Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.05.2003, Az.: 2 L 2040/98

Abschiebungsschutz; Asyl; Ausgrenzung; Aussperrung; Ehegattenasyl; Eheschließungsfreiheit; Einreiseverweigerung; Familienasyl; Kurde; staatenlos; Syrien; Wiedereinreise

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.05.2003
Aktenzeichen
2 L 2040/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48098
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 27.01.1998 - AZ: 4 A 4494/95

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass staatenlosen Kurden aus Syrien, die Syrien illegal verlassen haben, keine rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit haben, nach Syrien zurückzukehren.

2. Der Senat hält ferner an seiner Rechtsprechung fest, dass die Weigerung des syrischen Staates, die genannten staatenlosen Kurden wieder nach Syrien einreisen zu lassen, für sich genommen keine politische Verfolgung darstellt.

Tatbestand:

1

Die Beigeladene ist nach eigenen Angaben am ..... 1978 in Syrien geboren, kurdischer Volkszugehörigkeit und moslemischen Glaubens. Sie lebte vor ihrer Ausreise aus Syrien im Distrikt Al Hassake im Nordosten Syriens. Sie verließ Syrien ungefähr im August 1994 gemeinsam mit Herrn D. illegal über die syrisch-türkische Grenze. Nachdem Schlepper für die Beigeladene und D. gefälschte Pässe besorgt hatten, flogen beide im Oktober 1994 von Istanbul aus in die Bundesrepublik Deutschland und beantragten am 18. Oktober 1994 ihre Anerkennung als Asylberechtigte.

2

Vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) erklärte die Beigeladene am 24. Oktober 1994, sie sei staatenlos. Hierzu legte sie einen Auszug aus dem Zivilregister für Ausländer in Kamischli vom 13. August 1993 vor. Einen vergleichbaren Auszug aus dem Zivilregister für Ausländer in Kamischli vom 14. Dezember 1993 legte auch D. vor. In beiden Dokumenten ist als Familienstand „verheiratet“ eingetragen. Hierzu erklärte die Beigeladene, sie habe D. vor etwa vier Monaten geheiratet. Da sie nicht registriert gewesen seien, hätten sie nur bei dem Mullah und nicht standesamtlich heiraten können.

3

Sie habe in Syrien keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt. Bis zu ihrer Heirat habe sie bei ihren Eltern gelebt. Unmittelbar nach der Heirat sei sie zu ihrem Mann in dessen Wohnung gezogen. Dort sei sie bis zu ihrer Flucht aus Syrien fast immer allein gewesen. Ihr Mann sei nur ab und zu nachts nach Hause gekommen. Er sei wegen seiner Musik verfolgt worden. Vor ihrer Heirat sei er zwei Mal inhaftiert gewesen. Die erste Inhaftierung sei während eines Newroz-Festes erfolgt. Er sei zehn Tage lang festgehalten, geschlagen und gefoltert worden. Die zweite Inhaftierung sei ebenfalls während eines Festes erfolgt. Er sei einen Tag lang festgehalten worden.

4

In der Nacht vor den Wahlen sei ihr Mann von einem Freund abgeholt worden. Er habe mit dem Freund Wahlzettel verteilen sollen. In dieser Nacht sei ihr Mann nicht mehr zurückgekommen. Am nächsten Tag seien Leute vom Geheimdienst erschienen und hätten nach ihm gesucht. Sie habe den Aufenthaltsort ihres Mannes nicht gekannt. Danach seien die Leute des Geheimdienstes des öfteren zu ihr gekommen. Sie hätten sehr oft die Tür eingeschlagen und seien in die Wohnung eingedrungen. Sie selbst sei nicht geschlagen worden, habe aber ständig Angst gehabt. Zuletzt seien die Leute vom Geheimdienst etwa zwei bis drei Tage vor ihrer Flucht erschienen und hätten nach ihrem Mann gefragt. Sie hätten stets gedroht, dass sie ihn töten würden, wenn sie ihn finden würden.

5

Am 8. September 1995 beantragten die Beigeladene und D., ihre am 5. Mai 1995 geborene Tochter E., die Beigeladene zu 2. des ersten Rechtszuges, als Asylberechtigte anzuerkennen.

6

Mit Bescheid vom 30. Oktober 1995 erkannte das Bundesamt D., die Beigeladene und die Beigeladene zu 2. des ersten Rechtszuges als Asylberechtigte an. Außerdem stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bei D. hinsichtlich des Herkunftslandes vorliegen. Zur Begründung führte das Bundesamt aus, D. habe glaubhaft vorgetragen, wegen des Singens kurdischer Lieder auf Folkloreveranstaltungen festgenommen und gefoltert worden zu sein. Dieses Vorbringen sei asylrelevant. Damit seien in seinem Fall die Voraussetzungen des Art. 16 a Abs. 1 GG und des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllt. Die Beigeladene und die Beigeladene zu 2. des ersten Rechtszuges seien gemäß § 26 AsylVfG als Asylberechtigte anzuerkennen.

7

Gegen den Bescheid vom 30. Oktober 1995 hat der Kläger am 14. November 1995 insoweit Klage erhoben, als die Beigeladene und die Beigeladene zu 2. des ersten Rechtszuges als Asylberechtigte anerkannt worden sind. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, die Voraussetzungen des § 26 AsylVfG seien im Falle der Beigeladenen nicht erfüllt, weil mit dem Begriff der Ehe im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG nur die staatlich anerkannte Lebensgemeinschaft gemeint sei. Die Beigeladene und D. seien jedoch lediglich nach religiösem Ritus getraut. Hinsichtlich der Beigeladenen zu 2. des ersten Rechtszuges scheide die Gewährung von Familienasyl aus, weil der Asylantrag nicht unverzüglich nach der Geburt gestellt worden sei.

8

Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid des Bundesamtes vom 30. Oktober 1995 insoweit aufzuheben, als die Beigeladene und die Beigeladene zu 2. des ersten Rechtszuges als Asylberechtigte anerkannt worden sind.

