Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 16.09.2019, Az.: 4 A 2162/19

Ausnahme; Austrocknung; Baum; Baumschutzsatzung; Tonboden; Zumutbarkeit

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
16.09.2019
Aktenzeichen
4 A 2162/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69822
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Droht ein Baum aus Wassermangel den Erdboden unter einem Gebäude auszutrocknen und damit Schäden zu verursachen, so ist das Bewässern des Baumes eine grundsätzlich zumutbare Alternative zu seiner Beseitigung.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Genehmigung für die Beseitigung einer Linde.

Die Klägerin ist eine eingetragene Wohnungsbaugenossenschaft, die Eigentümerin des Grundstückes mit der postalischen Anschrift C. 1D. A-Stadt ist. Das Grundstück ist mit einem Mehrfamilienhaus bebaut. An den Westgiebel des Gebäudes angrenzend befindet sich in etwa 3 Metern Entfernung von der Hauswand eine Linde mit einem Stammumfang von 115cm und einer Höhe von etwa 15 Metern. Ebenfalls in der Nähe befand sich ursprünglich eine Scheinzypresse.

Im Jahr 2018 stellte die Klägerin an der südwestlichen Ecke ihres Gebäudes - in etwa 6 Metern Entfernung von dem Baum - Rissschäden in den Wänden des Keller- und Erdgeschosses fest und beauftragte das Unternehmen Erdbaulabor A-Stadt Ingenieure GmbH (C.) mit der Untersuchung des Baugrundes und der Schäden.

Das C. legte einen Baugrunduntersuchungsbericht vom 11.09.2018 vor, aus dem unter anderem hervorgeht, dass der Baugrund auf dem Grundstück sich aus tonhaltigem Boden zusammensetze. Grundwasser sei zum Zeitpunkt der Erkundungen bis auf eine Tiefe von 3 Metern nicht festzustellen gewesen. Schadensursache für die Risse seien Tonschrumpfungen infolge von Trockenheit. Horizontale Risse ließen lastbedingte Setzungen als Ursache entfallen. Die Wurzeln der Linde seien während der Trockenperiode unter das Gebäude gewachsen, um an das im Ton gespeicherte Hüllwasser zu gelangen. Der Transpirationssog der Wurzeln habe zur Austrocknung und Schrumpfung des Bodens geführt. Vor einer Gebäudesanierung müsse die Schadensursache beseitigt werden, die in den beiden Bäumen – der Linde und der Scheinzypresse - zu sehen sei. Ein mit „vermutete Wurzelausbreitung“ beschriebenes Schaubild im Querschnitt ergänzte die Ausführungen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Berichtes (Bl. 22ff d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin stellte daraufhin unter Vorlage des Baugrunduntersuchungsberichtes des C. einen Antrag bei der Beklagten auf Erteilung einer Befreiung von den Verboten der Baumschutzsatzung, den die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2018 ablehnte. Die Beklagte begründete die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Schaden auch ohne Beseitigung des Baumes repariert werden könne. Zudem sei eine Wurzelsperre zu empfehlen. Die Genehmigung zur Beseitigung der Scheinzypresse sei dagegen erteilt worden, damit ein Müllplatz errichtet werden konnte.

Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin am 26.10.2018 Widerspruch ein und begründete diesen sinngemäß damit, dass die Rissschäden darauf beruhten, dass die Wurzeln des Baumes dem lehmhaltigen Boden die Feuchtigkeit entzögen und dieser sich infolgedessen setze. Bei den Rissen handele es sich somit um Setzschäden, die von dem Baum verursacht würden. Eine Wurzelsperre behöbe dieses Problem nicht, die Wurzeln entzögen der Umgebung weiterhin Feuchtigkeit.

