Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.07.1999, Az.: 7 K 700/97 Ki
Unzulässigkeit der Klage bei fehlender eigenhändiger, handschriftlicher Unterschrift; Überschreiten der Einkommensgrenze durch Kind
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 20.07.1999
- Aktenzeichen
- 7 K 700/97 Ki
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 18004
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0720.7K700.97KI.0A
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die kindergeldschädliche Einkommensgrenze überschritten ist.
Der Kl beantragte am 30. April 1997 bei der Oberfinanzdirektion (Familienkasse) die rückwirkende Gewährung von Kindergeld für seine am 5. Oktober 1970 geborene Tochter J. Die Tochter des Kl befand sich zum damaligen Zeitpunkt in Ausbildung. Sie hatte ihr Studium für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen mit erfolgreicher Ablegung des ersten Staatsexamens am 13. Dezember 1994 beendet. Danach bewarb sie sich zum Mai 1995 für den Referendardienst. Diese Bewerbung schlug zunächst fehl; die Einstellung in den Referendardienst erfolgte erst zum 1. Mai 1996. In der Zwischenzeit nahm die Tochter des Kl ein Ergänzungsstudium (Sommer 1995; Exmatrikulation: 31. März 1996) auf und arbeitete in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis 30. April 1996 als Aushilfe beim Finanzamt.
Mit Bescheid vom 2. Juni 1997 setzte die Familienkasse das Kindergeld für den Zeitraum 1. Oktober 1996 bis 31. Dezember 1996 auf 0,00 DM fest. Zur Begründung wurde angegeben, die Einkünfte und Bezüge der Tochter des Kl überstiegen die kindergeldschädliche Grenze von 12.000,00 DM im Kalenderjahr 1996.
Dagegen richtet sich - nach erfolglosem Vorverfahren - die Klage. Unstreitig ist, dass die innerhalb der Klagefrist eingegangene Klageschrift vom 28. November 1997 keine eigenhändige (handschriftliche) Unterzeichnung enthält und dass erst nach Ablauf der Klagefrist die Unterschrift nachgeholt worden ist. Der Kl trägt im Wesentlichen vor: Der Zeitraum für die kindergeldmäßige Berücksichtigung seiner Tochter sei derjenige vom 1. Mai 1996 bis 31. Dezember 1996. Die ersten vier Monate aus 1996 mit der vollen Erwerbstätigkeit gehörten nicht dazu. Danach ergebe sich ein Unterschreiten der zeitanteiligen Grenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.
Der Kl beantragt,
ihm unter Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen das Kindergeld für die Tochter J für die Zeit von Oktober bis Dezember 1996 in einer Gesamthöhe von 600,00 DM zu bewilligen.
Der Beklagtenvertreter beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die beklagte Behörde ist anderer Ansicht. Sie geht davon aus, dass das Gesamteinkommen des Jahres 1996 zu berücksichtigen und somit die 12.000,00 DM-Grenze überschritten sei.
Dem Gericht hat die Kindergeldakte, die beim Beklagten geführt wird, vorgelegen. Wegen der rechnerischen Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben des Kindes für das Jahr 1996 wird auf Blatt 28 der genannten Akte Bezug genommen. Kurz vor der mündlichen Verhandlung hat der Kl einen Einkommensteuerbescheid 1996 des Finanzamts H für seine Tochter dem Gericht vorgelegt; insoweit wird auf die Blätter 27 bis 28 der Finanzgerichtsakte verwiesen. In der mündlichen Verhandlung hat sich der Kl zu der Frage, weshalb die Klageschrift nicht unterschrieben ist, und zur Ausbildung der Tochter J geäußert. Insoweit wird auf das Protokoll vom 20. Juli 1999 verwiesen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Zwar ist die Klage - trotz fehlender Unterschrift - schriftlich, damit in zulässiger Weise erhoben worden. Sie ist jedoch wegenÜberschreitens der kindergeldschädlichen Einkommensgrenze von 12.000,00 DM unbegründet.
1)
Nach § 64 Abs. 1 FGO ist die Klage bei dem Gericht schriftlich (oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) zu erheben. Das Schriftstück vom 28. November 1997, das den Kläger namentlich ausweist und fristgerecht beim Gericht eingegangen ist, erfüllt das Formerfordernis der Schriftlichkeit auch ohne eigenhändige Unterschrift. Denn § 64 Abs. 1 FGO fordert nicht das Vorliegen der Unterschrift.