10

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

11

Die Beigeladene und die Beigeladene zu 2. des ersten Rechtszuges haben beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie haben einen Auszug aus dem Zivilregister für Ausländer in Kamischli vom 1. August 1994 vorgelegt, in dem die Beigeladene und D. als verheiratet eingetragen sind. Ferner haben sie eine am 22. Juli 1994 ausgestellte Bescheinigung des Imams der Almuhamakhiyeh Moschee in Kamischli vorgelegt, in der es heißt, dass zwischen D. und der Beigeladenen nach islamischer Gerichtsbarkeit die Eheschließung vollzogen worden sei.

14

Mit Urteil vom 27. Januar 1998 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamtes vom 30. Oktober 1995 insoweit aufgehoben, als die Beigeladene zu 2. des ersten Rechtszuges als Asylberechtigte anerkannt worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beigeladene sei zu Recht als Asylberechtigte im Wege des Familienasyls anerkannt worden. Unter einer Ehe im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG sei zwar grundsätzlich die mit Eheschließungswillen eingegangene, staatlich anerkannte Lebensgemeinschaft zu verstehen. Von diesem Grundsatz seien jedoch unter anderem dann Ausnahmen zuzulassen, wenn eine Heirat im Herkunftsland nicht möglich gewesen sei. So liege es im Falle der Beigeladenen. Sie habe als staatenlose Kurdin keine Möglichkeit gehabt, eine nach syrischem Recht anerkannte Ehe zu schließen. Es sei ihr nur der Weg der sogenannten Imamehe geblieben, um eine Verbindung mit D. einzugehen. Das Gericht sei davon überzeugt, dass die Eheschließung vor dem Imam am 22. Juli 1994 stattgefunden habe.

15

Die Beigeladene zu 2. des ersten Rechtszuges sei dagegen zu Unrecht als Asylberechtigte im Wege des Familienasyls anerkannt worden, da ihr Asylantrag nicht unverzüglich nach der Geburt gestellt worden sei.

16

Der Kläger hat gegen dieses Urteil am 6. April 1998 die Zulassung der Berufung beantragt, soweit es die Beigeladene betrifft.

17

Mit Beschluss vom 24. April 1998 hat der Senat die Berufung des Klägers zugelassen.

18

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung vor, der Beigeladenen stehe ein Asylrecht nach § 26 AsylVfG nicht zu, weil diese Regelung zwingend eine staatlich anerkannte Ehe voraussetze. Gründe, die einen originären Asylanspruch der Beigeladenen begründen könnten, bestünden nicht. Die Frage, ob die Beigeladene einen Anspruch auf Gewährung von Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG habe, sei nicht Streitgegenstand der Beanstandungsklage. Da dieses Teilbegehren des Asylantrages beim Bundesamt unbeschieden geblieben sei, sei es noch im Verwaltungsverfahren anhängig. Falls für die Beigeladene eine Rückkehr- bzw. Rückführungsmöglichkeit nach Syrien bestünde, müsse berücksichtigt werden, dass sie eine in zeitlichem Zusammenhang zur Ausreise stehende Verfolgung nicht darzulegen vermocht habe. Es sei auch nicht ersichtlich, dass sie unter dem Aspekt der sogenannten Sippenhaft gefährdet wäre. Letztlich scheide aber für die Beigeladene schon eine Rückkehrmöglichkeit nach Syrien aus, da sie ihr Heimatland illegal verlassen habe. Staatenlose Kurden, die illegal aus Syrien ausgereist seien, hätten keine Rückkehrmöglichkeit.

19

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

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das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und den Bescheid des Bundesamtes vom 30. Oktober 1995 auch insoweit aufzuheben, als die Beigeladene als Asylberechtigte anerkannt worden ist.

21

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

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Die Beigeladene beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

24

Sie ist der Auffassung, dass grundsätzlich eine nur nach religiösem Ritus geschlossene Ehe nicht die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG erfülle. Es widerspreche jedoch dem Schutzgedanken des Asylrechts, ausnahmslos nur staatlich anerkannte Ehen dem Schutz des Familienasyls zu unterstellen. Es müsse in jedem Fall geklärt werden, ob eine nachträgliche staatliche Anerkennung der nach religiösem Ritus geschlossenen Ehe möglich sei. Zumindest die Ehen, die nachträglich – gegebenenfalls auch erst im Ausland – staatlich registriert werden könnten, müssten in den Schutzbereich des § 26 AsylVfG einbezogen werden.

25

Die Beigeladene trägt weiter vor, sie lebe zurzeit von ihrem Mann getrennt. Dieser sei in F. wohnhaft. Er habe auf Anordnung des Amtsgerichts G. die gemeinsame Wohnung verlassen müssen, da er sie schwer misshandelt habe, und zwar seit acht Jahren. Die Staatsanwaltschaft ermittele gegen ihn wegen des Verdachtes der schweren Körperverletzung.

26

Die Beigeladene macht außerdem geltend, sie müsse im Falle der Rückkehr nach Syrien mit Sippenhaft oder sippenhaftähnlichen Maßnahmen rechnen. Ihr als Asylberechtigter anerkannter Mann sei in Syrien auf verschiedenen Folkloreveranstaltungen als Musiker aufgetreten und im März 1994 festgenommen und gefoltert worden. Die Annahme, dass er als gefährlicher Regimegegner eingestuft werde, sei gerechtfertigt. Sie gehe davon aus, dass es kurzfristig zu einer Abschiebung staatenloser Kurden nach Syrien kommen könne. Dies belege der Fall des staatenlosen Kurden H., der – wie sie – ebenfalls aus Syrien stamme. Der Erftkreis betreibe die Abschiebung dieses Kurden. Die syrische Botschaft in Bonn habe dem Auswärtigen Amt mit Verbalnote vom 5. November 2002 mitgeteilt, dass die zuständige Behörde in Syrien der Ausstellung eines Heimreisedokumentes zugestimmt habe. Falls der syrische Staat ihr die Wiedereinreise verweigern sollte, stelle dies eine politische Verfolgung dar. Dies habe das Verwaltungsgericht Magdeburg durch Urteil vom 30. Januar 2003 (9 A 155/02 MD) im Falle eines anderen staatenlosen Kurden aus Syrien entschieden.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die das Asylverfahren der Beigeladenen, des D. und der Beigeladenen zu 2. des ersten Rechtszuges betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die die Beigeladene und die Beigeladene zu 2. des ersten Rechtszuges betreffenden Ausländerakten der Stadt G. und die D. betreffende Ausländerakte der Stadt F. verwiesen.

