Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.07.1999, Az.: V 362/97
Rechtliche Behandlung von Zuwendungen des Landes an den Kläger als Beliehenen ; Voraussetzungen für die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes; Anforderungen an einen als gemeinnützig anerkannten eingetragenen Verein
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.07.1999
- Aktenzeichen
- V 362/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 20523
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:0708.V362.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG
- § 10 Abs.1 UStG
- § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG
Fundstelle
- NWB DokSt 2001, 459
Verfahrensgegenstand
Umsatzsteuer-Voranmeldung I. Quartal 1997
Amtlicher Leitsatz
Bei Gewährung von Zuwendungen durch einen Verein als Beliehenen unterfallen die dem Verein erstatteten Personal- und Sachkosten nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG.
Der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 8. Juli 1999,
an der mitgewirkt haben:
1. Vizepräsidentin ... des Finanzgerichts ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtliche Richterin ...
5. ehrenamtlicher Richter ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten.
Tatbestand
Streitig ist, ob Zuwendungen des Landes an den Kläger als Beliehenen unter den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs.2 Nr.8 Umsatzsteuergesetz (UStG) fallen.
Der Kläger ist ein als gemeinnützig anerkannter, eingetragener Verein.
Vereinszweck ist die Förderung der Kunst und der Kultur in Niedersachsen sowie die Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens.
Dieser Zweck wird insbesondere verwirklicht durch
- die Durchführung und Förderung kultureller Projekte;
- die Organisation von Erfahrungsaustausch zwischen in der soziokulturellen Arbeit Tätigen;
- die Beratung aller kulturell engagierten Gruppen- und Einzel personen bei der Planung und Durchführung kultureller Vorhaben;
- die Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen.
Durch Vertrag vom Januar 1997 verlieh das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur dem Kläger gemäß § 44 Abs.3 Landeshaushaltsordnung (LHO) die Befugnis, über Anträge von Initiativen, Einrichtungen, Vereinen und Verbänden, die Aufgaben im Bereich der Soziokultur wahrzunehmen, auf Gewährung von Zuwendungen nach §§ 23 und 24 LHO und den dazu erlassenen Verwaltungsvorschriften für Projekte, Sonderprojekte und investive Maßnahmen im eigenen Namen und in den Handlungsformen desöffentlichen Rechts zu entscheiden.
Die Entscheidung des Klägers sind dabei auf der Grundlage der Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Soziokultur zu treffen.
Die im Landeshaushalt hierfür bereit gestellten Mittel werden von dem Kläger treuhänderisch für Rechnung des Landes verwaltet.
Die dem Kläger in Ausübung dieser Tätigkeit entstehenden Sach- und Personalausgaben werden vom Land Niedersachsen erstattet.
Der Kläger meint, diese Zuwendungen des Landes würden dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs.2 Nr.8 UStG unterfallen, weilseine Tätigkeit für das Land Niedersachsen ausschließlich der Erfüllung seiner satzungsmäßigen Aufgaben diene.
Er trägt vor, die Leistungen würden nicht im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ausgeführt. Vielmehr handele es sich um einen steuerunschädlichen Zweckbetrieb im Sinne des§ 65 Abgabenordnung (AO). Eine Wettbewerbssituation zu anderen gewerblich tätigen Unternehmern bestehe nicht, da derartige Tätigkeiten üblicherweise von der öffentlichen Hand selbst ausgeführt werden und der Kläger nur aufgrund des besonderen Rechtsinstituts der Beleihung überhaupt mit einer solchen Tätigkeit betraut werde.
Dass der Verein steuerbegünstigte Zwecke verfolge, habe der Beklagte für die Körperschaftssteuer durch Freistellungsbescheid bereits festgestellt. Hieraus folge eine Bindungswirkung auch für die Umsatzsteuer.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuervorauszahlung für das 1. Quartal 1997 um 14.086,45 DM zu mindern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht in Betracht komme.
Mit der Durchführung von Verwaltungsaufgaben für Dritte (z.B.der Entscheidung über die Mittelvergabe für Baumaßnahmen und Ausstattungen von soziokulturellen Zentren) würden die satzungsmäßigen Zwecke des Klägers nicht verwirklicht. Der Beklagte bezieht sich dabei auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. November 1995 (V R 29/91, BStBl II 1997, 189).
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte Bezug genommen. Dem Gericht haben die Steuerakten des Klägers zu Steuernummer vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat zu Recht die Erstattungen des Landes Niedersachsen für Sach- und Personalkosten des Klägers, die in Zusammenhang mit der Gewährung von Zuschüssen für die Förderungder Soziokultur stehen, dem regelmäßigen Steuersatz gemäß § 12 Abs.1 UStG unterworfen.