Zwar gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Formerfordernis der Schriftlichkeit im Sinne des § 64 Abs. 1 FGO grundsätzlich die eigenhändige (handschriftliche) Unterzeichnung (vgl. BFH BStBl. II 1999, 313, 315 mit weiteren Nachweisen, auch zur gleichartigen Rechtsprechung anderer oberster Bundesgerichte). Gleichwohl folgt der Senat dem nicht. Denn die höchstrichterliche Rechtsprechung verlangt etwas, was das Gesetz hier gerade nicht fordert. § 105 Abs. 1 Satz 2 FGO verlangt neben der Schriftlichkeit (der Urteile) auch deren Unterzeichnung, auch § 150 Abs. 3 AO verlangt für Steuererklärungen die eigenhändige Unterschrift, nicht dagegen der für Klagen einschlägige § 64 Abs. 1 FGO. Im übrigen heißt es für das Vorverfahren in § 357 Abs. 1 Satz 2 AO, dass es genüge, wenn aus dem Schriftstück hervorgeht, wer den Einspruch eingelegt hat. Es ist kein Grund ersichtlich, warum im Gerichtsverfahren etwas anderes gelten muß (so Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, 16. Auflage, Loseblatt, 1997, § 64 FGO Tz. 9, vgl. auch Tz. 10 ff.; in diesem Sinne auch Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Auflage 1998, § 23 Rz. 148).
2)
Dennoch hat die (zulässige) Klage keinen Erfolg. Denn der Anspruch auf Kindergeld entfällt hier, weil die Einkommensgrenze von 12.000,00 DM vor allem wegen der Aushilfstätigkeit des volljährigen Kindes im Zusammenhang mit einer Wartezeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten überschritten wird.
Nach den §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 1 und 66 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG hat einen Anspruch auf Kindergeld, wer, wie hier der Kläger, im Inland einen Wohnsitz hat und mit dem Kind im ersten Grad verwandt ist. Unter den Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 32 Abs. 4 EStG können Kinder, wie die 1970 geborene Tochter des Kl, über die Vollendung des 18. Lebensjahrs hinaus kindergeldberechtigt berücksichtigt werden. Nach§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird oder sich in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von höchstens vier Monaten befindet oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Gemäß Satz 2 dieser Regelung wird ein Kind nach Satz 1 Nr. 2 nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12.000,00 DM im Kalenderjahr hat. § 32 Abs. 4 Sätze 6 und 7 EStG bestimmen, dass für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 nicht vorliegen, sich der Betrag von 12.000,00 DM nach Satz 2 um ein Zwölftel ermäßigt und dass Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, außer Ansatz bleiben.
Nach diesen Vorschriften hat die beklagte Behörde zu Recht für das Kalenderjahr 1996 bezüglich der Tochter des Kl kein Kindergeld im Hinblick auf ihre berücksichtigungsschädlichen Einkünfte und Bezüge gewährt. Denn die Zeit der Aushilfstätigkeit von Januar bis April 1996 ist als Teil der Wartezeit zur Fortsetzung der Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG mit in das Jahresrechenwerk einzubeziehen. Diese Wartezeit hatte schon mit der Bewerbung auf eine Referendarstelle begonnen. Dabei betrachtet der Senat das angestrebte und schließlich durchgeführte Referendariat als Teil der Gesamtausbildung zur Lehrerin. Diese Gesamtausbildung wurde nicht dadurch unterbrochen, dass die Tochter des Kl für wenige Monate eine intensive, aber letztlich zeitlich begrenzte Aushilfstätigkeit ausübte. Der Jahresgrenzbetrag von 12.000,00 DM nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird hier schon mit Blick auf den Bruttoarbeitslohn von rund 30.000,00 DM und im Hinblick darauf, dass der Senat den geltend gemachten Abzugsbetrag für doppelte Haushaltsführung von etwa 9.000,00 DM nicht anerkennt, deutlich überschritten. Hierbei ist der Senat an die anderslautende Berechnung des vorgelegten Einkommensteuerbescheids 1996 des Finanzamts Hildesheim nicht gebunden.
3)
Nach alledem ist die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.