Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.03.2003, Az.: 6 W 13/03
Möglichkeit einer Erhebung von Sachverständigenkosten bei unrichtiger Sachbehandlung; Zulässigkeit des Übergangs in das Betragsverfahren mit anschließender Beweiserhebung vor Eintritt der formellen Rechtskraft des Grundurteils
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 10.03.2003
- Aktenzeichen
- 6 W 13/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 33970
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2003:0310.6W13.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 29.01.2003 - AZ: 10 O 7/02
Rechtsgrundlage
- § 304 Abs. 2 ZPO
Fundstellen
- BauR 2003, 1437-1438 (Volltext mit red. LS)
- BrBp 2004, 87
- NJW-RR 2003, 787-788 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
auf die Beschwerde der Beklagten vom 19. Februar 2003
gegen den Beschluss des Vorsitzenden
der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hildesheim vom 29. Januar 2003
am 10. März 2003
beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die der Staatkasse im Verfahren 10 O 7/02 vor dem Landgericht Hildesheim durch die Beauftragung des Sachverständigen ... entstandenen Kosten werden nicht erhoben.
Beschwerdewert: 1.089,12 EUR
Gründe
Die Beschwerde ist begründet.
Das Landgericht hat den Antrag der Beklagten auf Nichterhebung der entstandenen Sachverständigenkosten wegen unrichtiger Sachbehandlung zu Unrecht zurückgewiesen. Das Landgericht hat die Sache in mehrfacher Hinsicht unrichtig behandelt und dadurch vermeidbare Kosten verursacht.
Im Regelfall stellt es eine unrichtige Sachbehandlung dar, wenn vor Eintritt der formellen Rechtskraft des Grundurteils in das Betragverfahren übergegangen und noch dazu in Bezug auf den Betrag des Anspruchs Beweis erhoben wird. Denn der Sinn und Zweck des Grundurteils besteht gerade darin, dem Beklagten die Möglichkeit zu eröffnen, die Frage seiner Haftung dem Grunde nach vom Rechtsmittelgericht überprüfen zu lassen, ohne zuvor die Frage nach der Anspruchshöhe zu klären (Musielak/Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 304 RN 29, 1). Wird das erstinstanzliche Verfahren trotz Nichteintritt der formellen Rechtkraft des Grundurteils fortgesetzt, so widerspricht dies dem prozesswirtschaftlichen Sinn und Zweck des Grundurteils. Darum tritt in der Regel in erster Instanz bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft des Grundurteils der Stillstand des Verfahrens ein (Musielak/Musielak, wie vor; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 304 RN 19).
Vor diesem Hintergrund stellt es eine unrichtige Sachbehandlung dar, dass das Landgericht am Tage der Verkündung des Grundurteils sogleich auch einen Beweisbeschluss erlassen (Bd. II Bl. 30, 32), nach Einzahlung des angeforderten Kostenvorschusses über 2.500 EUR am 4. Juni 2002 den von der IHK benannten Sachverständigen mit Beschluss vom 13. Juni 2002 ernannt (Bd. II Bl. 43) und mit Schreiben vom 18. Juni 2002 (Bd. II Bl. 114), dessen Abschrift das Datum vom 18. Juli 2002 trägt (Bd. II Bl. 117 R), den Sachverständigen mit der Erstattung des Gutachtens beauftragt hat.
Anders liegen die Dinge nur, wenn eine Partei die Fortsetzung des Betragsverfahrens in erster Instanz beantragt. Dann ist das erstinstanzliche Gericht jedenfalls berechtigt, diesem Antrag stattzugeben und den Rechtsstreit im Betragsverfahren fortzusetzen (§ 304 Abs. 2, 2. Halbs. ZPO), weil der Kläger naturgemäß ein Interesse daran hat, auf dem Weg zu einem Vollstreckungstitel möglichst wenig Zeit zu verlieren. Einen solchen Antrag hat die Klägerin zwar gestellt, aber erst am 5. Juli 2002 (Bd. II Bl. 112), und das womöglich auch nur, weil das Landgericht rechtsfehlerhaft einen Beweisbeschluss erlassen hat. Darum macht dieser Antrag die unrichtige Sachbehandlung nicht ungeschehen. Insbesondere kann nicht sicher festgestellt werden, dass die Klägerin, wenn das Landgericht mit dem Erlass des Beweisbeschlusses nicht sogleich ins Betragsverfahren übergegangen wäre, überhaupt einen Antrag nach § 304 Abs. 2 ZPO gestellt hätte. Jedenfalls hätte die Kammer bei richtiger Sachbehandlung allenfalls danach, wenn auch schon vor mündlicher Verhandlung im Betragsverfahren (§ 358 a ZPO), einen Beweisbeschluss erlassen dürfen. Ob die Kammer dem Betragsverfahren so oder anders Fortgang gegeben hätte, nachdem ihr am 20. Juni 2002 die Aktenanforderung des Rechtsmittelgerichts vorlag (Bd. II Bl. 110), ist schlicht nicht feststellbar.
Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 5 Abs. 6 GKG analog; Markl/Meyer, GKG, 5. Aufl., § 5 RN 17).
Der Beschwerdewert bemisst sich nach den liquidierten Sachverständigenkosten in Höhe von 1.815,32 EUR (Bd. II Bl. 128), soweit sie nach der Kostenregelung aus dem Vergleich auf die Beklagte entfallen (60%).
Zur Entscheidung über die Beschwerde war der Senat als Kollegialgericht und nicht durch seinen Einzelrichter berufen. § 568 ZPO, wonach das Beschwerdegericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist, ist nicht einschlägig, weil der anstelle der Handelskammer allein entscheidende Vorsitzende (§ 349 ZPO) nicht Einzelrichter im Sinne des § 568 ZPO ist (OLG Celle, Beschluss v. 25. September 2002 - 11 W 45/02; OLG Karlsruhe, NJW 2202, 1962).