Sozialgericht Hildesheim
Beschl. v. 11.05.2011, Az.: S 42 AY 21/11 ER

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG differenziert unter der Gruppe der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG bzgl. deren Zugang zum Sozialleistungssystem; Bei einer Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" nach § 23 Abs. 1 AufenthG besteht keine Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 AsylbLG; Bei rechtzeitig gestellten Verlängerungsanträgen nach § 104a AufenthG ist eine Berufung auf die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG möglich; § 104a Abs. 5 S. 5 AufenthG ist in bestimmten Fällen restriktiv auszulegen

Bibliographie

Gericht
SG Hildesheim
Datum
11.05.2011
Aktenzeichen
S 42 AY 21/11 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 16944
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGHILDE:2011:0511.S42AY21.11ER.0A

Tenor:

Der Antragsgegner zu 2. wird einstweilen verpflichtet, den Antragstellern vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung sowie unter Anrechnung der vom Antragsgegner zu 1. aufgrund des Hängebeschlusses der Kammer vom 4. März 2011 bereits gezahlten Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ab dem 4. März 2011 bis zur Entscheidung über den bei ihm anhängigen Widerspruch der Antragsteller vom 14. März 2011 - W 241/11 - gegen seinen ablehnenden Bescheid vom 25. Februar 2011 Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag der Antragsteller unter entsprechender Abänderung des Hängebeschlusses der Kammer vom 4. März 2011 abgelehnt. Der Antragsgegner zu 2. hat den Antragstellern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in dem Umfang zu erstatten, wie sie bei einem nur gegen den Antragsgegner zu 2. gerichteten einstweiligen Rechtsschutzverfahren angefallen wären. Im Übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten zwischen den Beteiligten nicht statt.

Gründe

1

I.

Der 1973 geborene Antragsteller zu 1. ist kosovarischer Staatsangehöriger und eigenen Angaben, zuletzt aus dem Jahre 2005, zufolge Volkszugehöriger der Roma. Er reiste im Jahre 1993 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte unter der Vorgabe, albanischer Volkszugehöriger zu sein, erfolglos seine Anerkennung als Asylberechtigter. Ebenso erfolglos blieb ein im Jahre 2000 durchgeführtes Asylfolgeverfahren, vgl. Urteil des VG Göttingen vom 12.02.2004 - 3 A 3208/02 -. Im Anschluss hieran wurde der weiterhin passlose Antragsteller zu 1. zunächst vom Antragsgegner zu 1. - zuständige Ausländerbehörde und zuständiger Leistungsträger nach demAsylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) - geduldet, ehe dieser ihm am 01.08.2008 eine bis zum 15.02.2009 gültige Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" gemäß § 104a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilte. Selbige verlängerte er unter dem 16.02.2009 bis zum 15.05.2009 und nachfolgend unter dem 11.05.2009 bis zum 31.08.2009. Über den unter dem 20.08.2009 gestellten weiteren Verlängerungsantrag, in dem der Aufenthaltszweck nicht angegeben, das Begehren auf Gestattung der weiteren Erwerbstätigkeit jedoch ersichtlich ist, entschied der Antragsgegner zu 1. aufgrund eines gegen den Antragsteller zu 1. seinerzeit laufenden, später (im Februar 2010) nach § 153 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zunächst nicht, sondern erteilte erstmals am 02.09.2009 eine auf § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG gestützte Fiktionsbescheinigung, die er jeweils quartalsweise verlängerte. Den Fiktionsbescheinigungen war die Nebenbestimmung beigefügt, die Erwerbstätigkeit sei gestattet. Erst auf weiteren schriftlichen, insbesondere auf § 23 Abs. 1 AufenthG gestützten Antrag des Antragstellers zu 1. vom 07.06.2010 erteilte der Antragsgegner zu 1. unter dem 28.06.2010 dem Antragsteller zu 1. eine auf § 23 Abs. 1 AufenthG ("Aufenthaltserlaubnis auf Probe gem. Erlass vom 11.12.2009", vgl. Kopie des Ausweisersatzes, Blatt 479 der Ausländerakten des Antragsgegners zu 1., kurz: AA) gestützte und bis zum 27.12.2010 gültige Aufenthaltserlaubnis, die mit der Nebenbestimmung "Erwerbstätigkeit gestattet" versehen wurde. Über den am 29.10.2010 eingegangenen Antrag auf Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis hat der Antragsgegner zu 1. - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden; dem Antragsteller zu 1. wurde stattdessen unter dem 06.01.2011 eine auf § 81 Abs. 4 AufenthG gestützte und bis zum 31.07.2011 gültige Fiktionsbescheinigung u.a. mit der Nebenbestimmung "Erwerbstätigkeit gestattet" ausgestellt.

2

Die Antragstellerin zu 2. ist die im Jahre 2007 in Göttingen geborene Tochter des Antragstellers zu 1. und der Frau I., ebenfalls kosovarische Staatsangehörige und erfolglose Asylbewerberin, der der Antragsgegner zu 1. am 02.04.2009 erstmals eine bis zum 31.08.2009 gültige Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt hatte; eine Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis der Mutter erfolgte unter dem 30.06.2010 befristet bis zum 27.12.2010; seither ist die Mutter im Besitz einer bis zum 31.07.2011 gültigen Fiktionsbescheinigung.

3

Der Antragstellerin zu 2., deren nach § 14a AsylVfG gestellter Asylantrag ebenfalls erfolglos blieb, erteilte der Antragsgegner zu 1. nach vorangehender Duldung ebenfalls unter dem 01.08.2008 erstmals eine bis zum 15.02.2009 gültige Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" nach § 104a AufenthG, die er unter dem 16.02.2009 bis zum 15.05.2009 und nachfolgend unter dem 11.05.2009 bis zum 31.08.2009 verlängerte. Über den unter dem 20.08.2009 gestellten weiteren Verlängerungsantrag entschied der Antragsgegner zu 1. zunächst nicht, sondern stellte Fiktionsbescheinigungen quartalsweise aus. Erst unter dem 30.06.2010 erteilte er der Antragstellerin zu 2. eine auf § 23 Abs. 1 AufenthG ("Aufenthaltserlaubnis auf Probe gem. Erlass vom 11.12.2009", vgl. Bl. 78 f. AA) gestützte und bis zum 27.12.2010 gültige Aufenthaltserlaubnis. Über den am 29.10.2010 eingegangenen Antrag auf Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis hat der Antragsgegner zu 1. - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden; der Antragstellerin zu 2. wurde stattdessen unter dem 06.01.2011 eine auf § 81 Abs. 4 AufenthG gestützte und bis zum 31.07.2011 gültige Fiktionsbescheinigung ausgestellt.

