Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.02.2001, Az.: 4 K 330/98

Verlustgefahr bei Giroüberweisung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
14.02.2001
Aktenzeichen
4 K 330/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 14603
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2001:0214.4K330.98.0A

Fundstelle

  • DStRE 2001, 945-948 (Volltext mit amtl. LS)

Tatbestand

1

Streitig ist, ob ein Erstattungsanspruch der Klägerin durch Überweisung auf ein Bankkonto ihres Ehemannes erloschen ist.

2

Die Klägerin wurde mit ihrem Ehemann für die Streitjahre 1992 - 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Am 20.01.1998 beantragten die Eheleute die Aufteilung der aus den Einkommensteuerfestsetzungen resultierenden Steuerschulden. Aus den vom Beklagten erlassenen Aufteilungsbescheiden für 1992 und 1993 und der Abrechnungsmitteilung für 1994 vom 27.02.1998 ergaben sich für die Klägerin folgende Erstattungsbeträge:

3

1992: DM 3.168,60

4

1993: DM 6.337,20

5

1994: DM 8.753,79.

6

Gesamtbetrag: DM 18.259,59

7

Am 02.03.1998 überwies der Beklagte den Gesamtbetrag auf ein Konto des Ehemannes bei der Sparkasse in R. In dem Überweisungsträger war der Ehemann als Überweisungsempfänger angegeben. Für dieses Konto hatte die Klägerin eine Vollmacht. Inhalt und Umfang der Vollmacht sind nicht bekannt. Das Konto war zum Zeitpunkt der Überweisung von der Sparkasse für Verfügungen des Ehemannes gesperrt. Mit Schreiben vom 09.03.1998 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten eine Bankverbindung mit, die künftig für Steuererstattungen an die Klägerin verwendet werden sollte. Nachdem der Prozessbevollmächtigte erfahren hatte, dass die Steuererstattung bereits auf ein Konto des Ehemannes überwiesen worden war, machte er geltend, dass diese Überweisung keine schuldbefreiende Wirkung gegenüber der Klägerin gehabt habe. Angesichts des vorliegenden Aufteilungsantrags habe der Beklagte nicht mehr davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin noch damit einverstanden sei, dass die Erstattung mit befreiender Wirkung an ihren Ehemann erfolgen dürfe; deshalb könne die Regelung in § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG keine Anwendung finden. Dies gelte um so mehr, als der Beklagte gewusst habe, dass der Kläger hohe Steuerschulden beim Beklagten gehabt habe und deshalb umfangreiche Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt worden seien. Außerdem sei dem Beklagten bekannt gewesen, dass schon im Jahr 1997 die Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen des Klägers mangels Masse abgelehnt worden sei. Der Beklagte beruft sich demgegenüber auf die Regelung in § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG und macht geltend, dass allein die Tatsache, dass ein Aufteilungsantrag gestellt worden sei, die Vermutungswirkung dieser Vorschrift nicht aufhebe. Die Eheleute hätten das Konto, auf das die Überweisung erfolgt sei, bei ihrer Einkommensteuererklärung für 1990 als Erstattungskonto angegeben. Bis zum Zeitpunkt der Erstattung sei kein anderes Konto angegeben worden. Dies sei aber die Pflicht der Eheleute gewesen. Weil sie diese Pflicht verletzt hätten, müssten sie die daraus resultierende Gefahr des Verlusts des überwiesenen Betrages tragen. Aus dem Aufteilungsantrag habe auch nicht geschlossen werden können, dass die Klägerin nicht mit einer Erstattung an ihren Ehemann einverstanden gewesen sei, weil der Wortlaut des Antrages ausschließlich beinhaltet habe, dass Verrechnungen der Erstattungsansprüche der Klägerin mit Steuerschulden ihres Ehemannes vermieden werden sollten, bzw. bereits erfolgte Aufrechnungen rückgängig gemacht werden sollten. Dem hält die Klägerin entgegen, dass es unsinnig sei, nach einem Antrag auf Aufteilung von Steuerschulden davon auszugehen, der Inhaber der daraus resultierenden Erstattungsansprüche sei mit einer Auszahlung an seinen Ehegatten einverstanden. Wenn ein Gesamtschuldner durch einen Aufteilungsantrag zu erkennen gebe, dass er für die Steuerschulden des anderen Gesamtschuldners nicht aufkommen wolle, könne nicht angenommen werden, dass er mit schuldbefreienden Erstattungen an den anderen Gesamtschuldner einverstanden sei.

