Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 30.09.2019, Az.: 6 A 5939/16

Ehre; Ehrenmord; gerichtlicher Rechtsschutz; inländische Fluchtalternative; Korruption; Kurdische Autonomieregion; Patriotische Union Kurdistan; Peschmerga; Polizei; posttraumatische Belastungsstörung; PTBS; PUK; Subsidiärer Schutz

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
30.09.2019
Aktenzeichen
6 A 5939/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 70029
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Einflussnahme politischer Parteien sowie bekannter Familien und Stämme auf Polizei und Justiz in der Kurdischen Autonomie-region

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben.

Die Beklagte wird im Übrigen verpflichtet, dem Kläger zu 1) den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Sie wird ferner verpflichtet, den Klägern zu 2) bis 4) den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen unter der Bedingung, dass der Verpflichtungsausspruch in Bezug auf den Kläger zu 1) rechtskräftig wird. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30. September 2016 wird aufgehoben, soweit er dem vorgenannten Verpflichtungsausspruch entgegensteht.

Die Kläger tragen 1/3, die Beklagte 2/3 der Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Kläger, irakische Staatsangehörige kurdischer Volks- und sunnitischer Glaubenszugehörigkeit, begehren die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten.

Nach Angabe der Kläger zu 1. und 2. reisten diese gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern, den Klägern zu 3. und 4., im Juli 2015 aus dem Irak aus und im September 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie in einer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) Asylanträge stellten.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen erklärten die Kläger zu 1. und 2. im Rahmen ihrer Anhörung beim Bundesamt, sie stammten aus der Stadt Sulaimaniyya in der gleichnamigen Provinz. Dort lebten noch seine Eltern sowie weitere Mitglieder seiner Großfamilie. Er, d.h. der Kläger zu 1, habe die Mittelschule bis zur achten Klasse besucht. Danach habe er Kioske in mehreren Schulen betrieben. Vom Jahr 2012 an sei er Geschäftsführer einer Autowäscherei in Sulaimaniyya gewesen und habe parallel noch als Autohändler gearbeitet. Wirtschaftlich sei es ihm gut gegangen und er habe mehrere Angestellte beschäftigt. Die letzten zwei Jahre vor der Ausreise sei die wirtschaftliche Lage wegen der in der Kurdischen Autonomieregion bestehenden Wirtschaftskrise schlechter gewesen. Sie, die Klägerin zu 2., habe die Schule bis zur sechsten Klasse besucht und sei danach Hausfrau gewesen. In Sulaimaniyyalebten noch ihre Eltern und weitere Mitglieder ihrer Großfamilie.

Zu den Gründen ihrer Ausreise gab der Kläger zu 1. ausweislich der summarischen Feststellungen im Anhörungsprotokoll des Bundesamts an, er sei von Mitgliedern der kurdischen Peschmerga aus einem nichtigen Anlass im Straßenverkehr angegriffen und im Anschluss mit dem Tode bedroht worden.

Am 14. August 2014 habe er Besuch von seiner im Ausland lebenden Schwester, seinem Schwager und ihren Kindern gehabt. Abends habe er sie und seine Eltern mit dem Auto nach Hause bringen wollen. Hierbei habe es sich um einen BMW mit sehr starken Scheinwerfern gehandelt. Ein Auto, in dem zwei Personen saßen, habe ihn überholt und sei dann einige Zeit vor ihm gefahren. Plötzlich hätten die Männer das Auto angehalten, die Straße blockiert und seien, mit Waffen versehen, zu seinem Auto gegangen und hätten ihn beschimpft. Er habe die Polizei gerufen. Dann seien weitere Männer dazugekommen. Die Männer hätten ihn beschimpft und geschlagen. Sein Schwager habe versucht, ihn zu schützen, sei dabei aber verletzt worden. Die herbeigerufenen Polizisten hätten den Tätern die Waffen weggenommen und sie zur Polizeistation gebracht. Sein Vater und er seien zur Polizei gefahren, hätten eine Strafanzeige gestellt und im Anschluss seinen verletzten Schwager ins Krankenhaus gebracht. Noch im Krankenhaus seien sie, d.h. die beiden Erstgenannten, selbst verhaftet worden. Es habe dann eine Gerichtsverhandlung gegeben. Dabei habe er erfahren, dass die Täter aus einer einflussreichen Familie stammten und Parteimitglieder seien. Sein Vater und er hätten drei Tage im Gefängnis gesessen, dann seien sie freigelassen worden. Später habe er erfahren, dass das Gericht die Täter aber einfach freigelassen habe. Da habe er gewusst, dass die Polizei der Sache nicht mehr nachgehen werde.

