Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.02.2001, Az.: 9 K 505/99
Aujfwendungen für häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten; Vorhalten eines Arbeitszimmers während des Erziehungsurlaubs
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 21.02.2001
- Aktenzeichen
- 9 K 505/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 14632
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0221.9K505.99.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 19.08.2004 - AZ: VI R 103/01
Fundstellen
- Consultant 2001, 8
- DB 2001, 1805 (Volltext)
- DStRE 2001, 850-851 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2001, 812-813 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- StLex 2002
- SteuerBriefe 2001, 1080-1081
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Aufwendungen für ein Arbeitszimmer auch für die Zeit geltend machen kann, in der sie sich im Erziehungsurlaub befand.
Die Kläger sind Eheleute. Sie wurden im Streitjahr 1997 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.
Die Klägerin bezieht als Angestellte einer Bank Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ihr steht beim Arbeitgeber, bei dem sie als Personalreferentin beschäftigt ist, kein Arbeitsplatz zur Verfügung. Sie erbringt ihre Arbeitsleistung in einem häuslichen Arbeitszimmer. Das Arbeitszimmer ist ein kleines Haus, das direkt an das Wohnhaus der Kläger anschließt. Die Fläche des Arbeitszimmers beträgt 80 qm. Dies sind ca. 38,1 v.H. der Gesamtfläche des großen Haupthauses und des kleinen Anbaus. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin begann im Oktober 1995. Sowohl in diesem Jahr als auch im folgenden Jahr 1996 hat der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für das Arbeitszimmer als Werbungskosten anerkannt.
Im Streitjahr 1997 befand sich die Klägerin vom 31. Januar bis 31. Dezember 1997 im Erziehungsurlaub. Auf Grund des Erziehungsurlaubs ruhte für diese Zeit der Gehaltsanspruch der Klägerin.
Nach den von den Klägern 1996 gemachten Angaben zum häuslichen Arbeitszimmer der Klägerin ist dieses mit Büromöbeln, einem PC und einem Fax-Gerät ausgestattet. In diesem Arbeitszimmer erledigt die Klägerin konzeptionelle Vorbereitungen und Ausarbeitungen für Projekte, hält sie Besprechungen ab und nutzt sie das Arbeitszimmer täglich in der Zeit von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Zu anderen, als den beruflichen Zwecken, werde das Arbeitszimmer nicht genutzt. Zum 2. Januar 1998 nahm die Klägerin ihre Berufstätigkeit für den ursprünglichen Arbeitgeber an ihrem Heimarbeitsplatz im Arbeitszimmer wieder auf.
Mit der Steuererklärung 1997 beantragten die Kläger, die anteiligen Aufwendungen für das Arbeitszimmer im eigenen Haus von insgesamt 13.021,96 DM (Gesamtaufwendungen für das Haus: 34.178,37 DM) sowie Absetzungen für Abnutzungen (Arbeitstisch, Arbeitssessel, PC und Gebäude-AfA) von 4.864 DM als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen.
Das FA entsprach diesem Antrag nicht, da die Klägerin 1997 nicht berufstätig gewesen sei.
Der dagegen erhobene Einspruch war erfolglos.
Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter, die Aufwendungen für das Arbeitszimmer als Werbungskosten abziehen zu können.
Sie tragen dazu vor, da sich die Klägerin im Erziehungsurlaub befunden habe, habe sie das Arbeitszimmer nicht in derselben Art und Weise nutzen können wie in den Vorjahren. Sie habe dennoch die Räumlichkeit vorgehalten, um sich auf die Wiederaufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit vorzubereiten. Sie habe im Arbeitszimmer im Selbststudium aktuelle arbeitsrechtliche Gesetzesänderungen bearbeitet und sich zur Fortführung ihrer Personalreferentinnentätigkeit aus anderen berufsrelevanten Informationsquellen informiert. Sie habe demzufolge - wenn auch nicht in dem Umfang wie in den Vorjahren - das Arbeitszimmer genutzt, um sich auf dem "Laufenden" zu halten bzw. um den Wiedereinstieg in ihre Berufstätigkeit nach Ablauf des Erziehungsurlaubs bei dem Arbeitgeber vorzubereiten. Die übrigen Familienangehörigen (der Kläger, ein Sohn) hätten das Arbeitszimmer weder für berufliche noch für private Zwecke mitbenutzt.
Die Kläger beantragen,
...
Das FA beantragt,
...
Es bleibt bei seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung, da die Klägerin das Arbeitszimmer während ihres Erziehungsurlaubs nicht genutzt habe, seien die Werbungskosten nicht abziehbar. Der Erziehungsurlaub sei insoweit nicht mit dem normalen Erholungsurlaub vergleichbar. Während des Erholungsurlaubs werde regelmäßig das Gehalt weiter gezahlt.
