Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 05.04.2001, Az.: 2 U 196/00
Anspruch auf Zustimmung zur Zahlung einer verringerten Miete; Anspruch auf Neufestsetzung der Miete; Vorrang der Staffelmietvereinbarung; Ermittlung der Indexveränderung und Nichterreichen des Wertes der Wertsicherungsklausel; Kosten des Sachverständigen zur Ermittlung der Indexveränderung; Sinn und Zweck einer Wertsicherungsklausel
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 05.04.2001
- Aktenzeichen
- 2 U 196/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 30145
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0405.2U196.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 27.07.2000 - AZ: 3 O 2229/00
Rechtsgrundlage
- § 4 Abs. 1 AGBG
Fundstellen
- NJW-RR 2001, 1017-1018 (Volltext mit amtl. LS)
- NZM 2001, 468-469
- ZMR 2001, 527-528
In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2001
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 27. Juli 2000 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Kläger beträgt 38.385,64 DM.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 24.766,56 DM festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keine Erfolg.
Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass den Klägern der geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur Zahlung einer auf 2.779,92 DM verringerten Miete mit Wirkung vom 1. März 1998 und auf Rückzahlung überzahlter Miete für die Zeit von März 1998 bis Mai 2000 nicht zusteht. Ebenso wenig können die Kläger von den Beklagten die Erstattung der Kosten des von dem Sachverständigen ... am 30. Juni 1999 erstatteten Mietgutachtens beanspruchen.
Die Kläger können nämlich aus der in § 5 des Mietvertrages der Parteien über die Praxisräume in der ... in ... vereinbarten Wertsicherungsklausel einen Anspruch auf Neufestsetzung der Miete für die Zeit ab 1. März 1998 nicht herleiten.
Zwar ist die vorbezeichnete Wertsicherungsklausel nicht schon deshalb unwirksam, weil in § 5 Ziffer 1 der für den Zeitpunkt der Vertragsabschlusses zu Grunde zu legende Preisindex nicht angegeben ist. Die Parteien haben ausdrücklich den Lebenshaltungskostenindex für einen Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt mit mittlerem Einkommen auf der Basis 1976 = 100 vereinbart. Danach lässt sich der Ausgangsindex zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 31. März 1992 auf Grund der von dem Statistischen Bundesamt veröffentlichten Angaben ermitteln. Der Preisindex für April 1996 betrug auf der Basis von 1991 = 100 103,7 (NJW 1996, 37) und ist auf das Basisjahr 1976 = 100 durch Multiplikation mit dem Faktor 1,55000 auf 160,735 festzustellen (vgl. NJW 1996, 38). Zum 1. Februar 1998 betrug der Index auf der Basis von 1991 = 100 117,4 (Statistisches Bundesamt, Jahrbuch für 1998). Gleichwohl rechtfertigt der Preisindexanstieg in dem vorgenannten Zeitraum um 13,2 % keinen Anspruch der Kläger auf Neufestsetzung der Miete.
a)
Gegenüber der Wertsicherungsklausel in dem von den Beklagten als Vermietern gestellten Mietvertrag kommt nämlich der Staffelmietvereinbarung der Parteien in der Anlage I zum Mietvertrag gem. § 4 Abs. 1 AGBG der Vorrang zu, weil es sich bei der Regelung in § 5 Mietvertrag lediglich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. In der Staffelmiet-Vereinbarung haben die Parteien Mieterhöhungen für das zweite und dritte Mietjahr unabhängig von dem Stand des Lebenshaltungskostenindexes fest vereinbart. Diese Abrede schließt nicht nur eine Veränderung des vereinbarten Mietzinses vor Beginn des dritten Mietjahres aus, sondern führt auch dazu, dass für Veränderungen des Mietzinses auf Grund der allgemeinen Preisentwicklung nicht mehr auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages im Jahre 1992, sondern auf das Wirksamwerden der letzten Erhöhung gemäß der Mietpreisstaffel am 1. April 1994 abzustellen ist. In der Wert Sicherungsklausel ist nämlich die Vereinbarung einer Staffelmiete nicht bedacht worden. Unter Berücksichtigung der uneingeschränkten Festlegung der Mietzinserhöhungen bis zum dritten Mietjahr ist die Wertsicherungsklausel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach dem mutmaßlichen Willen der Parteien dahin auszulegen, dass die in der Anlage zum Mietvertrag fest vereinbarten Mietzinserhöhungen nicht anders behandelt werden, als wenn die Erhöhungen auf Grund der Wertsicherungsklausel erfolgt wären. § 5 Ziffer 5 dieser Klausel sieht jedoch gerade vor, dass jede weitere Änderung der Indexzahl nur berücksichtigt wird, wenn seit dem letzten Änderungszeitpunkt der Miete der Indexwert erneut um mehr als 10 % gestiegen oder gefallen ist. Damit haben die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass nach einer Veränderung des Mietzinses ein erneuter Anspruch auf Neufestsetzung des Mietzinses eine weitere qualifizierte Veränderung des Standes der Lebenshaltungskosten seit dem Wirksamwerden der letzten Änderung voraussetzt.