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Die Klägerin begehrte erfolglos einen die genannten Erstattungsansprüche ausweisenden Abrechnungsbescheid. Der Beklagte vertrat in dem ablehnenden Abrechnungsbescheid vom 25.05.1998 die Auffassung, der Erstattungsanspruch der Klägerin sei durch die Überweisung des Beklagten an ihren Ehemann erloschen. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 27.07.1998 und Änderung des Abrechnungsbescheids vom 25.05.1998 folgende Erstattungsansprüche der Klägerin festzusetzen:

199219931994
DMDMDM
Einkommensteuer2.907,005.814,007.630,00
Kirchensteuer (ev.)261,6523,2686,55
Zinsen zur ESt437,24
Summen3.168,606.337,208.753,79
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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Der Senat hat sämtliche Steuerakten der Klägerin und ihres Ehemannes beigezogen. Aus der Einkommensteuerakte ergibt sich, dass das Konto bei der Sparkasse in R, auf das der Beklagte die streitige Überweisung vorgenommen hat, in der am 07.01.1992 beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung für 1990 als Bankverbindung des Ehemanns der Klägerin angegeben worden war. Alle nachfolgenden Einkommensteuererklärungen der Klägerin und ihres Ehemannes - einschließlich der Erklärungen für die Streitjahre - enthalten überhaupt keine Hinweise auf eine Bankverbindung. Ausweislich der Vollstreckungsakte hat der Beklagte im Jahr 1997, also vor der fraglichen Erstattung im März 1998, intensive Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Ehemann der Klägerin durchgeführt. Neben dem Versuch, verschiedene Bausparguthaben zu pfänden, hat der Beklagte am 10.06.1997 pfändbare Ansprüche des Ehemanns der Klägerin auf Zahlung von Arbeitseinkommen als Arbeitnehmer der Fa. R GmbH gepfändet. Diese Pfändungsverfügung wurde der Klägerin als Geschäftsführerin der GmbH zugestellt. Auch diese Pfändung blieb erfolglos. Aus den Vollstreckungsakten ergibt sich ferner, dass der Beklagte im Laufe des Jahres 1997 Kenntnis davon erlangte, dass der Ehemann der Klägerin am 05.02.1997 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte und dass die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Ehemanns der Klägerin mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse am 19.09.1997 vom Amtsgericht R abgewiesen worden war. Mit Verfügung vom 11.07.1997 wurde der Betriebsprüfer angewiesen, sich vor Beginn der Betriebsprüfung bei dem Ehemann der Klägerin mit der Vollstreckungsstelle in Verbindung zu setzen. Ein Vermerk des Prüfers auf Bl. 1 der Betriebsprüfungs-Handakte vom 04.12.1997 dokumentiert, dass er nach weiteren Vollstreckungsmöglichkeiten gegen den Ehemann der Klägerin gesucht hat. In der Stundungs- und Erlassakte ist die Niederschlagungsverfügung vom 27.11.1997 abgeheftet, mit der Steuerrückstände des Ehemanns der Klägerin in Höhe von DM 14.036,50 unter Hinweis auf die abgelegte Offenbarungsversicherung und das nicht eröffnete Konkursverfahren niedergeschlagen wurden.

Gründe

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Die Klage ist begründet.

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Die durch Aufteilung von Gesamtschulden entstandenen, unanfechtbar gewordenen und insoweit auch unstreitigen Erstattungsansprüche der Klägerin in Höhe von insgesamt DM 18.259,59 sind nicht durch die Überweisung dieses Betrages auf das Bankkonto ihres Ehemannes bei der Sparkasse in R erloschen. Die Auszahlung an den Ehemann hatte keine schuldbefreiende Wirkung gegenüber der Klägerin und die Klägerin hat auch nicht die Gefahr des Verlustes des überwiesenen Betrages zu tragen. Der Beklagte ist deshalb der Klägerin gegenüber nicht von seiner Erstattungsverpflichtung frei geworden.

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Im Einzelnen:

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Der Klägerin standen aufgrund des Aufteilungsbescheids zur Einkommensteuer 1992 und 1993 sowie des Bescheids über die Aufteilung des Guthabens aus der Einkommensteuer-Veranlagung 1994 Steuererstattungsansprüche nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) in der erkannten Höhe zu. Steuererstattungsansprüche gehören zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO), die gemäss § 47 AO durch Zahlung erlöschen. Nach allgemeiner Auffassung erlischt bei Zahlung durch Giroüberweisung - wie im Streitfall geschehen - der Anspruch, wenn der Gläubiger die Verfügungsgewalt über den Betrag durch Gutschrift des überwiesenen Betrages auf seinem Konto erlangt (dazu BFH, Urteil vom 10.11.1987 - VII R 171/84 - BStBl II 1988, 41 [42]).

