Sozialgericht Hildesheim
Beschl. v. 08.12.2011, Az.: S 55 AS 1910/11 ER
Anspruch eines Sozialhilfeempfängers gegenüber einem Sozialhilfeträger auf Übernahme von Beitragsrückständen bei seiner privaten Krankenversicherung; Berücksichtigung eines drohenden Verlustes des Krankenversicherungsschutzes eines Sozialhilfeempfängers
Bibliographie
- Gericht
- SG Hildesheim
- Datum
- 08.12.2011
- Aktenzeichen
- S 55 AS 1910/11 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 34771
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGHILDE:2011:1208.S55AS1910.11ER.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II
- § 12 Abs. 1c VVG
Fundstellen
- NZS 2012, 234
- VuR 2012, 118
Tenor:
Der Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, die Beitragsrückstände der Antragstellerin in der privaten Krankenversicherung bei der E. zur Versicherungsscheinnummer 3928670513 wegen Beitragszuschlägen für Nichtversicherte nebst angefallener Kosten und Zinsen, jedoch höchstens in Höhe von insgesamt 1.131,35 EUR vorläufig, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens S 37 AS 1052/11 vor dem Sozialgericht Hildesheim, zu übernehmen.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme von Beitragsrückständen bei ihrer privaten Krankenversicherung aus Mitteln des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1947 geborene Antragstellerin war früher bei der Vereinte Krankenversicherung, die im Jahre 2003 von der F. (im Folgenden: G.) übernommen worden ist, privat krankenversichert. Nachdem sie im Jahre 2009 in Vermögensverfall geraten war, konnte sie die Beiträge dafür nicht mehr zahlen. Nach diversem Schriftwechsel und Führung eines Zivilrechtsstreits gegen die G. schloss sie mit Wirkung zum 01.01.2011 am 16.02.2011 bei dieser den Vertrag zur Versicherungsscheinnummer 3928670513 ab. Hierbei handelt es sich um einen Basistarif; der die gesetzlichen Verpflichtungen zur Krankenversicherung aus § 193 Abs. 3 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) abdeckt. Die G. versuchte am 01.03.2011 die Beiträge für die vorgenannte Versicherung in Höhe eines Betrages von 2.650,13 EUR vom Konto der Antragstellerin einzuziehen, was jedoch mangels Deckungsfähigkeit des Kontos misslang. In Schreiben der G. an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 15.03.2011 und 05.04.2011 wurde die Forderung wie folgt aufgeschlüsselt: Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge für Januar bis März 2011 je Monat 323,92 EUR = 971,76 EUR zuzüglich Beitragszuschlag für Nichtversicherte in Höhe von 1.678,37 EUR für den Zeitraum Anfang September 2009 bis Ende Dezember 2010 (kein Zuschlag für September 2009, für Oktober 2009 bis Januar 2010 287,72 EUR X 4 = 1.150,88 EUR, für die restlichen 11 Monate bis zum Vertragsbeginn am 01.01.2011 jeweils 1/6 des Monatsbeitrages = 47,95 EUR X 11 = 547,49 EUR), mithin insgesamt 2.650,13 EUR.
Bereits seit Ende März 2009 steht die Antragstellerin bei dem Antragsgegner im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II, wobei nach Erlass eines Änderungsbescheides des Antragsgegners vom 08.03.2011 u.a. 287,72 EUR für die Kosten der privaten Krankenversicherung gewährt werden. Mit Schreiben vom 22.03.2011 hat die Antragstellerin beim Antragsgegner beantragt, auch den Beitragszuschlag in Höhe von 1.678,37 EUR zu übernehmen und diesen direkt an die G. zu zahlen.