Die Klägerin ließ die Schäden ausbessern. In der Folgezeit bildeten sich jedoch erneut Risse in sämtlichen entlang des Westgiebels gelegenen Räumen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2019 zurück. Sie begründete die Entscheidung im Wesentlichen damit, dass als Befreiungstatbestand alleine § 5 Abs. 1 Buchst. c) der „Satzung zum Schutz von Bäumen, Sträuchern und Hecken im Gebiet der Landeshauptstadt Hannover als Geschützte Landschaftsbestandteile“ (Baumschutzsatzung) in Betracht komme. Die Vorschrift setze aber voraus, dass von dem Baum eine Gefahr für eine Person oder Sache ausgeht und die Gefahr nicht auf andere Weise und mit zumutbarem Aufwand zu beheben ist. Darüber hinaus sei erforderlich, dass der Baum die alleinige Ursache für bevorstehende Schäden sei. Letzteres sei durch das Gutachten nicht belegt, da dieses sich nicht ausreichend mit anderen Einflüssen auseinandersetze. Insbesondere sei nicht berücksichtigt worden, dass das Jahr 2018 mit 433 Litern Niederschlag pro Quadratmeter das trockenste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen sei und diese Trockenheit zu einem außerordentlich niedrigen Grundwasserstand geführt habe. Dieser habe in dem betreffenden Jahr mindestens 2,30 Meter unter dem Höchststand gelegen. Es liege nahe, dass der Hauptgrund für die Tonschrumpfungen in dem sehr niedrigen Grundwasserpegel gelegen habe, auch wenn eine Mitursächlichkeit des Baumes denkbar sei. Zudem gehe das Gutachten von nicht belegten Annahmen aus, wie etwa dem Umstand, dass das Wurzelwerk der Linde sich inzwischen unter dem Gebäude befinde. Dies sei unplausibel, denn die Wurzeln des Baumes müssten sich vorwiegend in die anderen, nicht durch den Baukörper versiegelten und damit regendurchlässigen Richtungen ausbreiten. Weiterhin sei das Gutachten undifferenziert, weil es pauschal die Beseitigung beider Bäume – der Linde und der Scheinzypresse – empfehle. Zudem sei nicht nachvollziehbar, weshalb solche Schäden – wenn sie von Bäumen verursacht werden - nicht häufiger gemeldet würden, da im Zuständigkeitsbereich der Beklagten vielfach vergleichbare Bodenverhältnisse herrschten und sich in der Nähe von darauf errichteten Wohnhäusern befindliche Bäume keine Seltenheit darstellten.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 24.04.2019 Klage erhoben. Die Ursächlichkeit des Baumes für die Setzschäden sei durch das vorgelegte Gutachten belegt. Eine endgültige Sanierung des Gebäudes sei nicht möglich, solange der Baum nicht entfernt werde, weil die Wurzeln dem Boden weiter Flüssigkeit entzögen und auch künftig Schrumpfungen verursachten. Die Wurzeln des Baumes breiteten sich in Richtung des Gebäudes aus, da in westlicher Richtung sich ein weiterer im Eigentum der Beklagten stehender Baum befinde. Im Übrigen lasse die Entscheidung die sich aus dem vorgelegten Gutachten ergebenden Erkenntnisse außer Acht. Die von der Beklagten genannten potenziellen Mitfaktoren seien untersucht und ausgeschlossen worden; es sei festgestellt worden, dass im überwiegenden Maße der Wasserentzug durch den Baum schadensursächlich sei. Selbst bei einer Mitursächlichkeit von Niederschlagsschwankungen sei der Bestand des Baumes entscheidend, da er die Auswirkungen erheblich verstärke. Die Argumentation hinsichtlich eines vermeintlich niedrigen Grundwasserstandes verfehle die tatsächlichen Begebenheiten, da der Tonboden unter dem streitgegenständlichen Grundstück bereits naturwissenschaftlich nicht in der Lage sei, Grundwasser zu halten. Die Forderung der Beklagten, einen Nachweis darüber zu erbringen, dass der Baum mit Sicherheit die alleinige Ursache für den austrocknenden Boden darstelle, sei naturwissenschaftlich nicht zu erbringen. Die Beklagte stelle so hohe Anforderungen an die Voraussetzungen der Beseitigung eines Baumes, dass diese nahezu unerfüllbar seien.

Zudem sei die Beseitigung des Baumes auch unerlässlich, um weitere statisch notwendige Instandsetzungsarbeiten durchzuführen. Eine Wurzelsperre sei keine zumutbare Lösung, da diese bis in eine Ebene unterhalb der Fundamente reichen müsste und Kosten im sechsstelligen Bereich nach sich ziehen würde. Zudem sei in diesem Fall die Standsicherheit des Baumes nicht gewährleistet.