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1.

Der Klägerin ist die Verfügungsgewalt über den Betrag, auf den sie Anspruch hatte, nicht verschafft worden, weil er nicht einem ihr gehörenden Konto, sondern einem Konto ihres Ehemannes gutgeschrieben worden ist (vgl. dazu BFH, Urteil vom 08.01.1991 - VII R 18/90 - BStBl II 1991, 442, 443). Abgesehen davon, dass bei Überweisung auf ein dem Gläubiger nicht gehörendes Konto keine Erfüllungswirkung gegenüber dem Gläubiger eintritt (vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 224 AO Tz. 11), konnte die Vollmacht der Klägerin für das Konto ihres Ehemannes auch deshalb keine Erfüllungswirkung gegenüber der Klägerin auslösen, weil die Sparkasse das Konto für Verfügungen gesperrt hatte und die Klägerin aus diesem Grunde von vornherein nicht die Möglichkeit hatte, sich die Verfügungsgewalt über den überwiesenen Betrag selbst zu verschaffen.

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2.

Die Auszahlung des Betrages an ihren Ehemann hatte auch keine schuldbefreiende Wirkung gegenüber der Klägerin. § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG, der als Rechtsfolge die Auszahlung an einen Ehegatten unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auch für und gegen den anderen Ehegatten wirken lässt, ist im Streitfall nicht einschlägig. Diese Vorschrift ist nur im Erhebungsverfahren beim Ausgleich des Abrechnungsüberschusses (§ 36 Abs. 4 Satz 2 EStG) anwendbar (so auch BFH, Urteil vom 18.02.1997 - VII R 117/95 - BFH/NV 1997, 482). Diese einkommensteuerliche Spezialvorschrift findet keine Anwendung bei der Erfüllung von Erstattungsansprüchen im Sinne von § 37 Abs. 2 AO, die sich - wie im Streitfall für die Einkommensteuern der Jahre 1992 und 1993 - aus Aufteilungsbescheiden nach § 279 AO oder aufgrund eines Antrages auf Aufteilung einer Gesamtschuld nach § 268 ff. - wie vorliegend bei der Aufteilung des Guthabens aus der Einkommensteuerveranlagung 1994 - ergeben.

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§ 36 Abs. 4 Satz 3 EStG kann Ehegatten gegenüber einzelnen Gläubigern benachteiligen. Diese Vorschrift lässt die Auszahlung des aus den beiden - rechtlich getrennt zu behandelnden - Erstattungsansprüchen der Ehegatten bestehenden Gesamtbetrages an einen der Ehegatten für und gegen den anderen Ehegatten wirken (zur Rechtsnatur der Einkommensteuer-Erstattungsansprüche zusammenveranlagter Ehegatten vgl. BFH, Urteil vom 13.02.1996 - VII R 89/95 - BStBl II 1996, 436 [438]), während ein einzelner Gläubiger die Auszahlung seines Erstattungsanspruchs an einen Dritten grundsätzlich nicht gegen sich gelten lassen muss. Die der Verwaltungsvereinfachung dienende Regelung wird zu Recht als gesetzlich geregelter Fall einer widerlegbaren Vermutung in bezug auf die Einziehungsvollmacht zugunsten des jeweils anderen Ehegatten verstanden, weil nur bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass die Erstattung an einen Ehegatten stets mit Wissen und Wollen des anderen Ehepartners in Einklang steht (dazu BFH, Urteil vom 13.02.1996 - VII R 89/95 - a.a.O.). Eine solche, die Betroffenen tendenziell belastende Ausnahmevorschrift ist eng auszulegen und darf ohne triftige Gründe nicht auf andere Erstattungsfälle, an denen Ehegatten beteiligt sind, übertragen werden. Jedenfalls bei Fallgestaltungen, wo es um die Beschränkung der Zwangsvollstreckung durch Aufteilung einer Gesamtschuld geht, fehlt regelmäßig ein kausaler aber auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Zustimmung des Ehegatten zur Zusammenveranlagung und der Auszahlung des Erstattungsanspruchs. Beides ist aber erforderlich, um die an tatsächliches Verhalten der Ehegatten anknüpfende Vermutung einer wechselseitigen Einziehungsvollmacht zu rechtfertigen.

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3.

