Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.12.2008, Az.: 1 LA 150/06

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.12.2008
Aktenzeichen
1 LA 150/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 47037
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2008:1210.1LA150.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 08.06.2006 - AZ: 4 A 4054/05

Fundstellen

  • BauR 2009, 777-780
  • FStBW 2009, 594-597
  • FStNds 2009, 238-242
  • FuB 2009, 94

In der Verwaltungsrechtssache

...

Streitgegenstand: Verpflichtung zur Bauleitplanung - Antrag auf Zulassung der Berufung -

hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 1. Senat - am 10. Dezember 2008

beschlossen:

Tenor:

  1. Der Antrag, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 4. Kammer - vom 8. Juni 2006 zuzulassen, wird abgelehnt.

  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

  3. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50 000,- € festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin möchte die Beklagte verpflichtet sehen, ein Verfahren zur Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 1626 und der 161. Änderung ihres Flächennutzungsplanes fortzusetzen. Die Beteiligten streiten unter anderem um die Frage, ob die Weigerung, das zu tun, einen Verwaltungsakt darstellt, und ob die Beklagte die Entscheidung ermessensfehlerfrei begründet hat, diese Verfahren zunächst nicht fortzuführen.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin eines ca. 1,5 ha großen Geländes im Stadtteil Wettbergen der Beklagten. Das unbebaute Gelände wird im Norden und Nordosten von der Leipziger Straße, im Süden von der Deveser Straße und im Westen von der Straße Auf dem Kampe umschlossen. Es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes der Beklagten Nr. 1153, der im Jahre 1985 rechtsverbindlich geworden ist und von der Beklagten nach Aufgabe einer Brotfabrik aufgestellt worden war. Dieser setzt hierfür - mit gewissen Einschränkungen - Gewerbegebiet fest. Diese ergeben sich unter anderem daraus, dass die von Westen heranführenden Straßen durch ein Wohngebiet führen. Daher wurden unter anderem Tankstellen, Fuhrunternehmen und großflächige Einzelhandelsbetriebe ausgeschlossen. Eine Verwertung hatte sich für diese unbebauten Flächen bislang nicht gefunden. Ihnen waren und sind emittierende Nutzungen, darunter eine Spedition und ein Tischlereibetrieb benachbart.

3

Wohl im Jahre 2000 trat die Klägerin an die Beklagte mit der Anregung heran, die Festsetzungen des rechtsverbindlichen Planes Nr. 1153 teilweise zu ändern und für ihre Flächen einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufzustellen. Sie beabsichtigt, Flächen für 30 Reihenhäuser (nebst Kfz-Abstellflächen) zu schaffen, welche in Dreier- bzw. Fünferreihung aufgestellt, ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden, wegen der Luft- und Lärmimmissionen, die von den östlich benachbarten Flächen ausgingen, aber nur den Schutzanspruch eines Mischgebiets erhalten sollen.

4

Erste Vorabstimmungen, in denen die Verwaltung der Beklagten dem Vorhaben im Wesentlichen aufgeschlossen gegenüber stand, fanden im Jahre 2000 statt. Am 21. Juni 2001 beschloss der Stadtbezirksrat der Beklagten, eine vorgezogene Bürgerbeteiligung durchzuführen, am gleichen Tage deren Verwaltungsausschuss dasselbe wegen des Vorhabens, den Flächennutzungsplan der Beklagten, der den Bereich als Gewerbefläche darstellt, zum 161. Mal zu ändern. Die Planunterlagen wurden hierzu eine bzw. zwei Wochen im Juli 2001 öffentlich ausgelegt.

5

In der Folge wurde insbesondere der Frage nachgegangen, ob sich das Vorhaben wegen der Geräusch- und Geruchsimmissionen, aber auch wegen der Erschütterungen, welche von den benachbarten Betrieben ausgingen, wirklich einpassen lasse und mit städtebaulichen Grundsätzen, namentlich mit dem Gebot, keine schwer lösbaren Konflikte zu schaffen, vereinbaren lasse. Außerdem wurde die Frage gestellt, ob es wirklich als vordringlich anzusehen sei, in dieser konfliktträchtigen Grundstückssituation Wohnbauflächen zu planen.