28

Die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel ergeben sich aus den Anlagen zu der Verfügung des Gerichts vom 7. April 2003 und aus der Verfügung des Gerichts vom 8. Mai 2003.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Klägers ist begründet. Der Beigeladenen steht ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte gemäß § 26 AsylVfG, Art. 16 a Abs. 1 GG nicht zu. Ebenso wenig hat die Beigeladene einen Anspruch auf die Feststellung, dass in ihrem Fall die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.

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1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nicht die Frage, ob das Bundesamt mit dem Bescheid vom 30. Oktober 1995 rechtsfehlerfrei D. als Asylberechtigten anerkannt und zu Recht festgestellt hat, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in seinem Fall vorliegen. Denn der Kläger hat den Bescheid des Bundesamtes vom 30. Oktober 1995 insoweit mit seiner Klage vom 14. November 1995 nicht angefochten.

31

Auch die Frage, ob das Verwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 27. Januar 1998 den Bescheid des Bundesamtes vom 30. Oktober 1995 zu Recht insoweit aufgehoben hat, als mit diesem die Beigeladene zu 2. des ersten Rechtszuges als Asylberechtigte anerkannt worden ist, ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Denn das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit nicht angefochten worden. Auf den Antrag des Klägers ist nur der Teil des Bescheides des Bundesamtes vom 30. Oktober 1995 Streitgegenstand des Berufungsverfahrens geworden, der die Beigeladene betrifft.

32

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist danach zum einen die Frage, ob das Bundesamt die Beigeladene zu Recht als Asylberechtigte anerkannt hat. Entgegen der Ansicht des Klägers ist zum anderen auch die Frage, ob in der Person der Beigeladenen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, Streitgegenstand des Berufungsverfahrens. Dies zeigt die Vorschrift des § 13 Abs. 2 AsylVfG. Danach wird mit jedem Asylantrag sowohl die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, als auch, wenn der Ausländer dies nicht ausdrücklich ablehnt, die Anerkennung als Asylberechtigter beantragt. Sofern – wie hier – das Bundesamt einen Ausländer als Asylberechtigten anerkannt, aber eine Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG unterlassen hat, muss demgemäss auf die Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten hin das Gericht stets auch noch über die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG mit entscheiden (vgl. Rennert, Der Streitgegenstand im Asylprozess, DVBl. 2001, 161, 164 f., m.w.N.; Beschl. d. Sen. v. 12.10.2001 - 2 L 2847/98 -; anderer Ansicht VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 10.02.1993 - A 13 S 710/92 -, NVwZ-RR 1993, 383).

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Der Kläger kann sich demgegenüber zur Stützung seiner Rechtsauffassung nicht mit Erfolg auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2001 (- 1 B 217.01 -, AuAS 2002, 70) berufen. Denn dieser Beschluss bezieht sich nicht auf die Frage, ob in Fällen der vorliegenden Art die Gewährung von Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG Streitgegenstand geworden ist, sondern auf die davon zu unterscheidende Frage, ob in solchen Fällen die Gewährung von Abschiebungsschutz gemäß § 53 AuslG entweder automatisch Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist oder zulässigerweise durch einen Antrag des jeweiligen Beigeladenen in den Rechtsstreit einbezogen werden kann. Diese Frage hat das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung verneint.

34

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass Gegenstand des Berufungsverfahrens nicht die Frage ist, ob im Falle der Beigeladenen Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG bestehen. Hierüber hat das Bundesamt in seinem Bescheid vom 30. Oktober 1995 nicht entschieden. Diese Frage ist – wie ausgeführt wurde – auch weder automatisch zum Gegenstand des Rechtsstreits geworden noch kann sie auf einen Antrag der Beigeladenen in den Rechtsstreit einbezogen werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.2001, a.a.O.; Rennert, a.a.O., 161, 165; Beschlüsse des Senats v. 29.07.2002 - 2 L 5153/96 - und v. 12.10.2001, a.a.O.).

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2. Der Beigeladenen kann entgegen der in dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts und der in dem Bescheid des Bundesamtes vom 30. Oktober 1995 vertretenen Auffassung nicht nach § 26 AsylVfG (Familienasyl) die Rechtsstellung einer Asylberechtigten verliehen werden.

36

a) Die Gewährung von Familienasyl scheidet allerdings nicht schon deshalb aus, weil die Beigeladene nach der religiösen Eheschließung, die am 22. Juli 1994 erfolgt sein soll, nur bis zu ihrer Flucht aus Syrien im August 1994 in der Wohnung des D. gelebt und diesen während dieser Zeit nur ab und zu nachts gesehen hat. Eine bestimmte Form sowie bestimmte Erfordernisse an die Dauer des ehelichen Zusammenlebens im Verfolgerstaat setzt § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG nicht voraus. Verfolgungsbedingte Gründe können dazu geführt haben, dass – wie es die Beigeladene hinsichtlich D. geltend gemacht hat – einer der Ehegatten unmittelbar nach der Eheschließung verdeckt leben und die Flucht vorbereiten musste. In derartigen Fällen wird man die Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft bei Berücksichtigung des Gesetzeszwecks nicht zur Voraussetzung des Ehegattenasyls machen können (vgl. Marx, AsylVfG, 4. Aufl. 1999, § 26 RdNr. 14; vgl. zum Tatbestandserfordernis des § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG, dass die Ehe schon im Verfolgerstaat „bestanden“ haben muss, auch BVerwG, Urt. v. 15.12.1992 - 9 C 61.91 -, DVBl. 1993, 327, 328).

