Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.02.2001, Az.: 7 K 82/99

Zuordnung von LKW zu einer Betriebsstätte im Fördergebiet

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
27.02.2001
Aktenzeichen
7 K 82/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 14658
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2001:0227.7K82.99.0A

Tatbestand

1

Streitig ist, ob das Transportunternehmen des Klägers seit 1991 eine Betriebsstätte in Z./Sachsen unterhält und ob dieser Betriebsstätte sonderabschreibungsfähiges bewegliches Anlagevermögen (LKWs) i.S.d. § 2 Nr.2 Gesetz über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet (Fördergebietsgesetz - FördG -) zuzuordnen ist.

2

Der Kläger betreibt von B./Westdeutschland aus ein Transportunternehmen. Zusätzlich entwickelte der Kläger ab 1991 geschäftliche Aktivitäten in den neuen Bundesländern. Der Kläger organisierte im räumlichen Umfeld von Z. regelmäßige Gütertransporte. Daneben ließ er ab September 1991 in angemieteten Räumlichkeiten in Z. Büroarbeiten durchführen. Wegen seines dortigen unternehmerischen Engagements erhielt der Kläger zunächst die begehrten Steuervorteile nach § 2 Nr. 2 FördG in Form der Sonderabschreibungen auf die angeschafften LKWs.

3

Nach einer Steuerfahndungsprüfung kam das beklagte Finanzamt zum Ergebnis, dass der Kläger die Voraussetzungen des Fördergebietsgesetzes nicht erfüllt habe, da der Kläger keine Betriebsstätte im Fördergebiet unterhalten habe, und änderte die Steuerbescheide entsprechend.

4

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhebt der Kläger Klage und trägt im Wesentlichen folgendes vor:

5

Der Einsatz der Fahrer und der Fahrzeuge sei überwiegend unmittelbar vor Ort durch die zuständigen Auftraggeber auf den Schlachthöfen erfolgt. Die Frachtbriefe seien durch die Fahrer als Gehilfen des Frachtführers bei der Beladung der Fahrzeuge erstellt worden. Die Büroräumlichkeiten in Z. hätten dem Unternehmen des Klägers gedient, da von dort aus allgemeine Bürotätigkeiten durch die Mitarbeiterinnen erbracht worden seien. Die Abrechnung der Fahrerleistungen, die Erteilung von Rechnungen, der Geldverkehr, die Lohn- und Finanzbuchhaltung sei im Rahmen einer einheitlichen Verwaltung erfolgt, was einer ökonomischen Betriebsführung entspräche und unschädlich sei. Weiter wird klägerseits darauf hingewiesen, dass auch nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsprechung eine Betriebsstätte im Sinne des § 12 der Abgabenordnung vorliege, und zwar eine Betriebsstätte, die der Tätigkeit des Unternehmens diene, da sie zu unternehmerischen Zwecken genutzt worden sei. Entsprechend sei die Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen zu Recht erfolgt.

6

Die Kläger beantragen,

die geänderten Steuerbescheide für die Jahre 1991 bis 1993 aufzuheben.

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Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

8

Es hält an seiner gegenteiligen Auffassung fest. Das Vorhandensein einer Betriebsstätte in Z. sei zu verneinen, weil die angemieteten Büroräume im Fördergebiet nicht unmittelbar dem Transportunternehmen des Klägers gedient hätten. Es sei nicht hinreichend, wenn die wesentliche Tätigkeit des Transportunternehmens, nämlich der Transport von Gütern, im räumlichen Umfeld der Niederlassung stattgefunden habe. Es reiche auch nicht hin, dass ein Büroraum vorhanden sei mit nur stundenweise beschäftigten Angestellten, die lediglich Post an den Hauptsitz des Unternehmens weiterleite. Vom beklagten Finanzamt wird weiter betont, dass - entgegen dem klägerischen Vorbringen - die Mitarbeiterinnen des Klägers in Z. nur einfache Bürotätigkeiten ausgeführt hätten. Diese einfachen Bürotätigkeiten rechtfertigten aber nicht die Beurteilung des Büros als Betriebsstätte, da weder eigenverantwortliches Handeln, noch selbständiges Tätigwerden vorliege. Auch wenn die Aufträge von den Auftraggebern direkt an die Fahrer erteilt worden seien, seien doch Ausfälle und Fehler oder dergleichen über die Betriebsstätte zu regeln. Diese Angelegenheiten seien aber insgesamt über den Hauptsitz in B. geregelt worden, da nur dort eine funktionierende Betriebsstätte vorhanden sei.

9

Das Gericht hat Beweis erhoben zu Art und Umfang der Bürotätigkeiten in Z. für das Transportunternehmen des Klägers durch Vernehmung der P. und der H. als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

10

Auf Befragen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung folgendes ausgeführt: Er habe sich selbst um den Aufbau seines Transportwesens im Fördergebiet gekümmert. Er habe fast täglich eigenhändig LKWs geführt und Waren transportiert, während sein Unternehmen in B. vorwiegend von seiner Frau verwaltet worden sei. Die notwendigen Entscheidungen, bei Fehlfahrten, bei Auftragsänderungen oder nach LKW-Ausfällen habe er getroffen, sofern die Fahrer sich nicht selbst helfen konnten. Da die Fahrer aber häufig dieselben Touren gefahren seien, und die Verträge mit den Schlachthöfen eindeutig formuliert seien, habe sich, nachdem sich ein Stamm von Fahrern herausgebildet habe, die Anzahl der von ihm zu treffenden Sofortentscheidungen erheblich reduziert. Er sei aber jederzeit per Handy erreichbar gewesen und habe so sowohl als Fahrer als auch als Chef in seinem Betrieb gearbeitet.