Selbst wenn unterstellt wird, dass § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG auch auf Erstattungsansprüche gemäss § 37 Abs. 2 AO und damit im Streitfall grundsätzlich anwendbar ist, führt dies nicht zur Annahme einer schuldbefreienden Wirkung der Zahlung gegenüber der Klägerin. Das der Finanzbehörde durch diese Vorschrift eingeräumte Auswahlermessen, mit befreiender Wirkung an den einen oder anderen Ehegatten zu leisten, besteht nicht, wenn das Finanzamt erkennt oder erkennen musste, dass ein Ehegatte mit der Auszahlung des auf ihn entfallenden Teils des Erstattungsbetrages an den anderen Ehegatten aus nachvollziehbaren Gründen nicht einverstanden ist oder wenn sich aus anderen Gründen ergibt, dass die Vorgehensweise des Finanzamts nicht gebilligt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteile vom 05.04.1990 - VII R 2/89 - BStBl II 1990, 719 [720]; 08.01.1991 - VII R 18/90 - a.a.O.; 13.02.1996 - VII R 89/95 - a.a.O.; Niedersächsisches FG, Urteil vom 03.02.1998 - VII 99/97 - EFG 1999, 292).

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4.

Allein der Umstand, dass Aufteilung der Steuerschulden beantragt wurde, beseitigt ein etwa bestehendes Auswahlermessen des Beklagten nach § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG. Denn dieses Auswahlermessen hat zur Voraussetzung, dass Umstände vorliegen, die die Vermutung rechtfertigen, dass die Erstattung an einen Ehegatten stets mit Wissen und Wollen des anderen Ehegatten in Einklang steht (dazu BFH, Urteil vom 13.02.1996 - VII R 89/95 - a.a.O.). Davon kann nicht mehr ausgegangen werden, nachdem ein Aufteilungsantrag gestellt worden ist. Aufteilungsanträge werden in der Regel erst dann gestellt, wenn einer der Ehegatten überschuldet und zahlungsunfähig ist. In solchen Situationen unterliegt der zahlungsunfähige Ehepartner häufig Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger, die es ihm regelmäßig unmöglich machen, frei über noch verbliebene Vermögenswerte und über Gutschriften auf seinem Bankkonto zu verfügen. Es besteht dann regelmäßig die Gefahr, dass der Erstattungsbetrag nicht der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft zugute kommt, sondern allein zur Tilgung von Schulden des anderen Ehegatten eingesetzt wird. Es kann nicht unterstellt werden, dass der nicht schuldenbelastete Ehegatte damit einverstanden ist. Insofern ist die vorliegende Fallgestaltung vergleichbar mit dem vom Bundesfinanzhof im Urteil vom 13.02.1996 (VII R 89/95, a.a.O.) entschiedenen Fall. Im Streitfall hat der Beklagte die Überschuldung und die Zahlungsunfähigkeit des Ehemanns der Klägerin aufgrund seiner eigenen Vollstreckungsmaßnahmen und der Mitteilung der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens gegen ihn wegen einer die Kosten des Verfahrens nicht deckenden Konkursmasse gekannt. Bei Kenntnis dieser Umstände durfte der Beklagte das Aufteilungsbegehren nicht in der Weise einschränkend auslegen, dass ausschließlich Verrechnungen und Aufrechnungen rückgängig gemacht werden sollten und auch nicht davon ausgehen, dass die Klägerin im übrigen mit einer Erstattung an ihren Ehemann einverstanden sei. Aus der Formulierung des Aufteilungsantrages durfte der Beklagte nicht den Schluss ziehen, er selber sei der einzige Gläubiger des Ehemannes mit der Folge, dass keine Gefahr eines Zugriffs anderer Gläubiger auf dessen Konto bestand.

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5.

Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die Klägerin auch nicht die Gefahr des Verlustes des überwiesenen Betrages zu tragen. Die Verlustgefahr bei der Geldübermittlung trägt grundsätzlich der Schuldner (§ 270 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]; BFH Urteile vom 10.11.1987 - VII R 171/84 - a.a.O. und vom 08.01.1991 - VII R 18/90 - a.a.O.). Nur in Ausnahmefällen, in denen es unangemessen wäre, den Schuldner für Gefahren haften zu lassen, die der Gläubiger durch ein allein seiner Sphäre zuzurechnendes Verhalten erst geschaffen hat, geht nach dem Rechtsgedanken des § 270 Abs. 3 BGB und dem Grundsatz von Treu und Glauben die Gefahr des Verlustes bei der Geldübermittlung auf den Gläubiger über (BFH Urteile vom 10.11.1987 - VII R 171/84 - a.a.O. und vom 08.01.1991 - VII R 18/90 - a.a.O.). Ein solcher Ausnahmefall, der es rechtfertigen würde - abweichend von der Grundentscheidung des Gesetzgebers, wonach das Finanzamt als Schuldner den Erstattungsbetrag auf seine Gefahr dem Gläubiger zu übermitteln hat - hier die Verlustgefahr der Klägerin aufzuerlegen, ist im Streitfall nicht gegeben.