Die Erstattungen stellen Entgelt im Sinne des § 10 Abs.1 UStG dar. Den Erstattungen liegt ein steuerbarer Leistungsaustauschgemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG zugrunde. Denn die Gewährung von Zuschüssen für die Förderung der Soziokultur erfolgte in Erwartung der vertragsmäßig vereinbarten Erstattung der dem Kläger in Wahrnehmung dieser Aufgabe entstehenden Personal- und Sachkosten durch das Land Niedersachsen. Insoweit ist die für § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erforderliche finale Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung gegeben. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die Erstattungen sind nicht steuerbegünstigt nach§ 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 AO). Dies gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden.§ 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG wird ergänzt durch die Regelung des Gemeinnützigkeitsrechts in § 64 AO. Diese bestimmt für den Fall eines gesetzlichen Ausschlusses der Steuervergünstigung insoweit, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) unterhalten wird, dass die Körperschaft für diese Werte (z.B. Umsätze), die zu diesem Betrieb gehören, die Steuervergünstigung verliert, soweit nicht ein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68 AO) gegeben ist.
Mit der Übernahme und Durchführung der im Vertrag vom Januar 1997 genannten Aufgabe "Förderung der Soziokultur in Niedersachsen" als Beliehener übt der Kläger eine selbständige nachhaltige Tätigkeit aus, durch die er Einnahmen erzielt und die über den Rahmen der Vermögensverwaltung (§ 14 AO) hinausgeht.
Der mithin vorhandene wirtschaftliche Geschäftsbetrieb des Klägers ist kein steuerlich unschädlicher Zweckbetrieb. Ein Zweckbetrieb ist nur gegeben, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtausrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr.1 AO), diese Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO) und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei der Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr.3 AO). Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb "Förderungstätigkeit für das Land Niedersachsen" dient in seiner Gesamtrichtung nicht dazu, die steuerbegünstigten Zwecke des Klägers zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO). Soweit der Kläger diese ihm durch Vertrag zugewiesene Aufgabe wahrnimmt, tut er dies als Beliehener. Durch Beleihung wird einer Privatperson, meist einem Unternehmer, eine öffentlich-rechtliche Rechts- und Pflichtenstellung übertragen. Der Beliehene wird dadurch praktisch zu einem Teil öffentlich- rechtlicher Verwaltung; sein Handeln ist öffentlich-rechtlich (vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 22 Rn. 25). Der Kläger hat als Beliehener in alleiniger Zuständigkeit abschließend über die Anträge auf Gewährung von Landesmitteln zur Förderung von Aufgaben im Bereich der Soziokultur zu entscheiden. Als Teil der öffentlich-rechtlichen Verwaltung hat er sein Handeln dabei an den öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Landeshaushaltsordnung und an den "Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Soziokultur" auszurichten. Etwaige Ermessensspielräume bei der Gewährung von Zuwendungen sind dabei unter Zugrundelegung der genannten - die öffentliche Verwaltung bindenden - Vorschriften auszufüllen. Der Kläger wird mithin aufgrundöffentlichen Rechts und nicht aufgrund seiner Vereinssatzung tätig. Bereits deshalb kann diese Tätigkeit nicht dazu dienen, satzungsmäßig steuerbegünstigte Zwecke zu verwirklichen. Dass der Kläger mit der Übernahme dieser Förderungstätigkeit für das Land mittelbar auch Aufgaben wahrnimmt, die einen Bezug zu seiner satzungsmäßigen Tätigkeit hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn § 57 AO verlangt ausdrücklich dieunmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke.
Außerdem ist davon auszugehen, dass die steuerbegünstigten Zwecke des Klägers nicht nur durch seinen Geschäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO). Der Vereinszweck wird insbesondere verwirklicht durch die Organisation von Erfahrungsaustausch zwischen in der soziokulturellen Arbeit Tätigen, deren Beratung sowie der Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen. Dazu bedarf es sicherlich keiner Förderungstätigkeit für das Land, die nach Gliederungspunkt 2.1 der "Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der Soziokultur" als Gegenstand der Förderung u.a. Um- und Erweiterungsbauten sowie Erst-, Ergänzungs- und Ersatzbeschaffungen vorsieht.
Dass der Beklagte einen Freistellungsbescheid für die Körperschaftssteuer erteilt hat, hat keine Bindungswirkung für die Frage, ob es sich bei den Umsätzen des Klägers um solche im Sinne des§ 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG handelt. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.