4

Die Antragstellerin zu 3. ist die im November 2008 in Göttingen geborene Tochter des Antragstellers zu 1. und der Frau I ... Der Antragstellerin zu 3. erteilte der Antragsgegner zu 1. erstmals unter dem 08.12.2008 eine bis zum 15.02.2009 gültige Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" nach § 104a AufenthG, die er unter dem 16.02.2009 bis zum 15.05.2009 und nachfolgend unter dem 11.05.2009 bis zum 31.08.2009 verlängerte. Über den unter dem 20.08.2009 gestellten weiteren Verlängerungsantrag entschied der Antragsgegner zu 1. zunächst nicht, sondern erteilte unter dem 30.06.2010 auch der Antragstellerin zu 3. eine auf § 23 Abs. 1 AufenthG ("Aufenthaltserlaubnis auf Probe gem. Erlass vom 11.12.2009", vgl. Bl. 40 f. AA) gestützte und bis zum 27.12.2010 gültige Aufenthaltserlaubnis. Über den am 29.10.2010 eingegangenen Antrag auf Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis hat der Antragsgegner zu 1. - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden; auch der Antragstellerin zu 3. wurde stattdessen unter dem 06.01.2011 eine auf§ 81 Abs. 4 AufenthG gestützte und bis zum 31.07.2011 gültige Fiktionsbescheinigung ausgestellt.

5

Der Antragsteller zu 4. ist der am 10.01.2011 in Northeim geborene Sohn des Antragstellers zu 1. und der Frau I ... Die Anerkennung der Vaterschaft durch die e.g. Mutter sowie die Erklärung über die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge beurkundete das Jugendamt des Antragsgegners zu 1. bereits am 04.01.2011. Für den Antragsteller zu 4. wurde nach Auskunft der Ausländerbehörde des Antragsgegners vom 05.05.2011 am 20.01.2011 ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt, über den bislang nicht entschieden wurde; eine Fiktionsbescheinigung sei bislang nicht ausgestellt worden.

6

Den Antragstellern zu 1. bis 3. gewährte der Antragsgegner zu 2. - zuständiger Träger der Grundsicherungsleistungen für erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach §§ 6, 44b des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (SGB II) - nach erstmaliger Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen "auf Probe" gemäß § 104a AufenthG im August bzw. Dezember 2008 fortlaufend ergänzende Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bis zum 31.08.2009. Ab dem 01.09.2009 gewährte der Antragsgegner zu 1. den Antragstellern zu 1. bis 3. aufgrund erteilter Fiktionsbescheinigungen nach § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG Asylbewerberleistungen bis einschließlich 30.06.2010 (vgl. Einstellungsbescheid des Antragsgegners zu 1. vom 30.06.2010, Blatt 478 der Leistungsakten des Antragsgegners zu 2. - kurz: LA2). Den am 30.06.2010 beim Antragsgegner zu 2. gestellten neuen Antrag der Antragsteller zu 1. bis 3. sowie der Mutter der minderjährigen Antragsteller zu 2. bis 4. auf Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II lehnte der Antragsgegner zu 2. mit Bescheid vom 14.07.2010 (Bl. 479 LA2) hinsichtlich der Antragsteller zu 1. bis 3. mit der Begründung ab, sie seien aufgrund der am 28. bzw. 30.06.2010 nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnisse nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG leistungsberechtigt. Hiergegen legten die Antragsteller zu 1. bis 3. unter dem 09.08.2010 zunächst Widerspruch (W 774/10) ein (Bl. 490 f. LA 2), den sie nach Hinweis des Antragsgegners zu 2. vom 13.08.2010 (Bl. 492 LA2) auf mangelnde Erfolgsaussichten unter dem 18.08.2010 zurücknahmen (Bl. 66 der Gerichtsakte - kurz: GA). Nach Rücksprache mit dem Antragsgegner zu 2. (Blatt 481 LA2) bewilligte der Antragsgegner zu 1. den Antragstellern zu 1. bis 3. und der Mutter der Antragsteller zu. 2 bis 4. mit Bescheid vom 22.07.2010 (Blatt 482 ff. LA2) unter Aufhebung seines Einstellungsbescheides vom 30.06.2010 ab Juli 2010 bis Dezember 2010 wiederum Leistungen nach dem AsylbLG (vgl. die Bescheide Blatt 58 ff. der Leistungsakte des Antragsgegners zu 1. - kurz: LA1).

7

Mit Bescheid vom 10.01.2011 (Bl. 104 f. LA1) stellte der Antragsgegner zu 1. seine Leistungsgewährung nach dem AsylbLG für die Antragsteller zu 1. bis 3. - der Mutter der Antragsteller zu 2. bis 4. gewährte der Antragsgegner zu 1. weiterhin Asylbewerberleistungen (Bl. 106 ff. LA1) - rückwirkend zum 01.01.2011 mit der Begründung ein, die Antragsteller zu 1. bis 3. seien seit dem 06.01.2011 Inhaber einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG. Der Ihnen am 30.06.2010 erteilte Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 AufenthG gelte damit länger als 6 Monate fort; die Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG entfalle somit. Die Antragsteller seien auf die Beantragung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zu verweisen.

8

Dieser Empfehlung folgend beantragten alle vier Antragsteller am 13.01.2011 beim Antragsgegner zu 2. die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II (vgl. Formularantrag nebst Anlagen, Bl. 512 ff. LA2). Nach telefonischer Erörterung der ausländerrechtlichen Rechtslage mit der zuständigen Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. am 23.02.2011 (vgl. Vermerk Bl. 566 LA2) lehnte der Antragsgegner zu 2. den Antrag der Antragsteller mit Bescheid vom 25.02.2011 (Bl. 567 f. LA2) mit der Begründung ab, die Antragsteller seien aufgrund der vom Antragsgegner zu 1. unter dem 06.01.2011 ausgestellten Fiktionsbescheinigungen nach wie vor gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG leistungsberechtigt. Über den hiergegen von den Antragstellern am 14.03.2011 eingegangenen Widerspruch (W 241/11) hat der Antragsgegner zu 2. bislang nicht entschieden (vgl. Aktenvermerk vom 11.04.2011, Bl. 63 GA).

9

Bereits am 04.03.2011 haben die Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz mit der Begründung erhoben, sie hätten seit Januar 2011 keinerlei ergänzende Sozialleistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts und zur Deckung ihrer Unterkunftskosten mehr erhalten; ihnen blieben daher aktuell nur die der Mutter der Antragsteller zu 2. bis 4. weiter bewilligten Grundleistungen nach dem AsylbLG. Der Antragsgegner zu 1. sei als zuerst angegangener Leistungsträger gemäß § 43 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zur vorläufigen Leistungsgewährung verpflichtet gewesen; der Ablehnungsbescheid vom 10.01.2011 werde gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zur Überprüfung gestellt. Jedenfalls sei der Antragsgegner zu 2. verpflichtet gewesen, den bei ihm am 13.01.2011 gestellten Antrag an den Antragsgegner zu 1. als - aus seiner Sicht - zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Der Zuständigkeitsstreit zwischen den Antragsgegnern dürfe sich im Ergebnis nicht zu ihren Lasten auswirken.

10

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

den Antragsgegner zu 1. einstweilen zu verpflichten, ihnen vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen nach dem AsylbLG in gesetzlicher Höhe zu gewähren,

11

hilfsweise

den Antragsgegner zu 2. einstweilen zu verpflichten, ihnen vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zur Entscheidung in der Hauptsache Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

12

Der Antragsgegner zu 1. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

13

Zur Begründung verweist er auf den richterlichen Hinweis vom 11.03.2011.

14

Der Antragsgegner zu 2. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

15

Zur Begründung verweist er auf seinen ablehnenden Bescheid vom 25.02.2011.