Mit Bescheid vom 23.03.2011 lehnte der Antragsgegner diesen Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, dass er in Umsetzung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18.01.2011 B 4 AS 108/10 R lediglich verpflichtet sei, einen Zuschuss in Höhe des halben Basistarifs (= monatlich 287,72 EUR) der privaten Krankenversicherung zu übernehmen. Darüber hinaus könne in Anwendung der Rechtsprechung des BSG weiter nichts bewilligt werden. Hinzu komme, dass der Beitragszuschlag dadurch entstanden sei, dass sich die Antragstellerin nicht krankenversichert habe, obwohl Krankenversicherungspflicht bestehe. Bei dem Beitragsrückstand handele es sich mithin um Schulden, die nicht berücksichtigungsfähig seien. Der Antragstellerin bliebe es unbenommen, bei der G. einen Stundungsantrag nach§ 193 Abs. 4 VVG zu stellen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Bescheid vom 17.06.2011 im Wesentlichen unter Wiederholung der Argumentation des Ausgangsbescheides zurück.
Die Antragstellerin hat vor dem Sozialgericht Hildesheim am 22.06.2011 Klage zum Aktenzeichen S 37 AS 1052/11 erhoben, über die noch nicht entschieden wurde.
Am 08.11.2011 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme des Beitragszuschlages für Nichtversicherte beantragt. Es drohe der Verlust ihres Krankenversicherungsschutzes. Zwar zahle der Antragsgegner die laufenden Beiträge zur Krankenversicherung, doch verrechne die G. diese Zahlungen zunächst mit ihren Beitragsschulden, so dass unter Berücksichtigung der Forderungsaufstellung im Schreiben der für die G. auftretenden H. Rechtsanwälte aus I. vom 11.11.2011 der Rückstand an Versicherungsbeiträgen nebst Kosten und Zinsen derzeit noch 1.131,95 EUR betrage.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, an die E. zur Versicherungsscheinnummer 3928670513 einen Betrag in Höhe von 1.131,95 EUR zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er meint, gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1c Sätze 5 und 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) lediglich zur Zahlung der Kosten des halben Basistarifs verpflichtet zu sein. Darüber hinausgehende Forderungen des Versicherers an die Antragstellerin könnten nach den gesetzlichen Regelungen von ihm nicht übernommen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens S 37 AS 1052/11 sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
II. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist statthaft, zulässig und hat in der Sache auch Erfolg. 1. Statthafte und zulässige Rechtsschutzform ist unter Berücksichtigung des erkennbaren Ziels des Rechtsschutzgesuchs allein ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). 2. Der Antrag ist begründet. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile als auch ein Anordnungsanspruch d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Allerdings stehen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86 b Rdnr. 27 a.E.). Hiernach gilt: Soweit eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet wäre, ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich abzulehnen, da ein schützenswertes Recht dann nicht vorhanden ist. Wenn demgegenüber die Klage in der Hauptsache offensichtlich begründet wäre, so vermindern sich in diesem Fall die an den Anordnungsgrund zu stellenden Anforderungen. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens jedoch, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei ist die besondere Bedeutung der Grundsicherungsleistungen für die Existenzsicherung im Lichte der Grundrechte, insbesondere mit Blick auf die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss v. 12.05.2005 1 BvR 569/05 , NVwZ 2005, 927).
In Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze hat die Antragstellerin das Vorliegen eines Anordnungsgrundes (nachfolgend a) und eines Anordnungsanspruchs (nachfolgend b) glaubhaft gemacht.
a.) Die Beitragsrückstände, deren Erhebung durch die G. die Antragstellerin infolge Verpflichtung zur Zahlung eines Zuschlages für Nichtversicherte ausgesetzt ist, beruhen auf § 193 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in der ab 23.07.2009 geltenden Fassung des Gesetzes vom 17.07.2009 (BGBl. I S. 1990). Dessen Abs. 4 lautet:
"Wird der Vertragsabschluss später als einen Monat nach Entstehen der Pflicht nach Absatz 3 Satz 1 beantragt, ist ein Prämienzuschlag zu entrichten. Dieser beträgt einen Monatsbeitrag für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung, ab dem sechsten Monat der Nichtversicherung für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung ein Sechstel eines Monatsbeitrags. Kann die Dauer der Nichtversicherung nicht ermittelt werden, ist davon auszugehen, dass der Versicherte mindestens fünf Jahre nicht versichert war. Der Prämienzuschlag ist einmalig zusätzlich zur laufenden Prämie zu entrichten. Der Versicherungsnehmer kann vom Versicherer die Stundung des Prämienzuschlages verlangen, wenn ihn die sofortige Zahlung ungewöhnlich hart treffen würde und den Interessen des Versicherers durch die Vereinbarung einer angemessenen Ratenzahlung Rechnung getragen werden kann. Der gestundete Betrag ist zu verzinsen."