Von Bekannten habe er außerdem erfahren, dass die Männer ihm gedroht hätten, er solle die Anzeige zurückziehen. Er selbst habe nicht gewusst, an wen er sich wenden solle, da er nicht aus einer einflussreichen Familie stamme. Wegen des Vorfalls habe er chronische psychische Probleme bekommen. Er habe sich permanent zuhause versteckt und Angst gehabt, dass die Männer ihn eines Tages töten oder seiner Familie etwas antun würden. Seine Arbeit habe er deshalb auch verloren. Im Irak sei er beim Arzt gewesen, der ihm geraten habe, Urlaub zu machen, um seine Probleme zu vergessen. Nach dem Vorfall habe er sich zunächst ca. zwei Monate im Irak aufgehalten, dann sei er alleine für einen Monat in die Türkei gegangen. Dort sei es ihm ohne Arbeit und ohne seine Familie allerdings sehr schlecht gegangen. Im Anschluss sei er ca. für einen Monat wieder in den Irak zurückgekehrt, dann sei er wieder zurück in die Türkei gegangen und habe versucht, seine Frau zu überzeugen, auszureisen. Danach sei er nochmals wieder in den Irak zurückgekehrt, um sodann mit seiner Familie im Juli 2015 auszureisen.

Mit Bescheid vom 30. September 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und erkannte den Klägern den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 2). Zudem stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen (Nr. 3) und drohte die Abschiebung der Kläger in den Irak an (Nr. 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) befristete es auf dreißig Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 5). Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dem Kläger zu 1. drohe keine Gewalt. Ein Abschiebungsverbot sei nicht zuzuerkennen, weil die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste über seine psychischen Beschwerden nicht den in der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen genügten.

Gegen diesen Bescheid haben die Kläger am 10. Oktober 2016 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr bisheriges Vorbringen.

Im Verfahren reichte der Kläger zu 1. ein Attest eines Facharztes für Psychiatrie vom 14. Februar 2019 ein, demzufolge der Kläger zu 1. an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet.

Mit Beschluss vom 26. März 2019 hat das Gericht Beweis erhoben über den gesundheitlichen Zustand des Klägers sowie die ihm drohenden gesundheitlichen Folgen bei einer Rückkehr in den Irak durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Zur Sachverständigen hat es die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Frau I. bestellt, die mit Schreiben vom 25. Juli 2019 ein schriftliches Gutachten erstattet hat.

In der mündlichen Verhandlung überreichte der Kläger zudem ein umfangreiches Anlagenkonvolut mit Protokollen der irakischen Polizei (inklusive einer Tatortsskizze) sowie diversen Unterlagen eines irakischen Gerichts.

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, er nehme die Klage insoweit zurück, als er ursprünglich auch die Anerkennung als Asylberechtigte sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt habe.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30. September 2016 zu verpflichten,

1. den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

2. hilfsweise, festzustellen, dass in ihrer Person Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Verfahren ist nach § 92 Abs. 3 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach der teilweisen Klagerücknahme mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 2 VwGO einzustellen.