16

Die Kammer hat unmittelbar nach Eingang der Antragsschrift mit Hängebeschluss des Vorsitzenden vom 04.03.2011 den Antragsgegner zu 1. im Wege einer Zwischenentscheidung einstweilen bis zu ihrer endgültigen Entscheidung verpflichtet, den Antragstellern ab sofort Grundleistungen nach§ 3 AsylbLG in Form von Ersatzleistungen (Wertgutscheinen) in Höhe der in § 3 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AsylbLG vorgesehenen Sätze - für den laufenden Monat März 2011 anteilig 28/31 dieser Sätze - vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu bewilligen und auszuhändigen; sie ist dabei - den Darlegungen der Antragsteller über die bisherige Bewilligungspraxis folgend - von einer Leistungsberechtigung aller Antragsteller nach dem AsylbLG ausgegangen.

17

Die Kammer hat die Beteiligten mit richterlicher Verfügung vom 11.03.2011 darauf hingewiesen, dass eine telefonische Nachfrage des Vorsitzenden beim Niedersächsischen Ministerium für Inneres Sport und Integration (Nds. MI) ergeben habe, dieses vertrete die Rechtsauffassung, Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der Bleiberechtsregelung gemäß Erlass des Nds. MI vom 11.12.2009 seien nach den Regelungen des SGB II leistungsberechtigt. Der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG greife nicht, weil die Aufenthaltserlaubnis auf Probe nach o.g. Regelung nicht "wegen des Krieges in ihrem Heimatland" erteilt worden sei.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegner (Ausländer- und Leistungsakten des Antragsgegners zu 1. (6 Bände), Leistungsakten des Antragsgegners zu 2. (3 Bände)) Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

19

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hinsichtlich des von den Antragstellern hilfsweise geäußerten Begehrens begründet, hinsichtlich des gegen den Antragsgegner zu 1. gerichteten Hauptantrages dagegen unbegründet, sodass der Antrag insoweit abzulehnen war.

20

Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist. Das ist immer dann der Fall, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache im Falle des Obsiegens nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 19.10.1977 - 2 BvR 42/76 -, BVerfGE 46 [166, 179, 184]). Steht der Antragstellerin ein von ihr geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist es ihr nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens (hier: des Widerspruchsverfahrens) abzuwarten, ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begründet. Eine aus Gründen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebotene Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Verfahren ist jedoch nur dann zulässig, wenn der Antragstellerin ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung unzumutbare Nachteile drohen und für die Hauptsache hohe Erfolgsaussichten prognostiziert werden können (Landessozialgericht - LSG - Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.09.2004 - L 7 AL 103/04 ER -). Sowohl die hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile (Anordnungsgrund) müssen glaubhaft gemacht werden, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Dies ist den Antragstellern gelungen.

21

1.)

Der gegen den Antragsgegner zu 1. gerichtete Hauptantrag der Antragsteller auf vorläufige Gewährung von Grundleistungen nach demAsylbLG ist unbegründet.

22

Die Kammer kann daher offen lassen, ob dem Hauptantrag der Antragsteller das Rechtsschutz- bzw. Regelungsbedürfnis wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Bestandskraft des Ablehnungsbescheides des Antragsgegners zu 1. vom 10.01.2011 abzusprechen ist und ob der Antragsgegner zu 2., wie die Antragsteller meinen, zur Weiterleitung ihres dort am 13.01.2011 gestellten Leistungsantrages gemäß § 43 SGB I verpflichtet war.

23

a)

Die Antragsteller zu 1. bis 3. sind - anders als die Kammer noch in ihrem Hängebeschluss vom 04.03.2011 aufgrund summarischer Prüfung der Anlagen zur Antragsschrift angenommen hat - nicht nach § 1 AsylbLG leistungsberechtigt. Insbesondere liegt keine Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG vor. Danach sind leistungsberechtigt nach dem AsylbLG Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die wegen des Krieges in ihrem Heimatland eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 oder § 24 AufenthG oder die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1, Abs. 4a oder Abs. 5 AufenthG besitzen. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besaß bis zum 27.12.2010 nur die Mutter der minderjährigen Antragsteller zu 2. bis 4.; ihr gewährt der Antragsgegner zu 1. aufgrund der durch ihren rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrag nach § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelösten Fortgeltungsfiktion zutreffend weiterhin Grundleistungen nach § 3 AsylbLG.

24

(1)

Neben dem insoweit eindeutigen - den betroffenen Personenkreis der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG einschränkenden - Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG spricht auch die Änderungshistorie dieser Norm und der Wille des Gesetzgebers gegen die vom Antragsgegner zu 2. zunächst vertretene Auffassung, alle Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG, d.h. auch solche, die ihre Aufenthaltserlaubnis aufgrund der sog. Bleiberechtsregelung 2009 "auf Probe" erhalten haben, unterfielen diesem Tatbestand. Der zunächst weite, alle Inhaber von Aufenthaltserlaubnissen nach § 23 Abs. 1 und § 24 AufenthG erfassende Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG ist durch das Gesetz zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze vom 14. März 2005 (BGBl. I S. 721) mit Wirkung zum 18. März 2005 aus integrationspolitischen Gründen zugunsten langjährig geduldeter Ausländer mit Bleibeperspektive geändert worden. Dem Tatbestandsmerkmal "eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 oder § 24" ist der einschränkende Zusatz "wegen des Krieges in ihrem Heimatland" angefügt worden. Damit wollte der Gesetzgeber erreichen, dass der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II geregelte Ausschluss von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG nur auf solche Ausländer Anwendung findet, über deren weiterer Aufenthalt in der Bundesrepublik noch nicht abschließend entschieden worden ist. Leistungsberechtigt nach dem SGB II sollten jedoch solche Ausländer sein, die bereits über eine längerfristige Aufenthaltsperspektive verfügen, die ggf. mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG vor diesem Hintergrund bereits manifestiert wurde (vgl. BSG, Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 24/07 R -, BSGE 102, 60, zit. nach [...] Rn. 27 unter Hinweis auf BT-Drs. 15/3784 S. 21). Insbesondere aus der Gegenäußerung der Bundesregierung zum Vorschlag des Bundesrates, auch der Gruppe der nach einer auf § 23 Abs. 1 AufenthG gestützten Bleiberechtsregelung Aufenthaltsberechtigten lediglich Sozialleistungen nach dem AsylbLG zu gewähren, lässt sich eindeutig der Wille des Gesetzgebers entnehmen, mit der vorgenommenen Einschränkung auf "wegen des Krieges in ihrem Heimatland" nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnisse zu verhindern, dass "Ausländer, die nach langjährigem Aufenthalt aufgrund ihrer Integrationsleistungen unter eine so genannte Bleiberechts- oder Altfallregelung gefallen sind, im Falle ihrer Arbeitslosigkeit keine Leistungen nach dem SGB II erhalten können" (BT-Drs. 15/3984, S. 5). Später ist durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (sog. Richtlinienumsetzungsgesetz) vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) die jetzige, seit dem 28.08.2007 geltende Fassung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG durch Voranstellung des Tatbestandsmerkmals "wegen des Krieges in ihrem Heimatland" geschaffen worden, wodurch der Gesetzgeber lediglich eine redaktionelle Klarstellung dergestalt, dass sich dieser Zusatz sowohl auf die Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 als auch nach § 24 AufenthG beziehen soll, bezweckt hat (BT-Drs. 16/5065, S. 232).