11

Wegen der im Osten geplanten Transportunternehmung als Güterverkehr, die eine Konzessionierung nach dem Güterkraftverkehrsgesetz voraussetze, sei es zwingend erforderlich gewesen, eine Niederlassung (Betriebsstätte) im Osten, hier in Z., zu gründen, um von dort aus seine Transporttätigkeit für das Fördergebiet zu gestalten. Wer - wie er - gegenüber der östlichen Genehmigungsbehörde für den Güterkraftverkehr viele Nachweise seines Engagements habe erbringen müssen um die Konzession zu erhalten um dann tätig werden zu dürfen, könne nicht nachvollziehen, wenn nunmehr eine andere Behörde das Vorhandensein einer Niederlassung verneine.

12

Wegen des weitergehenden Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

13

Dem Gericht haben die beim beklagten Finanzamt geführten Steuerakten des Klägers sowie die den Kläger betreffende Ermittlungsakte der Steuerfahndung vorgelegen.

Gründe

14

Die Klage hat Erfolg. Dem Kläger steht die begehrte Sonderabschreibung zu. Die Voraussetzungen des § 2 Nr. 2 FördG liegen vor.

15

Nach § 2 Nr. 2 FördG sind begünstigt die Anschaffung und Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sowie nachträgliche Herstellungsarbeiten an abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen einer Betriebsstätte des Steuerpflichtigen im Fördergebiet gehören und während dieser Zeit in einer solchen Betriebsstätte verbleiben. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) muss die Zugehörigkeit zum Anlagevermögen - hier einer Betriebsstätte im Fördergebiet - zusätzlich erfüllt sein. Das bloße Vorhandensein einer solchen Betriebsstätte genügt nicht. Dem Tatbestandsmerkmal der Zugehörigkeit kommt stets dann besondere Bedeutung zu, wenn die Betriebsstätte der Geschäftsleitung außerhalb des Fördergebietes liegt. In solchen Fällen sind die Wirtschaftsgüter, sofern keine eindeutige räumliche Zuordnung möglich ist, der Betriebsstätte zuzuordnen, zu der die engeren Beziehungen bestehen. Diese Entscheidung wiederum ist nach den Gesamtumständen des jeweiligen Falles zu treffen. Für die Zuordnung z.B. eines LKW kommt es darauf an, von welcher Betriebsstätte aus die tatsächliche Sachherrschaft über das Fahrzeug ausgeübt wird. Dabei wird als maßgeblich angesehen, von wo aus regelmäßig über die bestimmungsgemäße Verwendung des Fahrzeugs entschieden wird, insbesondere darüber, wann und welcher Transport ausgeführt werden soll, welche Besatzung das Fahrzeug benutzt und wann dieses im Einzelfall zu reparieren ist (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juni 2000 III R 9/96, BStBl II 2000, 592, 595).

16

Der Kläger hat sonderabschreibungsfähige Transportmittel (LKWs) im Sinne der genannten Vorschrift angeschafft und im Fördergebiet über 3 Jahre eingesetzt. Die LKWs sind auch der Betriebsstätte in Z. zuzuordnen.

17

Zum einen hatte der Kläger in Z. eine Betriebsstätte. Denn wie die Beweisaufnahme ergeben hat, haben die Mitarbeiterinnen des Klägers tatsächlich Büroarbeiten für das Transportunternehmen erbracht. Dass die Hauptverantwortung auch des bürokratischen Geschehens in den Händen des im Fördergebiet agierenden Klägers und seiner dortigen Fahrer lag ist für die Annahme einer Betriebsstätte nach § 12 AO unschädlich (vgl. auch BFH-Urteil vom 30. Oktober 1996 II R 12/92, BStBl II 1997, 12, wonach der Betriebsstättenbegriff auch eine unterirdisch verlaufende Rohrleitung erfassen kann).

18

Zwar hat der Kläger - auch dies hat die Beweisaufnahme ergeben - vorwiegend seine Entscheidungen vom LKW aus - auf seinen eigenen Touren rund um Z. - per Handy getroffen. Doch bedeutet dies nicht, dass der LKW, den der Kläger selbst gefahren hat, als Betriebsstätte anzusehen ist. Vielmehr sind die Entscheidungen des Klägers auf seinen Eigentouren im Fördergebiet der räumlich gegenständlichen Betriebsstätte in Z. zuzuordnen. Denn von dort sind die wenigen verbleibenden Maßnahmen, die nicht vom Kläger per Handy aus dem LKW erledigt werden konnten, durchgeführt worden.

19

Für dieses Ergebnis spricht auch, dass die Genehmigungen nach dem Güterkraftverkehrsgesetz für den Betrieb der LKWs den Standort Z ausweisen. Denn nach § 6 Abs. 1 Satz 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 3. November 1993 ist Voraussetzung für eine Standortbestimmung, dass der Unternehmer den Sitz seines Unternehmens oder eine nicht nur vorübergehende geschäftliche Niederlassung dort unterhält.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.