Sozialgericht Hildesheim
Beschl. v. 22.07.2011, Az.: S 42 AY 41/11 ER
In Deutschland geduldeter kosovarischer Staatsangehöriger erhält Grundleistungen nach dem AsylbLG einschließlich der Leistungen bei Krankheit nach § 4 AsylbLG; Grundleistungen nach dem AsylbLG einschließlich der Leistungen bei Krankheit nach § 4 AsylbLG für einen in Deutschland geduldeten kosovarischen Staatangehörigen
Bibliographie
- Gericht
- SG Hildesheim
- Datum
- 22.07.2011
- Aktenzeichen
- S 42 AY 41/11 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 29296
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGHILDE:2011:0722.S42AY41.11ER.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG
- § 4 AsylbLG
- § 7 Abs. 1 S. 1 AsylbLG
- § 86b Abs. 2 SGG
Tenor:
Der Antragsgegner wird einstweilen verpflichtet, den Antragstellern vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zur Bekanntgabe einer förmlichen Entscheidung über den Antrag der Antragsteller vom 29. April 2011 ab dem 26. Mai 2011 Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) einschließlich der Leistungen bei Krankheit nach § 4 AsylbLG in gesetzlicher Höhe zu gewähren und ihnen ab sofort eine Unterkunft im Geltungsbereich der zu den Duldungen der Antragsteller verfügten Wohnsitzauflagen unentgeltlich als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen wird der Antrag der Antragsteller abgelehnt. Der Antragsgegner hat den Antragstellern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten. Den Antragstellern wird ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. in G. mit der Maßgabe bewilligt, dass die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller nur in dem Umfang erstattungsfähig sind, wie sie bei Beauftragung eines im Bezirk des erkennenden Sozialgerichtes ortsansässigen Rechtsanwaltes angefallen wären.
Gründe
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den derzeit mit Wohnsitzauflage für die Samtgemeinde H. geduldeten und aufgrund von diversen Erkrankungen behandlungsbedürftigen Antragstellern - kosovarische Staatsangehörige, deren Volkszugehörigkeit nicht abschließend geklärt ist und deren mehrfach gestellte Asyl(folge-)anträge ohne Erfolg blieben - Analog-Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG unter Übernahme der Kosten der Anmietung einer Wohnung in der I. in J., hilfsweise Grundleistungen nach §§ 3 f. AsylbLG in verfassungsgemäßer Höhe zu gewähren, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen - insbesondere hinsichtlich des "Hauptantrages" - dagegen unbegründet, sodass der Antrag insoweit abzulehnen war.
Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist. Das ist immer dann der Fall, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache im Falle des Obsiegens nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 19.10.1977 - 2 BvR 42/76 -, BVerfGE 46 [166, 179, 184]). Steht einem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist es ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens (hier: des auf den weiteren Antrag der Antragsteller vom 28.02. bzw. 29.04.2011 eingeleiteten Verwaltungsverfahrens) abzuwarten, ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begründet. Eine aus Gründen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebotene Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Verfahren ist jedoch nur dann zulässig, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung unzumutbare Nachteile drohen und für die Hauptsache hohe Erfolgsaussichten prognostiziert werden können (Landessozialgericht - LSG - Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.09.2004 - L 7 AL 103/04 ER -). Sowohl die hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile (Anordnungsgrund) müssen glaubhaft gemacht werden, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Dies ist den Antragstellern nur teilweise, im tenorierten Umfang gelungen.
Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch in dem tenorierten Umfang glaubhaft gemacht. Die Antragsteller sind als Inhaber von Duldungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG leistungsberechtigt nach Maßgabe der §§ 2 ff. AsylbLG.
Die Antragsteller sind auch hilfebedürftig, denn sie verfügen nach den von der Kammer im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund des Vortrags der Beteiligten, der vom Antragsgegner vorgelegten Ausländer- und Leistungsakten und aufgrund der bei den behandelnden Ärzten der Antragsteller eingeholten Auskünfte gewonnenen Erkenntnisse aktuell über kein Einkommen oder Vermögen, welches sie gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG vor Gewährung von Asylbewerberleistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts aufzubrauchen hätten.