Schließlich sei auch eine Bewässerung des Baumes nicht zumutbar. Es sei zu befürchten, dass in künftigen Trockenperioden die Beklagte ein Bewässerungsverbot für Pflanzen verhänge und sich der Schadensverlauf fortsetze.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 26.09.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2019 die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Ausnahmegenehmigung zu erteilen, die Linde Nr. 4443 auf dem Grundstück C. 1D. A-Stadt, zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft die Begründung des Widerspruchsbescheides. Das vorgelegte Gutachten leide an methodischen Mängeln, da es sich bei der Aussage, dass sich die Wurzeln des Baumes unter dem Gebäude befänden, lediglich um eine Vermutung handele. Es hätten keine Bohrungen unter dem Haus stattgefunden, sodass die aus Sicht der Beklagten unwahrscheinliche Ausbreitung der Wurzeln unter das Haus nicht erwiesen sei. Auch seien keine Vergleichswerte in Bezug auf die Entfernung zur Linde erhoben worden. Im Übrigen ziehe das Gutachten den undifferenzierten Schluss, dass alle in der Nähe stehenden Bäume zu entfernen seien. Das Absinken des Grundwasserpegels im Jahre 2018 sei nicht ausreichend als Ursache ausgeschlossen worden, denn ein Absinken des Grundwasserpegels von 0,7 Metern auf unter 3,0 Metern sei mit Sicherheit geeignet, Bodenschrumpfungen zu verursachen, ein einzelner Baum hingegen nicht. Das Gutachten schließe diese Ursache jedoch nicht nachvollziehbar aus. Es sei auch nicht geklärt, zu welchem Zeitpunkt die Schäden entstanden seien. Der Schaden habe am 31.07.2018 jedenfalls vorgelegen, noch im Mai seien aber relativ hohe Grundwasserstände gemessen worden. Als weitere Ursachen kämen Folgen der Erneuerung der Kellertreppen unweit der Schadstelle in Betracht, was erklären würde, weshalb sich die Risse an einer von dem Baum relativ weit entfernten Stelle bildeten. Auch die Ursächlichkeit der Versiegelung des Bodens durch das Bauwerk selbst und der Ableitung des Niederschlagswassers in das städtische Entwässerungssystem für die Austrocknung des Bodens sei nicht erwogen worden.

An die Beklagte sei trotz eines Bestandes von rund 44.000 Straßenbäumen, davon rund 23.000 Linden, kein vergleichbarer Schadensfall herangetragen worden, auch nicht im Rekordjahr 2018. Etwa 8,5 Meter von dem Haus und nur 2,5 Meter von den Garagen entfernt befinde sich etwa eine erheblich größere Linde mit einem Stammumfang von 250cm, die keine Schäden verursacht habe.

Zudem könnten auch natürliche, mit einem Baumbestand einhergehende Begleiterscheinungen – wie die Nahrungsaufnahme des Baumes - alleine keine die Beseitigung rechtfertigende Gefahr begründen.

Weiterhin sei nicht belegt, dass die Gefahr weiterer Setzungen drohe. Dass eine Wurzelsperre nicht den erhofften Zweck erreichen könne, sei nicht substantiiert vorgetragen worden. Außerdem könnte die Schrumpfgrenze des Bodens bereits erreicht sein. Auch hierzu verhalte sich das Gutachten nicht.

Schließlich sei eine Bewässerung des Baumes denkbar. Die Beklagte würde in dem – aus ihrer Sicht unwahrscheinlichen - Fall, dass ein Bewässerungsverbot verhängt werden müsse, der Klägerin eine Ausnahmegenehmigung zum Bewässern erteilen, sofern sie bis dahin ein ordnungsgemäßes Bewässerungssystem für den Baum installiert hat.

Die Klägerin hat ein ergänzendes Gutachten eines Sachverständigen für Bauschäden, Baugrunduntersuchungen und Baugründen vorgelegt, auf welches Bezug genommen wird (Bl. 84 d.A.). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin eine weitere schriftliche Ergänzung des Ingenieursbüros vorgelegt.

Das Gericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung den von der Klägerin sistierten Gutachter des C. als sachverständigen Zeugen vernommen. Es wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die als Versagungsgegenklage statthafte Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Ablehnung der Erteilung einer Ausnahme von dem naturschutzrechtlichen Verbot, geschützte Bäume zu entfernen, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von dem in § 3 der Baumschutzsatzung geregelten Verbot der Beseitigung geschützter Bäume.