Da die Antragstellerin was zwischen den Beteiligten unstreitig ist zwischen September 2009 und Dezember 2010 unversichert war, die Tatbestandsvoraussetzungen der vorgenannten Norm also vorliegen, besteht die Forderung der Allianz dem Grunde nach zu Recht. Auch gegen die Berechnung der rückständigen Beiträge und angefallener Kosten infolge Zahlungsverzugs bestehen keine Bedenken.
Folgen des Zahlungsverzugs sind zum einen das weitere Anfallen von Zinsen und Kosten und zum anderen was schwerer wiegt das Ruhen der Leistungen aus dem Versicherungsvertrag, das die Allianz mit Schreiben vom 04.05.2011 festgestellt hat. Bei einer Krankenkostenversicherung, die wie hier eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllt, ist gemäß § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG jede Kündigung durch den Versicherer ausgeschlossen. Dies gilt auch für den Fall des Zahlungsverzuges. Allerdings kann in diesem Fall unter den in § 193 Abs. 6 Sätze 1 und 2 VVG näher bestimmten Voraussetzungen das Ruhen des Leistungsanspruchs vom Versicherer festgestellt werden. Während der Ruhenszeit haftet der Versicherer weiter, jedoch gemäß § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG ausschließlich für Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind (Notversorgungspflicht). Das Ruhen endet nach § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind oder wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinn des SGB II oder SGB XII wird. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift spricht vieles dafür, diese so auszulegen, dass nicht nur ein bereits eingetretenes Ruhen bei Eintritt von Hilfebedürftigkeit endet, sondern ein Ruhen bei bereits bestehender Hilfebedürftigkeit wie vorliegend gar nicht erst eintreten kann (so Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009 L 15 AS 1048/09 B ER , [...]; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.08.2011 L 7 AS 1953/11 ERB , [...]). Allerdings ist der Gesetzeswortlaut nicht entsprechend formuliert. Die Verwendung des Wortes "wird" scheint darauf hinzudeuten, dass § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG (möglicherweise) nur gilt, wenn jemand, der bisher nicht hilfebedürftig war, Beitragsrückstände in der privaten Krankenversicherung hat und nunmehr erstmalig anspruchsberechtigt nach dem SGB II wird. Zu einem Ruhen der Leistungen dürfte es also erst dann kommen können, wenn die Antragstellerin überhaupt Leistungen von der G. begehrt also eine Krankheit aufgetreten ist und diese behandelt werden soll und sie nicht mehr hilfebedürftig ist (so: Klerks; Anmerkung zum Beschluss des LSG Bayern vom 26.09.2011 L 16 AS 337/11 B ER , info also 2011, 229 f.). Diesen Auslegungsfragen, die bislang noch weitgehend ungeklärt sind, braucht die Kammer im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht nachzugehen. Denn die G. hat mit Schreiben vom 04.05.2011 das Ruhen der Leistung aus der Krankheitskostenversicherung im Sinne des § 193 Abs. 6 VVG festgestellt. Ob dies zu Recht erfolgt ist, könnte die Antragstellerin aber nur in einem (weiteren) Zivilrechtsstreit gegen die G. klären lassen. Darauf ist sie angesichts der Bedeutung eines der Menschenwürde des Art. 1 und des Sozialstaatsprinzips ausArt. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) entsprechenden Krankenversicherungsschutzes nicht zu verweisen (vgl. BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 BVerfGE 125, 175 ff., 223), da sie durch Vorlage des Schriftwechsels mit der G. glaubhaft gemacht hat, dass diese ohne weitere Ankündigungen die Rechtsfolgen des Ruhens herbeiführen wird. Denn die streitbefangenen Beitragsrückstände bestehen in Höhe von derzeit 1.131,35 EUR nach wie vor unverändert fort, sodass der Antragstellerin weiterhin nur Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände durch die Allianz, mithin "eingeschränkten" Krankenversicherungsschutz hat. Diese nicht mehr gewährleistete