Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.12.2008, Az.: 13 LC 2/06
Anlage; Gebirgsbach; Gewässer; Gewässerzustand; Gewölbe; Ufermauer; Uferzustand; Unterhaltungspflicht; Unterhaltungspflichtiger; Wasserverband; wasserwirtschaftlicher Zweck; Überbauung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 10.12.2008
- Aktenzeichen
- 13 LC 2/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 55120
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 01.12.2005 - AZ: 4 A 4181/02
- nachfolgend
- BVerwG - 17.11.2009 - AZ: 7 B 14/09
Rechtsgrundlagen
- § 100 Abs 1 WasG ND
- § 109 WasG ND
- § 118 Abs 1 WasG ND
- § 168 WasG ND
- § 98 WasG ND
- § 72 WVG
- § 76 WVG
Tatbestand:
Der Kläger ist ein Unterhaltungsverband nach § 100 NWG, dem die Unterhaltung des Lerbaches obliegt, der von seinem Austritt aus dem Hüttenteich bis zu seiner Mündung in die Söse als Gewässer II. Ordnung eingestuft ist. Der Lerbach durchfließt in den Ortsteilen Lerbach und Freiheit im Gebiet der Beigeladenen zu 1 ein enges Gebirgstal. Sein Gewässerbett wurde bereits vor langer Zeit, offenbar zumindest teilweise am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, mit Ufermauern eingefasst, die teilweise - auch in jüngerer Zeit - mit aufgesetzten Betonkuppeln oder -platten versehen wurden. An anderen Stellen wurden bergmännisch gemauerte Gewölbe errichtet. Beides dient dazu, den Raum über dem Lerbach zu Verkehrszwecken zu nutzen oder auf den Überbauungen Gebäude oder Gartenanlagen zu errichten.
Seit Jahrzehnten sind zum Teil erhebliche Schäden an den Überbauungen bekannt. Der Beklagte holte 1995 ein Gutachten der "T. " Gesellschaft für U. mbH zur Gefährdungsabschätzung und zum Sanierungsbedarf der Lerbachüberbauungen ein, das unter dem 25. April 1996 erstattet wurde (Beiakte B). Es bestätigte die Sanierungsbedürftigkeit verschiedener Überbauungen des Gewässers, deren Zustand abschnittsweise so schlecht sei, dass die Gefahr des Einsturzes bestehe. Wegen der intensiven Flächennutzung auf den Überbauungen könnten dadurch Gefahren sowohl für Personen als auch für Sachgüter entstehen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten und dessen Anlagen Bezug genommen.
Bereits mit Bescheid vom 15. Januar 1998 gab der Beklagte dem Kläger Sanierungsmaßnahmen am Lerbach auf. Diesen Bescheid ersetzte er durch seinen Bescheid vom 5. Oktober 2000, den er sodann durch den hier streitbefangenen Bescheid vom 11. Juli 2001 ersetzte. Darin wies er den Kläger gemäß § 72 Wasserverbandsgesetz - WVG - an, im Rahmen der ihm obliegenden Unterhaltungspflicht die Ufermauern/Gewölbe des Lerbaches an insgesamt elf Stationen bis zum 30. September 2002 zu sanieren. Gegenwärtig sind im Berufungsverfahren noch sieben dieser Stationen streitig, bei denen dem Kläger folgende Maßnahmen aufgegeben wurden:
I. Überbaute Ufermauern:
Station Fließrichtung erforderliche Maßnahmen
2 | 205-231 | beidseitig | Die Gewölbefüße sind beidseitig unterspült und durch Ausmauern bzw. Setzen neuer Steine zu sanieren. |
8 | 1032-1040 | links | Die unterspülten Mauerfüße sind durch Ausmauern bzw. Setzen neuer Steine zu sanieren. |
10 | 3148-3214 | beidseitig | Die Gewölbefüße sind beidseitig unterspült und durch Ausmauern bzw. Setzen neuer Steine zu sanieren. Innerhalb des Gewölbes befindliche Kiesanlandungen sind zu beseitigen. Ein Riss im Scheitel im Bereich von Station 3148-3158 ist auszumörteln. |
II. Gewölbe
3 | 481,5-494,5 | beidseitig | Die Gewölbefüße sind beidseitig unterspült und durch Ausmauern bzw. Setzen neuer Steine zu sanieren. |
5 | 597-618,5 | beidseitig | Die Gewölbefüße sind beidseitig unterspült und durch Ausmauern bzw. Setzen neuer Steine zu sanieren. |
6 | 674-709 | beidseitig | Die Gewölbefüße sind beidseitig unterspült und durch Ausmauern bzw. Setzen neuer Steine zu sanieren. |
11 | 3601-3625 | beidseitig | Die Gewölbefüße sind beidseitig unterspült und durch Ausmauern bzw. Setzen neuer Steine zu sanieren. |
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, den die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 6. November 2002 zurückwies.