Gemäß § 3 Abs. 1 der Baumschutzsatzung ist es verboten, geschützte Bäume zu entfernen, zu beschädigen, zu beeinträchtigen oder in ihrer typischen Erscheinungsform wesentlich zu verändern. Geschützt sind gemäß § 2 Abs. 1 a) der Satzung alle Laubbäume mit einem Stammumfang von mindestens 60cm gemessen in einer Höhe von 100cm über dem Erdboden, mithin auch die streitgegenständliche Linde mit einem Stammumfang von 110cm. Eine Ausnahme nach § 2 Abs. 2 der Baumschutzsatzung ist ebenso wenig gegeben wie die Voraussetzungen einer Freistellung nach § 4 der Baumschutzsatzung.

Die von der Klägerin begehrte Beseitigung des Baumes steht unter dem Ausnahme- und Befreiungsvorbehalt des § 5 der Baumschutzsatzung. Gemäß § 5 c) der Baumschutzsatzung ist eine Ausnahme von den Verboten zu erteilen, wenn von einem Baum, einem Strauch oder einer Hecke Gefahren für Personen oder Sachen ausgehen und die Gefahren nicht auf andere Weise und mit zumutbarem Aufwand zu beheben sind. Die Gefahren können durch Vorlage eines Gutachtens eines für die Verkehrssicherung von Bäumen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nachgewiesen werden.

Grundsätzlich kommen drohende Schäden an Gebäuden durch Setzrisse, die infolge von austrocknungsbedingten Erdschrumpfungen entstehen, als von Bäumen ausgehende Gefahr für Sachen im Sinne des § 5 c) der Baumschutzsatzung in Betracht. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Vorschrift nicht derart auszulegen, dass Wurzelbildung und Wasseraufnahme, ebenso wie Laub- oder Astfall, als zwangsläufige, mit dem Baumbestand einhergehende Begleiterscheinung nach dem Sinn und Zweck des Gefahrenbegriffes der Vorschrift von diesem ausgenommen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 06.03.2014 – III ZR 352/13 -, juris) sind naturgebundene Lebensrisiken, die von gesunden Bäumen ausgehen, zwar grundsätzlich hinzunehmen, da andernfalls auch gesunde Bäume von allgemein zugänglichen Flächen entfernt werden müssten. Diese Einschränkung des Gefahrenbegriffes findet prinzipiell auch im Rahmen von auf naturschutzrechtlicher Grundlage erlassenen Baumschutzsatzungen Anwendung (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.02.2016 – OVG 11 S 84.15 –, Rn. 10, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 04.02.2015 – 6 K 2442/12 –, Rn. 28, juris; VG Weimar, Urteil vom 04.08.2014 - 7 K 1392/12 We, -, juris; VG München, Urteil vom 02.07.2012 - M 8 K 11.4105 -, juris). Bedenklich erscheint jedoch, dass eine so enge Auslegung des Gefahrenbegriffes zu einer Aushöhlung des Tatbestandes führt, da letztlich nahezu jede denkbare von einem Baum ausgehende physische Gefahr begrifflich ein derartiges naturgebundenes allgemeines Lebensrisiko darstellen dürfte.

Das Gericht hat allerdings erhebliche Zweifel daran, dass das von der Klägerin vorgelegte Gutachten den von der Baumschutzsatzung formulierten Anforderungen an den Nachweis einer derartigen Gefahr genügt.

Die Mängel des von der Satzung geforderten Gutachtens müssen zu Lasten desjenigen gehen, der das Gutachten vorlegt, denn ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausnahme. Aus § 5 c) Hs. 2 der Baumschutzsatzung, wonach die Gefahren durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens nachgewiesen werden können, folgert die Kammer, dass es demjenigen, der die Voraussetzungen einer Ausnahme nach diesem Buchstaben geltend macht, obliegt, diese überzeugend darzulegen und zu beweisen. Die Wortbedeutung des Merkmals „Vorlage“ zeigt, dass in diesem Punkt die Amtsermittlungspflicht der Beklagten und auch diejenige des Gerichtes zur Untersuchung der von Bäumen ausgehenden Gefahren eingeschränkt wird und der Antragsteller die eine Gefahr begründenden Umstände fachlich belegt vortragen muss. Mit der dergestalt getroffenen Regelung zur Darlegungs- und Beweislast überschreitet die Beklagte auch nicht ihre aus § 29 BNatSchG i.V.m. § 22 NAGBNatSchG abgeleitete Satzungskompetenz. Zwar unterfallen Darlegungs- und Beweislastfragen grundsätzlich der Regelungsmaterie des Verwaltungsverfahrensrechts und der Verwaltungsgerichtsordnung. Andererseits räumen die Bundes- und Landesgesetzgeber in den Ermächtigungsnormen den Gemeinden die Möglichkeit ein, Teile von Natur und Landschaft als geschützten Landschaftsbestandteil festzusetzen und sie dem Schutz der §§ 13, 20 BNatSchG zu unterstellen. Insofern erscheint es konsequent, den Gemeinden zugleich auch die Kompetenz zuzugestehen, diesen Schutz zur Gewährleistung der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, insbesondere Grundrechten, zu begrenzen und materielle wie formelle Anforderungen an die Einräumung von Ausnahmen zu stellen, wovon die Beklagte mit der zitierten Vorschrift Gebrauch gemacht hat (anders hinsichtlich der Beweislast wohl OVG NRW, Beschluss vom 04.01.2011 – 8 A 2003/09 –, Rn. 6, juris; VG Minden, Urteil vom 20.05.2014 – 1 K 3080/13 –, juris, allerdings beruhend auf Baumschutzsatzungen ohne den sich auf die Vorlage von Gutachten beziehenden Zusatz).

