Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.02.2001, Az.: 4 K 508/95
Grundsätze für die Ermittlung des Aufgabegewinnanteils; Realteilung ohne Abfindung; Aufgabe eines in Miterbengemeinschaft geführten Betriebes
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 14.02.2001
- Aktenzeichen
- 4 K 508/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 14604
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0214.4K508.95.0A
Fundstellen
- DStRE 2001, 857 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2001, 745 (Volltext mit red. LS)
- ErbBstg 2002, 159
- NWB DokSt 2001, 1063
- ZEV 2002, 40
Tatbestand
Streitig ist, in welcher Weise ein Betriebsaufgabegewinn zu ermitteln ist, der aus einem von den Erben eines landwirtschaftlichen Betriebes durch Realteilung ohne Spitzenausgleich erzielt wurde.
Die Klägerin dieses Verfahrens und der Beigeladene sind Geschwister. Der Vater der Beiden ist am 29.09.1988 verstorben. Er war Eigentümer des Hofes ..., ..., der mit den Wirtschaftsgebäuden seit dem 01.10.1977 verpachtet war. Das Anwesen war nicht mehr Hof "im Sinne der Höfeordnung". Laut gemeinschaftlichem Erbschein ist der Verstorbene beerbt worden von der Klägerin und dem Beigeladenen zu je ein halb. Die Erbengemeinschaft hat sich mit Vertrag vom 05.07.1989 auseinandergesetzt. Die Auseinandersetzung gilt steuerrechtlich unstreitig als zum 30.06.1989 erfolgt und stellt ebenso unstreitig eine Betriebsaufgabe dar. Die Beteiligten setzten sich über das betriebliche Erbe durch Realteilung ohne Abfindungszahlung auseinander.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung für den Feststellungszeitraum 1988 bis 1989 ermittelte der Prüfer zum 30.06.1989 einen Aufgabegewinn aus Land- und Forstwirtschaft (LuV) mit 337.000 DM. Das FA vertrat die Auffassung, dass bei einer Realteilung ohne Spitzenausgleich aufgrund der jeweils hälftigen Beteiligung der Erben anzunehmen sei, dass die gemeinen Werte des jeweils übernommenen Vermögensteils als gleichwertig anzusehen seien. Dementsprechend rechnete es jedem der Beteiligten den Veräußerungsgewinn zur Hälfte zu (168.500 DM).
Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, der auf sie entfallende Anteil des Aufgabegewinns sei lediglich mit 28.138,00 DM anzusetzen. Sie berief sich auf § 16 Abs. 3 Satz 4 Einkommensteuergesetz (EStG), wonach für jeden der Beteiligten der gemeine Wert derjenigen Wirtschaftsgüter anzusetzen sei, die er bei der Auseinandersetzung erhalten habe.
Der Beigeladene wurde vom FA gemäß § 360 Abgabenordnung (AO) zum Einspruchsverfahren hinzugezogen.
Mit Bescheid vom 2. Oktober 1995 wies das FA den Einspruch der Klägerin zurück.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Der ihr zuzurechnende Aufgabegewinnanteil sei der Unterschied zwischen dem gemeinen Wert der ihr zugeteilten Wirtschaftsgüter und dem Buchwert ihres Gesellschaftsanteils. Danach betrage der auf sie entfallende Anteil am Aufgabegewinn lediglich 22.969 DM.
Das Gericht hat den im Vorverfahren Hinzugezogenen mit Beschluss vom 14.09.2000 beigeladen.
...
...
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Auf Anregung des Gerichts schloss sich das FA der Auffassung der Klägerin an. Es sah sich jedoch ohne Zustimmung des Beigeladenen nicht in der Lage, einen Abhilfebescheid zu erlassen. Der Beigeladene hat dem Erlass eines Abhilfebescheides nicht zugestimmt.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Für die Ermittlung eines zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehörenden Aufgabegewinns gilt gemäß § 14 EStG die Vorschrift des § 16 EStG entsprechend. Hiernach gehören zu den Einkünften aus LuV auch Gewinne, die bei einer Veräußerung erzielt werden (§ 16 Abs. 1 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 1989 geltenden Fassung). Als Veräußerung gilt auch die Aufgabe des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG). Werden die Wirtschaftsgüter nicht veräußert, so ist der gemeine Wert im Zeitpunkt der Aufgabe anzusetzen (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG). Bei Aufgabe eines Betriebs, an dem mehrere Personen beteiligt waren, ist für jeden Einzelnen der gemeine Wert der Wirtschaftsgüter anzusetzen, die er bei der Auseinandersetzung erhalten hat (§ 16 Abs. 3 Satz 4 EStG). Diese Grundsätze gelten auch für die Aufgabe eines in Miterbengemeinschaft geführten Betriebes. Die Grundsätze der Realteilung mit dem Wahlrecht zur Buchwertfortführung gelten nicht nur bei Übernahme von Teilbetrieben durch einen Gesellschafter/Gemeinschafter, sondern auch bei Zuweisung von Einzelwirtschaftsgütern auf einen Gesellschafter/Gemeinschafter (BFH-Urteile vom 23. März 1995 IV R 63/93, BStBl II 1995, 700, 701; vom 10. Dezember 1991 VII R 69/86 BStBl II 1992, 385; vom 19. Januar 1982 VII R 21/77 BStBl II 1982, 456). Danach bestimmt sich auch im Falle der Realteilung die Verteilung des Aufgabegewinns nach dem gemeinen Wert der Wirtschaftsgüter, die auf den einzelnen Gesellschafter/Gemeinschafter übertragen werden. Der Aufgabegewinnanteil ergibt sich aus der Differenz zwischen diesem Wert und dem Buchwert des Gesellschafts-/Gemeinschaftsanteils (vgl. dazu auch Schmidt, EStG, 12. Aufl. 1993, § 16 Anm. 60 sowie 17. Aufl. 1998 Rz. 392). Diesen Grundsätzen folgt auch der Beklagte.
Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass für die Ermittlung des der Klägerin zuzurechnenden Aufgabegewinnanteils nur der gemeine Wert der Wirtschaftsgüter anzusetzen ist, die sie bei der Auseinandersetzung erhalten hat. Dass die Auseinandersetzung ohne Spitzenausgleich erfolgt ist, führt zu keinem anderen steuerlichen Ergebnis; denn steuerlich gesehen können sich selbst bei den Gesellschaftern/Gemeinschaftern gleichwertig zugeteilten Wirtschaftsgütern aufgrund unterschiedlicher Buchwerte auch unterschiedliche Aufgabegewinnanteile ergeben. Deshalb durfte das FA auch nicht ohne weiteres den Aufgabegewinn allein deshalb hälftig aufteilen, weil die Erben zu gleichen Teilen berechtigt waren.