37

b) Es ist allerdings sehr zweifelhaft, ob die Gewährung von Familienasyl jedenfalls deshalb ausscheidet, weil die Beigeladene schon seit längerer Zeit von D. getrennt lebt, der seit dem 3. April 2002 in Bielefeld polizeilich gemeldet ist. Dieser hat nach dem Vorbringen der Beigeladenen auf gerichtliche Anordnung die gemeinsame Wohnung in Goslar verlassen müssen, weil er sie seit acht Jahren schwer misshandelt habe. Der Vortrag der Beigeladenen wird durch den Beschluss des Amtsgerichts G. vom 13. Februar 2002 (Bl. 100 Beiakte C) bestätigt. Mit diesem Beschluss ist D. auf Antrag der Beigeladenen einstweilen aufgegeben worden, umgehend die damalige gemeinsame Wohnung zu verlassen, der Beigeladenen zur alleinigen Nutzung zu überlassen und die Wohnung nicht mehr zu betreten. In den Gründen heißt es, die Beigeladene habe glaubhaft gemacht, dass D. in der letzten Zeit laufend gegen sie gewalttätig geworden sei, mit der Folge von Prellungen, Gehirnerschütterungen und einer Nasenbeinfraktur. Mit einem weiteren Beschluss des Amtsgerichts G. vom 31. Januar 2002 (Bl. 101 Beiakte C) ist D. auf Antrag der Beigeladenen im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben worden, es zu unterlassen, sich ihr näher als 50 m zu nähern.

38

Während im rechtswissenschaftlichen Schrifttum einerseits vertreten wird, dass die Ehe im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG in Form einer familiären Lebensgemeinschaft auch im Zufluchtsstaat zum Zeitpunkt der behördlichen bzw. gerichtlichen Entscheidung über den Asylantrag des sich auf § 26 AsylVfG berufenden Asylbewerbers tatsächlich fort besteht und die familiäre Lebensgemeinschaft nicht durch Trennung, Scheidung oder Tod aufgelöst sein darf (vgl. in diesem Sinne etwa Hailbronner, AuslR, Stand: August 2002, § 26 AsylVfG, RdNr. 23, mit weiteren Nachweisen zum Meinungsstand), wird dies andererseits nicht für erforderlich gehalten (vgl. etwa Marx, a.a.O., § 26 RdNr. 16 f.).

39

Es bedarf im vorliegenden Fall indes keiner Klärung, welcher der beiden geschilderten Rechtsauffassungen der Vorzug zu geben ist. Denn die Gewährung von Familienasyl an die Beigeladene scheidet jedenfalls deshalb aus, weil sie – wie sogleich ausgeführt wird - mangels einer wirksamen, staatlich anerkannten Ehe im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2

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AsylVfG nicht gemäß § 26 Abs. 1 AsylVfG Ehegattin des als Asylberechtigten anerkannten D. ist.

41

c) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 09.12.2002 - 2 L 3490/96 -, Asylmagazin 4/2003, 33), auf die die Beteiligten mit der Verfügung des Berichterstatters des Senats vom 10. Januar 2003 hingewiesen worden sind, setzt ein Anspruch auf Gewährung von Familienasyl nach § 26 AsylVfG eine Eheschließung bereits im Herkunftsstaat – hier Syrien – voraus. Hierzu ist in dem Urteil vom 9. Dezember 2002 (a.a.O.) im Einzelnen folgendes ausgeführt worden:

42

"Ist aber auf den Herkunftsstaat für das Vorliegen einer Ehe i.S. des § 26 AsylVfG abzustellen, so hat dies zur Folge, dass für die Frage der Wirksamkeit einer Verbindung zwischen Mann und Frau, die auch nach § 26 AsylVfG als Ehe den Anspruch auf Gewährung von Familienasyl vermitteln kann, nicht das deutsche Eherecht, sondern das Eherecht des Herkunftsstaates maßgeblich ist (Marx, aaO, RdNr. 9 zu § 26; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. 1999, RdNr. 12 zu § 26 AsylVfG; Schnäbele, aaO, RdNr. 60 zu § 26). Dies gebieten auch die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die die Bundesrepublik durch die Ratifizierung der Genfer Flüchtlingskonvention (Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, v. 28.7.1951, zugestimmt und veröffentlicht durch Gesetz v. 1.9.1953, BGBl. II S. 559 – GK –) eingegangen ist. Nach Art. 12 Abs. 1 GK ist nämlich für das Personalstatut des Flüchtlings und damit für die Rechtsgültigkeit einer Ehe auf die Rechtsordnung des Herkunftsstaates abzuheben, auch verlangt die Achtungsregelung des Art. 12 Abs. 2 GK, dass das nationale Recht – hier § 26 AsylVfG – des Staates, in dem der Flüchtling um Schutz nachsucht, so ausgelegt wird, dass die vor der Ausreise des Flüchtlings „erworbenen und sich aus seinem Personalstatut ergebenden Rechte, insbesondere die aus der Eheschließung ... geachtet" werden. Auch diese völkerrechtliche Verpflichtung legt es nahe, für die Frage der Rechtsgültigkeit einer Ehe auf das Eherecht des Herkunftsstaates des Asylsuchenden (und nicht auf die Rechtsordnung und das Familienrecht der Bundesrepublik) für den Ehebegriff in § 26 AsylVfG abzustellen (ebenso OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 5.7.1993 – 13 A 10564/92 –, EZAR 215 Nr. 6 = DVBl. 1994, 69).