Hier ist einerseits zweifelhaft, ob das hinzugezogene Erdbaulabor A-Stadt die erforderlichen formalen Anforderungen erfüllt. Es ist seitens der Klägerin nichts dazu vorgetragen, dass das C. als Sachverständiger für die Verkehrssicherung von Bäumen öffentlich bestellt und vereidigt ist, oder zumindest fachlich qualifiziert für eine solche Begutachtung ist. Ob § 5 c) Hs. 2 der Baumschutzsatzung auch dahingehend zu verstehen ist, dass ein die formalen Kriterien erfüllendes Gutachten tatsächlich zwingend ist, kann aber dahingestellt bleiben, da der Anspruch aus anderen Gründen ausscheidet.

Die Kammer hat auch Zweifel daran, dass das vorgelegte Gutachten eine von der streitgegenständlichen Linde ausgehende Gefahr im Sinne dieser Vorschrift inhaltlich belegt.

Das Gutachten stellt zunächst plausibel dar, dass der tonhaltige Boden im Falle des Austrocknens zu Schrumpfungen neigt und diese die festgestellten Setzrisse bedingt haben. Dem vorgelegten Gutachten lässt sich sodann aber die behauptete Kausalität des Transpirationssoges der streitgegenständlichen Linde für die entstandenen Setzrisse nicht entnehmen, sodass auch für die Zukunft in Zweifel gezogen werden muss, ob durch den Baum weitere Setzrisse drohen. Das Gutachten stellt vielmehr apodiktisch darauf ab, dass „der nahegelegene Baum“ während der mit dem Absinken des Grundwasserspiegels einhergehenden Trockenperiode mit seinen Wurzeln unter das Gebäude hineinwuchs, um an das im Ton gespeicherte Wasser zu gelangen und der dadurch entstehende Transpirationssog zur Austrocknung der durchwurzelten Zone führte.