25

Aus der Entstehungsgeschichte des heutigen Tatbestandes des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG ergibt sich daher bereits, dass der Gesetzgeber unter der ambivalenten Gruppe der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich deren Zugangs zum Sozialleistungssystem differenzieren will. Nach§ 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren sowohl aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen als auch zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Ausländer aus bestimmten Staaten oder bestimmter Gruppen anordnen. Mit § 23 Abs. 1 AufenthG werden seit dessen Inkrafttreten zum 01.01.2005 unterschiedliche Sachverhalte gebündelt, die zuvor in verschiedenen Normen des Ausländergesetzes 1990 (vgl. §§ 32, 32a und 54 AuslG 1990) und darüber hinaus eigenständig im Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge vom 22. Juli 1980 (BGBl. I 1980, 1057; kurz: HumHAG, sog. Kontingentflüchtlingsgesetz) geregelt waren (Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Auflage, Rn. 454; zu den in der Praxis bedeutsamen Anordnungen nach § 23 Abs. 1 AufenthG bzw. dessen Vorgängernormen vgl. Dienelt in: Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage, § 23 Rn. 12). Ausschließlich zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland, die u.a. in außen-, wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Interessen bestehen können (Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., Rn. 465), nicht aus humanitären Gründen, und damit nicht "wegen des Krieges in ihrem Heimatland" i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG sind insbesondere Bleiberechts- oder nichtgesetzliche Altfallregelungen (Hauptanwendungsfall des § 23 Abs. 1 AufenthG bzw. dessen Vorgängernormen, vgl. die oben zitierte Übersicht im Kommentar von Renner, a.a.O.) erlassen, die den langjährig im Bundesgebiet geduldeten Ausländern aufgrund wirtschaftlicher Integration bzw. diesbezüglich gegebener günstiger Prognosen ein Recht zum weiteren Verbleib in der Bundesrepublik einräumen wollen. Hierzu zählt u.a. die im Anschluss an die gesetzliche Altfallregelung des § 104a AufenthG erlassene Anordnung zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen "auf Probe" nach§ 23 Abs. 1 AufenthG (Bleiberechtsregelung 2009) gemäß Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Integration vom 11.12.2009 - 42.12-12230/1-8 (§ 23) - (abrufbar unter: http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/zuwg/MI Nds Altfall 111209.pdf), die den Beschluss der 189. Sitzung der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 04.12.2009 in Bremen (abrufbar unter: http://www.bundesrat.de/cln 171/DE/gremien-konf/fachministerkonf/imk/Sitzungen/09-12-04/Beschl C3 BCsse,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Beschlüsse.pdf) für das Gebiet des Landes Niedersachsen umsetzt. Inhaber einer in Umsetzung der e.g. Bleiberechtsregelung 2009 erteilten Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" nach § 23 Abs. 1 AufenthG, denen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gestattet wird (vgl. e.g. Erlass des Nds. MI vom 11.12.2009 unter "weitere Verfahrenshinweise", Seite 5, Abs. 2), werden daher von § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG nicht erfasst, mit der Folge der Leistungsberechtigung nach dem SGB II mangels Eingreifens des dortigen Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II (so i.E. auch die 43. Kammer des erkennenden Gerichtes vgl. Beschluss vom 22.03.2010 - S 43 AS 420/10 ER -, [...] Rn. 22; Fasselt in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zum SGB XII - Sozialhilfe mit AsylbLG, 4. Auflage, § 1 AsylbLG Rn. 6; Frerichs in: [...]Praxiskommentar zum SGB XII mit AsylbLG, 1. Auflage, Stand: 01.11.2010, § 1 Rn. 70; Hohm in: Gemeinschaftskommentar zum AsylbLG, Loseblatt, Stand: 41. Erg.Lfg. Juli 2010, Band I, § 1 Rn. 46; deckungsgleich die vom Kammervorsitzenden telefonisch eingeholte Rechtsauffassung des Nds. MI- Referat 41 -; diese wichtige Differenzierung innerhalb des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG offenbar hinsichtlich der Bleiberechtsregelung 2006 verkennend: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 31.05.2010 - L 7 B 1/09 BK u.a. -, zit. nach [...] insb. Rn. 6).

26

Den Antragstellern zu 1. bis 3. hat die Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. ausweislich der beigezogenen Ausländerakten aufgrund des Umstandes, dass die ihnen erstmals im August bzw. Dezember 2008 gemäß § 104a AufenthG erteilten, mehrfach, jedoch nicht über den 31.08.2009 hinaus verlängerten Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" gemäß § 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG nach dem Auslaufen dieser gesetzlichen Altfallregelung zum 31.12.2009 mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 104a Abs. 5 und 6 AufenthG nicht mehr verlängert werden konnten, nunmehr in Anwendung des Runderlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Integration vom 11.12.2009 (a.a.O.) am 28. bzw. 30.06.2010 jeweils auf § 23 Abs. 1 AufenthG gestützte und bis zum 27.12.2010 gültige Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" mit Gestattung der Erwerbstätigkeit erteilt, sodass diese Antragsteller ab dem 28. bzw. 30.06.2010 - ebenso wie schon zu Zeiten ihrer nach § 104a AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" (vgl. Birk in: Münder u.a., Kommentar zum SGB XII, 8. Auflage, § 1 AsylbLG Rn. 7; Hohm, a.a.O., § 1 Rn. 66; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., Rn. 585; Röseler in: Renner, a.a.O., § 104a Rn. 8), was der Antragsgegner zu 2. ausweislich seiner aktenkundigen Leistungsgewährung in der Vergangenheit auch nicht in Zweifel gezogen hat - nach dem SGB II leistungsberechtigt waren (dazu nachstehend unter b)), denn das Land Niedersachsen hat, anders als der Freistaat Bayern durch Art. 5a des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) vom 08.12.2006 in der Fassung vom 09.05.2007, von der dem Landesgesetzgeber durch§ 70 SGB II in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes (a.a.O.) eingeräumten Befugnis zur Weitergewährung von Sachleistungen entsprechend den Vorschriften des AsylbLG an Inhaber von Aufenthaltserlaubnissen "auf Probe" nach der gesetzlichen Altfallregelung des § 104a AufenthG keinen Gebrauch gemacht.

27

Dass zum Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" am 28. bzw. 30.06.2010 die Antragsteller zu 1. bis 3. die tatbestandlichen Voraussetzungen der niedersächsischen Bleiberechtsregelung 2009 unzweifelhaft nicht erfüllten - die Antragsteller zu 1. bis 3. waren zu diesem Zeitpunkt nicht "Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe (§ 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG)" i.S.d. Buchstaben a) bis c) der Anordnung gemäß Runderlass des Nds. MI vom 11.12.2009, weil ihre Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" gemäß § 104a AufenthG bereits am 31.08.2009 abgelaufen war, vgl. hierzu auch Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 30.03.2011 - 8 LB 121/08 -, abrufbar unter: www.dbovg.niedersachsen.de) - ist im vorliegenden Verfahren, in dem um die Leistungsberechtigung der Antragsteller gestritten wird, unbeachtlich, denn die Antragsgegner sind insoweit an die von der Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. den Antragstellern zu 1. bis 3. gleichwohl wirksam erteilten Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG gebunden.