43

Kommt damit dem Eherecht des Herkunftsstaates die entscheidende Bedeutung zu, so ist es andererseits für die Bejahung eines Anspruchs auf Familienasyl nach § 26 AsylVfG nicht angängig, die Anforderungen, die das Eherecht des Herkunftsstaates an die Wirksamkeit einer Eheschließung stellt, dadurch zu umgehen, dass im Wege einer „großzügigen Interpretation" (Koisser/Nicolaus, ZAR 1991, 31(34) – zu § 7 a Abs. 3 AsylVfG a. F.) des § 26 AsylVfG diese Anforderungen mit asylrechtlichen Erwägungen wie etwa der „Zumutbarkeit" (so das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil v. 24.2.1994) ganz oder teilweise für gegenstandslos erklärt werden. Dem Sinn und Zweck des § 26 AsylVfG widerspricht eine derartige ausufernde Interpretation der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Vorschrift, namentlich des Ehebegriffs; denn die Vorschrift des § 26 AsylVfG soll wie ihre Vorgängerschrift, der § 7 a Abs. 3 AsylVfG a. F., dazu dienen, Familienangehörigen (Ehegatte und minderjährige Kinder) eines (anerkannten) politischen Verfolgten in einem vereinfachten Verfahren, und zwar ohne (aufwendige) Prüfung eigener Verfolgungsgründe auch die Rechtsstellung eines Asylberechtigten zu verleihen (vgl. BT-Drucks. 11/6960, S. 29f., wonach die Regelung des Familienasyls – dort noch der, soweit hier von Interesse mit § 26 Abs. 1 AsylVfG wortgleiche § 7 a Abs. 3 AsylVfG a. F. – zur „Entlastung des Bundesamtes ... und der Verwaltungsgerichtsbarkeit ... die Möglichkeit eröffnet, von einer u. U. schwierigen Prüfung eigener Verfolgungsgründe der Familienangehörigen eines Asylberechtigten abzusehen"). Mit dieser Zielrichtung wäre es aber nicht zu vereinbaren, im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs nach § 26 AsylVfG in einem aufwendigen Verfahren, das ggf. der Prüfung eigener Asylgründe des Familienangehörigen gleichkommt, festzustellen, ob der Familienangehörige in unzumutbarer, u. U. asylrechtlich bedeutsamer Weise daran gehindert worden ist, die Voraussetzungen zu erfüllen, die die Rechtsordnung seines Herkunftsstaates für die Wirksamkeit einer Eheschließung vorsieht. Hinzu kommt, dass bei einer derartigen erweiterten Prüfung und der Einbeziehung einer auch von dem Herkunftsstaat nicht anerkannten Eheschließung in den Ehebegriff des § 26 AsylVfG (in diesem Sinne aber: Marx, aaO, RdNr. 9 zu § 26; Hailbronner, aaO, RdNr. 20 zu § 26 AsylVfG; Schnäbele, aaO, RdNr. 62 zu § 26) die einzuhaltende Grenzlinie zwischen dem Anspruch auf Familienasyl und dem materiellen Asylanspruch überschritten würde. Die im Rahmen einer „großzügigen Interpretation" (Koisser/Nicolaus, aaO) erforderlich werdende Prüfung liefe nämlich in Wahrheit auf die Prüfung eigener Asylgründe des Familienangehörigen hinaus, die nach dem Willen des Gesetzgebers bei § 26 AsylVfG aber gerade zu unterbleiben hat. Eine derartige Prüfung kann vielmehr nur im Rahmen eines eigenen Asylanspruchs des Familienangehörigen erfolgen, der im Übrigen durch eine strenge, lediglich auf die nach dem Eherecht des Herkunftsstaates beschränkte Prüfung der Eheschließungsvoraussetzungen auch nicht rechtsschutzlos wird, kann er doch, wird ein Anspruch auf Gewährung von Familienasyl mangels wirksamer Eheschließung im Herkunftsstaat verneint, auf die Prüfung eines eigenen Asylanspruchs und dort auf eine ihm ggf. in asylrechtlich bedeutsamer Weise verweigerte Eheschließung verwiesen werden."

44

Unter Beachtung dieser Grundsätze kann die Beigeladene nicht nach § 26 AsylVfG die Rechtsstellung einer Asylberechtigten beanspruchen, weil die nach dem Eherecht ihres Herkunftsstaates Syrien für eine Wirksamkeit erforderliche staatliche Anerkennung der zwischen ihr und D. in Syrien geschlossenen Ehe nicht glaubhaft gemacht worden ist.

45

Auszugehen ist davon, dass nach syrischem Eherecht für eine staatliche Anerkennung einer in Syrien geschlossenen Ehe grundsätzlich erforderlich ist, dass ein (Bezirks-)Richter seine Zustimmung zu der Eheschließung erteilt hat (Art. 41 des syrischen Personalstatutgesetzes, Gesetz Nr. 59 v. 17.9.1953, geändert durch Gesetz Nr. 34 vom 31.12.1975, abgedruckt bei Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 6. Aufl., Stand: Oktober 2002, Stichwort „Syrien“, S. 11 - PSG -) und dass die Eheschließung vor dem Richter oder einem von ihm ermächtigten Rechtspfleger stattzufinden hat (Art. 43 PSG). Zwar kann auch eine außerhalb des Gerichtes geschlossene Ehe Wirksamkeit erlangen, aber auch bei dieser Ehe wird eine staatliche Anerkennung (durch das Gericht) für notwendig erachtet, wie sich dies aus der Bestimmung des Art. 40 Abs. 2 PSG ergibt. Die Notwendigkeit einer staatlichen Anerkennung für die Wirksamkeit einer Ehe besteht für alle in Syrien vollzogenen Eheschließungen, unabhängig davon, ob es sich bei den Eheleuten um Ausländer oder um Nicht-Muslime handelt, wie dies die Normen des Art. 40 Abs. 1 lit. e und der Art. 305 ff. PSG deutlich machen.

46

Die somit für eine wirksame Eheschließung in Syrien erforderliche staatliche Anerkennung der Ehe (durch ein syrisches Gericht) hat die Beigeladene nicht glaubhaft machen können. Sie hat selbst während des gesamten Verfahrens geltend gemacht, in Syrien nur nach religiösem (islamischem) Ritus mit D. verbunden worden zu sein. Auch D. hat in seinem Asylverfahren erklärt, die Ehe sei nur nach religiösem Ritus geschlossen worden.