Den Ausführungen fehlt es an nachvollziehbaren Anhaltspunkten für die Erkenntnisse, auf denen diese Aussage beruht. Insbesondere ist nicht untersucht worden, ob die Wurzeln des Baumes tatsächlich in diesen Bereich vorgedrungen sind. Die Beschreibung der Abbildung auf Seite 7 legt vielmehr offen, dass es sich diesbezüglich um eine Vermutung handelt, die nicht weiter überprüft worden ist. Auch sind keine Feuchtigkeitsproben in unterschiedlichen Entfernungen zur streitgegenständlichen Linde und zur Schadstelle entnommen worden, um Indizien für die obige Behauptung zu gewinnen. Ebenso wenig verhält sich das Gutachten zu der Frage, ob der Baum in den anderen Richtungen, etwa an den nahegelegenen Stellflächen und Straßen vergleichbaren Effekte auslöst. Hinzu kommt, dass sich das Gutachten nicht substantiiert zu der Frage äußert, ob eine Linde von der hier vorgefundenen Größe überhaupt in der Lage ist, einen Transpirationssog zu erzeugen, welcher stark genug ist, der Tonerde das in ihr molekular gebundene Wasser in einem Umfang zu entziehen, der Schrumpfungen im vorgefundenen Ausmaß nach sich ziehen kann. Ebenso wenig wird zwischen der bereits entfernten Scheinzypresse und der streitgegenständlichen Linde differenziert, insbesondere nicht geprüft, ob die erfolgte Beseitigung der Scheinzypresse bereits ausreichen könnte, um den Wasserhaushalt des Bodens unter dem Gebäude wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Auch dem Einwand, dass die (Haupt-)Ursache für das Schadensbild unmittelbar der niedrige Grundwasserstand sein könnte, begegnet das Gutachten nicht überzeugend. Insbesondere verhält sich das Gutachten in keiner Weise zu der Frage, ob in einer Trockenperiode wie im Frühling/Sommer 2018 das Absinken des Grundwasserspiegels unmittelbar und selbstständig zu einer Austrocknung des Bodens führen und dadurch Setzungen hervorrufen kann. Erst recht fehlt es an einer Beurteilung und Gewichtung der Verursachungsbeiträge von Dürre und Transpirationssog und der Darlegung, dass trotz mehrerer kumulativ kausaler Vorgänge gerade die Entfernung des Baumes künftige Gefahren abwenden würde, wenn es erneut zu Dürreperioden und niedrigen Grundwasserpegeln kommt. So stellt auch die Ergänzung des Gutachtens fest, dass „wenn im laufenden Jahr ähnliche Trockenzeiten auftreten, wie 2018, [...] Ende 2019 weitere Aufwendungen [...] erforderlich werden wie 2018, wenn die Linde nicht beseitigt werden“, ohne aber darzulegen, worauf die Gewissheit fußt, dass die Beseitigung der Linde auch im Falle einer erneuten Dürreperiode den Schaden abwenden würde. Ungewiss ist auch, ob eine Entfernung der Linde nicht die Austrocknung des Bodens nicht viel stärker fördert.

Zweifel an der Schlüssigkeit des Gutachtens sind auch unter dem Aspekt der unbeantwortet gebliebenen Frage geboten, worin die Besonderheit des hier vorgefundenen Sachverhaltes gegenüber den zahlreichen anderen Bauwerken mit angrenzendem Baubestand im städtischen Bereich liegt. Insoweit drängt sich die Frage auf, weshalb das Jahr 2018 in Anbetracht von 44.000 städtischen Straßenbäumen, darunter 23.000 Linden, von denen sich eine Vielzahl in der unmittelbaren Nähe von Gebäuden befinden, nicht eine Vielzahl vergleichbarer Fälle hervorgebracht hat.

Letztlich können diese Fragen jedoch dahingestellt bleiben, denn ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ergibt sich auch dann nicht, wenn man die drohende Gefahr für das Gebäude durch das Wurzelwerk des Baumes unterstellt.

Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 5 c) der Baumschutzsatzung setzt wie dargestellt voraus, dass die Gefahren nicht auf andere Weise und mit zumutbarem Aufwand zu beheben sind, als mit einer Entfernung des Baumes.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. In Betracht kommt neben einer Beseitigung auch die Bewässerung des Baumes in Dürreperioden durch die Klägerin sowie eine Ableitung des Niederschlagswassers von der versiegelten Fläche auf dem Grundstück auf den unversiegelten Boden in regenreicheren Zeiten.

Es ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht substantiiert vorgetragen, wieso es mithilfe dieser beiden Maßnahmen nicht mit zumutbarem Aufwand gelingen kann, eine voranschreitende Austrocknung des Tonbodens unter und um das Gebäude der Klägerin und damit einhergehende schrumpfungsbedingte Absackungen des Bodens abzuwenden. Auch aus dem vorgelegten Gutachten und den Erörterungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung ging nicht hervor, wie der Gutachter auf Blatt 8 des Gutachtens zu der Erkenntnis gelangte, „dass beide in der Nähe des Gebäudes stehende Bäume gefällt werden müssen“, mithin die Bewässerung des Baumes unzumutbar sei. Die Klägerin hat sich lediglich darauf berufen, dass in baldiger Zukunft Bewässerungsverbote für Pflanzen durch die Beklagte zu befürchten seien, wenn sich anhaltende Dürreperioden wie im Sommer 2018 wiederholen sollten. Ungeachtet der Frage, ob solche eher spekulative und ungewisse Risiken die Unzumutbarkeit einer Bewässerung des Baumes bereits zum jetzigen Zeitpunkt begründen können, ist die Beklagte diesem Einwand mit der Zusicherung einer entsprechenden Genehmigung in hinreichender Weise begegnet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.