Die Kammer stimmt mit dem Antragsgegner im Ausgangspunkt grundsätzlich darin überein, dass der um Asylbewerberleistungen Nachsuchende das Nichtvorhandensein von Einkommen und Vermögen, die vorrangig zur Sicherung seines Lebensunterhalts einzusetzen sind, nachzuweisen hat, denn das Nichtvorhandensein eigener Mittel ist gesetzliches Tatbestandsmerkmal für einen Leistungsanspruch nach den Bestimmungen des AsylbLG. Die Nichtaufklärbarkeit begründeter Zweifel an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen eines um Asylbewerberleistungen Nachsuchenden gehen daher zu seinen Lasten (vgl. Hohm in: Gemeinschaftskommentar zum AsylbLG, Loseblattkommentar, Stand: 41. Erg.lfg. Juli 2010, Band I, § 7 Rn. 42 m.w.N. aus der Rspr.). Solche begründeten Zweifel an der Hilfebedürftigkeit sind etwa in Fällen anerkannt worden, in denen der um Asylbewerberleistungen Nachsuchende u.a. ein Kraftfahrzeug auf seine eigenen Kosten betrieben und unterhalten hat (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.06.1997 - 8 B 203/97 -, abgedr. bei Hohm, a.a.O., Band III, Abschnitt VII - zu § 7 Abs. 1 (OVG - Nr. 3); Hohm, a.a.O., § 7 Rn. 42 m.w.N.). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat daher der um Asylbewerberleistungen Nachsuchende seine Hilfebedürftigkeit glaubhaft zu machen, d.h. er hat substantiiert darzulegen und mit den zur Glaubhaftmachung gesetzlich (§ 294 ZPO) vorgesehenen Mitteln zu belegen, dass er nicht über Einkommen und Vermögen verfügt, welches er zur Sicherung seines Lebensunterhalts einsetzen kann (Hohm, a.a.O., § 7 Rn. 43 unter Hinweis auf Hessischer VGH, Beschluss vom 21.05.2003 - 10 TG 633/03).
Die Antragsteller haben im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Glaubhaftmachung ihrer aktuell gegebenen Mittellosigkeit zunächst eine Eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin zu 2. vom 04.05.2011 vorgelegt, aus der u.a. hervorgeht, dass den Antragstellern von dem potentiellen Zeugen K. einen PKW leihweise ohne Entgelt in der Vergangenheit zur Verfügung gestellt worden war, der nicht nur auf die Antragstellerin zu 2. amtlich zugelassen war, sondern für dessen Betrieb und Unterhalt die Antragsteller eigenen Angaben zufolge in der Vergangenheit auch aufgekommen sind ("Die laufenden Kfz-Kosten konnten wir nicht mehr aufbringen."). Insofern ist nach den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen zunächst nichts daran zu erinnern, dass der Antragsgegner zu Beginn des Jahres 2010 die laufende Gewährung von Asylbewerberleistungen an die Antragsteller eingestellt hatte. Es ist auch für die Kammer derzeit nicht geklärt, aus welchen seinerzeit bereiten Mitteln die Antragsteller die Kosten für den Betrieb und die Unterhaltung des auf die Antragstellerin zu 2. bis 2010 zugelassenen PKW s aufgebracht haben und wo dieser PKW nach der Abmeldung bei der Zulassungsstelle des Antragsgegners abgeblieben ist.
Aus den vom Antragsgegner in seiner Antragserwiderung nachvollziehbar dargelegten Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller in der Vergangenheit, die nach Auffassung der Kammer auch Anlass zu weiteren Ermittlungen mit dem Ziel der Überprüfung und eventuellen Korrektur der Leistungsgewährung in den Jahren 2008 bis 2010 bieten, kann indes für die rechtliche Beurteilung der aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Lage der Antragsteller nichts hergeleitet werden, denn selbst wenn die Antragsteller in der Vergangenheit bis Ende des Jahres 2010 über nach § 7 AsylbLG vorrangig aufzubrauchendes Einkommen oder Vermögen verfügt haben, führt diese Tatsache nur zur Minderung oder zum Wegfall des Leistungsanspruchs für eben diesen Zeitraum der Vergangenheit. Für den Leistungsanspruch in der Gegenwart und in der Zukunft kommt es allein auf die aktuelle Situation der Antragsteller an.
