilt, das „H. -Archiv}“ und der F. e. V. seien Teile eines gemeinsamen Ganzen, das durch den F. e. V. so maßgeblich geprägt wird, dass von einer „Struktur des F. e. V.“ gesprochen werden kann.

Solche Bezüge zwischen den Vereinen zeigt bereits die Gründungsgeschichte des Antragstellers. Mit Schreiben vom 15. Januar 2005 teilte der F. e. V. dem Amtsgericht A-Stadt Folgendes mit:

„…Wir planen die Gründung eines Vereins mit dem Namen „H. -Archiv} – Verein zur Errichtung und Förderung eines Archivs der Solidaritätsorganisationen der Arbeiter- und Arbeiterinnenbewegung und der sozialen Bewegungen (Rote-Hilfe-Archiv). Er soll in das Göttinger Vereinsregister eingetragen werden…. Den Entwurf der Satzung des zu gründenden Vereins finden Sie beigefügt. Die Gründungsversammlung soll am Abend des 18. Februar 2005 in A-Stadt stattfinden.“

Nach § 1 der Satzung vom 18. Februar 2005 trägt der Antragsteller tatsächlich den vom F. e. V. bestimmten Namen. Er hat seinen Sitz in A-Stadt und wurde – wie vom F. e. V. geplant – am 18. Februar 2005 errichtet. Das ehemalige Archiv des F. e. V. diente als materielle Grundlage für das Archiv des Antragstellers.

Am 12. Dezember 2006 veröffentlichte der F. e. V. unter dem Titel „H. -Archiv} gegründet, Die F. will Geschichte von Verfolgung und Widerstand dokumentieren“ einen Auszug aus der Ausgabe 1/2005 der F. Zeitung. Darin wird ausgeführt: „Zur Arbeit der I. gehört auch die Beschäftigung mit der eigenen Geschichte. Das beschlossen Mitglieder der strömungsübergreifenden linken Schutz- und Solidaritätsorganisation vergangenes Jahr auf ihrer Bundesdelegiertenversammlung“.

Der F. e. V. hat demnach die Gründung des Antragstellers initiiert, um das zuvor von ihm betriebene Archiv für seine Zwecke fortzuführen. Schon deshalb liegt es nahe, den Antragsteller als zur Struktur des F. e. V. gehörend zu bezeichnen.

Auch wenn der Antragsteller und der F. e. V. zwei selbständige Rechtssubjekte sind, bestätigen die gemeinsame Nutzung von Gebäude, Telefonanlage und Faxgerät die starke Nähe und Einbindung des Antragstellers und des F. e. V. in eine gemeinsame Struktur.

Aber auch über die Gründungsgeschichte und die Nutzung der gleichen Infrastruktur hinaus gibt es Belege für die Aktivitäten des Antragstellers als Archiv des F. e. V.:

Auf der Website des F. e. V., Ortsgruppe J., heißt es in einem Beitrag „Zur Geschichte der I. (n) in den 1970ern“ vom 25. Juli 2008: „Der ‘Hans Litten e. V.’ ist ein gemeinnütziger, spendenabzugsfähiger Verein, der u. a. auch das Archiv der I. e. V. betreut. Für die archivarische und publizistische Arbeit des Vereins, aber auch für Ankäufe antiquarischer Bücher und Materialien werden weiterhin Spenden benötigt. Wir möchten euch und Ihnen daher den ‘Hans Litten e. V.’ ans Herz legen…“

Unerheblich ist, dass der Antragsteller eigenen Angaben zufolge nicht nur dem F. e. V. als Archiv dient, sondern daneben weitere Aufgaben wahrnimmt. Denn jedenfalls soweit der Antragsteller das Archiv des F. e. V. betreut, gehört er zu dessen Struktur. Daran ändert die Wahrnehmung weiterer Aufgaben nichts.