Auf dieser Grundlage ist seit dem Wirksamwerden der Mieterhöhung im dritten Jahr, also ab 1. April 1994, auf 20 DM/m² bis zum 1. Februar 1998 keine Indexveränderung um 10 % erfolgt. Der Preisindex für die Lebenshaltung von Vier-Personen-Haushalten von Arbeitnehmern und Angestellten mit mittlerem Einkommen betrug im April 1994 110,6 auf der Basis von 1991 = 100. Dieser Wert ist für das Basisjahr 1976 auf 171,43 umzubasieren. Daraus resultiert unter Berücksichtigung des oben angegebenen Indexwertes für Februar 1998 i.H.v. 181,97 (176 = 100) ein Anstieg von lediglich 6,15 %. Dieser Anstieg rechtfertigt gemäß § 5 Ziffer 1 einen Anspruch der Kläger auf Neufestsetzung der Miete nicht, sodass die Beklagten schon deshalb zur Ablehnung des Anspruches auf Neufestsetzung berechtigt waren und die Voraussetzungen für die Anrufung des Sachverständigen durch die Kläger nicht vorlagen.
Die Ermittlung der Indexveränderung durch die Kläger auf der Grundlage des Basisjahres 1995 kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil bei Vertragsabschluss im Jahre 1992 diese Indexwerte noch nicht zur Verfügung standen. Im Übrigen erreicht auch der Anstieg des Indexwertes auf der Basis von 1995 = 100 von April 1994 i.H.v. 98,0 auf 103,7 im Februar 1998 mit 5,82 % nicht die in der Wertsicherungsklausel für einen Anspruch auf Neufestsetzung vorgesehene Größenordnung.
Die Kläger schulden danach weiter die seit dem Beginn des dritten Mietjahres am 1. Februar 1994 gültige Miete von netto 3.369,60 DM (168,48 m² × 20 DM), auf die wegen der Nutzung der Gewerberäume für die freiberufliche ärztliche Tätigkeit der Kläger Mehrwertsteuer nicht zu entrichten ist.
Ein Anspruch auf Ersatz der vollen Sachverständigenkosten ist im Übrigen auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil gemäß § 5 Ziffer 4 Satz 2 der Wertsicherungsklausel selbst bei der berechtigten Anrufung des Sachverständigen die durch die Einholung des Gutachtens entstandenen Kosten von den Mietern zur Hälfte zu tragen sind. Die Kläger vertreten zwar selbst diese Auffassung, beanspruchen aber gleichwohl auch im Berufungsrechtszug Ersatz der vollen Sachverständigenkosten.
b)
Darüber hinaus tritt der Senat den Erwägungen des Landgerichts dazu bei, dass bei der vorliegenden Wertsicherungsklausel die Änderung der Miete nur in der Bewegungsrichtung der Bezugsgröße erfolgen kann. Zwar sind bei einer Neufestsetzung der Miete, anders als bei einer Anpassung, die Äquivalenzvorstellungen der Parteien bei Vertragsabschluss nicht zu berücksichtigen, sondern es ist so vorzugehen, als ob die Vertragsparteien erstmals in Vertragsverhandlungen eintreten und einen neuen Mietzins aushandeln (vgl. BGH NJW 1975, 1557). Daraus lässt sich aber nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass trotz eines Anstiegs der Bezugsgröße, also hier des Lebenshaltungskostenindexes, der Mieter über den Anspruch auf Neufestsetzung eine Herabsetzung der Miete verlangen kann. Die Parteien haben in § 5 des Mietvertrages eine Wertsicherungsklausel vereinbart, die für beide Parteien bei einer Veränderung der Bezugsgröße den Gegenwert sichern sollte, den sie nach dem Vertrag für die Erbringung ihrer vertraglichen Hauptpflicht beanspruchen konnten. Insbesondere war danach auch eine Neufestsetzung mit dem Ziel der Herabsetzung der Miete möglich, sofern der Preisindex um mehr als 10 % sinkt. Die von den Klägern angestrebte Herabsetzung der Miete gegen die Bewegungsrichtung der Bezugsgröße, also trotz des qualifizierten Anstiegs des Lebenskostenindexes, unterläuft demgegenüber den Zweck der Wertsicherungsklausel, der insbesondere die Rendite der Beklagten als Vermieter vor den mit einer Erhöhung des Lebenshaltungskostenindexes verbundenen Geldwerteinbußen auf Grund Kaufkraftverlustes sichern will. Der Senat verkennt nicht, dass die von dem Landgericht zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt (OLGZ 81, 96 f.) eine Mietanpassungsklausel betrifft, und dass die von dem Landgericht weiter in Bezug genommene Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen OLG (ZMR 1992, 534) nicht ohne Widerspruch geblieben ist (vgl. Cassing, ZMR 1992, 536). Gleichwohl zwingt auch die von den Klägern angeführte Entscheidung des OLG Frankfurt (NJW-RR 1999, 379) zu keiner abweichenden Beurteilung. Zwar hat das OLG Frankfurt angenommen, dass im Falle einer Mietneufestsetzungsklausel der Schiedsgutachter befugt sei, auch bei einem Anstieg des vereinbarten Preisindexes einen niedrigeren als den ursprünglich vereinbarten Mietzins festzusetzen (vgl. NJW-RR 1999, 380). Der veröffentlichten Entscheidung ist jedoch nicht zu entnehmen, dass sie zu einem dem vorliegenden Fall vergleichbaren Sachverhalt ergangen ist. Gegen die Auffassung des OLG Frankfurt bestehen nämlich keine Bedenken, wenn die Parteien eine entsprechende Klausel vereinbart haben, die die Überschrift "Änderung des Mietzinses" oder "Neufestsetzung des Mietzinses" trägt (vgl. die Überschrift "Änderung des Mietzinses" in § 10 des senatsbekannten Formularvertrages des Landesverbandes Niedersächsischer Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer-Vereine e.V.). Im vorliegenden Fall haben die Parteien jedoch durch die fett gedruckte Überschrift "Wertsicherung" der AGB-Klausel in § 5 Mietvertrag deutlich zum Ausdruck gebracht, welchem Zweck die vorbezeichnete Vereinbarung dient. Die Überschrift ist entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht missverständlich, sondern eindeutig. Sie wird durch den in § 5 geregelten Anspruch auf Neufestsetzung des Mietzinses auch nicht konterkariert. Auch wenn nämlich eine Änderung des Mietzinses wegen des Wertsicherungscharakters der Klausel nur in der gleichen Bewegungsrichtung wie die Veränderung der Bezugsgröße erfolgen kann, wird durch den Anspruch auf Neufestsetzung der Miete klargestellt, dass die Äquivalenzvorstellungen der Parteien bei Vertragsabschluss bzw. im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der letzten Staffelmieterhöhung für die Neufestsetzung nicht zu berücksichtigen sind. Das hat z.B. bei einer qualifizierten Erhöhung des Indexwertes für die Lebenshaltungskosten um mehr als 10 % zur Folge, dass eine Mieterhöhung gleichwohl nicht in Betracht kommt, wenn die ortsübliche Miete am ersten des auf den Zugang des Neufestsetzungsverlangens folgenden Monats die bis dahin von dem Mieter gezahlte Miete nicht übersteigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 713 und 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Der Wert der Beschwer und der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren richten sich hinsichtlich des Antrags auf Zustimmung zur Herabsetzung der monatlichen Miete bei dem vorliegenden gewerblichen Mietverhältnis nach § 9 ZPO, weil insoweit keine andere Beurteilung als bei einer Klage auf Mietzinserhöhung in Betracht kommt (vgl. Senat, OLGR 1996, 84; BVerfG WuM 1996, 321 [BVerfG 30.01.1996 - 1 BvR 2388/95]). Neben dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der verlangten Mietsenkung i.H.v. monatlich 589,68 DM, also insgesamt 24.766,56 DM, ist der Antrag auf Zahlung von 13.619,08 DM nicht zusätzlich für den Gebührenstreitwert werterhöhend zu berücksichtigen. Der Klageantrag erfasst nämlich den auch mit dem Antrag auf Zustimmung zur Mietzinsminderung geltend gemachten Überzahlungsbetrag für die Zeit vom 1. März 1998 bis einschließlich Mai 2000. Für diesen Zeitraum betreffen beide Anträge denselben Streitgegenstand, sodass gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG nur der höhere der beiden Werte maßgebend ist. Für die Festsetzung der Beschwer ist dagegen gemäß §§ 2, 5 ZPO eine Zusammenrechnung vorzunehmen.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 24.766,56 DM festgesetzt.