Die im Übrigen aufrechterhaltene Klage, über die der Berichterstatter gemäß § 76 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG) anstelle der Kammer als Einzelrichter entscheidet, hat Erfolg. Der Einzelrichter ist dabei nicht daran gehindert, auf Basis der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2019 über die Klage zu entscheiden, obgleich kein Vertreter der Beklagten erschienen ist. Das Gericht hat die Beteiligten nämlich mit der Ladung darauf hingewiesen, dass auch in ihrer Abwesenheit mündlich verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Der Bescheid des Bundesamtes vom 30. September 2016, mit dem dieses Begehren abgelehnt worden ist, verletzt die Kläger in ihren Rechten und ist aufzuheben, soweit er dem vorgenannten Verpflichtungsausspruch entgegensteht (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

1.

Der Kläger zu 1. hat einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gem. § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 1 AsylG, weil er stichhaltige Gründe (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, n.v.; Beschluss vom 26.08.2016 - 9 ME 146/16 -, n.v.) für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 AsylG durch einen in § 4 Abs. 3 in Verbindung mit § 3 c AsylG genannten Akteur droht. Prognosemaßstab für die Relevanz des drohenden Schadenseintritts ist die Frage der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Nds. OVG, Urteil vom 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 26; OVG NRW, Urteil vom 26.08.2014 - 13 A 2998/11.A -, juris Rn. 34; VG Lüneburg, Urteil vom 10.07.2017 – 3 A 205/16 –, juris Rn. 16). Abzustellen ist darauf, ob bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für einen Schadenseintritt sprechenden Umstände die dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Entscheidend ist, ob aus Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Schutzsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in das Herkunftsland als unzumutbar erscheint. Zu begutachten ist hierbei die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.1990 - 9 C 14.89 -, juris). Dabei entspricht die zunächst zum nationalen Recht entwickelte Rechtsdogmatik zur Frage der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ auch dem neueren europäischen Recht (BVerwG, Urteil vom 01.06.2011 - 10 C 25.10 -, BVerwGE 140, 22; Nds. OVG, Urteil vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17, BeckRS 2017, 118678, Rn. 29).

Auf Basis dieses rechtlichen Maßstabs sowie der aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse ist das Gericht im vorliegenden Fall zu der Überzeugung gelangt, dass die für einen Schadenseintritt sprechenden Umstände bei einer zusammenfassenden Bewertung größeres Gewicht aufweisen als die dagegensprechenden Umstände.

Die Auslegung des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG und seiner Begriffe orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf (Nds. OVG, Urteil vom 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 24 zu § 4 AsylVfG; BVerwG, Urteil vom 31.01.2013 - 10 C 15/12 -, juris Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.; VG Lüneburg, Urteil vom 10.07.2017 – 3 A 205/16 –, juris Rn. 17). Ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs von den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls ab, wie etwa der Art und dem Kontext der Fehlbehandlung, der Dauer, den körperlichen und geistigen Auswirkungen, sowie - in einigen Fällen – von dem Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers (Nds. OVG, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urteil vom 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25 unter Bezugnahme auf EGMR, Urteil vom 04.11.2014, - 29217/12, Tarakhel ./. Switzerland - HUDOC Rn. 94; VG Lüneburg, a.a.O., Rn. 17). Eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte etwa dann angenommen, wenn sie unter anderem geplant war, ohne Unterbrechung über mehrere Stunden erfolgte und körperliche Verletzungen oder ein erhebliches körperliches oder seelisches Leiden bewirkte (Nds. OVG, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urteil vom 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils unter Bezugnahme auf EGMR, Urteil vom 09.07.2015 - 32325/13, Mafalani ./. Croatia - HUDOC Rn. 69 m.w.N.; VG Lüneburg, a.a.O., Rn. 17). Von einer erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK ist der Gerichtshof ausgegangen, wenn sie bei dem Opfer Gefühle der Angst, seelischer Qualen und der Unterlegenheit hervorruft, wenn sie das Opfer in dessen oder in den Augen anderer entwürdigt und demütigt, und zwar unabhängig davon, ob dies beabsichtigt ist. Entsprechendes gilt dann, wenn die Behandlung den körperlichen oder moralischen Widerstand des Opfers bricht oder dieses dazu veranlasst, gegen seinen Willen oder Gewissen zu handeln sowie dann, wenn die Behandlung einen Mangel an Respekt offenbart oder die menschliche Würde herabmindert (Nds. OVG, Urteil vom 19.09.2016 - 9 LB 100/15 -, juris S. 13; Urteil vom 07.09.2015 - 9 LB 98/13 -, juris Rn. 25; jeweils unter Bezugnahme auf EMGR, Urteil vom 03.09.2015 - 10161/13, M. und M. ./. Croatia - HUDOC Rn. 132; VG Lüneburg, a.a.O., Rn. 17).