6

Es fanden mehrere Besprechungen statt. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2004, um dessen Rechtsqualität die Beteiligten streiten, nahm die Stadtverwaltung der Beklagten Bezug auf die gemeinsame Besprechung vom 19. Januar 2004 und ein Schreiben der Klägerin vom 29. Juli 2004. Das sei Anlass gewesen, die Sach- und Rechtslage nochmals einer intensiven Prüfung zu unterziehen, um die Erfolgsaussichten für eine Fortführung des Bebauungsplan-Verfahrens abschätzen zu können. Ergebnis dieser Prüfung sei, das Verfahren wegen der unveränderten Konfliktlage, die bislang nicht habe aufgelöst werden können, nicht fortzusetzen. Insbesondere die Beurteilung des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes zur immissionsschutz-fachlichen Sicht stelle sich als nicht überwindbar dar. Die Zielvorstellungen der Klägerin und die bestehenden Baurechte der Anrainer ließen sich nicht zur Deckung bringen. Die zur Aufstellung des Planes erforderliche 161. Änderung ihres Flächennutzungsplanes könne auf absehbare Zeit nicht herbeigeführt werden. Die Region Hannover werde diese nicht genehmigen. Der von der Klägerin vorgeschlagene Weg, dem Wohngebiet nur den Schutzanspruch eines Mischgebiets zu geben, sei nicht verlässlich und führe nicht zu einem rechtssicheren Ergebnis. Es bestehe die Gefahr, dass hiermit die Immissionskonflikte "nur auf dem Papier gelöst" würden. Außerdem hege sie erhebliche Zweifel, dass sich eine derartige Festsetzung vor dem Hintergrund der vom BauGB geforderten ordnungsgemäßen Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange rechtlich unangreifbar begründen lasse. Sie bedauere diesen Schritt, habe sie doch im vorgeschlagenen Konzept einen Weg gesehen, die städtebauliche Situation eines mangelhaft erschlossenen Gewerbegebietes am Rande eines Landschaftsschutzgebietes in eine andere Richtung zu lenken. Aus diesem Grunde werde das Verfahren zur 161. Änderung des Flächennutzungsplanes nicht eingestellt, sondern ruhe. Bei günstigeren Rahmenbedingungen, die sich bei einer Änderung der benachbarten Nutzungen ergeben könnten, könne sie so das Verfahren wieder aufgreifen.

7

Den hiergegen eingelegten Widerspruch verwarf die Beklagte durch Bescheid vom 16. Juni 2005 als unzulässig. Beim Schreiben vom 16. Dezember 2004 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt; eine Regelung werde darin nicht getroffen. Es handele sich auch nicht um eine Entscheidung nach § 12 Abs. 2 BauGB. Denn dem darin allein geregelten Begehr, ein Verfahren einzuleiten, habe sie ja entsprochen.

8

Die hiergegen mit den Anträgen,

  1. den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Verfahren zur 161. Änderung des Flächennutzungsplanes sowie zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 1626 - Auf dem Kampe - fortzuführen,

  2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die Verfahren zur 161. Änderung des Flächennutzungsplanes sowie zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 1626 fortzuführen,

  3. weiter hilfsweise festzustellen, dass die Entscheidung der Beklagten, die Verfahren zur 161. Änderung des Flächennutzungsplanes sowie zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 1626 - Auf dem Kampe - ruhen zu lassen, rechtswidrig ist,

  4. geführte Klage hat das Verfaltungsgericht mit der angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, und im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen:

9

Beim Schreiben vom 16. Dezember 2004 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine unselbständige verfahrensrechtliche Entscheidung, die den Rechtscharakter des Ergebnisses teile, zu welchem ein Abschluss der Verfahren geführt hätte: Das seien keine Verwaltungsentscheidungen, sondern Bauleitpläne. Einen Anspruch auf Fortführung eines einmal eingeleiteten Bauleitplanverfahrens vermittle auch § 12 Abs. 2 BauGB jedenfalls hier nicht. Denn die Gemeinde dürfe solche Verfahren aus sachlichen Gründen einstellen. Das sei hier in formell (kommunalrechtliche Zuständigkeit gegeben, vorherige Anhörung nicht erforderlich) und materiell nicht zu beanstandender Weise geschehen. § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB schließe einen Anspruch auf einen bestimmten Bebauungsplan aus. Das werde nicht von § 12 Abs. 2 BauGB als vermeintlicher Spezialvorschrift verdrängt. Eine Selbstbindung sei die Beklagte durch Einleitung der Planaufstellungs-/Änderungsverfahren nicht eingegangen. Es sei vielmehr dem Risikobereich der Klägerin zuzurechnen, wenn sich im Laufe des Verfahrens herausstelle, dass in dieser Weise von der Planungshoheit nicht Gebrauch gemacht werden solle. § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB verbiete es - nicht zuletzt wegen der unter Umständen erheblichen finanziellen Vorleistungen des Investors - lediglich, das Verfahren aus sachwidrigen Gründen abzubrechen. Das sei hier nicht der Fall.

