Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 19.03.2003, Az.: 9 U 223/02

Schadensersatzanspruch gegen den Unfallversicherungsträger bei Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften; Unfallverhütungsvorschriften als Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.03.2003
Aktenzeichen
9 U 223/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 33971
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2003:0319.9U223.02.0A

Fundstellen

  • FStNds 2003, 710-711
  • NZS 2003, 667 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2003, 288-289
  • zfs 2003, 341-342 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit
...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom
12. März 2003
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts V vom 20. August 2002 in Verbindung mit dem Ergänzungsurteil vom 31. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.

    Beschwer: unter 20.000 EUR.

Gründe

1

Der minderjährige Kläger macht gegen den beklagten Unfallversicherungsträger einen Schmerzensgeldanspruch geltend, nachdem er am 8. September 2000 auf dem Gelände der von ihm besuchten Grundschule in einer Unterrichtspause aus einer Höhe von mehr als zwei Metern von einem Baum gefallen ist, der von den Schülern zu Kletterspielen benutzt wurde. Der Kläger meint, trotz des Hafturigsausschlusses gemäß § 104 SGB VII im Verhältnis zum Schulträger stehe ihm ein Schmerzensgeldanspruch zu, da der Unfallversicherungsträger seiner Überwachungs- und Beratungspflicht gemäß § 17 SGB VII nicht nachgekommen sei und deshalb nicht dafür gesorgt habe, dass der Boden unterhalb des Baumes gegen Sturzfolgen abgepolstert gewesen sei.

2

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf das klagabweisende Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Der Kläger sieht die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Auslegung des § 17 SGB VII als rechtsfehlerhaft an und wiederholt seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

3

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, da der Gemeinde-Unfallversicherungsverband keine Rechtspflichten gegenüber dem Kläger zu erfüllen hatte.

4

Nach gefestigter Rechtsprechung (BGH VersR 1969, 827, 828 m.w.N., OLG Düsseldorf VersR 1982, 51) haben Unfallverhütungsvorschriften nur den Zweck, den Unfallversicherungsträger vor den finanziellen. Folgen von Arbeitsunfällen zu bewahren, für die er bei Realisierung präventiv abzuwehrender Unfallrisiken durch Gewährung von Unfallversicherungsleistungen einzustehen hat. Wegen ihres begrenzten Schutzzwecks werden Unfallverhütungsvorschriften nicht als Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB qualifiziert. Für die Anspruchsgrundlage der Amtspflichtverletzung des § 839 BGB gilt nichts anderes. Es kommt danach nicht darauf an, ob die vom Kläger benannten Richtlinien überhaupt Unfallverhütungsvorschriften sind.

5

§ 17 SGB VII, der von der Überwachung der gemäß § 15 SGB VII aufgestellten Unfallverhütungsvorschriften handelt, beschreibt nur den Aufgabenbereich der Unfallversicherungsträger bei der Überwachung der als autonomes Recht erlassenen UVV (Abs. 1 S. 1) und gibt eine Ermächtigungsgrundlage für einzelfallbezogene Anordnungen (Abs. 1 S. 2), ist dagegen ebenfalls kein Schutzgesetz, aus dem der einzelne Versicherte Ansprüche herleiten könnte. Das Ansinnen des Klägers steht in offenkundigem Widerspruch zum System der Haftungsersetzung gegen Bereitstellung gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes, das auch Schmerzensgeldansprüche erfasst (vgl. nur BVerfGE 34, 118 = NJW 1973, 502).

6

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 ZPO und aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.