Diesen rechtlichen Maßstab vorangeschickt, liegen im Falle des Klägers die Voraussetzungen des drohenden Eintritts eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG vor.

Es steht aufgrund der aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse zur Überzeugung des Einzelrichters fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, an seinem Heimatort Opfer gewaltsamer Übergriffe durch Personen zu werden, die eine besondere Nähe zu der in Sulaimaniyya herrschenden Partei Patriotische Union Kurdistans (PUK) sowie den kurdischen Peschmerga aufweisen. Die diesbezügliche Aussage des Klägers enthielt hinreichende Realkennzeichen, welche nach den Grundsätzen der psychologischen Aussageanalyse für die Wiedergabe eines real erlebten Geschehens sprechen. Er schilderte das Geschehen insbesondere im Kerngeschehen logisch konsistent, mit einem überaus beachtlichen quantitativen Detailreichtum nebst Nennung ungewöhnlicher Details, im Zuge einer unstrukturierten Erzählweise nebst spontaner Ergänzungen bzw. Verbesserungen, unter Angabe detailliertester räumlich-zeitlicher Verknüpfungen nebst Schilderung der Motivations- und Gefühlslage der Beteiligten sowie unter Thematisierung unverstandener Handlungselemente. Die psychiatrische Sachverständige hat die Schilderungen des Klägers ebenfalls als glaubhaft eingestuft, insbesondere bezüglich der ihm gegenüber ausgesprochenen (Todes-)Drohungen. Diesbezüglich wird im Einzelnen auf die ausführliche Sitzungsniederschrift sowie das schriftliche Sachverständigengutachten verwiesen.

Der Kläger zu 1. hat hierbei insbesondere glaubhaft dargelegt, dass am Abend des 14. August 2014 die Insassen des anderen Fahrzeugs zunächst neben ihm gefahren seien und ihn durchs geöffnete Seitenfenster beschimpft hätten: „Weshalb machen Sie die starken Lampen nicht aus?“ Nach dem Anhalten sei der bewaffnete Fahrer des anderen Wagens gemeinsam mit dem Beifahrer zum Fahrerfenster des klägerischen Wagens getreten. Zunächst sei sein Vater allein ausgestiegen, denn er, der Kläger zu 1., habe seine eigene Tür nicht öffnen können. Während er im Auto gesessen habe, habe er noch gedacht, dass der Insasse des anderen Fahrzeugs mit seinem Handy sicher gerade die Polizei anrufe, doch, wie er später erfahren habe, habe dieser lediglich Verstärkung herbeigeholt. Als die Männer angefangen hätten, seinen Vater zu schlagen, seien sein Schwager und er ebenfalls ausgestiegen; zuvor habe er die Polizei angerufen und seinen Standort durchgegeben.