28

(2)

Etwas anderes ergibt sich, anders als zwischen den Antragsgegnern seinerzeit am 22.07.2010 verabredet (vgl. Aktenvermerke Bl. 10 LA1 und Bl. 481 LA2), auch nicht aus der Tatsache, dass den Antragstellern zu 1. bis 3. am 28. bzw. 30.06.2010 eine lediglich bis zum 27.12.2010, und damit für genau (im Falle des Antragstellers zu 1.) bzw. weniger als 6 Monate gültige Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilt worden war.

29

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 2 AsylbLG, auf den der Antragsgegner zu 1. hinsichtlich seiner Leistungsablehnung für die Zeit ab Januar 2011 abstellt, fallen nur solche Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 AsylbLG aus dem Leistungsbezug nach dem AsylbLG heraus, denen ein anderer Aufenthaltstitel als die in Absatz 1 Nr. 3 bezeichneten Aufenthaltserlaubnisse mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten erteilt worden ist. Bei § 1 Abs. 2 AsylbLG handelt es sich nach Auffassung der Kammer um eine Kollisionsnorm für diejenigen Fälle, in denen ein Ausländer bereits über einen anderen als in § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG bezeichneten Aufenthaltstitel verfügt (z.B. eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen nach Kapitel 2 Abschnitt 6 des AufenthG), ggf. schon Sozialleistungen nach dem SGB II oder SGB XII bezieht oder bezogen hat, und beispielsweise infolge der Stellung eines Asylantrages nunmehr nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 7 AsylbLG leistungsberechtigt würde. In derartigen Fällen soll nach dem Willen des Gesetzgebers, sofern der "andere Aufenthaltstitel" zuvor mit einer Gültigkeit von mehr als 6 Monaten erteilt wurde und deshalb von einer Verfestigung des Aufenthalts des betroffenen Ausländers auszugehen ist, eine leistungsrechtliche Besserstellung dergestalt erfolgen, dass der betroffene Ausländer nicht allein aufgrund der Stellung des Asyl(folge-)antrags auf das niedrige Leistungsniveau des AsylbLG herab fällt (vgl. Hohm, a.a.O., § 1 Rn. 103; eingehend begründend und sich mit der Rechtsauffassung, die § 1 Abs. 2 AsylbLG i.E. als den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AsylbLG ausweitende Übergangsvorschrift versteht, auseinandersetzend: Frerichs, a.a.O., § 1 Rn. 126 ff. m.w.N.).

30

Abgesehen davon, dass die eben beschriebene Intention des Gesetzgebers - leistungsrechtliche Besserstellung derjenigen, deren Aufenthalt sich zum Zeitpunkt des Ereignisses, das eine Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 AsylbLG (wieder) auslöst, bereits verfestigt hat - im Falle der Antragsteller zu 1. bis 3. allein schon gegen deren (erneuten) Einbezug in das AsylbLG unabhängig von der Frage der Geltungsdauer der nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der niedersächsischen Bleiberechtsregelung 2009 am 28. bzw. 30.06.2010 erteilten Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" spricht, kann auch bei anderem Verständnis des § 1 Abs. 2 AsylbLG im Sinne einer Übergangsvorschrift (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 04.02.1999 - 4 M 137/99 -, DVBl. 1999, S. 468; Bayerisches LSG, Beschluss vom 12.01.2006 - L 11 B 598/05 AS ER -, FEVS 57, S. 427; jeweils zit. nach [...]) für den vorliegenden Fall nichts anderes folgen.

31

Die Antragsteller zu 1. bis 3. sind zum Zeitpunkt der Erteilung ihrer Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der niedersächsischen Bleiberechtsregelung 2009 am 28. bzw. 30.06.2010 keine Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 AsylbLG gewesen. Dass ihnen (genauer: den Antragstellern zu 2. und 3.; der Antragsteller zu 1. war aufgrund Erwerbseinkommens nicht hilfebedürftig) der Antragsgegner zu 1. in Absprache mit dem Antragsgegner zu 2., der unmittelbar nach Erteilung von Fiktionsbescheinigungen rückwirkend zum 01.09.2009 die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II eingestellt hatte (vgl. Vermerk vom 04.09.2009 Bl. 426 LA2), ab September 2009 bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" nach § 23 Abs. 1 AufenthG am 28. bzw. 30.06.2010 erneut Leistungen nach dem AsylbLG gewährt hat, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Anders als bei der Frage der Erfüllung der Vorbezugszeit im Rahmen des§ 2 Abs. 1 AsylbLG kommt es bei § 1 Abs. 2 AsylbLG nicht auf den tatsächlichen Leistungsbezug, sondern einzig auf die Leistungsberechtigung nach § 1 Abs. 1 AsylbLG an (vgl. BSG, Urteil vom 07.05.2009 - B 14 AS 41/07 R -, zit. nach [...] Rn. 12).

32

Die fehlende Leistungsberechtigung der Antragsteller zu 1. bis 3. nach dem AsylbLG auch nach Ablauf der Gültigkeit ihrer Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" gemäß § 104a AufenthG zum 31.08.2009 und im Anschluss erteilter, auf § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG gestützter Fiktionsbescheinigungen ergibt sich aufgrund des Umstandes, dass sie rechtzeitig vor Ablauf dieser nach§ 104a AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" die Verlängerung derselben nach allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten - und damit nicht auf § 104a Abs. 5 und 6 AufenthG begrenzt - beantragt hatten. Der Antragsteller zu 1. hatte insoweit in seinem am 20.08.2009 bei der Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. vorgelegten Formularantrag keinen Aufenthaltszweck angekreuzt und auf seine laufende Erwerbstätigkeit bei der Fa. Burger King hingewiesen; die Antragsteller zu 2. und 3. haben zum Aufenthaltszweck "familiäre Gründe" geltend gemacht. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 04.09.2007 - 1 C 43/06 -, BVerwGE 129, S. 226 ff., zit. nach [...] Rn. 12) war die Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. daher verpflichtet, die Verlängerungsanträge der Antragsteller zu 1. bis 3. unter allen in zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen, namentlich nicht nur nach § 104a Abs. 5 und 6 AufenthG, sondern auch nach § 23 Abs. 1 AufenthG und einer hierzu zwar erst im Dezember 2009 beschlossenen, sich indes schon vorher abzeichnenden (dazu nachstehend) Bleiberechtsregelung 2009 durch auf § 23 Abs. 1 AufenthG gestützte Ländererlasse.