Die Antragsteller haben in dem am 29.04.2011 beim Antragsgegner vorgelegten Formularantrag das Vorhandensein von Einkommen und Vermögen verneint. Sie haben im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine weitere Eidesstattliche Versicherung vom 20.07.2011 vorgelegt, nach der sie gegenwärtig völlig mittellos seien und über keinerlei verwertbare "Habe" verfügten. Ihre Kinder seinen aktuell zu ihrer Mitversorgung ebenfalls nicht in der Lage. Zudem haben die Antragsteller eine Eidesstattliche Versicherung des potentiellen Zeugen K. vom 18.07.2011 vorgelegt, die das Vorbringen der Antragsteller stützt, der seinerzeit ihnen leihweise von diesem potentiellen Zeugen zur Verfügung gestellte PKW mit dem amtl. Kennzeichen L. habe die ganze Zeit in dessen Eigentum gestanden.
Die Kammer hat im vorliegenden Verfahren keine Anhaltspunkte, an der inhaltlichen Richtigkeit dieser Eidesstattlichen Versicherungen zu zweifeln. Der Antragsgegner selbst hat schriftsätzlich eingeräumt, dass in diesem Jahr auf die Namen der Antragsteller bei seiner Zulassungsstelle keine Kraftfahrzeuge angemeldet waren und sind. Ohnehin lässt sich von der Haltereigenschaft nicht auf die Eigentumsverhältnisse an einem PKW schlussfolgern. Der Antragsgegner hat durch seinen Sozialdienst am 15.06.2011 einen Hausbesuch bei den Antragstellern durchgeführt, die derzeit im Dachgeschoss des Einfamilienhauses des Sohnes der Antragsteller in H., M., wohnen sollen. Anlässlich des Hausbesuchs hat der Sozialdienst keine Gegenstände (Hausrat etc.) wahrgenommen, die im Eigentum der Antragsteller stehen und auf verwertbares Vermögen schließen lassen. Der Antragsgegner hat bis heute auch keine auf den Namen der Antragsteller laufenden Kontoverbindungen ermitteln können, die etwa im Rahmen der zahlreichen Zulassungsverfahren von seiner Zulassungssteller erfasst wurden. Die Ermittlungen der Kammer hinsichtlich der Tragung der Kosten der laufenden ärztlichen Behandlungen haben lediglich ergeben, dass die behandelnden Ärzte entweder bislang keinerlei oder nur geringfügige Honorare erhoben haben, die dann aus von Kindern der Antragsteller überlassenen Mitteln beglichen wurden; teilweise steht eine Begleichung ärztlicher Honorare aufgrund der ab dem 4. Quartal 2010 vorgenommenen Ablehnung einmaliger Beihilfen durch den Antragsgegner nach § 4 AsylbLG noch aus.
Die Kammer kann schließlich mangels Kenntnis der aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Situation der Kinder der Antragsteller auch nicht davon ausgehen, dass der Ausschlusstatbestand des § 8 Abs. 1 AsylbLG aufgrund des Zuflusses von Mitteln infolge vorrangiger Leistungsverpflichtungen Dritter hier greift. Solche vorrangigen Leistungsverpflichtungen Dritter können sich, wie sich aus § 9 Abs. 2 AsylbLG herleiten lässt, u.a. aus gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen ergeben (Hohm, a.a.O., § 8 Rn. 31). Zwar haben die Antragsteller selbst vorgetragen, belegt durch die von der Kammer eingeholten Auskünften der behandelnden Ärzte, dass sie in der Vergangenheit von ihren Kindern finanziell und naturell tatsächlich unterstützt wurden. Ob die Antragsteller auf diese Unterstützung indes einen rechtlich gesicherten Anspruch nach den familienrechtlichen Grundsätzen des Verwandtenunterhalts unter nahen Angehörigen haben, haben die Beteiligten weder nachvollziehbar dargelegt noch ist dies vom Antragsgegner eben durch Aufklärung der Leistungsfähigkeit der Kinder der Antragsteller bislang ansatzweise aufgeklärt worden. Die Kammer muss daher für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes davon ausgehen, dass es sich bei den Unterstützungsleistungen der Kinder der Antragsteller um Gefälligkeiten im Rahmen des Eltern-Kind-Verhältnisses handelte, ohne dass die Antragsteller hierauf einen gesetzlichen Anspruch hatten. Sollte der Antragsgegner im laufenden Verwaltungsverfahren Unterhaltsverpflichtungen der Kinder der Antragsteller feststellen - auf die gesetzliche Auskunftspflicht Angehöriger gem. § 7 Abs. 4 AsylbLG wird insoweit hingewiesen -, so wird er eine Überleitung dieser Unterhaltsansprüche gemäß § 7 Abs. 3 AsylbLG zu erwägen haben (vgl. dazu Hohm, a.a.O., § 7 Rn. 129).