10

Hiergegen richtet sich der rechtzeitig gestellte, auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO gestützte Zulassungsantrag der Klägerin, dem die Beklagte entgegentritt.

11

Der Antrag hat keinen Erfolg.

12

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl.z.B. B.v. 31. Juli 1998 - 1 L 2696/98 -, NVwZ 1999, 431 = NdsVBl. 1999, 93 = NdsRpfl. 1999, 87) erst dann vor, wenn für das vom Zulassungsantragsteller favorisierte Entscheidungsergebnis - auf dieses und nicht auf einzelne Begründungselemente kommt es dabei an - "die besseren Gründe sprechen", d.h. wenn ein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Dabei dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (2. Kammer des Ersten Senats , B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458, 1459 = NVwZ 2000, 1163 = NdsVBl. 2000, 244) die Anforderungen an die Darlegungslast der Beteiligten nicht überspannt werden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils sind daher schon dann anzunehmen, wenn es dem Zulassungsantragsteller gelingt, einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen.

13

Danach ist die Berufung nicht zuzulassen. Die angegriffene Entscheidung begegnet keinen ernstlichen Zweifeln.

14

Dabei lässt der Senat offen, ob es überhaupt einer Entscheidung über die Frage bedarf, ob das Schriftstück vom 16. Dezember 2004 einen Verwaltungsakt darstellt. Das könnte ggf. mit der Begründung unentschieden bleiben, es handele sich um eine Verpflichtungsbzw. Leistungsklage, so dass der erste Teil des Hauptantrages (Aufhebung der entgegenstehenden "Bescheide") ein unselbständiges Aufhebungsbegehren darstellte und sich der Rechtsstreit in der Sache allein danach entschiede, ob die Beklagte die eingeleiteten Verfahren zu Recht nicht fortgesetzt habe. Die Äußerung vom 16. Dezember 2004 ist nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Es handelt sich, wie schon die Beklagte zutreffend herausgestellt hat, gerade nicht um eine "Entscheidung", welche auf der Grundlage von § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB zu treffen war. Nur über die Frage, ob die Entscheidung über die "Einleitung des Bebauungsplanverfahrens" (gemeint ist: eines, das nach § 12 BauGB durchgeführt wird) einen Verwaltungsakt darstellt, herrscht Streit (vgl. einerseits <verneinend> z.B. BW- VGH, B.v. 22.3.2000 - 5 S 444/00 -, ZfBR 2000, 417 = NVwZ 2000, 1060 = BRS 63 Nr. 40, andererseits <bejahend> Ernst/Zinkahn/Bielenberg-Krautzberger, § 12 Rdnr. 112 mit weiteren Nachweisen). Für die Qualifikation der auf der Grundlage von § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB zu treffenden "Entscheidung" als Verwaltungsakt wird im Wesentlichen angeführt, hierbei sei nicht nur zu beurteilen, ob der vorgeschlagene Inhalt in die gemeindliche Planungskonzeption passt, sondern auch, ob gerade mit diesem Vorhabenträger eine Kooperation begonnen werden soll, welche unter anderem vertragliche Komponenten einschließt und auf diese Weise ein Geflecht von Rechten und Pflichten zu begründen geeignet ist. Den nahe liegenden Einwand, die Annahme eines Verwaltungsaktes scheide aus, weil es sich um ein Verfahren handele, das auf den Erlass einer Satzung gerichtet und daher nicht als Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG anzusehen sei, begegnet diese Auffassung mit dem Hinweis, die Entscheidung, sich mit diesem Vorhabenträger zu dem von ihm vorgeschlagenen Planungsziel kooperativ, insbesondere vertraglich "zusammenzutun", sei eben nicht mit dem Aufstellungsbeschluss über den Bebauungsplan gleichzusetzen (Krautzberger, aaO, Rdnr. 107). Allerdings bemüht diese Auffassung (Krautzberger, aaO; Rdnr. 108) dann doch die Nähe zum Planaufstellungsbeschluss, um für die gemeinderechtliche, d.h. "innergemeindliche" Zuständigkeit auf die zu verweisen, welche nach den Gemeindeordnungen der Länder für den Aufstellungsbeschluss besteht.