33

Nach Auffassung der erkennenden Kammer spricht im vorliegenden Fall Gewichtiges dafür, dass sich die Antragsteller zu 1. bis 3. bereits infolge ihrer rechtzeitig gestellten Verlängerungsanträge auf die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG berufen konnten. Zwar schließt § 104a Abs. 5 Satz 5 AufenthG die Anwendbarkeit der Fortgeltungsfiktion bei Verlängerungsanträgen im Rahmen des § 104a AufenthG ausdrücklich aus (vgl. insoweit auch der o.g. Erlass des Nds. MI vom 11.12.2009 zur Bleiberechtsregelung 2009 unter "Zu lit. a)", Seite 2, Abs. 5). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist jedoch mit dem Ergebnis einer restriktiven Auslegung des § 104a Abs. 5 Satz 5 AufenthG bereits entschieden worden, dass ein im Anschluss an eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG rechtzeitig gestellter Verlängerungsantrag im Zweifel immer sowohl auf § 104a Abs. 5 und 6 AufenthG als auch (zumindest hilfsweise) auf § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der Bleiberechtsregelung 2009 gestützt ist und dass der diesbezüglich gestellte Antrag nach § 23 Abs. 1 AufenthG die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG zur Folge hat (VG München, Beschluss vom 14.03.2011 - M 24 S 10.5340 -, zit. nach [...] Rn. 47 ff.; ebenso Funke-Kaiser in: Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, Loseblatt, Stand: 49. Erg.Lfg. März 2011, Band III, § 104a Rn. 81.1 und 85.1 m.w.N.; vgl. auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion Die Linke zu Frage 6 c): BT-Drs. 17/290, S. 3 und BT-Drs. 17/410, S. 5; a.A. Nds. OVG, Beschluss vom 30.06.2010 - 8 ME 133/10 -, abrufbar unter: www.dbovg.niedersachsen.de).

34

Im Falle der Antragsteller zu 1. bis 3. kann hiervon - soweit man eine derartige restriktive Auslegung des § 104a Abs. 5 Satz 5 AufenthG vertritt - aufgrund der oben aufgezeigten Umstände des Einzelfalls (rechtzeitige Stellung der Verlängerungsanträge, ohne sich hinsichtlich des Antragstellers zu 1. auf einen bestimmten Aufenthaltszweck bzw. eine bestimmte Anspruchsgrundlage festzulegen, Ausstellung von Fiktionsbescheinigungen mit Gestattung der Erwerbstätigkeit statt Duldungen) wohl ausgegangen werden, auch wenn die Bleiberechtsregelung 2009 zum Zeitpunkt der Stellung der Verlängerungsanträge noch nicht beschlossen und in Kraft getreten war, sondern sich lediglich in der ausländerrechtlichen Diskussion als Lösungsmöglichkeit für Altfälle, die die strengen Voraussetzungen einer Verlängerung nach § 104a Abs. 5 und 6 AufenthG nicht zuletzt aufgrund der damaligen Wirtschafts- und Finanzmarktkrise zum maßgeblichen Stichtag 31.12.2009 absehbar nicht erfüllen können, abzeichnete (vgl. etwa das Ergebnis der Podiumsdiskussion des Nds. Flüchtlingsrates am 02.09.2009 in Hildesheim mit Vertretern aller dem damaligen Bundestag angehörenden Fraktionen, Bericht abrufbar unter: http://www.nds-fluerat.org/3150/aktuelles/politikerinnen-aller-parteien-fuer-verbessertes-bleiberecht/more-3150; vgl. auch die Antwort der Bundesregierung vom 08.09.2009 auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen vom 20.08.2009 zu Frage 13: BT-Drs. 16/13917, S. 2, und BT-Drs. 16/14023, S. 5 f.).

35

Selbst wenn man den Antragstellern zu 1. bis 3. die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG nicht im Wege der restriktiven Auslegung des § 104a Abs. 5 Satz 5 AufenthG zugestehen wollte, waren sie jedoch während der Zeit nach Ablauf ihrer nach § 104a AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" am 31.08.2009 aufgrund des besonderen Vorgehens der Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. nicht als vollziehbar ausreisepflichtig i.S.d. §§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG, 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG anzusehen, mit der schwerwiegenden Folge, dass sie sich durch ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet sogar nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar gemacht hätten. Denn die Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. hat entgegen ihrer - trotz anfänglicher Rückstellung gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG wegen des seinerzeit gegen den Antragsteller zu 1. laufenden, erst im Februar 2010 durch gerichtlichen Beschluss gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellten Strafverfahrens spätestens zum Stichtag 31.12.2009 bestehenden (vgl. dazu Ziff. 79.2.3.3 ff. der AllgVwV-AufenthG, abgedruckt bei Renner, a.a.O.) - Verpflichtung weder bis zum Ablauf der Geltungsdauer der nach § 104a AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnisse am 31.08.2009 noch bis zum Auslaufen der gesetzlichen Altfallregelung zum 31.12.2009 über die Verlängerungsanträge der Antragsteller zu 1. bis 3. entschieden und ihnen auch keine Duldung erteilt (zum Bestehen dieser Verpflichtung vgl. Ziff. 104a.5.5 und 104a.5.6 der seinerzeit geltenden Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (VorlNdsVwV-AufenthG), Stand: 31.07.2008; Funke-Kaiser, a.a.O., § 104a Rn. 85), sondern ihnen schon seinerzeit in der Annahme, es liege der Tatbestand des § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vor, Fiktionsbescheinigungen gemäß § 81 Abs. 5 AufenthG mit dem Zusatz "Erwerbstätigkeit gestattet" ausgestellt und diese quartalsweise verlängert, mit der Folge, dass sowohl eine Leistungsberechtigung der Antragsteller zu 1. bis 3. gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG als auch gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG mangels Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ausscheidet.

36

Zwar kommt der Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG grundsätzlich nur deklaratorischer Charakter zu, weil die in § 81 Abs. 3 und 4 bezeichneten Wirkungen (Erlaubnis-, Duldungs- und Fortgeltungsfiktion) kraft Gesetzes eintreten oder nicht eintreten. Mit einer Fiktionsbescheinigung vermag die Ausländerbehörde insbesondere nicht konstitutiv einen bestimmten Rechtsstatus festzustellen (Bayerischer VGH, Beschluss vom 22.03.2006 - 24 ZB 06.165 -, [...] Rn. 3 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 21.01.2010 - 1 B 17/09 u.a. -, NVwZ-RR 2010, S. 330, zit. nach [...] Rn. 7, zu einer nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ausgestellten Bescheinigung). Gleichwohl muss zur Kenntnis genommen werden, dass in der ausländerrechtlichen Praxis bisweilen zum Mittel der Ausstellung von Fiktionsbescheinigungen zur Vermeidung "unbilliger Härten" gegriffen wird, obwohl die gesetzlich gemäß § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG eintretenden und lediglich zu bescheinigenden Wirkungen nicht eingetreten sind (vgl. dazu insbes. Ziff. 81.4.2.3 AllgVwV-AufenthG, der auch bei geringfügig verspäteter Stellung des Verlängerungsantrages aus bloßer Nachlässigkeit den Ausländerbehörden im Einzelfall die Ausstellung einer auf § 81 Abs. 4 AufenthG gestützten Fiktionsbescheinigung aufgibt; kritisch hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.03.2006 - 18 B 120/06 -, [...] Rn. 41).