Das FA weist darauf hin, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgetragen habe, sie habe während des Erziehungsurlaubs das Arbeitszimmer lediglich vorgehalten. Dagegen werde nunmehr im Klageverfahren vorgetragen, sie habe sich im Wege des Selbststudiums fortgebildet und insbesondere arbeitsrechtliche Veränderungen zur Kenntnis genommen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1997 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, da das FA die Aufwendungen für das Arbeitszimmer in unzutreffender Weise nicht als Werbungskosten abgezogen hat.
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Eine damit erforderliche, auf die Erzielung von Einnahmen bezogene Veranlassung von Aufwendungen ist dann zu bejahen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit einer auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung in dieser steuerlich relevanten Tätigkeit gemacht werden.
Einem Abzug von Aufwendungen als Werbungskosten steht nicht entgegen, dass sie zu einem Zeitpunkt anfallen, in dem der Steuerpflichtige vorübergehend (z.B. wegen Arbeitslosigkeit) keine Einnahmen erzielt. Voraussetzung für den Werbungskostenabzug ist allerdings, dass auch während dieser Zeit die Einnahmeerzielungsabsicht noch (weiter) besteht. Ein Abzug der Aufwendungen entfällt grundsätzlich nur dann, wenn der Steuerpflichtige auf unabsehbare Zeit keine Einnahmen erzielen will.
Im Streitfall verlieren die Aufwendungen der Klägerin für das Arbeitszimmer ihren Charakter als Werbungskosten nicht dadurch, dass die Klägerin während ihres Erziehungsurlaubs keine Einnahmen erzielt hat. Entscheidend ist vielmehr, dass sie die Aufwendungen für das Arbeitszimmer im Hinblick auf erstrebte künftige Einnahmen aufgewendet hat und auch während der Zeit des Erziehungsurlaubs die Absicht hatte, nach Ablauf der Urlaubszeit wieder Einkünfte zu erzielen. Diese Voraussetzungen liegen auf Grund des vorgetragenen Sachverhalts, dass die Klägerin nach Ablauf des Erziehungsurlaubs wieder bei ihrem ursprünglichen Arbeitgeber beschäftigt wurde und dort Einnahmen erzielte, vor.
Die Aufwendungen stehen damit in einem hinreichend klaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der in Aussicht genommenen, nach Ablauf des Erziehungsurlaubs wieder aufgenommenen Berufstätigkeit. Die streitbefangenen Aufwendungen sind deshalb als (vorab entstandene) Werbungskosten anzuerkennen.
Der Werbungskostenabzug ist unabhängig davon zu gewähren, ob die Klägerin das vorgehaltene Arbeitszimmer zur Vorbereitung auf die Wiederaufnahme der Berufstätigkeit genutzt hat. Der vom FA vorgetragene Widerspruch zwischen dem klägerischen Vortrag im Verwaltungsverfahren und im Klageverfahren ist deshalb nicht entscheidungserheblich. Der Senat ist der Auffassung, dass die Aufwendungen auch dann als Werbungskosten abzuziehen sind, wenn die Klägerin das Zimmer in der streitigen Zeit tatsächlich nicht, auch nicht zu Fortbildungszwecken, genutzt hätte. Der Vortrag im Klageverfahren, das Arbeitszimmer sei zu Fortbildungszwecken auch während des Erziehungsurlaubs genutzt worden, ist lediglich ein weiteres Indiz dafür, dass die Klägerin nach Ablauf des Erziehungsurlaubs ihre Berufstätigkeit wieder aufnehmen wollte und - wie der tatsächliche Ablauf gezeigt hat - auch wieder aufgenommen hat.
Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 18. April 1996 VI R 5/95 (BStBl II 1996, 482) an.
Danach sind Aufwendungen eines arbeitslosen Steuerpflichtigen für eine berufliche Fortbildung dann als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie mit den angestrebten Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in einem hinreichend klaren Zusammenhang stehen, und wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige eine Anstellung anstrebt und dem Arbeitsmarkt tatsächlich uneingeschränkt zur Verfügung steht. Die in dieser Entscheidung aufgestellten Rechtsgrundsätze sind auch auf den Streitfall anwendbar.
Die Klägerin hat im Veranlagungsverfahren Aufwendungen in Höhe von 17.886 DM geltend gemacht. Das FA hat zur Höhe der Aufwendungen keine Einwände vorgetragen. Solche sind auch aus den Akten nicht erkennbar. Diese Aufwendungen sind deshalb sowohl dem Grunde nach als auch der Höhe nach als Werbungskosten steuermindernd zu berücksichtigen. Da das FA im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1997 bereits den Werbungskostenpauschbetrag von 2.000 DM gewährt hat, sind nunmehr noch 15.886 DM als Werbungskosten zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend zu mindern.
Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem FA übertragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m.§§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).