Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.11.2022, Az.: 14 ME 339/22

beseitigte Mängel; Lebens- und Futtermittelrecht; Veröffentlichung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.11.2022
Aktenzeichen
14 ME 339/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59694
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 07.10.2022 - AZ: 3 B 112/22

Fundstelle

  • NordÖR 2023, 124

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

§ 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB ist auch auf Fälle, in denen die Beseitigung schon vor der Veröffentlichung stattgefunden hat, anzuwenden. Denn nicht nur die Publikation anhaltender, sondern auch die Veröffentlichung bereits beseitigter Verstöße ist geeignet, zur Transparenz am Markt beizutragen.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom 7. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren ebenfalls auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin mit dem (sinngemäßen) Antrag

den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. Oktober 2022 zu ändern und dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu untersagen, die bei der amtlichen Kontrolle am 23. Juni 2022 in der Betriebsstätte „A.“, A-Straße, A-Stadt, festgestellten Mängel entsprechend der Ankündigung im Schreiben vom 13. September 2022 im Internet auf der Seite https://www.verstoesse.lebensmittel-futtermittel-sicherheit.niedersachsen.de/startseite/lebensmittel/verstoesse_nach_regionen/alle_landkreise/ zu veröffentlichen,

ist jedenfalls unbegründet. Die vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist.

Die Antragstellerin wendet mit ihrer Beschwerde lediglich ein, dass die - für sie existenzgefährdende - Veröffentlichung der Beanstandungen nicht (mehr) erforderlich sei, weil die Beanstandungen des Antragsgegners komplett beseitigt worden seien. Bereits im Rahmen der Nachkontrolle am folgenden Tag seien keine Beanstandungen mehr erhoben worden.

Das Verwaltungsgericht ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, dass der Umstand, dass die bei der Kontrolle am 23. Juni 2022 festgestellten hygienischen Mängel beseitigt worden sind, einer Veröffentlichung nicht entgegensteht. Erforderlich ist in einem solchen Fall gemäß § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB lediglich, dass in der Information der Öffentlichkeit auf die erfolgte Beseitigung des Mangels hinzuweisen ist, damit nicht der Eindruck entstehen kann, der jeweilige Grund für die Beanstandungen bestünde fort (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.3.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 40, die Entscheidung hat zur Einfügung von § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB durch das Erste Gesetz zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs vom 24. April 2019, BGBl. I S. 498, geführt). Einen solchen Hinweis plant der Antragsgegner ausweislich seines Ankündigungsschreibens vom 13. September 2022 aber gerade.

§ 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB ist auch auf Fälle, in denen die Beseitigung schon vor der Veröffentlichung stattgefunden hat, anzuwenden (vgl. auch BT-Drs. 19/8349, S. 20). Denn nicht nur die Publikation anhaltender, sondern auch die Veröffentlichung bereits beseitigter Verstöße ist geeignet, zur Transparenz am Markt beizutragen und entspricht der gesetzlichen Intention. Die lebensmittelrechtliche Unzuverlässigkeit eines Unternehmers in der jüngeren Vergangenheit kann durchaus für die Konsumentenentscheidung des Verbrauchers in der Gegenwart und Zukunft eine relevante Tatsache darstellen, auch wenn die festgestellten Verstöße zwischenzeitlich beseitigt wurden. Nach dem Gesetz soll dem Verbraucher überlassen werden, welche Schlüsse er aus Verstößen gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch zieht. Das gilt insbesondere im Hinblick auf den generalpräventiven Zweck der Regelung. Die Publikation behobener Verstöße erhöht die abschreckende Wirkung der Informationsregelung und fördert damit die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften (BVerfG, Beschl. v. 21.3.2018 - 1 BvF 1/13 -, juris Rn. 38; VG Würzburg, Beschl. v. 31.8.2021 - W 8 E 21.1045 -, juris Rn. 55 m.w.N.).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Behauptung der Antragstellerin, die geplante Veröffentlichung sei für sie existenzgefährdend. § 40 Abs. 1a LFGB sieht eine zwingende Pflicht zur Veröffentlichung vor. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der im Normtext wie in den Materialien Ausdruck findet, muss bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Veröffentlichung erfolgen, ohne dass - etwa im Rahmen einer behördlichen Ermessenentscheidung - die für sie streitenden Interessen der Öffentlichkeit mit gegenläufigen Belangen der betroffenen Unternehmen abzuwägen sind (vgl. die amtliche Begründung BT-Drs. 17/7374, S. 20; vgl. auch VGH BW, Beschl. v. 17.12.2020 - 9 S 2481/20 -, juris Rn. 38). Die Vereinbarkeit dieser Regelungstechnik mit verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsanforderungen hat das Bundesverfassungsgericht mit dem bereits zitierten Beschluss vom 21. März 2018 (1 BvF 1/13 -, juris) bestätigt. Unabhängig davon hat die Antragstellerin auch nicht dargelegt, dass die beabsichtigte Veröffentlichung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in ihrem Einzelfall nicht entspreche.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG; eine Reduzierung des Streitwerts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unterbleibt hier wegen der Nichtrückholbarkeit einmal erteilter Information.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).