Schließlich ist der Leistungsanspruch der Antragsteller nach den §§ 3 f. AsylbLG auch nicht dadurch eingeschränkt oder gerät gänzlich in Wegfall, dass sich die Antragsteller des Öfteren bei ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn in N. aufgehalten haben bzw. aufhalten. Die Antragsteller sind im Besitz einer Duldung, deren räumlicher Geltungsbereich sich auf das Gebiet des gesamten Landes O. erstreckt. Aufgrund der verfügten Wohnsitzauflage (Samtgemeinde H.) ist es den Antragstellern lediglich ausländerrechtlich verwehrt, ihren Wohnsitz in N. zu nehmen. Für die Annahme einer Wohnsitznahme der Antragsteller in N. sind der Kammer im vorliegenden Verfahren auch vom Antragsgegner keine belastbaren Tatsachen dargelegt und glaubhaft gemacht worden. Für die Zeit des vorübergehenden erlaubten Aufenthalts an anderen Orten als der Samtgemeinde H. - z.B. zu Besuchszwecken -, durch den ohnehin kein neuer Wohnsitz begründet wird, bleibt der Antragsgegner entsprechend § 10a Abs. 1 Sätze 2 und 3 AsylbLG leistungsrechtlich fortwährend zuständig (vgl. für den Fall des unerlaubten dauerhaften Aufenthalts entgegen einer Wohnsitzauflage zur Duldung: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27.05.2011 - L 8 AY 31/ 11 B ER -). Insbesondere besteht aufgrund des Charakters des nur ansatzweise erkennbar gewordenen Aufenthalts der Antragsteller in N. als vorübergehender (wohl zu Besuchszwecken) der Bedarf der Antragsteller an einer Unterkunft im Geltungsbereich der Wohnsitzauflage ihrer Duldungen fort.
Hingegen haben die Antragsteller keinen weitergehenden Anordnungsanspruch, insbesondere hinsichtlich der begehrten Analog-Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG glaubhaft gemacht. Die Antragsteller haben nämlich die Dauer ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland dadurch in rechtsmissbräuchlicher Weise selbst beeinflusst, dass sie im Zuge der mehrfach durchgeführten Asyl(folge-)verfahren wechselnde Angaben zu ihrer Volkszugehörigkeit gemacht haben. So begründeten die Antragsteller nach Wiedereinreise in die Bundesrepublik im Jahre 1992 ihren Asylantrag u.a. damit, albanische Volkszugehörige zu sein. Später gaben sie, nachdem sich die Anerkennungspraxis des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hinsichtlich des Kosovo geändert hatte, in Asylfolge- und ausländerrechtlichen Verfahren u.a. vor dem VG Hannover an, Volkszugehörige der Roma zu sein. Der Antragsgegner zweifelt auch diese Einlassung der Antragsteller an und geht mit dem Kosovo-Informationsprojekt von einer Volkszugehörigkeit der Antragsteller zu den Ägyptern aus. Wegen der Einzelheiten der widersprüchlichen Angaben der Antragsteller zu ihrer Volkszugehörigkeit nimmt die Kammer Bezug auf das rechtskräftige Urteil der 39. Kammer des erkennenden Gerichtes vom 04.07.2008 - S 39 AY 51/07 -. In der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtes ist geklärt, dass die Täuschung über die Volkszugehörigkeit eines ehemaligen jugoslawischen Staatsangehörigen aus dem Kosovo zwecks Anpassung an die Anerkennungspraxis der Bundesrepublik ein rechtsmissbräuchliches Verhalten darstellt (vgl. Urteil der 40. Kammer vom 28.01.2010 - S 40 AY 172/08 -, [...]).