Nahezu gleichzeitig mit der Polizei sei dann auch ein Pickup vorgefahren, in dem sich fünf Personen mit Kalaschnikows und Messern befunden hätten. Die beiden Insassen des anderen Autos hätten auf ihn, d.h. den Kläger zu 1. gezeigt, woraufhin die Insassen des Pickups zu viert oder zu fünft angefangen hätten, ihn anzugreifen. Er habe versucht, sich gegen die Schläge zu verteidigen und dabei noch sehen können, dass der Fahrer des Pickups ein Messer in der Hand gehalten habe. Sein Schwager sei mit dem Messer am linken Oberarm verletzt worden, als er sich schützend vor ihn gestellt habe. Die Polizisten hätten zu dieser Zeit lediglich unbeteiligt mit etwas Abstand zur Gruppe der Streitenden gestanden. Der Fahrer des Pickups sei sogar zwischen die Polizisten „spaziert“, sei in seinen Pickup eingestiegen und einfach weggefahren, ohne dass ihn jemand aufgehalten hätte. Die Polizisten hätten die anderen Männer entwaffnet und zur Polizeistation gebracht. Er selbst habe die Wunde seines Schwagers abgebunden und zuerst seine Familie nach Hause gebracht. Dann sei er mit seinem Schwager und mit seinem Vater zur Polizeistation gefahren, um Anzeige zu erstatten. Im Anschluss seien sie zu dritt ins Krankenhaus gefahren. Noch im Krankenhaus habe ein Polizist ihn und seinen Vater verhaftet, augenscheinlich, weil die Täter zwischenzeitlich auf der Polizeiwache Strafanzeige gegen sie gestellt hätten. Gemeinsam hätten sie die Nacht auf der Polizeistation verbringen müssen, ebenso wie die Täter, mit Ausnahme des Fahrers des Pickups. Die Polizei habe die Personalien der Männer aufgenommen. Am Folgetag seien sie beide entlassen worden.

Einige Tage später habe es eine Gerichtsverhandlung beim Justizgericht Sulaimaniyya gegeben. In Beisein ihrer Kontrahenten, wiederum mit Ausnahme des Fahrers, hätten sein Vater und er den Richter um Gerechtigkeit gebeten. Dieser habe sie nach ihrer Vernehmung nach draußen geschickt, um mit den Angeklagten zu sprechen. Dort seien sie unvermittelt abermals von Polizisten verhaftet und für drei Tage ins Gefängnis gebracht worden. Erst gegen Zahlung einer Kaution seien sie freigelassen worden. Später habe er dann aus den Gerichtsunterlagen ersehen können, wie die Betreffenden hießen. Es habe sich vor allem um fünf Brüder gehandelt, deren Vater eine wichtige Position bei den Peschmerga bekleide, drei oder vier Frauen und viele Söhne habe und in einem angesehenen Stadtviertel wohne. Er habe große Angst gehabt, nachdem er erfahren habe, dass die anderen Personen nach ca. acht Tagen auch entlassen worden seien.

Nach der Gerichtsverhandlung habe jemand seinen Vater angerufen und angeboten, dass sie Geld zahlen würden, wenn sein Vater und er die Anzeige zurücknehmen und behaupten würden, dass sie den Streit verursacht hätten. Sie hätten dies jedoch abgelehnt, woraufhin der Anrufer ihnen gesagt habe, dies hätte Konsequenzen, denn sie hätten seine Ehre beleidigt. Durch Arbeitskollegen habe er zudem erfahren, dass binnen einer Woche zweimal Männer bei der Arbeit nach ihm gefragt hätten. Diese seien mit einem Pickup vorgefahren, der dasselbe Kennzeichen wie derjenige vom Tattag gehabt habe. Die (bewaffneten) Männer hätten seine Freunde nach seiner Telefonnummer gefragt. Er selbst habe die Drohung ihm gegenüber damals aus den Begleitumständen geschlossen, denn im Irak sei es nicht so, dass man ankündige, wenn man jemanden töten wollte. Stattdessen würde man Fragen stellen wie zum Beispiel: „Wo ist er? Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen“. Auch seine Freunde hätten den Besuch als Drohung interpretiert, behauptet, ihn lange nicht gesehen zu haben und den Männern aus Angst die Telefonnummer gegeben. Allerdings hätte er ohnehin nicht erreicht werden können, weil er nach dem Vorfall aus Furcht das Handy abgeschaltet habe. Er sei deshalb auch nicht mehr zur Arbeit gegangen, habe sich nur noch zuhause oder bei seinen Schwiegereltern im Dunkeln eingeschlossen bzw. sei in die Türkei gereist.