37

So liegen die Dinge im Falle der Antragsteller zu 1. bis 3. Den Antragsteller zu 1. hätte nach Ablauf seiner gemäß § 104a AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 AufenthG nur ein weiterer, nahtlos anschließender Aufenthaltstitel, der kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, oder das Eingreifen der Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG zur weiteren Ausübung seiner damaligen Erwerbstätigkeit berechtigt (Dienelt in: Renner, a.a.O., § 81 Rn. 30 und 38). Die Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. sah sich wegen § 104a Abs. 5 Satz 5 AufenthG an der Ausstellung einer auf § 81 Abs. 4 AufenthG gestützten Fiktionsbescheinigung gehindert, wollte aber die Antragsteller zu 1. bis 3. seinerzeit nicht auf eine Duldung zurückfallen lassen oder gar den Aufenthalt der Antragsteller zu 1. bis 3. in Deutschland unmittelbar zwangsweise beenden (vgl. dazu Ziff. 104a.5.5 AllgVwV-AufenthG), sondern dem Antragsteller zu 1. seine Erwerbstätigkeit fortlaufend ermöglichen, um den Zweck der zuvor erteilten Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe", die vollständige wirtschaftliche Integration der Antragsteller zu 1. bis 3. durch Sicherung ihres Lebensunterhaltes ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu ermöglichen, durch die von ihr nur wegen des damals laufenden Strafverfahrens gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorgenommene Zurückstellung der Entscheidung über die rechtzeitig gestellten Verlängerungsanträge der Antragsteller zu 1. bis 3. nicht nachträglich zu gefährden. Ohne die nach § 4 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. §§ 5 ff. der Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV) erforderliche Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit vorher einzuholen, gestattete die Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. dem Antragsteller zu 1. mit erstmaliger Ausstellung der Fiktionsbescheinigung trotz gegenläufiger Vorgaben (vgl. Ziff. 81.3.1 VorlNdsVwV-AufenthG und Ziff. 4.3.1.2 AllgVwV-AufenthG) die weitere Ausübung der Erwerbstätigkeit. Jedenfalls in dieser Gestattung ist eine konstitutive Regelung der Ausländerbehörde mit dem Ziel der Herbeiführung einer Besitzstandswahrung zugunsten der Antragsteller zu 1. bis 3. zu erblicken, die nach dem Willen des Gesetzgebers an sich nur der bereits kraft Gesetzes - nicht durch gesonderten Verwaltungsakt - nach § 81 Abs. 4 AufenthG eintretenden Fortgeltungsfiktion und der damit einhergehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit eigen ist (vgl.BVerwG, Urteil vom 30.03.2010 - 1 C 6/09 -, BVerwGE 136, S. 211, zit. nach [...] Rn. 21).

38

Ungeachtet der Tatsache, dass die seinerzeit ausgestellten Fiktionsbescheinigungen eine ausländerrechtlich relevante Statusänderung hinsichtlich der Antragsteller zu 1. bis 3. nicht herbeizuführen vermögen, sind die beiden Antragsgegner im vorliegenden Verfahren, in denen es um das Bestehen von Ansprüchen der Antragsteller auf Sozialleistungen entweder nach dem AsylbLG oder (hilfsweise) nach dem SGB II geht, an diese in den wiederholt ausgestellten Fiktionsbescheinigungen verkörperten rechtswidrigen, gleichwohl aber bestandskräftigen Gestattungen der Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. gebunden. Die damalige, durch das eben beschriebene Handeln der Ausländerbehörde erst geschaffene, besondere ausländerrechtliche Situation der Antragsteller zu 1. bis 3. rechtfertigt daher unter Beachtung der verfassungsrechtlich verbürgten Grundsätze von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz nur deren leistungsrechtliche Gleichstellung mit Ausländern, die in den Genuss der Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 oder aber der Fortgeltungsfiktion des§ 81 Abs. 4 AufenthG kommen. Ihr damaliger Aufenthalt im Bundesgebiet war zum Zeitpunkt der Stellung der Verlängerungsanträge am 20.08.2009 erlaubt, eine Aufenthaltsbeendigung wurde nach Ablauf der gemäß § 104a AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" nicht beabsichtigt, eine Ausreisefrist nicht gesetzt und eine drohende Abschiebung nicht ausgesetzt, vielmehr dem Antragsteller zu 1. die weitere Erwerbstätigkeit ausdrücklich gestattet. Die Antragsteller zu 1. bis 3. unterfielen dementsprechend weder direkt dem Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG noch dem des § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG, mit der Folge, dass ihnen anknüpfend an ihre vorangegangene Leistungsberechtigung während der Geltungsdauer ihrer Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" nach § 104a AufenthG auch für die anschließende Zeit, die mit Fiktionsbescheinigungen ausländerrechtlich "überbrückt" wurde, ergänzende Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II durch den Antragsgegner zu 2. zu gewähren waren. Eine für die Antragsteller zu 1. bis 3. nachteilige analoge Heranziehung des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG (dazu Frerichs, a.a.O. § 1 Rn. 110) aufgrund des Umstandes, dass die Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. ihre Fiktionsbescheinigungen trotz gegenläufiger Intention auf den Tatbestand des § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (Duldungsfiktion) gestützt hat, verbietet sich aus Gründen des Vertrauensschutzes. Denn die Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. hatte es seinerzeit in der Hand, durch Erteilung von Duldungen im Anschluss an die am 31.08.2009 abgelaufenen Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" die Antragsteller zu 1. bis 3. leistungsrechtlich eindeutig wieder dem Regime des AsylbLG zuzuordnen; rechtlich zweifelhafte oder nicht der ausländerrechtlichen Gesetzeslage entsprechende Handlungsformen der Ausländerbehörde können jedenfalls leistungsrechtlich dem betroffenen Ausländer nicht zum Nachteil reichen.

39

Auf die Geltungsdauer der am 28. bzw. 30. Juni 2010 nach der Bleiberechtsregelung 2009 erteilten Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" gem. § 23 Abs. 1 AufenthG kommt es dementsprechend im Ergebnis hier nicht an.

40

(3)

Zu keiner anderen rechtlichen Bewertung führt schließlich der Umstand, dass die Antragsteller zu 1. bis 3. aktuell nur über Fiktionsbescheinigungen verfügen, weil die Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. derzeit über die am 29.10.2010, und damit rechtzeitig vor Ablauf der Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" nach § 23 Abs. 1 AufenthG, gestellten Verlängerungsanträge noch nicht entschieden hat. Die Antragsteller können sich - hier eindeutig - auf die sog. Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG berufen (VG München, Beschluss vom 14.03.2011, a.a.O., [...] Rn. 47 m.w.N.; Funke-Kaiser, a.a.O., § 104a Rn. 85.1), mit der Folge, dass sie sowohl ausländerrechtlich als auch leistungsrechtlich kraft Gesetzes aktuell so zu behandeln sind, als besäßen sie weiterhin ihren bisherigen Titel, d.h. einschließlich des Rechts auf Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (Dienelt in: Renner, a.a.O., § 81 Rn. 15 und 18; Frerichs, a.a.O., § 1 Rn. 111; zum Fortbestehen des Anspruchs nach dem SGB XII: Hessisches LSG, Beschluss vom 11.07.2006 - L 7 SO 19/06 ER -, InfAuslR 2006, S. 477 ff., zit. nach [...] Rn. 39 und 44; ). Die spätere, erst nach Ablauf der Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" am 27.12.2010 unter dem 06.01.2011 erfolgte Ausstellung von Fiktionsbescheinigungen durch die Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1., der ohnehin nur deklaratorische Bedeutung beizumessen ist (Nachweise vorstehend), ist insoweit unschädlich.