47

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Beigeladenen vorgelegten Auszügen aus dem Zivilregister für Ausländer in Kamischli vom 13. August 1993, 14. Dezember 1993 und 1. August 1994, in denen sie und D. jeweils als verheiratet bezeichnet worden sind. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel an der Echtheit bzw. Korrektheit dieser Dokumente, weil sich aus ihnen gravierende zeitliche Unterschiede bezüglich des Datums der Eheschließung ergeben, die die Beigeladene schon im erstinstanzlichen Verfahren trotz des gerichtlichen Hinweises, der ihr seinerzeit mit Verfügung vom 10. September 1996 erteilt worden ist, nicht aufgelöst hat. Da die Beigeladene und D. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht übereinstimmend erklärt haben, am 22. Juli 1994 religiös geheiratet zu haben, und hierzu eine Bescheinigung eines Imams vom 22. Juli 1994 vorgelegt haben, ist die in den Auszügen aus dem Zivilregister für Ausländer vom 13. August 1993 und 14. Dezember 1993 jeweils enthaltene Eintragung „verheiratet“ offensichtlich nicht korrekt.

48

Selbst wenn indes zu Gunsten der Beigeladenen unterstellt würde, die Eheschließung mit D. sei im syrischen Zivilregister eingetragen worden, läge eine Ehe im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG nicht vor. Denn nach syrischem Eherecht ist die bloße Eintragung einer Heirat in das Zivilregister für eine staatliche Anerkennung der Eheschließung nicht konstitutiv.

49

Aus dem schon erwähnten syrischen Personalstatutgesetz und insbesondere aus den benannten Art. 40 ff. sowie Art. 305 ff. PSG ergibt sich zweifelsfrei, dass für eine wirksame Eheschließung eine staatliche Anerkennung erforderlich ist, die nur dadurch erfolgen kann, dass ein Richter oder ein von ihm ermächtigter Rechtspfleger tätig wird; nur die gerichtliche Anerkennung wirkt für eine wirksame Eheschließung nach syrischem Eherecht konstitutiv, nicht aber die bloße Eintragung der Eheschließung in das Zivilregister (vgl. Urt. d. Sen. v. 09.12.2002, a.a.O.).

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3. Die Beigeladene kann auch nicht aus eigenem Recht gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG als Asylberechtigte anerkannt werden.

51

a) Sie hat geltend gemacht, es sei ihr und D. nicht möglich gewesen, in Syrien eine staatliche Anerkennung ihrer nach religiösem Ritus geschlossenen Ehe zu erlangen, da sie staatenlos seien. Es trifft schon nicht zu, dass es registrierten oder nicht registrierten staatenlosen Kurden moslemischen Glaubens in Syrien, deren Bevölkerung zu etwa drei Vierteln aus sunnitischen Muslimen und zu etwa zehn Prozent aus alawitischen Muslimen besteht, wobei die Familie des syrischen Staatspräsidenten Assad und die wichtigsten Angehörigen des Machtapparates alawitische Muslime sind (vgl. Lagebericht Syrien des Auswärtigen Amtes v. 07.10.2002, S. 1 f.), nicht möglich ist, eine staatliche Anerkennung einer nach islamischem Ritus geschlossenen Ehe zu erhalten. Denn nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes (Lagebericht Syrien v. 07.10.2002, S. 13) registrieren staatliche Standesämter in Syrien islamische Ehen. Voraussetzung ist lediglich, dass die von der geistlichen islamischen Verwaltung erstellten Heiratsdokumente vorgelegt werden.

52

Selbst wenn es jedoch der Beigeladenen in Syrien nicht möglich gewesen sein sollte, für ihre mit D. geschlossene Ehe eine staatliche Anerkennung zu erlangen, könnte hierin eine asylrechtlich bedeutsame Maßnahme nicht gesehen werden. Denn hierdurch wäre der asylrechtlich nur geschützte Kernbereich der religiösen Betätigung, das sogenannte religiöse Existenzminimum, das heißt die Religionsausübung im häuslich-privaten Bereich, das Gebet, der Gottesdienst mit anderen Gläubigen sowie das Glaubensgespräch und das Glaubensbekenntnis im nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.07.1987 - 2 BvR 478, 962/86 -, BVerfGE 76, 143, 158 ff.; BVerwG, Urt. v. 25.10.1988 - 9 C 37.88 -, NVwZ 1989, 477, 478), nicht betroffen worden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass insbesondere in Syrien für eine Anerkennung einer nach religiösem (islamischem, christlichem oder sonstigem) Ritus geschlossenen Verbindung von Mann und Frau die entscheidende Bedeutung die Billigung durch Dritte zukommt, nicht aber durch die staatliche Anerkennung dieser Verbindung. Die staatliche Anerkennung einer nach einem religiösen Ritus geschlossenen Verbindung hat nur insoweit Bedeutung, als hieraus gegen den Staat gegebenenfalls Ansprüche und Rechte auf staatliche Leistungen hergeleitet werden können. Daher dient die staatliche Anerkennung (Trauung vor dem Richter/Rechtspfleger) der Verbindung, wie dies im Gutachten des Deutschen Orient-Instituts vom 3. Juli 2000 an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (S. 3) überzeugend ausgeführt wird, vornehmlich Beweiszwecken (vgl. Urt. d. Sen. v. 09.12.2002, a.a.O.). Mithin kann nicht festgestellt werden, dass die Beigeladene, auch wenn es ihr nicht möglich gewesen sein sollte, eine staatliche Anerkennung ihrer nach islamischem Ritus geschlossenen Ehe zu erlangen, hierdurch in dem Kernbereich ihrer Religionsausübung, in ihrem religiösen Existenzminimum in der Weise betroffen worden ist, dass darin eine asylrechtlich bedeutsame Verfolgung zu sehen wäre.

53

Die - zu Gunsten der Beigeladenen unterstellte - Verweigerung der staatlichen Anerkennung der von ihr nach religiösem Ritus geschlossenen Ehe würde schließlich auch nicht in einer die Menschenwürde verletzenden Intensität in die Eheschließungsfreiheit eingreifen. Die Eheschließungsfreiheit ist in erster Linie durch Art. 6 Abs. 1 GG und nicht durch Art. 16 a Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.1971 - 1 BvR 636/68 -, NJW 1971, 1509). Ein die Menschenwürde verletzender Eingriff in die Eheschließungsfreiheit der Beigeladenen wäre nicht gegeben, wenn ihr die staatliche Registrierung der religiös geschlossenen Ehe verweigert worden wäre, weil sie jedenfalls nicht daran gehindert worden ist, nach religiösem Ritus eine Ehe zu schließen.