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6.

Der Beklagte ist unzutreffend davon ausgegangen, dass er die von der Klägerin und ihrem Ehemann in der Einkommensteuer-Erklärung 1990 mitgeteilte Bankverbindung ohne weiteres für die hier in Frage stehende Erstattung habe benutzen dürfen und eine Gefahrerhöhung dadurch eingetreten sei, dass die Klägerin es versäumt habe, dem Beklagten mitzuteilen, dass diese Bankverbindung für die Erstattung an die Klägerin nicht verwendet werden sollte.

23

Die von dem Beklagten für die Erstattung benutzte Bankverbindung wurde von den Klägern auf dem Einkommensteuer-Erklärungsvordruck für 1990 mitgeteilt. Der Beklagte durfte diese Mitteilung nicht als Zahlungsanweisung für die in 1998 erfolgte Erstattung behandeln. Der Beklagte geht rechtsirrig davon aus, dass diese Bankverbindung nicht nur für die Erstattung eines Abrechnungsüberschusses aus der Einkommensteuerveranlagung für 1990, sondern auch für alle künftigen Erstattungsfälle -gültig- bleibe, bis er eine gegenteilige Nachricht oder eine andere Bankverbindung mitgeteilt bekomme. Die Eigenschaft dauerhafter Verbindlichkeit kann der Mitteilung der Bankverbindung in einer einzelnen Einkommensteuererklärung nicht beigemessen werden. Dies könnte nur dann angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige weiß oder wissen muss, dass die Bankverbindung auch für künftige Erstattungsfälle gespeichert wird und ihm darüber hinaus zuvor mitgeteilt wird, dass diese Bankverbindung für alle künftigen Erstattungsfälle benutzt werden wird, wenn keine andere Mitteilung vorliegt (vgl. etwa den Hinweis in den aktuellen amtlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungsvordrucken unter III: -Ein Erstattungsbetrag wird auf das dem Finanzamt benannte Konto überwiesen, soweit nicht eine Verrechnung mit Steuerschulden vorzunehmen ist.-). An beiden Erfordernissen fehlt es im Streitfall. Die Finanzverwaltung erweckt mit den amtlichen Formularen für die Einkommensteuer-Erklärungen selbst den Eindruck, dass früher mitgeteilte Bankverbindungen keine in die Zukunft wirkende Bedeutung haben, weil jedes Jahr wieder neu nach einer Kontoverbindung nachgefragt wird und immer der Hinweis gegeben wird:"Bitte stets angeben". Weil die Finanzverwaltung im Bereich der Einkommensteuer gerade nicht so vorgeht, dass die Angabe einer Kontoverbindung nur bei Neueinrichtung oder Änderung einer Bankverbindung abgefragt wird, durfte der Beklagte ohne weitere Anhaltspunkte die für ein Vorjahr mitgeteilte Kontoverbindung ohne vorherige Nachfrage bei der Klägerin für die Erstattung nicht benutzen, wenn er nicht die Gefahr des Verlustes des überwiesenen Geldes tragen wollte. Anders ist die Lage nur bei ständigem Zahlungsverkehr zwischen dem Finanzamt und dem Steuerpflichtigen - etwa bei der Umsatzsteuer - zu beurteilen, wo zum Beispiel bereits im Betriebseröffnungsbogen ausdrücklich eine Kontoverbindung für " alle "Erstattungszwecke abgefragt wird, oder wenn es bereits eine ständige Übung der Erstattung auf ein bestimmtes Konto gibt (vgl. etwa die Urteile des FG Bremen vom 17.03.1992 II 140/91 K - EFG 1993, 63 und des Hessischen FG vom 28.06.1993 - 2 K 907/92 - EFG 1994, 3). Nur in solchen Fällen gehört es zu den Obliegenheiten des Steuerpflichtigen, eine geänderte Bankverbindung auch ohne Aufforderung mitzuteilen. Unterlässt er dies, trägt er auch nur in diesen Fällen nach § 270 Abs. 3 BGB die Verlustgefahr.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3, in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.