Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 24.04.2001, Az.: 9 W 100/01
Richterablehnung; Befangenheit ; Gesetzwidriges Verfahren ; Bevorzugung ; Terminverlegung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 24.04.2001
- Aktenzeichen
- 9 W 100/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 21620
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0424.9W100.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 42 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Die Besorgnis der Befangenheit kann gerechtfertigt sein, wenn ein gesetzwidriges Verfahren des Richters den Eindruck erweckt, durch die Verfahrensweise werde ein bestimmter Kreis von Parteien bevorzugt.
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Die Ablehnung des Richters am Amtsgericht ....... wird für begründet erklärt.
Gründe
Die Beschwerde hat Erfolg.
Der abgelehnte Richter hat einen Verfahrensverstoß begangen, der im Zusammenhang mit weiteren Umständen die Besorgnis der Kläger, er sei befangen, rechtfertigt. Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Der Richter hat den am 6. Februar 2001 anberaumten Verhandlungstermin allein auf den Schriftsatz der Beklagten vom 24. Januar 2001 hin, in dem 'wegen vorrangiger Fristabläufe' um Fristverlängerung für die Klageerwiderung von einer Woche gebeten wird, verlegt. Dies stand nicht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften. Nach § 227 Abs. 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Nach § 227 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO sind indessen das Ausbleiben oder die mangelnde Vorbereitung einer Partei keine erheblichen Gründe, wenn sie nicht genügend entschuldigt werden. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte keinen Verlegungsantrag gestellt, sondern nur um eine Fristverlängerung gebeten, die der abgelehnte Richter aber anscheinend nicht in Betracht gezogen hat. Danach war eine Verlegung 'von Amts wegen' nicht zulässig.
2. Das Landgericht hat allerdings - insoweit zutreffend - darauf hingewiesen, dass ein Verfahrensverstoß allein noch nicht die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt, solange nicht die Partei besorgen muss, dass die Verfahrensweise des Richters auf einer unsachlichen Einstellung beruht. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte selbst nicht einmal um eine Verlegung nachgesucht hat, sondern dass diese, wie die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters ergibt, allein deshalb erfolgt ist, um - wie in Reisesachen offenbar regelmäßig - die Sache in einem (späteren) Termin zu erledigen. Dies dient aber nicht, wie in der dienstlichen Äußerung des Richters weiter ausgeführt wird, nur dem rechtlichen Gehör der Kläger, sondern verkürzt vielmehr ihre Rechte anderweitig und beeinträchtigt ihre prozessuale Position. Ohne die Verlegung hätten die Beklagten damit rechnen müssen, dass ein nicht fristgemäß in den Rechtsstreit eingeführtes Vorbringen wegen Verspätung zurückgewiesen werden würde, wenn sich nach einer Stellungnahme der Kläger - deren rechtliches Gehör im Verfahren nach § 283 ZPO gewährleistet war - dazu herausgestellt hätte, dass der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif war. Um dies zu vermeiden, wäre der Anwalt der Beklagten - der eine Fristverlängerung für die Klageerwiderung nach der aus der dienstlichen Äußerung hervorgehenden Praxis des abgelehnten Richters offenbar nicht erreichen konnte - im anberaumten Termin möglicherweise nicht aufgetreten. Dann aber hätten die Kläger bei Schlüssigkeit ihrer Klage ein Versäumnisurteil erwirken können. Dies wäre ein ohne Sicherheitsleistung vollstreckbarer Titel gewesen, der u. U. zusätzliche praktische Bedeutung gewinnen konnte, wenn etwa die beklagte Partei Liquiditätsprobleme hatte oder gar von Insolvenz bedroht war und deshalb ein schnell erwirkter Titel auch wirtschaftlich bedeutsam war. Nach der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters nimmt dieser in Reisesachen eine nicht fristgerechte Terminsvorbereitung durch die beklagten Reiseveranstalter regelmäßig zum Anlass, Termine von Amts wegen zu verlegen, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Dies muss bei den Klägern den Eindruck erwecken, ein bestimmter Kreis von Parteien werde auf Kosten ihrer prozessualen Rechte bevorzugt. Deshalb ist die Besorgnis der Befangenheit, die die Kläger geltend machen, gerechtfertigt, ohne dass es darauf ankommt, ob der Richter tatsächlich unparteiisch ist oder nicht.