Sozialgericht Braunschweig
Beschl. v. 25.02.2008, Az.: S 14 U 10/07
Analoge Anwendung der Regelungen aus den Rechtsbeziehungen von Krankenhäusern gegenüber gesetzlichen Krankenversicherungsträgern auf Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
Bibliographie
- Gericht
- SG Braunschweig
- Datum
- 25.02.2008
- Aktenzeichen
- S 14 U 10/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 28350
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGBRAUN:2008:0225.S14U10.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V
- § 5 Abs. 1 UV-GOÄ
- § 46 UV-GOÄ
- § 273 Abs. 1 BGB
- § 286 Abs. 1 S. 1 BGB
Redaktioneller Leitsatz
Die gesetzlichen und vertraglichen Regelungen, die in den Rechtsbeziehungen von stationären Einrichtungen/Krankenhäusern und den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung gelten, sind auf das Rechtsverhältnis zwischen den stationären Einrichtungen/Krankenhäusern und den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung nicht analog anwendbar. Es liegt keine planwidrige Regelungslücke vor. Die UV-GOÄ ist als eigenständige, spezielle Regelung im Rechtsverhältnis Ärzte und Träger der gesetzlichen Unfallversicherung anzusehen.
Tenor:
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird auf 1542,08 EUR festgesetzt
Gründe
I.
Ein Versicherter der Beklagten wurde bei der Klägerin stationär behandelt. Am 02.01.2007 ging bei der Beklagten die Rechnungslegung der Klägerin vom 21.12.2006 ein, die über 1.542,08 EUR lautete. Die Rechnung enthielt den Zusatz, dass die erbetene Zahlung innerhalb von 21 Tagen nach Rechnungserhalt fällig sei. Mit Schreiben vom 11. bzw. 12.01.2007 forderte die Beklagte die Klägerin auf, den der Rechnung zugrunde liegenden Operationsbericht zu übersenden. Die Klägerin legte diesen zunächst nicht vor, sondern forderte unter Fristsetzung erneut zur Zahlung auf. Die Beklagte antwortete und verwies auf die fehlenden ärztlichen Unterlagen, die zur Überprüfung der eigenen Leistungspflicht erforderlich seien.
Am 26.01.2007 hat die Klägerin Klage erhoben und zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 1.542,08 EUR nebst 2% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB ab dem 12.01.2007 zu verurteilen. Am 29.01.2007 ist der angeforderte Operationsbericht bei der Beklagten eingegangen. Sie hat daraufhin am 06.02.2007 den Gesamtrechnungsbetrag an die Klägerin gezahlt. Im Erörterungstermin am 14.02.2008 haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
II.
1.
Das Gericht entscheidet gemäß §§ 197 a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach Erledigung des Rechtsstreits über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss; diese Entscheidung ergeht nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Denn die Beklagte hat keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Ein Zahlungsverzug ist zu keinem Zeitpunkt eingetreten. Der Beklagten stand ein eigenes Prüfungsrecht zu, bevor sie die Rechnung der Klägerin beglich. Nach Erhalt des Operationsberichts vom 29.01.2007 hat die Beklagte den Gesamtrechnungsbetrag in Höhe von 1.542,08 EUR unverzüglich am 06.02.2007 gezahlt.
Ein Zahlungsanspruch der Klägerin ohne vorheriges Prüfungsrecht durch die Beklagte kann zunächst nicht aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit dem Versorgungsvertrag nach § 109 Abs. 2 SGB V hergeleitet werden. Denn insoweit müsste die Beklagte eine gesetzliche Krankenkasse oder Ersatzkasse sein. Der eindeutige Wortlaut der gesetzlichen Ermächtigung erlaubt keine Einbeziehung der Beklagten als gesetzliche Unfallversicherungsträgerin. Die gesetzlichen Unfallversicherungen sind nicht Vertragspartei dieser Vereinbarungen. Mangels Verweises im SGB VII finden auch das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), das Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und die Fallpauschalenverordnung keine direkte Anwendung. Ohne dies betreffende gesetzliche Ermächtigung ist auch nicht von einer Gesetzeswirkung des § 3 KHG im Umkehrschluss auszugehen.