Am 4. Dezember 2002 hat der Kläger Klage erhoben und die Auffassung vertreten, dass er für die ihm aufgegebenen Sanierungsmaßnahmen nicht unterhaltungspflichtig sei. Die Überbauungen stellten "Anlagen in und an Gewässern" im Sinne von § 109 NWG dar, die von den Beigeladenen als Eigentümer der dort belegenen Grundstücke zu unterhalten seien. Soweit Gewölbe einsturzgefährdet seien, sei es unmöglich, die Sanierung durchzuführen.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2001 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 6. November 2002 in der Gestalt des Schriftsatzes vom 11. März 2004 insoweit aufzuheben, als ihm die Sanierung der Stationen (2) 205-231, (3) 481,5 bis 494,5, (5) 597 bis 618,5, (6) 674 709, (8) 1032 bis 1040, (10) 3148 bis 3214 und (11) 3601 bis 3625 aufgegeben worden ist,
2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Im Übrigen hat er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen
und den Rechtsstreit im Übrigen ebenfalls in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Der Beklagte hält den Kläger für unterhaltungspflichtig und die Sanierung für technisch möglich.
Soweit sich die Beigeladenen zur Sache geäußert haben, sind sie der Rechtsauffassung des Beklagten beigetreten.
Gemäß Beschluss vom 13. November 2003 hat das Verwaltungsgericht durch den Berichterstatter Beweis durch richterliche Augenscheinseinnahme erhoben über die Örtlichkeit der noch streitbefangenen sieben Stationen des Lerbaches (Gewölbe und Mauern) sowie der näheren Umgebung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom selben Tage Bezug genommen.
Mit Urteil vom 1. Dezember 2005 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger obliege gemäß §§ 100 Abs. 1, 97 NWG i.V.m. Nr. 47 der Anlage 2 des Gesetzes die Unterhaltung des Lerbaches im fraglichen Bereich. Der Umfang der Unterhaltungspflicht ergebe sich aus § 98 NWG. Zwar sei auch wesentlicher Zweck der sieben streitbefangenen Gewölbetunnel, die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke in dem schmalen, vom Lerbach durchzogenen Taleinschnitt zu sichern oder zumindest zu erhöhen. Sie dienten aber auch dem Wasserabfluss. In derartigen Konfliktfällen müsse die Bestimmung der Unterhaltungspflicht einen verständigen Ausgleich der betroffenen Interessen berücksichtigen. Wollte man die Unterhaltungspflicht den Eigentümern nach § 109 NWG allein aufbürden, wäre der Gewässerunterhaltungspflichtige insoweit von seiner gesetzlichen Unterhaltungspflicht des Ufers ohne zureichenden Grund völlig freigestellt. Die Unterhaltungspflicht müsse daher beim Gewässerunterhaltungspflichtigen verbleiben, der jedoch gemäß § 113 NWG Ersatz der Mehrkosten vom Eigentümer des Grundstücks oder der Anlage verlangen könne. Die streitbefangenen Gewölbetunnel seien Bestandteil des Gewässers und dienten jedenfalls auch der Abführung des Wassers (§ 98 Abs. 2 Nr. 4 NWG). Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Gewölbetunnel nicht baulich konstruktiv mit den einzelnen über dem Gewässer errichteten baulichen Anlagen verbunden seien und deshalb nicht zugleich als Fundament der vorhandenen Gebäude dienten. Auch sei der Lerbach im fraglichen Abschnitt der Stadtteile Lerbach und Freiheit überwiegend vor und hinter den Gewölbetunneln durch Ufermauern gleicher Bauart eingefasst. Die Gewölbemauern stellten sich in ihrer Funktion der Wasserabführung nicht anders dar als die Ufermauern vor und hinter den Gewölbetunneln. Sowohl Ufermauern als auch Gewölbetunnel dienten danach zumindest auch dem Zweck, das Wasser des Lerbaches durch das enge Bergtal abzuführen und ein Heraustreten des Lerbaches aus dem Gewässerbett zu vermeiden. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers sei ihm auch nichts Unmögliches aufgegeben worden. Das Gutachten der "T. " Gesellschaft für V. mbH vom 25. April 1996 weise Sanierungsmöglichkeiten nach. Dies gelte auch insoweit, als eine "Sanierung von Innen" erforderlich sei. Im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil, das dem Kläger am 8. Dezember 2005 zugestellt worden ist, Bezug genommen.
Am 28. Dezember 2005 hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt und diese am 24. Januar 2006 begründet. Er vertritt weiterhin die Auffassung, im Rahmen der ihm obliegenden Gewässerunterhaltung zur Sanierung der Überbauungen des Lerbaches nicht verpflichtet zu sein. Bereits in formeller Hinsicht biete § 72 Abs. 1 Satz 1 WVG keine ausreichende Rechtsgrundlage für die getroffenen Anordnungen. Nach dieser Vorschrift unterliege der Verband der Rechtsaufsicht durch die Aufsichtsbehörde. Eine Maßnahme der Rechtsaufsicht setze aber voraus, dass der Verband gegen geltendes Recht verstoßen habe, was hier nicht der Fall sei. Bevor eine Maßnahme der Rechtsaufsicht in Betracht komme, müsse durch eine Entscheidung der Wasserbehörde das Bestehen und der Umfang einer Gewässerunterhaltungspflicht des Adressaten der Verfügung festgestellt sein. Dies sei hier nicht der Fall. Der Beklagte möge sie stillschweigend vorausgesetzt haben, als er ihm - dem Kläger - die konkreten Sanierungsmaßnahmen an den Gewölben und sonstigen Bauwerken auferlegt habe. Damit habe er aber ohne Ermächtigung in sein Selbstverwaltungsrecht eingegriffen.
In materieller Hinsicht fehle es an einer Pflicht des Klägers, im Rahmen der Gewässerunterhaltung die infrage stehenden Bauwerke zu sanieren. Zwar gehöre zur Gewässerunterhaltung die Unterhaltung und der Betrieb der Anlagen, die der Abführung des Wassers dienten. Für einen ordnungsgemäßen Abfluss und für die Pflege und Entwicklung eines Gewässers sei ein Gewölbe aber in keinem Fall erforderlich. Das Gewölbe sei nicht Teil des Gewässers, es gehöre weder zum Bett noch zum Ufer des Baches, auf welche sich die Gewässerunterhaltungspflicht erstrecke. Anlagen, die der Abführung des Wassers dienten (§ 98 Abs. 2 Nr. 4 NWG) seien Anlagen, die künstlich errichtet worden seien und als technische Einrichtungen besonders betrieben werden könnten. Hierbei handele es sich insbesondere um Schöpfwerke. Gewölbe hingegen gehörten nicht dazu. Das Niedersächsische Wassergesetz unterscheide zwischen dem Abfluss (§ 98 Abs. 1) und der Abführung (§ 98 Abs. 2 Nr. 4) des Wassers mittels extra dafür geschaffener Anlagen. Daher müsse es dabei bleiben, dass Gewölbe und sonstige