ausreichende Gesundheitsversorgung begründet einen hinreichend gewichtigen Nachteil (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom18.01.2010 L 34 AS 2001/09 B ER [...]). Der "eingeschränkte" Krankenversicherungsschutz der Antragstellerin besteht hierbei nicht nur zum gegenwärtigen Zeitpunkt, sondern auch zukünftig, möglicherweise für einen nicht absehbaren Zeitraum. Die nur anteilige Zahlung von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung führt dazu, dass während des Bezugs von Arbeitslosengeld II weitere Beitragsrückstände aufgebaut werden. Scheidet die Antragstellerin zukünftig aus dem Hilfebezug aus, weil sie etwa eine selbständige Tätigkeit aufnimmt, so führen diese Beitragsrückstände spätestens ab diesem Zeitpunkt dazu, dass der Krankenversicherungsschutz "ruht" bzw. auf eine Notversorgung begrenzt ist. Der besondere Schutz bei Hilfebedürftigkeit nach § 193 Abs. 6 Satz 5 2. Alternative VVG würde dann in keinem Fall mehr eingreifen. Das Ruhen würde in diesem Falle nur dann enden, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind (§ 193 Abs. 6 Satz 5 1. Alternative VVG). Je nach Höhe der Beitragsschuld kann dies zu einer dauerhaften oder zumindest lange währenden Einschränkung des Versicherungsschutzes führen (LSG Baden-Württemberg, a.a.O.).
b) Es liegt auch der erforderliche Anordnungsanspruch vor. Unter Beachtung der im Rahmen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung dürfte ein Anspruch auf Übernahme der (restlichen) Beitragsrückstände in tenorierter Höhe bestehen. Bei summarischer Prüfung ist es zu beanstanden, dass der Antragsgegner der Antragstellerin lediglich seit Januar 2011 einen monatlichen Zuschuss zu ihrer privaten Krankenversicherung i.H.v. 287,72 EUR gewährt und die Leistungsgewährung nicht auf die Übernahme von Beitragsrückständen wegen Nichtversicherung ausgedehnt hat.
aa) Es trifft zwar die Annahme des Antragsgegners zu, dass das BSG in seinem Urteil vom 18.01.2011 (a.a.O.) entschieden hat, dass§ 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II (bzw. ab 1. April 2011 § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) eine planwidrige Regelungslücke enthält, da hierdurch die Höhe des Beitragssatzes für Bezieher von Arbeitslosengeld II beschränkt ist. Dies führt nach Ansicht des BSG zu einer nicht gerechtfertigten "Beitragslücke", die durch eine analoge Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 SGB II zu füllen sei, wonach für Bezieher von Arbeitslosengeld II für die Dauer des Leistungsbezugs der Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung ohne höhenmäßige Begrenzung übernommen werde. Aus den weiteren Ausführungen des BSG wird deutlich, dass der Grundsicherungsträger jedenfalls verpflichtet ist, die Beiträge zur privaten Krankenversicherung bis zur Hälfte des Basistarifes in vollem Umfang zu übernehmen (die andere Hälfte darf der Versicherer nach § 12 Abs. 1 c VersicherungsaufsichtsgesetzVAG von Leistungsempfängern nach dem SGB II nicht verlangen). Denn nach der gesetzlichen Konzeption des SGB II sollen Bezieher von Leistungen nach dem SGB II umfassenden Krankenversicherungsschutz genießen, ohne mit Beiträgen belastet zu sein. Demgemäß sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem SGB II nicht nur darlehensweise beziehen und auch nicht familienversichert sind, versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung. Ihnen stehen die Leistungen nach dem SGB V in vollem Umfang zu, ohne dass sie selbst Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen, da gemäß § 251 Abs. 4 SGB V deren Beiträge der Bund trägt. Die Versicherungspflicht gilt allerdings nach dem seit dem 1. Januar 2009 geltenden § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V, eingefügt durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKVWSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I S. 378) nicht, wenn der Leistungsbezieher unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert oder wie hier die Antragstellerin weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu dem Personenkreis des § 5 Abs. 5a SGB V genannten Personen gehört. Der Gesetzgeber wollte mit diesem Regelungskonzept eines "bezahlbaren Basistarifs" zum einen Kostenrisiken für die Allgemeinheit durch verspätete oder unterlassene Versicherungen vermeiden und zum anderen einen Versicherungsschutz für alle in Deutschland lebenden Menschen zu bezahlbaren Konditionen sicherstellen (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Für den von § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V umfassten Personenkreis enthält § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung (ab 01.04.2011 § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) eine Regelung zur Übernahme von Beiträgen zu einer privaten Krankenversicherung dergestalt, dass§ 12 Abs. 1c Satz 5 und 6 VAG gilt. Diesem Verweis in § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II (ab 01.04.2011 § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) auf § 12 Abs. 1c Satz 5 u. 6 VAG kommt nach Ansicht des BSG (a.a.O.) nicht nur eine formale, sondern eine materiellrechtlich begrenzende Wirkung zu, weil in § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II (ab 01.04.2011: § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) auch die Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Kostentragung gesetzlich fixiert ist. Dies zeigt nach Auffassung der Kammer, dass der Gesetzgeber zum einen mit Einführung des Basistarifs einen bezahlbaren ausreichenden Krankenversicherungsschutz für alle in Deutschland lebenden Menschen sicherstellen und zum anderen bei Beziehern von SGB II-Leistungen eine Überforderung des SGB II-Trägers mit Beitragsleistungen vermeiden wollte. Da ausreichender Krankenversicherungsschutz durch den Basistarif gewährleistet wird, erscheint es konsequent, dass der SGB II-Träger in Anwendung der Regelungen in § 12 Abs. 1c Sätze 4 bis 6 VAG einen Zuschuss lediglich bis zur Höhe des hälftigen Basistarifs zu leisten hat.
Anders gewendet: Außer für die laufenden Zahlungen für den hälftigen Basistarif gibt es für weitere Zahlungen aus den vorstehend genannten Normen keine unmittelbare Anspruchsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin.
bb) Jedoch besteht nach § 21 Abs. 6 SGB II in der ab 01.04.2011 geltenden Fassung ein Anspruch der Antragstellerin auf Übernahme der Beitragsrückstände in geltend gemachter Höhe.
Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Wie oben dargelegt droht der Antragstellerin als Folge des Ruhens des Krankenversicherungsschutzes, dass sie im Krankheitsfall nicht oder nur sehr eingeschränkt behandelt werden würde. Dies führt zwanglos zur Annahme eines unabweisbaren Mehrbedarfs, der auch eine Übernahme der bereits bestehenden Beitragsrückstände rechtfertigt. Soweit 21 Abs. 6 SGB II in der ab 01.04.2011 geltenden Fassung fordert, dass es sich um einen laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf handeln muss, ist diese Regelung nach Sinn und Zweck der Vorschrift so zu verstehen, dass (auch) laufende Bedarfe aus einem in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Zeitraum erfasst werden. Die hier streitigen Beitragszuschläge wurden von der G. für den Zeitraum von Anfang September 2009 bis Ende Dezember 2010, also für 16 Monate, erhoben, mithin existierte ein laufender Bedarf.
Diesen Bedarf hat der Antragsgegner durch einen Zuschuss, nicht durch ein Darlehen vorläufig zu befriedigen. Denn nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der ab 01.04.2011 geltenden Fassung dieser Norm kommt die Gewährung eines Darlehens nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden kann. Bei den Beiträgen zur Krankenversicherung handelt es sich jedoch nicht um einen vom Regelbedarf umfassten Bedarf (vgl. Schwabe in ZfF 2011, 97ff).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.