Das hiernach begründete Risiko für den Kläger, Opfer gewaltsamer Übergriffe durch die ihm persönlich bekannten Täter zu werden, besteht auch weiterhin. Die Bevölkerung des kurdischen Tells des Irak hat nach wie vor einen relativ hohen Grad an stammesmäßigen, patriarchalen Strukturen, in denen ein ausgeprägtes Ehrverständnis besteht, sowohl in ländlichen wie in städtischen Gebieten. Dieses hat die Ehre der Familie — bzw. erweitert auch die des Clans oder Stammes — zum Gegenstand, deren Wahrung den männlichen Familienmitgliedern obliegt. Sollten sie also von (als solchem wahrgenommenen) „Fehlverhalten" erfahren, ist es dem Ehrverständnis folgend ihre Aufgabe einzugreifen (vgl. generell hierzu: Deutsches Orient Institut, Stellungnahme vom 3. Mai 2017 gegenüber dem Verwaltungsgericht Wiesbaden, – Auskunft zum Beschluss 13 K 8604/16, S. 2 f.; Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Honour-based violence in the Kurdistan region; state protection and support services available to victims, 12. Februar 2016, S. 5 der Druckversion). Das Gut der familiären Ehre gilt dabei als derart elementar, dass Verstöße hiergegen mit zunehmendem Zeitablauf nicht an Bedeutung verlieren; vielmehr kann die „verletzte“ Familie noch über Jahre hinweg Vergeltung suchen (Danish Immigration Service, Honour Crimes against Men in Kurdistan Region of Iraq (KRI) and the Availability of Protection, März 2010, S. 3).

Der dem Kläger drohende ernsthafte Schaden ist auch rechtlich beachtlich im Sinne des § 4 Abs. 3 S. 1, § 3c AsylG. Hiernach kann die Verfolgung auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder die in Nummer 2 der Norm genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Selbst wenn man zuungunsten des Klägers davon ausgeht, dass nicht alle der ihn bedrohenden Personen unmittelbare staatliche Funktionen bekleiden, kann er sich nicht hilfesuchend an Polizei und Gerichte wenden.

Nach Erkenntnissen des britischen Innenministeriums erweist sich die Strafverfolgungspraxis in der kurdischen Autonomieregion grundsätzlich als effektiver im Vergleich zum Süd- bzw. Zentralirak, wobei das Niveau nochmals von Gebiet zu Gebiet variiere. Nach Angaben örtlicher Auskunftspersonen hätten die kurdischen Behörden das Potential, in den von ihnen kontrollierten Territorien sehr effektive Sicherheit zu gewährleisten. Sofern sie allerdings eine bestimmte Person nicht schützen wollten, könnten sie diese Entscheidung ebenfalls sehr effektiv durchsetzen. Hiermit korrespondierend hänge die Möglichkeit, staatlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, davon ab, wer der Verfolger sei. Die Polizei und das Gerichtssystem seien anfällig gegenüber dem Einfluss politischer Akteure sowie bekannter Familien und Stämme. Dies könne zur Folge haben, dass beispielsweise ein Täter eines Ehrverbrechens trotz einer eindeutigen belastenden Beweislage freigesprochen werde (Home Office, Country Policy and Information Note Iraq: Kurdish ‘honour’ crimes, Version 1.0, August 2017, Rn. 8.5.1; ebenso: Danish Immigration Service, Honour Crimes against Men in Kurdistan Region of Iraq (KRI) and the Availability of Protection, März 2010, S. 9). Nach Aussage des Danish Immigration Service, die sich auf Erkenntnisse des Hohen Menschenrechtskommissars der Vereinten Nationen stützt, bringe die örtliche Bevölkerung den kurdischen Strafverfolgungsbehörden wenig Achtung entgegen. Trotz einiger ausgezeichneter Gesetze, die internationalen Standards entsprächen, reagierten die Gerichte oft nicht auf Rechtschutzgesuche. Der Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz sei abhängig von der ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, dem jeweiligen Stamm, Beziehungen, Familie und Verwandten. Für den Einzelnen sei es sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, selbst für seine Rechte einzutreten (Danish Refugee Council (DRC) and Danish Immigration Service (DIS), ‘The Kurdistan Region of Iraq (KRI) – Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation – Report from fact finding mission to Erbil, the Kurdistan Region of Iraq (KRI) and Beirut, Lebanon, 26 September to 6 October 2015’, April 2016, S. 45).