Überbauungen Anlagen in und an Gewässern i.S. des § 109 NWG seien, die nicht zum Gegenstand der Gewässerunterhaltung nach § 98 Abs. 1 NWG gemacht werden könnten. Diese Anlagen seien allein vom Eigentümer zu unterhalten. Dies werde durch die obergerichtlichen Rechtsprechung zur Unterhaltungspflicht für Gewölbe und Überbauungen von Gewässern bestätigt. Ufermauern könnten hingegen entweder als Ufer oder als Anlagen in und an Gewässern einzuordnen sein. Die hier infrage stehenden Überbauungen dienten jedenfalls als Fundamente von Gebäuden und seien damit nicht Gegenstand der Gewässerunterhaltung. Eine einschränkende Auslegung des § 109 NWG, wonach diese Vorschrift nur anwendbar sei, wenn die Anlage nicht auch der Abführung des Wassers diene, sei mit dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck der Vorschrift und der Systematik des Gesetzes nicht vereinbar. Die Gewässerunterhaltungspflicht erstrecke und beschränke sich nach dem Gesetz auf das Gewässer, die Anlagen in und am Gewässer gehörten nicht dazu. Wenn anstelle des Ufers eine Anlage im Sinne des § 109 NWG errichtet worden sei, sei diese nicht vom Gewässerunterhaltungspflichtigen, sondern von dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zu unterhalten. Keineswegs werde der Gewässerunterhaltspflichtige von einer zuvor bestehenden Unterhaltungspflicht freigestellt, diese habe sich von vornherein nicht auf die Anlage bezogen. Folglich sei nach dem Gesetz auch kein "Ausgleich der Interessen" gewollt und geboten in der Weise, dass nunmehr der Eigentümer der Anlage von seiner Unterhaltungspflicht befreit und diese entgegen § 109 NWG dem Gewässerunterhaltungspflichtigen aufgebürdet werde mit dem Hinweis, dieser könne unter den Voraussetzungen des § 113 NWG Ersatz der Mehrkosten verlangen. Schließlich habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht die Unmöglichkeit der aufgegebenen Sanierungsmaßnahmen verneint. Dies ergebe sich aus dem vorliegenden T. -Gutachten. Danach komme eine Sanierung von Innen nicht in den Bereichen in Betracht, in denen die Gewölbespannung aufgehoben sei. Der Beklagte müsse daher nachweisen, dass eine solche Aufhebung der Gewölbespannung in den betroffenen Abschnitten nicht vorliege.
Der Kläger beantragt,
das erstinstanzliche Urteil zu ändern und die Verfügung des Beklagten vom 11. Juli 2001 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 6. November 2002 in der Gestalt des Schriftsatzes vom 11. März 2004 insoweit aufzuheben, als dem Kläger die Sanierung der Stationen 2, 3, 5, 6, 8, 10 und 11 aufgegeben worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des Beklagten erklärt, dass er den angefochtenen Bescheid hilfsweise auch auf § 118 NWG stützen wolle.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2001 im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem Kläger obliegt als Unterhaltungsverband nach § 100 Abs. 1 NWG in dem hier streitbefangenen Bereich die Unterhaltung des Lerbaches. Seine Unterhaltungspflicht umfasst auch die Beseitigung der an den noch streitbefangenen Überbauungen des Lerbaches in den Ortsteilen Freiheit und Lerbach entstandenen Schäden.