15

Die hier allein in Rede stehende Entscheidung, das auf Anregung bereits begonnene Verfahren zur Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 1626 (und die zu seiner Rechtmäßigkeit erforderliche 161. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beklagten) nicht fortzuführen, wird hingegen von keinem Gericht oder Autoren als Verwaltungsakt qualifiziert. Das ist ohne weiteres einleuchtend. Denn hier geht es nicht mehr um die Entscheidung, es gerade mit der Klägerin als Vorhabenträgerin zu versuchen. Vielmehr war diese Entscheidung schon zu deren Vorteil getroffen und waren sogar schon die Verfahren zur Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes (Stadtbezirksrat) und 161. Änderung des Flächennutzungsplanes (Verwaltungsausschuss der Beklagten) durch Beschlüsse des Stadtbezirksrats und Verwaltungsausschusses vom 21. Juni 2001 nebst öffentlicher Bekanntmachungen eingeleitet worden. Die Entscheidung, diese Verfahren nicht mehr fortzusetzen, ist nicht mehr eine, welche allein § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB im Auge hat; über Folgeentscheidungen wie die hier interessierende trifft § 12 Abs. 2 BauGB keine Regelung. Sinn und Zweck der auf seiner Grundlage zu treffenden Entscheidung ist nach allen vertretenen Auffassungen, dem Investor eine gewisse Sicherheit zu geben, derer er insbesondere deshalb bedarf, weil schon die Ausarbeitung eines konsensfähigen Konzeptes, ggf. auch ein vorsorglich zu unternehmender Grunderwerb erhebliche Vorkosten verursachen kann. Selbst die Vertreter der Auffassung, es handele sich um einen Verwaltungsakt, sehen den Vorhabenträger/Interessenten/Investor nicht mehr davor geschützt, dass nach Einleitung dieses Verfahrens das Planaufstellungsverfahren nicht mehr fortgesetzt wird. Hiergegen existiert nur sehr eingeschränkt und unter den nachstehend zu diskutierenden Voraussetzungen "primärer Rechtsschutz". Im Wesentlichen wird es in diesen Konstellationen um die Möglichkeit "sekundären Rechtsschutzes", d.h. darum gehen, ob sich der Investor/in Aussicht genommene Vorhabenträger unter anderem auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1. Dezember 1983 (- III ZR 38/82 -, ZfBR 1984, 146 = BRS 45 Nr. 23 = BayVBl. 1984, 284; vgl. aber jetzt Urteil vom 18.5.2006 - III ZR 396/04 -, ZfBR 2006, 671 = NVwZ 2006, 1207 = DVBl. 2006, 1326 = BRS 70 Nr. 223) finanziell erholen kann (vgl. Krautzberger, aaO, Rdnr. 112).

16

Zusammenfassend ist festzustellen: Jedenfalls die hier interessierende Entscheidung, die Bauleitplanverfahren einstweilen ruhen zu lassen, wird nicht im Rahmen von Verwaltungs-, sondern von Verfahren getroffen, die nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern einer Satzung (vorhabenbezogener Bebauungsplan) bzw. eines Bauleitplanes (Flächennutzungsplanes) gerichtet sind. Wegen § 9 VwVfG scheidet daher die Annahme eines Veraltungsaktes aus.

17

Die "Ruhensanordnung" vom 16. Dezember 2004 ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. In formeller Hinsicht gilt: Einer vorherigen Anhörung der Klägerin bedurfte es nicht, weil es sich hierbei, wie dargestellt, nicht um einen Verwaltungsakt handelt und daher § 28 VwVfG nicht anzuwenden ist. Nur ergänzend ist auszuführen: Die dem Schreiben vom 16. Dezember 2004 vorangegangenen Besprechungen hatten die Möglichkeit eingeschlossen, dass die Verfahren nicht fortgeführt werden. Hierzu hatte sich die Klägerin äußern können.

18

Kommunalrechtlich war eine Zuständigkeit des Rates oder des Verwaltungsausschusses nicht gegeben. Der Rat ist nach § 40 Abs. 1 Nr. 5 NGO von Gesetzes wegen nur die "abschließende Entscheidung" zuständig. Er war mit der Angelegenheit bis dahin nicht befasst gewesen. Lediglich der Stadtbezirksrat und der Verwaltungsausschuss hatten (am gleichen Tage) Beschlüsse gefasst. Die Annahme eines Vorbehaltsbeschluss nach § 40 Abs. 2 Satz 1 NGO kommt damit nicht in Betracht.