Weitere Indizien sprechen für eine Zugehörigkeit des Antragstellers zur Struktur des F. e. V.:

In der Zeitschrift „K.“ wurde im August 2011 der Artikel „Sammeln, sortieren, ablegen“ veröffentlicht. Interviewpartner war u. a. ein Vertreter des Antragstellers, der zu dessen Auftrag befragt angab: „Das Sammeln und Archivieren von Dokumenten ist für uns kein Selbstzweck. Wir wollen die Erfahrungen der Vergangenheit aufbereiten, um sie für die Kämpfe der Gegenwart zu nutzen beziehungsweise denjenigen zur Verfügung stellen, die heute aktiv sind. Gerade junge GenossInnen lassen sich davon begeistern, dass die Wurzeln der I. in den großen Kämpfen der 1920er und 1930er Jahre liegen.“

Im Berichtsjahr 2018 war auf den Websites von zwei Ortsgruppen des F. e. V. – Ortsgruppe XL. und M. – der Link auf die Website des Antragstellers auffindbar. Die Links sind auch aktuell noch vorhanden. Die Ortsgruppe M. nennt zudem unter der Rubrik „Spenden“ das Spendenkonto des Antragstellers und weist darauf hin, dass Spenden an den Antragsteller steuerlich abzugsfähig seien, da der Verein als gemeinnützig anerkannt sei.

In der F. Zeitung 4/2016 wird unter der Rubrik „Repression“ der Artikel „Die ‘strukturelle Nähe’ zur I. e. V. –H. -Archiv} unterliegt Verfassungsschutz“ veröffentlicht. In diesem Artikel stellt der Antragsteller seine Sichtweise und Argumentation im Rahmen seiner Klage gegen seine namentliche Nennung im schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzbericht in der Zeitschrift des F. e. V. dar.

Am 16. Dezember 2016 warb der F. e. V. auf seiner Website für den ersten Band der Schriftenreihe des Antragstellers zur Geschichte der I. mit dem Titel „Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern“. Auch aktuell erscheint auf der Website des F. e. V. auf der Startseite ein Link zu dieser vom Antragsteller herausgegebenen Broschüre.

Zudem richten Antragsteller und F. e. V. regelmäßig – auch im Berichtsjahr 2018 – gemeinsame Veranstaltungen aus. Die Ortsgruppe N. des F. e. V. veröffentlichte am 21. Januar 2018 auf ihrer Website den Hinweis auf die Veranstaltung „Die Linke und die Solidarität – Zur Entstehungsgeschichte der I. (n) in der BRD und der Bedeutung für uns heute“, die am 3. Februar 2018 in Frankfurt/Oder „in Zusammenarbeit mit dem O. -Verein A-Stadt“ stattfinden sollte. Am 7. März 2018 veröffentlichte die Ortsgruppe P. des F. e. V. auf ihrer Website den Hinweis auf die Vortragsveranstaltung „Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern. Veranstaltung zum Tag der Politischen Gefangenen“, die sie am 18. März 2018 mit Unterstützung des Antragstellers durchführte. Die Ortsgruppe M. des F. e. V. veröffentlichte am 22. März 2018 auf ihrer Website den Hinweis auf den „F. Ansprechabend OF und Infoveranstaltung ‘Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern’ – Solidarität und Widerstand im Rhein-Main Gebiet“, die am 27. März 2018 in Offenbach mit „Q. (H. -Archiv})“ stattfinden sollte.

Darüber hinaus finden sich regelmäßig – auch im Berichtsjahr 2018 – Anzeigen und Artikel des Antragstellers in der F. Zeitung. Schließlich wird vom Literaturvertrieb des F. e. V. für Veröffentlichungen des Antragstellers, insbesondere das Buch „Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern“, geworben.

All dies bestätigt den Eindruck, dass der Antragsteller als Nachfolger des G. zur Struktur des F. e. V. gehört. Vor dem Hintergrund, dass der F. e. V. nicht als gemeinnützig anerkannt ist und damit Spenden an ihn nicht abzugsfähig sind, liegt die Annahme nahe, dass der Antragsteller (auch) zu dem Zweck gegründet worden ist, erfolgreicher Spenden einwerben zu können. Die Erwähnung des Antragstellers in der konkreten Form der Berichterstattung ist damit von § 3 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 2 Satz 1 NVerfSchG gedeckt.

Der Eingriff ist auch verhältnismäßig. Bei der Veröffentlichung von Informationen im Verfassungsschutzbericht nach § 3 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 2 Satz 1 NVerfSchG sind die rechtlichen Grenzen des Ermessens zu beachten, zu denen das Gebot der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gehören. Auch wenn das Gebot der Erforderlichkeit in § 33 Abs. 3 NVerfSchG ausdrücklich nur für die Veröffentlichung personenbezogener Daten enthalten ist, gilt es als Bestandteil des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kraft Verfassungsrechts stets bei Eingriffen oder eingriffsgleichen Beeinträchtigungen von Grundrechten und ist daher ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Norm. Die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit einer belastenden Maßnahme werden im Einzelnen durch den Rang des zu schützenden Rechtsguts und die Intensität seiner Gefährdung beeinflusst, aber auch durch die Art und Schwere der Beeinträchtigung des Freiheitsrechts des nachteilig Betroffenen (BVerfG, Beschluss vom 24.5.2005, a. a. O., juris Rn. 65 f.).

