Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 13.10.2008, Az.: S 19 AS 2667/08
Anfechtungsklage oder Leistungsklage als zulässiger Rechtsbehelf bei Abänderung einer ursprünglichen Bewilligungsentscheidung durch einen Aufhebungsbescheid i.R.e. Leistungsbegehrens
Bibliographie
- Gericht
- SG Braunschweig
- Datum
- 13.10.2008
- Aktenzeichen
- S 19 AS 2667/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 29695
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGBRAUN:2008:1013.S19AS2667.08.0A
Rechtsgrundlage
- § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Gegen die Kläger werden gemäß § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG Kosten in Höhe von insgesamt 150,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger beziehen durch die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 15.07.2008 bewilligte die Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis einschließlich 31.12.2008 monatliche Leistungen in Höhe von 899,50 EUR. Mit zwei Aufhebungs- und Erststattungsbescheiden vom 31.07.2008 verfügte die Beklagte u.a. eine Aufrechnung der gewährten Leistungen in einem Umfange von monatlich insgesamt 189,60 EUR ab dem 01.09.2008. Gegen die Aufhebungsbescheide vom 31.07.2008 legten die Kläger am 01.09.2008 Widerspruch ein, über die nach Aktenlage noch nicht entschieden worden ist.
Am 15.09.2008 haben die Kläger sowohl Klage in der Hauptsache erhoben, als auch einen Eilantrag, gerichtet auf die Auszahlung von monatlich 899,50 EUR anstelle von 709,90 EUR, gestellt - S 19 AS 2647/08 ER. Die Beklagte hat in dem Einstweiligen Anordnungsverfahren, dass als Antrag nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG auszulegen war, für den Zeitraum ab 01.10.2008 die aufschiebende Wirkung der Widersprüche vom 01.09.2008 gegen die Bescheide vom 31.07.2008 anerkannt und die zunächst für September 2008 einbehaltenen Leistungen ausgezahlt. Dieses Klageverfahren, gerichtet auf dasselbe Rechtsschutzziel, wird gleichwohl durch die Kläger nicht für erledigt erklärt.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Beklagte zu verurteilen, den Klägern für den Zeitraum vom 01.09.2008 bis einschließlich 31.12.2008 monatliche Leistungen in Höhe von 899,50 EUR auszuzahlen.
Die Beklagte hat sich nicht zum Verfahren geäußert.
Mit Verfügung vom 29.09.2008 sind die Beteiligten zu dem beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheides unter Einräumung einer Stellungnahmemöglichkeit angehört worden. Reaktionen erfolgten nicht.
Die Verfahrensakte Sozialgericht Braunschweig, Az. S 19 AS 2647/08 ER, wurde zum Verfahren beigezogen und war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
I.
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entscheiden, da der Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist.
II.
Die Klage ist unzulässig.
Die am 15.09.2008 erhobene, allgemeine Leistungsklage ist von vorne herein unzulässig gewesen. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung der Beklagten mit Bescheid vom 15.07.2008 wurde durch die Aufhebungsbescheide vom 31.07.2008 abgeändert. Der lediglich auf eine Leistung gerichtete Klageantrag übersieht diese verfügte Teilaufhebung. Der Bescheid vom 15.07.2008 existiert in seiner ursprünglichen Fassung nicht mehr, sondern lediglich in der Fassung der Bescheide vom 31.07.2008. Zulässiger Rechtsbehelf gegen diese Abänderungen ist jedoch - nach Durchführung der Vorverfahren - die Anfechtungsklage. Die Anfechtungsklage ist gegenüber der allgemeinen Leistungsklage vorrangig.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger nimmt rechtsirrig an, dass ein Verfahren gemäß § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG - S 19 AS 2647/08 ER - nur bei Anhängigkeit einer Leistungsklage zulässig wäre; Voraussetzung zur Anordnung/Feststellung der aufschiebenden Wirkung ist lediglich, dass Widerspruch bzw. Anfechtungsklage erhoben wird, dessen/deren aufschiebende Wirkung überhaupt angeordnet/festgestellt werden kann.
Im Übrigen ergibt sich die Unzulässigkeit der Klage aus dem nunmehr fehlenden Rechtsschutzbedürfnis der Kläger. Im beigezogenen Eilverfahren hat die Beklagte den identisch auch im Klageverfahren geltend gemachten Anspruch bereits anerkannt. Eine Beschwer ist nicht mehr ersichtlich. Gleichwohl halten die Kläger weiterhin unverständlicherweise an der Klage fest und nehmen diese nicht zurück.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 105 Abs. 1 S. 3 i.V.m. §§ 193 Abs. 1 S. 1, § 183 S. 1 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens. Die Klage war bereits bei ihrer Erhebung unzulässig.
Das Gericht hält es in Ausübung seines Ermessens für angebracht, den Klägern Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen. Denn sie haben den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl ihnen vom Kammervorsitzenden mit Verfügung vom 29.09.2008 schriftlich die Missbräuchlichkeit ihrer Rechtsverfolgung dargelegt worden ist und sie auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden sind.
Diese Missbräuchlichkeit ergibt sich neben der bereits unzulässigen Klageerhebung in Form einer allgemeinen Leistungsklage v. a. aufgrund der eingetretenen Klaglosstellung. Eine Beschwer existiert nicht mehr, dem Begehren wurde im Eilverfahren vollständig entsprochen. Eine prozessbeendende Erklärung erfolgte gleichwohl nicht. Die gerichtliche Verfügung vom 23.09.2008 wurde im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 26.09.2008 mit einem Hinweis auf eine etwaige Kostenerstattungspflicht der Beklagten beantwortet - ohne den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Auf die Verfügung vom 29.09.2008 erfolgte fristgerecht keinerlei Reaktion; auch der ablehnende PKH-Beschluss blieb bis dato unangefochten. Es ist überhaupt kein Grund erkennbar, weshalb der Rechtsstreit inhaltlich fortgeführt wird.
Durch die missbräuchliche Fortführung des Rechtsstreits und der notwendig gewordenen, schriftlichen Entscheidung der Kammer sind dem Gericht und damit der Staatskasse vermeidbare Kosten, etwa in Form allgemeiner Gerichtshaltungskosten und Personalkosten, ursächlich entstanden. Die Kammer hält es jedoch für ausreichend und angemessen, lediglich den Mindestbetrag gemäß § 192 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 184 Abs. 2, 1. Alternative SGG, mithin 150,00 EUR, festzusetzen.
Die Berufung ist zulässig, § 105 Abs. 2 S. 1 i.V.m. §§ 105 Abs. 1 S. 3, § 143 SGG. Streitgegenständlich ist insgesamt ein Betrag in Höhe von 758,40 EUR - monatlicher Kürzungsbetrag 189,60 EUR / vier Monate, September bis einschließlich Dezember 2008.