54

b) Die Beigeladene kann ihre Anerkennung als Asylberechtigte auch nicht wegen ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit beanspruchen. Denn nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 22.06.1999 - 2 L 670/98 -) wird die ethnische Minderheit der Kurden in Syrien nicht als Gruppe verfolgt (vgl. in diesem Sinne auch OVG NW, Urt. v. 21.04.1998- 9 A 6597/95.A -; OVG Bremen, Urt. v. 04.11.1998 - OVG 2 BA 4/97 -).

55

c) Auch die Maßnahmen, die der syrische Geheimdienst nach dem Vorbringen der Beigeladenen nach ihrer Eheschließung gegen sie ergriffen haben soll, begründen keine politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG. Die Beigeladene hat während ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 24. Oktober 1994 eingeräumt, dass sie von den Bediensteten des syrischen Geheimdienstes nicht geschlagen worden sei. Die Maßnahmen des Geheimdienstes, die die Beigeladene geschildert hat, haben das asylrechtlich relevante Maß nicht erreicht. Der Umstand, dass der syrische Geheimdienst die Beigeladene nicht festgenommen, sondern stets nur nach dem Aufenthaltsort des D. befragt hat, spricht dagegen, dass seitens des syrischen Staates ihr gegenüber ein ernsthafter und nachhaltiger Verdacht einer regimekritischen Betätigung entstanden war.

56

d) Die Beigeladene kann ihre Anerkennung als Asylberechtigte auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Sippenhaft beanspruchen. Nach der Rechtsprechung des Senats drohen Sippenhaft oder sippenhaftähnliche Maßnahmen zwar nahen Angehörigen solcher Personen, die in Syrien als gefährliche Regimegegner eingestuft werden (vgl. Urt. d. Sen. v. 09.12.2002, a.a.O.; Urt. v. 22.05.2001 - 2 L 3644/99 -, m.w.N.). Dagegen, dass dies im Falle des D. der Fall ist, spricht jedoch, dass seit seiner Ausreise aus Syrien nahezu neun Jahre vergangen sind. Es ist deshalb nach der Überzeugung des Senats ausgeschlossen, dass der syrische Staat der Beigeladenen gegenüber im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien sippenhaftähnliche Maßnahmen praktizieren würde, um so D. zu einer Rückkehr nach Syrien zu bewegen.

57

Es kommt hinzu, dass die Beigeladene – wie ausgeführt wurde – seit mehr als einem Jahr von D. getrennt lebt und dass sie die Beschlüsse des Amtsgerichts G. vom 31. Januar 2002 und 13. Februar 2002 erwirkt hat, die einen persönlichen Kontakt nahezu unmöglich machen. Die Gefahr, dass ein getrennt lebender „Ehegatte“ wegen seiner vormaligen familiären Beziehung zu politisch Verfolgten selbst Opfer politischer Verfolgung seitens des Verfolgerstaates wird, ist als gering zu bewerten, da der Verfolgerstaat in einer solchen Situation keinen bzw. kaum Druck auf den originär Asylberechtigten ausüben kann (vgl. Hailbronner, a.a.O., § 26 AsylVfG, RdNr. 23).

58

e) Die Beigeladene hat im Übrigen auch deshalb keinen Anspruch auf Anerkennung als

59

Asylberechtigte, weil es sich bei ihr um eine staatenlose Kurdin handelt, der der syrische Staat eine Wiedereinreise nicht gestattet. Nach dem Staatenlosenübereinkommen (Übereinkommen vom 28.09.1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen, BGBl. II 473 und BGBl. II 1997, 235) und der Genfer Konvention ist deshalb für die Frage der politischen Verfolgung nicht mehr auf den ursprünglichen Herkunftsstaat Syrien, sondern auf Deutschland als dem Land des gewöhnlichen Aufenthaltes der Beigeladenen abzustellen.

60

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die Beigeladene staatenlos ist. Dies hat sie von Anfang an in ihrem Asylverfahren geltend gemacht. Auch das Bundesamt ist in dem angefochtenen Bescheid vom 30. Oktober 1995 von der Staatenlosigkeit der Beigeladenen ausgegangen. Da die Beigeladene nach eigenem Vorbringen Syrien illegal über die syrisch-türkische Grenze verlassen hat, besteht für sie nunmehr nicht mehr die Möglichkeit, nach Syrien zurückzukehren. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Urt. v. 27.03.2001 - 2 L 2505/98 -, Asylmagazin Nr. 7-8/2002, 32; Urt. v. 12.12.2001 - 2 L 5428/97 -; Urt. v. 09.12.2002, a.a.O.; Beschl. v. 30.01.2003 - 2 LA 81/03 -), die mit der Rechtsprechung anderer Obergerichte übereinstimmt (vgl. etwa OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27.06.2001 - A 3 S 461/98 -, Asylmagazin Nr. 11/2001, 39, 42), verweigert der syrische Staat staatenlosen, bisher von ihm auf seinem Staatsgebiet geduldeten Kurden die Wiedereinreise nach Syrien, wenn sie Syrien illegal verlassen haben.