Eine analoge Anwendung derjenigen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen, die in den Rechtsbeziehungen von stationären Einrichtungen/Krankenhäusern gegenüber den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung gelten, auf das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung ist rechtlich nicht möglich. Denn es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Das Rechtsverhältnis von Ärzten und Unfallversicherungsträgern ist in einem eigenständigen Vertragswerk geregelt. Die Gebührenordnung für Ärzte UV-GOÄ ermöglicht es, sämtliche Leistungen, die die Klägerin als Krankenhaus erbringt, mit den Unfallversicherungsträgern abzurechnen. Die UV-GOÄ ist als eigenständige, spezielle Regelung im Rechtsverhältnis Ärzte - Träger der gesetzlichen Unfallversicherung anzusehen. Dass im UV-GOÄ keine vertraglichen Fälligkeits-, Zahlungs- und Fristenbestimmungen getroffen wurden, die mit denjenigen im Versorgungsvertrag auf Basis der Ermächtigung in § 109 Abs. 2 SGB V vergleichbar wären - dies gilt insbesondere für das Zahlungsziel von 14 Tagen nach Rechnungsstellung ohne Prüfrecht -, ermächtigt nicht zur Anwendung dieser, die Klägerin einseitig begünstigenden Regelungen. Es ist im Gegenteil schon zu bezweifeln, ob die Unterschiede zum Versorgungsvertrag, insbesondere die hier streitigen "Nicht-Regelungen" im UV-GOÄ, planwidrig sind. Die besondere Rechtsstellung der gesetzlichen Unfallversicherungsträger deutet eher darauf hin, dass eine Gleichstellung mit den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung bewusst vermieden werden soll.
Mangels vertraglicher, speziellerer Regelungen zur Fälligkeit von Forderungen gilt insoweit allgemeines Zivilrecht. Eine Kostentragungspflicht aus dem Gesichtspunkt des Verzuges kann nicht abgeleitet werden. Denn die Beklagte ist nicht in Verzug gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geraten. Vielmehr stand der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB gegenüber dem Zahlungsanspruch der Klägerin zu. Denn sie hatte einen fälligen Auskunftsanspruch gegen die Klägerin, der aus der Auskunftspflicht des behandelnden Arztes gemäß §§ 5 Abs. 1, § 46 UV-GOÄ resultiert. Der Beklagten steht - im Gegensatz zu den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung - als gesetzlicher Unfallversicherungsträgerin ein eigenes Prüfrecht zu. Dieses Prüfungsrecht ergibt sich ausdrücklich aus der Auskunftspflicht der behandelnden Ärzte, die im UV-GOÄ niedergelegt ist. Des Weiteren ist es abzuleiten aus § 11 Abs. 5 SGB V. Denn dort ist die Subsidiarität von Leistungsansprüchen gegen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung im Verhältnis zu vorrangigen Ansprüchen zu Lasten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung normiert. Die gesetzlichen Unfallversicherungsträger müssen anhand von Rechnungsunterlagen und genaueren Angaben des ärztlichen Leistungserbringers feststellen können, ob überhaupt ein Versicherungsfall im Sinne des SGB VII vorliegt. Diese Feststellung muss den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung zunächst ermöglicht werden. Dies ist zudem sinnvoll, um nachholende Erstattungsstreitigkeiten zwischen Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern zu vermeiden. Ferner ist den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung deshalb ein eigenes Prüfungsrecht zuzubilligen, weil ihnen kein spezielleres, vertraglich vereinbartes Prüfungsverfahren, das der sofortigen Zahlung nachgelagert wäre, zusteht. Denn das Prüfungsverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) gilt für sie nicht.
2.
Die endgültige Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1, Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).