Das hiernach begründete Risiko politischer Einflussnahme auf Polizei und Justiz besteht insbesondere, sofern es sich bei den verfolgenden Akteuren – wie im vorliegenden Fall – um Personen aus der Einflusssphäre der Peschmerga (Kurdisch: „Die dem Tod ins Auge Sehenden“) handelt. Diese stellen nämlich einerseits die offizielle militärische Kraft bzw. die offiziellen Sicherheitskräfte in der Kurdischen Autonomieregion dar, andererseits handelt es sich jedoch zugleich um die jeweiligen militärischen Kräfte der beiden opponierenden kurdischen Parteien Demokratische Partei Kurdistans (KDP) und Patriotische Union Kurdistans (PUK; Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Irak: Peschmerga in der KRG-Region, Auskunft der SFH-Länderanalyse, 7. Januar 2019, S. 4; ausführlich hierzu: VG Hannover, Urteil vom 14.08.2019 – 6 A 7347/16, juris). Gegenläufige Versuche der Autonomieregierung, die Peschmerga unter dem Ministry of Peshmerga Affairs zu vereinen, sind größtenteils gescheitert. Die beiden führenden Parteien verfügen vielmehr weiterhin über ihre eigenen Sicherheitsapparate, die den jeweiligen Parteibüros unterstellt sind. Die KRG-Region ist dabei in die Hoheitsgebiete der beiden Parteien unterteilt. Die KDP kontrolliert die Provinzen Erbil und Dohuk, die PUK hingegen Sulaimaniyya, wobei die Peschmerga in diesen Gebieten entsprechend der Kontrolle der beiden Parteien stationiert sind (SFH, a.a.O., S. 4 f.).

Diese Erkenntnismittellage deckt sich ferner mit den glaubhaften Angaben des Klägers zu 1. in der mündlichen Verhandlung. Hier hat er substantiiert geschildert, dass weder die Polizei noch die Justiz jenseits formaler Ermittlungsmaßnahmen ein ernsthaftes Interesse daran gehabt hätten, die Angreifer strafrechtlich zu belangen. So hätten bereits die Polizisten das Kennzeichen des Pickups ohne weiteres wahrnehmen können, dieses jedoch augenscheinlich nicht aufgezeichnet bzw. später auch nicht gegenüber dem Gericht angegeben. Er selbst habe dann dem Richter das Kennzeichen mitgeteilt. Es sei für ihn auch äußerst befremdlich gewesen, dass der Richter seinen Vater und ihn nach ihrer Zeugenaussage nach draußen geschickt habe, um in ihrer Abwesenheit mit den Beschuldigten zu sprechen. Völlig fassungslos sei er geworden, als er und sein Vater unmittelbar im Anschluss hieran im Gerichtsgebäude erneut verhaftet und für drei Tage ins Gefängnis gebracht worden seien, zumal man das Gericht die wahren Täter dann ja später freigelassen habe. Selbst die Polizisten, die seinen Vater und ihn im Gericht verhaftet hätten, hätten ersichtlich Mitleid mit ihnen gehabt.

Schließlich steht dem Kläger zu 1. vor der weiterhin drohenden Schadensgefahr kein interner Schutz im Sinne von § 4 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 3e Abs. 1 AsylG zur Verfügung. Hiernach wird einem Ausländer der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor dem drohenden ernsthaften Schaden oder Zugang zu Schutz nach § 3d AsylG hat (§ 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG), sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Ein anderer Ort auf dem Gebiet der kurdischen Autonomieregion, die allein als innerstaatliche Fluchtalternative in Betracht kommt (vgl. VG Hannover, Urteil vom 07.08.2019 – 6 A 1240/17, juris Rn. 33 m.w.N.), scheidet unter Berücksichtigung der aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse aus.