61

Der Senat hält an dieser Rechtsprechung auch in Kenntnis des von der Beigeladenen geschilderten Falles des staatenlosen Kurden aus Syrien H. fest. Denn dem Vorbringen der Beigeladenen und den von ihr mit Schriftsatz vom 27. Februar 2003 vorgelegten Unterlagen lässt sich nicht entnehmen, dass H., den die Beigeladene als Beleg dafür nennt, dass die genannte Rechtsprechung des Senats in der Sache nicht mehr zutrifft, Syrien ebenfalls illegal verlassen hat. Es kommt hinzu, dass in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht feststeht, dass für H. tatsächlich eine Rückkehrmöglichkeit besteht. In der Verbalnote der syrischen Botschaft in Bonn vom 5. November 2002 heißt es zwar, dass die zuständige Behörde in Syrien ihre Zustimmung für die Ausstellung eines Heimreisedokumentes für H. gegeben habe. In der Verbalnote ist jedoch weiter ausgeführt, die betroffene deutsche Behörde werde gebeten, mit der Botschaft Kontakt aufzunehmen, um die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die telefonische Auskunft, die der für die Abschiebung des H. zuständige Erftkreis dem Berichterstatter des Senats am 8. Mai 2003 erteilt hat, hat ergeben, dass die Abschiebung des Kurden noch nicht vollzogen und dass bei der syrischen Botschaft in Bonn auch noch nicht die Erteilung von Heimreisedokumenten beantragt worden ist.

62

Selbst wenn im Übrigen in dem genannten Einzelfall eine Rückkehrmöglichkeit nach Syrien bestünde, würde dies dem Senat noch keine Veranlassung geben, seine Rechtsprechung zu ändern. Denn aus einem einzigen Fall, in dem einem zuvor möglicherweise illegal aus Syrien ausgereisten staatenlosen Kurden die Wiedereinreise durch die syrischen Behörden gestattet wird, lässt sich noch keine grundlegende Änderung der Praxis des syrischen Staates gegenüber diesem Personenkreis herleiten.

63

Es ist nach der Überzeugung des Senats auch ausgeschlossen, dass der Beigeladenen trotz ihres Status als Staatenloser und ihrer illegalen Ausreise ausnahmsweise etwa deshalb die Wiedereinreise nach Syrien gestattet würde, weil der syrische Staat dann ihrer wieder habhaft wäre und so D. seinerseits zur Rückkehr nach Syrien bewegen könnte. Für eine solche Vorgehensweise des syrischen Staates fehlen jegliche Anhaltspunkte, zumal – wie schon ausgeführt wurde – der lange Aufenthalt des D. in Deutschland und insbesondere auch der Umstand, dass er seit mehr als einem Jahr von der Beigeladenen getrennt lebt, gegen die Annahme eines derartigen Interesses des syrischen Staates sprechen.

64

f) Die Weigerung des syrischen Staates, die Beigeladene wieder nach Syrien einreisen zu lassen, stellt für sich genommen keinen Akt politischer Verfolgung dar.

65

Allerdings können „Aussperrungen“ und „Ausgrenzungen“ in Gestalt von Einreiseverweigerungen politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG bzw. des § 51 Abs. 1 AuslG sein, wenn sie wegen asylerheblicher Merkmale des Betroffenen erfolgen, die Verweigerung der Einreise also auf die Rasse, die Religion, die Nationalität, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder auf die politische Überzeugung des Asylbewerbers zielt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.10.1995 - 9 C 75.95 -, NVwZ-RR 1996, 471 und Urt. v. 24.10.1995 - 9 C 3.95 -, NVwZ-RR 1996, 602). Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Aussperrung Staatsangehörige betrifft. Bei Staatenlosen liegt es demgegenüber nahe, dass eine solche Maßnahme auf anderen als asylrelevanten Gründen beruht, weil der eine Einreise verweigernde Staat beispielsweise ein Interesse daran hat, die durch den Aufenthalt entstandene wirtschaftliche Belastung zu mindern oder Gefahren für die Staatssicherheit durch potentielle Unruhestifter vorzubeugen, oder weil er keine Veranlassung sieht, Staatenlose, die freiwillig das Land verlassen haben, weiterhin aufzunehmen (vgl. BVerwG, Urteile v. 24.10.1995, aaO).

66

Nach diesem Maßstab lässt sich nicht feststellen, dass die Weigerung des syrischen Staates, Personen wie die Beigeladene einreisen zu lassen, auf asylrechtlich bedeutsamen Gründen beruht. Dies hat der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urt. v. 9.12.2002, aaO, m. w. Nachw.) auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile v. 24.10.1995, aaO) und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachen-Anhalt (Urt. v. 27.6.2001, aaO, 42 f.) entschieden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg v. 30. Januar 2003 (9 A 155/02 MD) gibt dem Senat keine Veranlassung, seine Rechtsprechung zu ändern. Denn aus den in dem vorgenannten Urteil getroffenen Feststellungen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass den aus Syrien stammenden staatenlosen Kurden wegen ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit und damit wegen eines asylerheblichen Persönlichkeitsmerkmals die Wiedereinreise nach Syrien verweigert wird. Es kann zwar, was auch das Verwaltungsgericht Magdeburg nicht verkannt hat (vgl. S. 8 UA), nicht ausgeschlossen werden, dass der syrische Staat mit der Aussperrung der staatenlosen Kurden, die Syrien illegal verlassen haben, Gefahren für die Staatssicherheit durch potentielle Unruhestifter vorbeugen will. Eine solche Motivation des syrischen Staates reicht - wie schon ausgeführt wurde - indes nicht aus, um die Annahme zu rechtfertigen, dass dem Verhalten des syrischen Staates neben dem ordnungspolitischen Aspekt eine asylrechtlich relevante Intention zu Grunde liegt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 27.6.2001, aaO, 39, 43).

67

4. Die Beigeladene kann der Beanstandungsklage des Klägers auch nicht entgegenhalten, sie habe einen Anspruch auf Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG. Ein solches Begehren ist zwar – wie dargelegt wurde – Streitgegenstand des Berufungsverfahrens. Die materiellen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot wegen politischer Verfolgung im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG sind jedoch nicht gegeben. Die Gründe, die einem Anspruch auf Asyl gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG entgegenstehen, greifen auch gegenüber einem Anspruch auf Abschiebungsschutz gemäß § 51 Abs. 1 AuslG durch. Insoweit wird zur weiteren Begründung auf die obigen Ausführungen zu dem von der Beigeladenen geltend gemachten Asylanspruch verwiesen.

68

Ob der Beigeladenen Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG zur Seite stehen, bedarf – wie bereits ausgeführt wurde – in diesem Verfahren keiner Prüfung.

69

5. Die Kostenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.

70

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

71

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.