19

Die Zuständigkeit der Gemeindeverwaltung folgt aus § 62 Abs. 1 Nr. 6 NGO. Es handelte sich um ein Geschäft der laufenden Verwaltung. Wann dieses vorliegt, ist nicht allgemein abstrakt, sondern konkret nach der Größe der Gemeinde zu beantworten. Hier handelt es sich um die Landeshauptstadt und dementsprechend um die niedersächsische Gemeinde, bei der eine Anwendung des § 62 Abs. 1 Nr. 6 NGO am ehesten in Betracht kommt. Die Annahme eines Geschäfts der laufenden Verwaltung liegt umso ferner, je mehr die in Rede stehende Entscheidung den Inhalt der anstehenden (hier: Planungs-)Entscheidung präjudiziert (Thiele, NGO, Komm. 8. Aufl., § 62 Anm. 5, S. 263). Die "Entscheidung" vom 16. Dezember 2004 präjudiziert inhaltlich nichts. Sie besagt lediglich, wegen der derzeit in der Nachbarschaft betriebenen Nutzungen die Planaufstellungs- bzw. -änderungsverfahren einstweilen, jedoch mit der Möglichkeit jederzeitiger Wiederaufnahme nicht fortführen zu wollen.

20

Materiell ist die angegriffene Entscheidung ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Gemeinde hat hierbei einen Ermessensspielraum. Hierbei ist unter anderem zu beachten, dass trotz der dem Vorhabenträger günstigen Entscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB gilt, dass gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB ein Anspruch auf Erlass eines bestimmten Bebauungsplanes nicht besteht und auch vertraglich nicht begründet werden kann. Bei der Entscheidung darf die Gemeinde allerdings nicht willkürlich vorgehen. Die Nichtfortführung liegt zwar regelmäßig im Risikobereich des in Aussicht genommenen Vorhabenträgers (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg-Krautzberger, aaO, Rdnr. 112). Eine Verengung des unverändert bestehenden Planungsermessens kommt aber in Betracht, wenn die Gemeinde städtebaulich nachvollziehbare Gründe für die Weigerung nicht anführen kann, das Verfahren fortzusetzen, und/oder wenn das vom Vorhabenträger verfolgte Ziel ihren eigenen städtebaulichen Vorstellungen entspricht.

21

Danach bestehen am Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht hinsichtlich aller drei Klaganträge gelangt ist, keine ernstlichen Zweifel. Der schon bestehenden Planungskonzeption der Beklagten entsprach das in Rede stehende Vorhaben gerade nicht. Das zeigt schon der Umstand, dass hierzu die 161. Änderung des Flächennutzungsplanes erforderlich gewesen wäre.

22

Die für die "Ruhensanordnung" angeführten Gründe sind sehr tragfähig; das schließt die Annahme ermessenswidriger Entscheidung aus. Im Schreiben vom 16. Dezember 2004 hat die Beklagte gleich einen ganzen Strauß davon angeführt. Einer der wesentlichen besteht darin, dass ernstliche Aussichten nicht gesehen wurden, die Region Hannover werde die Abkehr vom Konzept genehmigen, das bisher im Flächennutzungsplan dargestellt worden war und in einigen Bereichen der unmittelbaren Nachbarschaft durch gewerbliche Nutzungen auch verwirklicht worden war.