Es kann von dem Kläger nicht vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich an einem anderen Ort in der Autonomieregion niederlässt. In diesem Zusammenhang berücksichtigt der Einzelrichter zum einen die schwierige humanitäre Lage in der kurdischen Autonomieregion generell (ausführlich hierzu: VG Aachen, Urteil vom 03.04.2019 – 4 K 1853/16.A, juris S. 9 ff.). Zum anderen ist in Rechnung zu stellen, dass der Kläger zu 1. im Falle einer Rückkehr selbst bei Umzug an einen anderen Ort in der Autonomieregion nicht in der Lage wäre, ein geregeltes Leben zu führen und seine Familie zu ernähren. Der Einzelrichter folgt in diesem Zusammenhang den schlüssigen Ausführungen in den Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen vom 25. Juli 2019. Hiernach leidet der Kläger zu 1., der sich im Einklang mit seinem kulturell-geprägten Männlichkeitsbild im Gespräch sichtlich um ein gefasstes Auftreten gegenüber der Sachverständigen bemühte, an einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Panikstörung, begleitet u.a. von Flashbacks und zwanghaften Erinnerungen an das Erlebte, insbesondere die Demütigungen und das Gefühl der völligen Hilflosigkeit. Ihn belasten zudem kontinuierliche Panikattacken, Albträume und immer wieder depressive Stimmungseinbrüche. Diese Erkrankung würde sich nach Auskunft der Sachverständigen im Falle einer Abschiebung in den Irak verschlechtern und verstärken, insbesondere chronifizieren. Der Kläger zu 1. wäre ihrer fachärztlichen Expertise zufolge außer Stande, einen normalen Alltag zu bestreiten, würde sich verstecken und nur noch in Angst um das eigene Leben und das seiner Familie leben, unabhängig davon, wie real die konkrete Bedrohung einzuschätzen sei.

Anhaltspunkte für Ausschlussgründe gegenüber der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 2 AsylG bestehen nicht.

2.

Die Kläger zu 2. bis 4. haben als Ehefrau bzw. als zum Zeitpunkt der Asylantragstellung (§ 14a Abs. 1, Abs. 2 AsylG) minderjährige Kinder des Klägers zu 1. ebenfalls einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 26 Abs. 2, Abs. 5 S. 1, S. 2 AsylG).

Der unanfechtbaren Anerkennung des Stammberechtigten, die nach § 26 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 AsylG für die Gewährung von Familienschutz erforderlich ist, steht dabei die rechtskräftige gerichtliche Verpflichtung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zur Anerkennung des Stammberechtigten gleich (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.05.2009 – 10 C 21/08, NVwZ 2009, S. 1308). Die in § 26 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AsylG normierte Voraussetzung, dass die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus für den Stammberechtigten, d.h. den Kläger zu 1., unanfechtbar bzw. rechtskräftig geworden sein muss, berücksichtigt das Gericht im vorliegenden Fall dadurch, dass die Beklagte lediglich verpflichtet wird, die positive Entscheidung bezüglich der Kläger zu 2. bis 4. unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Rechtskraft des den Kläger zu 1. betreffenden Teils des vorliegenden Urteils auszusprechen. Auf diese Weise wird der Eintritt der Voraussetzungen des zu erteilenden Verwaltungsakts gewährleistet. Anders als ein auflösend bedingter Urteilstenor steht dies mit Prozessrecht im Einklang (VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 12. Dezember 2017 – A 6 K 5424/17, juris Rn. 32 m.w.N.).

3.

Die im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes enthaltene Abschiebungsandrohung ist hinsichtlich der Bezeichnung Irak als Zielstaat gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO aufzuheben. Die Kläger haben einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, was nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a AsylG der Bezeichnung des Staates Irak in der Abschiebungsandrohung entgegensteht.

Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist mit der Aufhebung der Abschiebungsandrohung gegenstandslos geworden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 S. 1, S. 2 ZPO.