Der Beklagte ist gemäß § 1 Abs. 1 Nds. AGWVG Aufsichtsbehörde über den klagenden Unterhaltungsverband nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Wasserverbandsgesetz, nimmt daneben aber auch die Aufgaben der unteren Wasserbehörde wahr (§ 168 NWG). Er ist hier als Aufsichtsbehörde tätig geworden und hat seine Verfügung vom 11. Juli 2001 ausdrücklich als "Weisung" auf § 72 Abs. 1 Satz 1 WVG gestützt. Die Aufsichtsbefugnis umfasst zwar auch das Recht der Aufsichtsbehörde, im Rahmen der ihm obliegenden Rechtsaufsicht dem Verband konkrete Anweisungen zu erteilen. Dies folgt schon aus § 76 WVG, wonach die Aufsichtsbehörde anstelle des Verbandes das Erforderliche anordnen kann, sofern der Verband einer Anweisung der Aufsichtsbehörde nicht nachkommt. Der Senat hat allerdings Bedenken, der allgemeinen Anordnungsbefugnis des Beklagten im Rahmen seiner Rechtsaufsicht ihm als Aufsichtsbehörde auch solche Anordnungen und Entscheidungen zu unterwerfen, für die das Niedersächsische Wassergesetz - gegebenenfalls unter besonderen, nach dem WVG nicht geforderten Voraussetzungen - spezielle Ermächtigungsgrundlagen bereitstellt. In diesem Zusammenhang wendet der Kläger zu Recht ein, dass ein rechtswidriges Verhalten und damit der maßgebliche Anlass für ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde das Bestehen der Unterhaltungspflicht an den Überbauungen des Lerbaches voraussetzt, die er hier jedoch konkret bestreitet. In derartigen Streitfällen räumt § 118 Abs.1 NWG der unteren Wasserbehörde die Möglichkeit einer Entscheidung ein. Danach kann sie nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmen, wem und in welchem Umfang ihm die Unterhaltung, eine Kostenbeteiligung oder eine besondere Pflicht im Interesse der Unterhaltung obliegt. Ein Streitfall im Sinne von § 118 Abs. 1 NWG erfordert nicht, dass zwischen mehreren denkbaren Unterhaltungspflichtigen darüber gestritten wird, wer unterhaltungspflichtig ist. Die Vorschrift findet vielmehr bereits dann Anwendung, wenn - wie hier - der von der Wasserbehörde als unterhaltungspflichtig Angesehene die Unterhaltung ablehnt (Haupt/Reffken/Rhode, NWG, § 118 Anm. 1 mwN.). § 118 NWG ist angesichts seines konkreten Regelungsinhalts gerade im Verhältnis zu § 72 WVG die speziellere Vorschrift, die entgegen der Auffassung des Beklagten vorrangig anzuwenden ist. Demgegenüber gibt es hier keinen Vorrang des Bundesrechts. Es ist auch ohne Bedeutung, ob in anderen Bundesländern vergleichbare landesrechtliche Ermächtigungen bestehen. Den insoweit geäußerten Bedenken des Senats hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung entsprochen und den angefochtenen Bescheid zumindest hilfsweise auch auf § 118 NWG gestützt. Danach kann im Ergebnis offen bleiben, ob § 72 WVG eine geeignete Eingriffsermächtigung darstellt. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen des § 118 Abs. 1 NWG vor. Unter Anwendung dieser Vorschrift hat der Beklagte als untere Wasserbehörde den mit dem Kläger bestehenden Streit über die Unterhaltungspflicht hinsichtlich der Überbauungen des Lerbaches in seinem Kern verbindlich entschieden.