23

Ein weiterer selbständig tragender städtebaulicher Grund liegt in der Befürchtung, die von der Klägerin gewünschte Planung nicht rechtssicher umsetzen zu können. Die Lage der Grundstücks, welches die Klägerin erworben hatte, war "nun einmal" außerordentlich prekär. In unmittelbarer Nachbarschaft waren stark emittierende Nutzungen vorhanden, deren Verursacher im bisherigen Verfahren Miene gemacht hatten, einen der Klägerin günstigen Verfahrensausgang nicht kampflos hinzunehmen. Diese Auffassung hatte für sich, dass hier der Sache nach reine Wohn- neben gewerbliche Nutzung positioniert werden sollte. Selbst bei Ausschöpfung aller Mittel passiven Lärmschutzes (Wall, niedrige Gebäudehöhen, verbindliche Anordnung schutzwürdiger Räume) verblieb noch immer ein Immissionsniveau, welches nur bei einer Absenkung des Schutzniveaus auf die Orientierungswerte für Mischgebiete akzeptabel schien. Das begründete erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit und Rechtssicherheit des in Aussicht genommenen vorhabenbezogenen Bebauungsplanes. Satzungen über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt.v. 6.6.2002 - 4 CN 4.01 -, BBauBl 2002, 56 <6> = DVBl. 2002, 1494 zu § 7 BauGBMaßnG) zwar nicht unmittelbar und strikt an die BauNVO gebunden. Die BauNVO besitzt bei der Konkretisierung der Anforderungen an eine geordnete städtebauliche Entwicklung jedoch eine Ordnungs- und Leitfunktion, die auch bei der Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes zu beachten ist. Dabei ist die Baunutzungsverordnung nicht schematisch anzuwenden. Ein Widerspruch zu ihren Festsetzungen und Vorstellungen führt zwar nicht zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung der allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Hier ist jedoch zu beachten, dass eine beträchtliche Konfliktlage begründet werden sollte: Reines Wohnen sollte unmittelbar neben einem nur unwesentlich eingeschränkten Gewerbegebiet positioniert werden. Dabei sollte der Schutzanspruch, der reinen Wohngebieten ( § 3 BauNVO ) eigentlich zukommt, gleich "um zwei Baugebiete", nämlich unter Überspringung des allgemeinen Wohngebiets auf "Mischgebietsniveau" verschlechtert werden. Es war sehr die Frage, ob das in Einklang mit § 12 BauGB (so große "Entfernung" von den Vorstellungen der BauNVO) und dem Gebot zu gerechter Abwägung (eine Gemengelage war bislang nicht gegeben; dieses städtebaulich nur schwer verträgliche Nebeneinander sollte durch das Planvorhaben mit erheblichem Konfliktpotential überhaupt erst geschaffen werden) würde bewältigt werden können. Schon das Bestreben, sich nicht auf städtebaulich derart ungesichertes Terrain zu begeben, rechtfertigte die Entscheidung, bis zu einer Änderung der Nutzungen auf den benachbarten Grundstücken mit den Planaufstellungsverfahren nicht fortzufahren. Gerade wegen des oben beschriebenen Haftungsrisikos darf die Gemeinde auch bei einem kooperativ, d.h. auf der Grundlage von § 12 BauGB eingeleiteten Verfahren auf diese Gesichtspunkte besonderen Bedacht nehmen.

24

Die Berufung kann auch nicht auf der Grundlage von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art auf, welche die Zulassung rechtfertigen. Das ist nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl.z.B. B.v. 31. August 1998 - 1 L 3914/98 -, NdsRpfl. 1999, 44 = NdsVBl. 1999, 95 = ZfBR 1999, 56 <LS>) erst dann der Fall, wenn das Zulassungsantragsvorbringen schwierige Fragen aufwirft, welche sich im Zulassungsverfahren nicht ohne weiteres beantworten lassen. Das ist hier nach den vorstehenden Ausführungen gerade nicht der Fall.

25

§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bietet für eine der Klägerin günstige Entscheidung ebenfalls keine Grundlage. Die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage 1 lässt sich beantworten, ohne dass es dazu eines Berufungsverfahrens bedarf. Die Klägerin bezeichnet keine Gerichtsentscheidung oder Kommentarstelle, welche die hier allein in Rede stehende "Ruhensanordnung" als Verwaltungsakt definierte. Die behauptete grundsätzliche Bedeutung ist damit auch nicht ausreichend dargetan. Die in der Frage 2 zusammengefassten Fragen entziehen sich verallgemeinernder Beantwortung. Es handelt sich durchweg um Fragen, die nur nach Lage der Dinge, d.h. den Besonderheiten des in Rede stehenden Sachverhalts beantwortet werden können. Die Frage 3 trifft den Sachverhalt nicht, weil der Rat der Beklagten mit diesem Verfahren bislang nicht befasst war. Zudem gilt für sie sowie die Frage 4 das, was zur Frage 2 ausgeführt worden ist. Die Frage 4 betrifft einen Teilaspekt der Beurteilung, ob die Gemeinde die Fortführung des bereits eingeleiteten Verfahrens ermessensfehlerfrei ablehnen darf.

26

Weitere Ausführungen sind zum Zulassungsantrag nicht veranlasst.

27

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 52 Abs. 1 GKG.

28

Dieser Beschluss ist unanfechtbar ( § 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 iVm 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Claus
Berner-Peschau
Bremer