Im Rahmen der hiernach erforderlichen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Information der Öffentlichkeit und der Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte des betroffenen Antragstellers überwiegt das Interesse der Öffentlichkeit an einer umfassenden Information über die Betätigungsfelder einer als extremistisch eingestuften Bestrebung – hier des F. e. V. – die Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers nur von geringer Schwere ist. Wie oben dargelegt stellt die streitgegenständliche Passage im Verfassungsschutzbericht lediglich eine objektiv richtige Tatsache dar. Der Antragsgegner zieht gerade nicht den Schluss, der Antragsteller verfolge oder unterstütze – etwa aufgrund einer besonderen Solidarisierung mit dem F. e. V. – selbst verfassungswidrige Bestrebungen. Vielmehr unterbleiben Beurteilungen und Darstellungen der Tätigkeit des Antragstellers und Einschätzungen zu einer etwaigen Verfassungsfeindlichkeit vollständig. Der Bericht setzt sich ausschließlich mit dem F. e. V. auseinander und erwähnt deshalb auch nur diesen in der Aufzählung der linksextremen Gruppierungen und gerade nicht den Antragsteller. Der Antragsteller wird erkennbar nur mittelbar im Zusammenhang mit dem F. e. V. genannt (so auch VG Schleswig in dem Verfahren, mit welchem sich der Antragsteller gegen seine Erwähnung im schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzbericht wandte: Urteil vom 30.5.2016 – 15 A 334/14 –, S. 6 und 7 des Urteilsabdrucks).

Demgegenüber steht der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und das damit einhergehende Informationsinteresse der Öffentlichkeit, über Bestrebungen i. S. d. § 3 Abs. 1 NVerfSchG umfassend informiert zu werden. Gerade bei als extremistisch eingestuften Bestrebungen, die inhaltliche oder organisatorische Nähe zu zivilgesellschaftlichen Organisationen aufweisen oder anstreben, kann es nach den Umständen des Einzelfalls sachgerecht sein, die Schnittstellen zur Zivilgesellschaft aufzuzeigen. Dazu gehört auch, – mit der gebotenen Distanz – solche zivilgesellschaftlichen Organisationen zu bezeichnen, derer sich eine als extremistisch eingestufte Bestrebung bei ihrer Arbeit bedient, ohne dass darin ein Urteil über die zivilgesellschaftliche Organisation getroffen liegt.

Insoweit ist es im Hinblick auf den oben beschriebenen nur geringen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner es im Rahmen dieses gesetzlichen Auftrages für erforderlich gehalten hat, auch über Teile der Struktur des F. e. V. zu informieren, die ihrerseits isoliert betrachtet nicht geeignet sind, die rechtliche Einordnung als Bestrebung i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 NVerfSchG zu begründen. Die Informationsermächtigung des Antragsgegners beschränkt sich nicht ausschließlich auf die Nennung des Ergebnisses der Wertung als extremistische Bestrebung, sondern geht aufgrund des insoweit gegebenen Informationsinteresses der Öffentlichkeit darüber hinaus und berechtigt, umfassend über die Betätigungsfelder dieser Bestrebung zu informieren (VG Schleswig, Urteil vom 30.5.2016 – 15 A 334/14 –, S. 6 des Urteilsabdrucks). Ein Betätigungsfeld des F. e. V. ist wie oben dargelegt das in Umsetzung eines Beschlusses des F. e. V. gegründete Archiv des Antragstellers. Dass der Antragsgegner die Information der Öffentlichkeit hierüber für notwendig erachtet, ist im Hinblick auf den Auftrag, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, nicht zu beanstanden. Auf diese Weise wird dem Leser des Berichts eine sachgerechte Information gegeben, die ihm als Grundlage für eine Auseinandersetzung mit dem Archiv des Antragstellers dienen kann, das u. a. Materialien des als linksextremistisch eingestuften F. e. V. sammelt und aufbewahrt und sich damit (wie das oben zitierte Interview in der Zeitschrift „K.“ zeigt) – jedenfalls auch – als Gedächtnis des F. e. V. versteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Die Kammer bringt für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Hälfte des im Hauptsacheverfahren anzusetzenden Regelstreitwertes in Ansatz.