Zutreffend ist der Beklagte in seiner Verfügung vom 11. Juli 2001 davon ausgegangen, dass der Kläger, dem gemäß §§ 100 Abs. 1, 97 i.V.m. Nr. 47 der Anlage 5 des Gesetzes die Unterhaltung des Lerbaches obliegt, in dem hier betroffenen Abschnitt der Ortsteile Freiheit und Lerbach auch zur Unterhaltung der überbauten Ufermauern bzw. Gewölbe verpflichtet ist, jedoch von den Beigeladenen Kostenersatz verlangen kann. Die vom Verwaltungsgericht als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts (OVG Lüneburg, Urt. v. 24.01.1969 - III OVG A 1/69 -, OVGE 25, S. 406) zur Unterhaltung von Ufermauern auch für Überbauungen gilt, ist unter der Voraussetzung zu bejahen, dass diese baulichen Anlagen selbst integrierende Bestandteile des Gewässers oder seiner Ufer sind und deren Unterhaltung deshalb zugleich zur Sicherung eines einwandfreien Gewässer- und Uferzustandes erforderlich ist (vgl. OVG Münster, Urt. v. 23.10.1975 - IX A 91/74 - ZfW 1976, 368 ff.). Dienen derartige Bauwerke auch wasserwirtschaftlichen Zwecken, ist es entgegen der Auffassung des Klägers nicht sachgerecht, den insoweit Gewässerunterhaltungspflichtigen von der Unterhaltung freizustellen und die entsprechenden Unterhaltungslasten nach § 109 NWG nur dem Eigentümer aufzuerlegen. Soweit der Eigentümer einen Nutzen aus den betroffenen Anlagen zieht, ist er nach § 113 Abs. 1 NWG zum Ersatz der Mehrkosten der Unterhaltung verpflichtet. Im Streitfall wird die Wasserbehörde die Kostenbeteiligung festzusetzen haben (OVG Lüneburg, aaO). Nur in den Fällen, in denen die bauliche Anlage ausschließlich im Interesse des Eigentümers errichtet ist, wird eine Unterhaltungspflicht des Gewässerunterhaltungspflichtigen zu verneinen sein (OVG Lüneburg, aaO).
Im vorliegenden Fall dienen die streitigen Überbauungen zunächst wasserwirtschaftlichen Zwecken. Entgegen der Darstellung des Klägers handelt es sich nicht um bauliche Anlagen, die eher zufällig an das Ufer des Lerbaches herangerückt wären, wie dies etwa bei den Pfeilern einer Brücke der Fall sein kann. Diese Bewertung liegt auf der Hand, soweit vorhandene Ufermauern durch Betonkuppeln oder Platten überbaut worden sind (Stationen 2, 8 und 10) und gilt im Ergebnis auch für die bergmännisch gemauerten Gewölbe (Stationen 3, 5, 6 und 11). Denn auch bei den Gewölben dienen deren Seitenwände wie Ufermauern der Führung des Lehrbaches. Der Beklagte hat im Berufungsverfahren überzeugend dargestellt, dass eine wasserwirtschaftlich ordnungsgemäße Abführung eines Gebirgsbaches wie dem Lerbach in einer eng besiedelten Tallage ohne bauliche Anlagen nicht möglich sei (Schriftsatz vom 30.05.2006). Als untere Wasserbehörde bestimmt zunächst der Beklagte Art und Umfang des Ausbaus des Gewässer (vgl. § 121 Abs. 1 NWG). Der für das Gewässer Unterhaltungspflichtige muss grundsätzlich den bestehenden Ausbauzustand berücksichtigen und erhalten.
Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Rahmen seiner Beweisaufnahme haben ergeben, dass der Lerbach im fraglichen Abschnitt im Zuge der Ortsteile Freiheit und Lerbach überwiegend vor und hinter den streitbefangenen Gewölbetunneln durch Ufermauern gleicher Bauart eingefasst ist und dass sich die Gewölbemauern in ihrer maßgeblichen Funktion, das Wasser abzuführen, nicht anders darstellen als die Ufermauern vor und hinter den Gewölbetunneln. Der Beklagte als untere Wasserbehörde hat insoweit entschieden, dass der historisch entstandene Ausbau des Lerbaches in den streitbefangenen Bereichen - jedenfalls soweit es die Einfassung des Gewässers betrifft - erhalten bleiben soll. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sowohl die überbauten Ufermauern als auch die Gewölbetunnel zumindest auch dem Zweck dienen, das Wasser des Lerbaches durch das enge Bergtal zu führen und insbesondere bei Hochwasserereignissen ein Heraustreten des Lerbaches aus seinem Gewässerbett zu verhindern, ist danach ersichtlich zutreffend. Der Kläger hat dem substantiiert nichts entgegen zu setzen vermocht, was den Schluss zuließe, auf Ufermauern könne in den im Zusammenhang bebauten Ortsteilen verzichtet werden. Seine Einwände richten sich letztlich auch allein dagegen, dass die "Deckelung" für einen ordnungsgemäßen Abfluss des Lerbaches (§ 98 Abs. 1 Satz 1 NWG) nicht erforderlich sei. Diese Argumentation ist vom Ansatz her zwar durchaus überzeugend, weil es hier nicht um eine Verrohrung des Gewässers geht. Eine Aufspaltung der Unterhaltungspflicht etwa in zu unterhaltende Ufermauern einerseits und nicht zu unterhaltende Überdachungen andererseits erscheint jedoch gerade im Interesse einer einheitlichen Durchführung der Unterhaltungsmaßnahmen weder sachgerecht noch sinnvoll. Im übrigen sind dem Kläger aber auch - abgesehen von einem Riss im Scheitel bei der Station 10 - ausschließlich Sanierungsmaßnahmen an den unterspülten Gewölbefüßen aufgegeben worden, was gerade die Beseitigung typischer Schäden bei einem Fließgewässer betrifft. Nach allem folgt daraus die Verpflichtung des Klägers zur Unterhaltung der baulichen Anlagen, die das Ufer bilden und damit Teile des Gewässers sind. Eine Kostenbeteiligung der Eigentümer bzw. Anlieger, die die Überbauungen zu ihrem Vorteil nutzen, nach § 113 NWG steht dabei außer Frage.
Steht mithin die Unterhaltungspflicht des Klägers an den infrage stehenden Stationen dem Grundsatz nach fest, so ist entgegen seiner Auffassung nicht zu beanstanden, dass der Beklagte als untere Wasserbehörde im Rahmen der Verfügung nach § 118 NWG die Durchführung konkreter Sanierungsmaßnahmen angeordnet hat. Weder hat der Beklagte dadurch in das Selbstverwaltungsrecht des Klägers eingegriffen, noch hat er von dem Kläger Unmögliches verlangt. Ein Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht des Klägers ist zu verneinen, weil die festgestellten Schäden ersichtlich nur durch die angeordneten Maßnahmen beseitigt werden können. Unterspülte Gewölbe und Mauerfüße müssen durch Ausmauern bzw. durch das Setzen neuer Steine saniert werden. Jedenfalls hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, dass alternative Sanierungsmöglichkeiten bestehen.
Soweit sich der Kläger darauf beruft, ihm sei von dem Beklagten Unmögliches aufgeben worden, hat die angefochtene Verfügung in ihrem wesentlichen Regelungsgehalt, nämlich der Feststellung der Unterhaltungspflicht des Klägers nach § 118 NWG ohnehin Bestand. Im Übrigen ist das Vorbringen des Klägers insoweit unsubstantiiert, weil er die Unmöglichkeit lediglich pauschal behauptet, ohne auf die nach seiner Auffassung betroffenen Stationen konkret einzugehen. Dies gilt auch hinsichtlich des Schriftsatzes vom 6. Februar 2004, auf den der Kläger in seiner Berufungsbegründung vom 24. Januar 2006 verwiesen hat. Es besteht daher auch keine Veranlassung, nach Art einer Beweisermittlung ein Sachverständigengutachten zur Frage der Durchführbarkeit der angeordneten Sanierungsmaßnahmen einzuholen. Abgesehen davon ist der Kläger gehalten, die ihm aufgegebenen Sanierungsmaßnahmen in enger Absprache mit dem Beklagten als Aufsichts- bzw. unterer Wasserbehörde abzustimmen und durchzuführen. Aus derzeitiger Sicht ergibt sich wegen des lediglich allgemeinen Hinweises des T. -Gutachtens auf geringe Durchlassquerschnitte und die dadurch bestehenden Schwierigkeiten bei der Durchführung der Sanierungsarbeiten nichts, was die Annahme der Unmöglichkeit der angeordneten Arbeiten rechtfertigen könnte. Nach dem genannten Gutachten bleibt in jedem Fall die Möglichkeit einer Verrohrung des Lerbaches an einzelnen Stellen, auch wenn dies aus wasserwirtschaftlicher bzw. ökologischer Sicht grundsätzlich unerwünscht sein mag.