Da die Antragsteller somit nur Grundleistungen nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG vorläufig beanspruchen können, scheidet die von ihnen (zunächst) begehrte Übernahme der Kosten der privat angemieteten Unterkunft I. in J. durch den Antragsgegner von Gesetzes wegen aus. Die Grundleistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG dienen u.a. zur Deckung des Unterkunftsbedarfs eines Leistungsberechtigten; die Bedarfe werden vorrangig durch Sachleistungen gedeckt. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren nach Ausübung des ihm eingeräumten Ermessens lediglich bereit ist, den Antragstellern eine Unterkunft in P. unentgeltlich als Sachleistung zur Verfügung zu stellen (vgl. Beschluss der Kammer vom 30.11.2010 - S 42 AY 157/10 ER -, [...] Rn. 5); seine Ausländerbehörde wird er zuvor zur Änderung der Wohnsitzauflage zu den Duldungen der Antragsteller zu veranlassen haben.
Einen Anordnungsanspruch zur Gewährung höherer als in § 3 AsylbLG gesetzlich festgelegter Grundleistungen haben die Antragsteller ebenfalls nicht mit der für eine faktische Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Dies gilt auch in Ansehung der Vorlagebeschlüsse des LSG Nordrhein-Westfalen zum Bundesverfassungsgericht zur Klärung der Frage der Vereinbarkeit der derzeitigen gesetzlichen Regelungen zur Grundleistungsgewährung im AsylbLG (vgl. Beschlüsse vom 22.11.2010 - L 20 AY 1/09 -, [...]; und vom 26.07.2010 - L 20 AY 13/09 -, [...]). Das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient seiner Natur nach lediglich dazu, etwaige Härten für die Zeit bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu vermeiden. Es dient nicht dazu, die Hauptsache vorwegzunehmen oder grundsätzliche Rechtsfragen vorab zu beantworten. Die Herleitung von Leistungsansprüchen direkt aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (d.h. ohne entsprechende einfachgesetzliche Rechtsgrundlage) kommt nach der Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen allenfalls dann in Betracht, wenn im Einzelnen dargelegt und glaubhaft gemacht wird, welche konkreten und für ein menschenwürdiges Leben unabdingbaren Bedarfe derzeit nicht ausreichend durch die in gesetzlicher Höhe gewährten Grundleistungen gedeckt sein sollen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25.06.2010 - L 11 AY 29/10 B ER -). Dies ist hier durch die Antragsteller nicht geschehen.
Ohnehin erscheint dieser vom LSG Niedersachsen-Bremen angenommene (seltene) Ausnahmefall angesichts der Ausführungen des LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 10.01.2011 - L 20 AY 178/10 B ER - mittlerweile zweifelhaft, denn das LSG Nordrhein-Westfalen hat in dem e.g. Beschluss unter Bezugnahme auf den Nichtannahme-Beschluss des BVerfG vom 30.10.2010 - 1 BvR 2037/10 - ausgeführt, die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit könnten unmittelbar gestützt auf die Verfassung, insbesondere auf das aus Artikel 1 Abs. 1 i.V.m. mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, keinen (weiteren) Leistungsanspruch - auch nicht vorläufig - zusprechen. Denn die Konkretisierung dieses Grundrechts bleibe dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten; wie dieser den Umfang der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums bestimme, oder ob er das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen sichere, bleibe grundsätzlich ihm überlassen. Auch eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG komme in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht in Betracht, da in diesen Verfahren nur eine vorläufige Klärung herbeizuführen sei, bei der möglichst zeitnah entschieden werde, welche Leistungspflichten einstweilen gelten sollten; eine solche zeitnahe Klärung sei in einem Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG jedoch nicht zu erwarten (zit. nach [...] Rn. 12).
Dagegen haben die Antragsteller einen Anordnungsgrund für den vorstehend dargelegten Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Dies versteht sich vor dem Hintergrund des Zwecks der Grundleistungen nach dem AsylbLG, die der Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums für die in § 1 Abs. 1 AsylbLG definierte Gruppe von Ausländern ohne Bleibeperspektive für die vorübergehende Zeit ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik dienen, von selbst und bedarf angesichts der glaubhaft gemachten Erkrankungen der Antragsteller und des hieraus resultierenden ärztlichen Behandlungsbedarfs keiner weiteren Ausführungen.
Die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen und Unterliegen der Antragsteller, wobei die Kammer mangels Greifbarkeit einer konkreten Kostenquote eine hälftige Kostentragung der Beteiligten für im vorliegenden Einzelfall sachgerecht und billig erachtet.