41

b)

Der neugeborene Antragsteller zu 4. ist ebenfalls nicht nach § 1 Abs. 1 AsylbLG leistungsberechtigt.

42

(1)

Eine Leistungsberechtigung ergibt sich insbesondere nicht aus § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG. Danach sind nach dem AsylbLG Ausländer leistungsberechtigt, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist. Für den am 10.01.2011 geborenen Antragsteller zu 4. haben seine Mutter und der Antragsteller zu 1., beide zum damaligen Zeitpunkt Inhaber einer gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG fortgeltenden Aufenthaltserlaubnis, als gemeinsam Sorgeberechtigte ausweislich der von der Kammer bei der Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. am 05.05.2011 eingeholten telefonischen Auskunft bereits am 20.01.2011 in Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 81 Abs. 2 Satz 2 AufenthG (auch wenn eine Aufenthaltserlaubnis im Falle des § 33 Satz 2 AufenthG bereits von Amts wegen zu erteilen ist) einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt, über den bislang nicht entschieden ist (vgl. Aktenvermerk Bl. 71 der Gerichtsakte, kurz: GA, sowie den Vermerk des Antragsgegners zu 2. über die telefonische Ankündigung der Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. vom 16.02.2011, dem Antragsteller zu 4. werde eine Fiktionsbescheinigung erteilt, Bl. 555 LA2). Aufgrund dieses Antrages greift zugunsten des Antragstellers zu 4. die Erlaubnisfiktion entsprechend§ 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG (Dienelt in: Renner, a.a.O., § 33 Rn. 12) bzw. der Aufenthalt des Antragstellers zu 4. gilt im Wege eines Erst-Recht-Schlusses aus § 81 Abs. 2 Satz 2 AufenthG als erlaubt (Ziff. 33.0 AllgVwV-AufenthG) und seine Ausreisepflicht ist gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG derzeit nicht vollziehbar.

43

(2)

Daneben kommt im Falle des Antragstellers zu 4. auch nicht der Auffangtatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG zum tragen. Diese Vorschrift bezweckt die leistungsrechtliche Gleichbehandlung naher Familienangehöriger eines Haushalts auf dem abgesenkten Niveau des AsylbLG und begründet für die in § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG genannten Personen ein akzessorisches Leistungsverhältnis zu dem Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG, dem diese Personen zuzurechnen sind (Hohm, a.a.O., § 1 Rn. 81 f.). Zwar befindet sich die ebenfalls sorgeberechtigte Mutter des Antragstellers zu 4. als frühere Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG aufgrund der Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG im laufenden Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG. Auch hat das Bundessozialgericht bereits entschieden, dass es für Ausländer, die mit Leistungsempfängern nach dem SGB II in einer Bedarfsgemeinschaft leben, keinen Anspruch auf familieneinheitliche Leistungsgewährung gibt, weil deren individueller Sozialleistungsanspruch allein an deren aufenthaltsrechtlichen Status anknüpft (BSG, Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 66/08 R -, NVwZ-RR 2010, S. 726 ff., zit. nach [...] Rn. 19). Gleichwohl erscheint es der Kammer aufgrund des aktuellen aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers zu 4., der in Anlehnung an die bisherige ausländerrechtliche Behandlung der Antragsteller zu 1. bis 3. und dem in der niedersächsischen Bleiberechtsregelung 2009 (Erläuterung zu Buchstabe e) angelegten Grundsatz der Familieneinheit die zeitnahe Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung 2009 gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG durch die Ausländerbehörde des Antragsgegners zu 1. erwarten lässt (ggf. wird dem Antragsteller zu 4. gemäß § 33 Satz 2 AufenthG aufgrund seiner Geburt im Bundesgebiet eine Aufenthaltserlaubnis befristet zu erteilen sein), einzig sachgerecht, den aktuellen Leistungsanspruch des im Bundesgebiet neugeborenen Antragstellers zu 4. an den des Haushaltsvorstandes, des Antragstellers zu 1., anzubinden (vgl. Hohm, a.a.O., § 1 Rn. 88) - dies gilt jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen den unterschiedlich leistungsberechtigten Eltern die Personensorge und damit das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den neugeborenen Antragsteller zu 4. gemeinsam obliegt -, mit der Folge, dass auch der Auffangtatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG dem Antragsteller zu 4. keine Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG vermittelt.

44

2.)

Der gegen den Antragsgegner zu 2. gerichtete Hilfsantrag der Antragsteller auf vorläufige Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ist begründet.

45

Die Antragsteller können mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Antragsgegner zu 2. Leistungen der Grundsicherung für erwerbsfähige Hilfebedürftige nach dem SGB II beanspruchen, denn bei ihnen greift der vom Antragsgegner zu 2. noch in seinem - in der Hauptsache mit Widerspruch angefochtenen - ablehnenden Bescheid vom 25.02.2011 unterstellte Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II - hier zitiert in der zum 01.04.2011 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S. 453) - für den hier entscheidungserheblichen Leistungszeitraum ab Stellung des Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht ein; dem Widerspruch der Antragsteller wird daher aller Voraussicht nach stattzugeben sein.

46

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II sind vom Bezug von Sozialleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) einschließlich deren nicht erwerbsfähige, in einer Haushaltsgemeinschaft lebende Angehörige ausgenommen (zur Reichweite und zur Verfassungsmäßigkeit dieses Ausschlusstatbestandes vgl. BSG, Urteil vom 21.12.2009, a.a.O.). Wie bereits vorstehend unter a) ausführlich dargelegt, sind die Antragsteller aktuell nicht nach dem AsylbLG leistungsberechtigt; zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf verwiesen.

47

Die weiteren Voraussetzungen der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II liegen bei summarischer Prüfung nach Aktenlage vor. Insbesondere ist der Antragsteller zu 1. erwerbsfähig i.S.d. § 8 SGB II, denn aufgrund der oben beschriebenen Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG vermag er seine Berechtigung zur Erwerbstätigkeit aus der am 28.06.2010 erteilten und bis zum 27.12.2010 gültigen Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" nach § 23 Abs. 1 AufenthG weiter herleiten (Erlass des Nds. MI vom 11.12.2009, a.a.O., unter "weitere Verfahrenshinweise", S. 5 oben), vgl. insoweit auch der Eintrag "Erwerbstätigkeit gestattet" in der dem Antragsteller zu 1. am 06.01.2011 ausgestellten Fiktionsbescheinigung (Bl. 489 ff. AA). Zudem ist die Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller zu 1. bis 4. hilfebedürftig i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 9, 11 ff. SGB II, denn das aus der Teilzeitbeschäftigung des Antragstellers zu 1. bei der Fa. Burger King der Bedarfsgemeinschaft zufließende Einkommen reicht derzeit nicht zur vollständigen Sicherung des Lebensunterhaltes aus, sodass die Antragsteller auf ergänzende Leistungen nach demSGB II angewiesen sind.

48

3.)

Die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt das vollständige Unterliegen des Antragsgegners zu 2 sowie das Unterliegen der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner zu 1.