Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.05.2003, Az.: 7 LA 101/03

Abschiebung; Abschiebungshindernis; Asylbewerber; Ausländer; Gehörsrüge; Gericht; Glaubwürdigkeit; Glaubwürdigkeitszweifel; Hinweis; Hinweispflicht; rechtliches Gehör; richterlicher Hinweis; unglaubwürdiger Vortrag; Unglaubwürdigkeit; unterbliebener Hinweis; unterlassener Hinweis; widersprüchlicher Vortrag; Zweifel; überraschende Entscheidung; Überraschung; Überraschungsentscheidung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.05.2003
Aktenzeichen
7 LA 101/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48566
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 23.04.2003 - AZ: 1 A 215/01

Gründe

I.

1

Mit dem im Tenor bezeichneten Urteil hat das Verwaltungsgericht die auf Asyl und Abschiebungsschutz gerichtete Klage abgewiesen. In Afghanistan bestehe derzeit weder eine staatliche noch eine staatsähnliche Gewalt. Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG seien nicht glaubhaft gemacht worden.

2

Der Kläger strebt die Durchführung eines Berufungsverfahrens an, soweit das Urteil auch Abschiebungshindernisse verneint. Er habe kein ausreichendes rechtliches Gehör gehabt. Das Gericht habe in der mündlichen Verhandlung keine Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit geäußert, diese Bewertung dann jedoch zur Begründung der Entscheidung verwendet. Wäre ihm das vorher mitgeteilt worden, hätte er ergänzend Beweisanträge zur Untermauerung seiner Vortrags gestellt.

II.

3

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Der geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO - Versagung des rechtlichen Gehörs - liegt nicht vor.

4

Der Gehörsgrundsatz verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber, ihnen in der Sache zu folgen. Er umfasst grundsätzlich nicht die Verpflichtung, auf etwaige Unstimmigkeiten und Widersprüche im Vortrag des Asylbewerbers hinzuweisen. Die Obliegenheit eines Asylbewerbers, bei den in seiner Sphäre fallenden Ereignissen seinen Asylanspruch lückenlos vorzutragen, schließt ein, etwaige Unstimmigkeiten und Widersprüche ohne Nachfrage oder Hinweis des Gerichts auszuräumen. Ebenso wenig gebietet der Gehörsgrundsatz, bereits in der mündlichen Verhandlung das - mögliche oder voraussichtliche - Ergebnis der Sachverhalts- oder Beweiswürdigung zu offenbaren (GK-AsylVfG, Rn. 261, 280, 281 zu § 78 m.w.N.).

5

Auch die ohne richterlichen Hinweis erfolgte Bewertung des Vorbringens als unglaubhaft gründet auf der Feststellung von Tatsachen, zu denen sich der Kläger äußern konnte, und berührt daher nicht den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG (BVerwG, B. v. 30. August 1983 - 9 CB 222.81 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 13). Das Gericht hat mit dieser Bewertung auch keine "Überraschungsentscheidung" getroffen. Es hat ersichtlich nicht festgestellt oder sonst positiv den Eindruck erweckt, es werde dem Kläger glauben, um dann unerwartet davon abzurücken. Der Verzicht auf einen Hinweis zu einem widersprüchlichen oder sonst unglaubhaften Vortrag für sich allein begründet keine unzulässige "Überraschung", wenn dieser später in den Urteilsgründen als unglaubhaft qualifiziert wird (OVG Lüneburg, B. v. 8. Juli 1997 - 12 L 3286/97).