Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.07.1999, Az.: III 476/98

Berücksichtigung einer fiktiven Minderung der Bereicherung nach Maßgabe des mutmaßlichen Erblasserwillens ; Zulässigkeit der rückwirkenden Erhöhung des Freibetrages

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
07.07.1999
Aktenzeichen
III 476/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 19494
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:0707.III476.98.0A

Fundstellen

  • NWB 1999, 3460
  • NWB DokSt 2000, 793

Verfahrensgegenstand

Erbschaftsteuer

Amtlicher Leitsatz

Die erst nach dem Tod eines Erblassers im Jahre 1996 rückwirkend (§ 37 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1997) erhöhten Freibeträge des§ 16 ErbStG begründen keinen Rechtsanspruch eines Erwerbers, eine fiktive Minderung der Bereicherung nach Maßgabe des mutmaßlichen Erblasserwillens zu berücksichtigen.

Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
ohne mündliche Verhandlung
in der Sitzung vom 7. Juli 1999
fürRecht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kl aufgrund der rückwirkenden Inkraftsetzung der erhöhten Freibeträge des§ 16 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1996 (Bundesgesetzblatt I S. 2049) - im folgenden: ErbStG 1996 - auf Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 1995 entstanden ist, einen Anspruch auf Ermäßigung seines der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerbs hat.

2

Der am 21. Mai 1996 verstorbene - im folgenden: Erblasser - war u.a. von dem Kl zu 1/10 des Nachlasses beerbt worden. Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen den Kl für diesen Erwerb durch Bescheid vom 3. März 1998 Erbschaftsteuer von DM nach einem steuerpflichtigen Erwerb von DM fest. Hierbei folgte das FA nicht dem zuvor gestellten Antrag des Kl, seinen steuerpflichtigen Erwerb um DM zu ermäßigen. Diesen Antrag hatte der Kl wie folgt begründet: Dem Erblasser sei es nicht möglich gewesen, die von ihm vorgenommenen Geldschenkungen an seine - des Kl - Kinder den durch das ErbStG 1996 rückwirkend ab 1. Januar 1996 in Kraft gesetzten erhöhten Freibeträgen anzupassen. Der Erblasser hätte, wenn ihm die Erhöhung der Freibeträge bekannt gewesen wäre, mit Sicherheit die Geldschenkungen an die neue Rechtslage angepasst. Demgemäß seien die Schenkungen des Erblassers an seine - des Kl - Kinder um jeweils DM auf DM zu erhöhen und sein - des Kl - steuerpflichtiger Erwerb entsprechend zu kürzen. Das FA wies den gegen den Erbschaftsteuerbescheid erhobenen Einspruch durch Bescheid vom 12. November 1998 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Dem Begehren des Kl könne schon mit Rücksicht auf seinen tatsächlich erlangten steuerpflichtigen Erwerb nicht gefolgt werden. Die rückwirkende Erhöhung des Freibetrages durch§ 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1996 sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber sei nicht gehalten gewesen, dem Schenker nachträglich weitere Schenkungen zur vollen Ausschöpfung des erhöhten Freibetrages zu ermöglichen. Überdies hätte der Erblasser auch ohne genaue Kenntnis der neuen Freibeträge die Möglichkeit gehabt, diese durch geeignete Gestaltung voll auszuschöpfen.

3

Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung der Kl vorträgt: Der Gesetzgeber habe durch die späte Inkraftsetzung des ErbStG 1996 eine Ausschöpfung der rückwirkend erhöhten Freibeträge unterbunden. In der Phase des Übergangs zwischen altemund neuem Recht seien Lücken entstanden, die dem Gleichheitsgebot (Art. 3 GG) zuwiderliefen. Der Erblasser habe im übrigen kaum die Möglichkeit gehabt, eine volle Ausschöpfung des Freibetrages auf§ 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1996 sicherzustellen.

4

Der Kl beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Erbschaftsteuerbescheides vom 3. März 1998 und des Einspruchsbescheides vom 12. November 1998 die Erbschaftsteuer nach einem steuerpflichtigen Erwerb von DM auf DM festzusetzen.

5

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Es tritt dem Vorbringen des Kl entgegen.

7

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und auf die beim FA geführte Erbschaftsteuerakte (Steuernummer:) Bezug genommen.

8

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist unbegründet.

10

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ErbStG 1996 unterliegen Erwerbe von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG 1996 die Bereicherung des Erwerbers, soweit sienicht steuerfrei ist. In den Fällen des § 3 ErbStG 1996 gilt als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG 1996 abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abgezogen werden. Mit den vorgenannten Bestimmungen umschreibt das ErbStG 1996 den steuerpflichtigen Vermögenszuwachs und die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer. In diesen Bestimmungen drückt sich die Anknüpfung des ErbStG 1996 als Bereichungssteuer aus, die die mit dem Erbfall eintretende Bereicherung der Steuerunterwirft (vgl. Meincke, Kommentar zum ErbStG 11. Aufl. 1997, § 1 Rz. 4 m.w.N.).

11

Im Streitfall hat das FA zutreffend die Bereichung des Kl von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterworfen. Rechtsfehler hinsichtlich der in dem angegriffenen Bescheid erfolgten Berechnung der Erbschaftsteuer hat der Kl weder vorgetragen noch sind solche nach Aktenlage ersichtlich.

12

Für das Begehren des Kl, einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Betrag von DM als bereicherungsmindernd zu erfassen, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Zwar ist dem Kl einzuräumen, dass der Erblasser - ungeachtet der vom FA in dem angegriffenen Einspruchsbescheid aufgezeigten Möglichkeiten - wegen der Rechtsunsicherheit in der erbschaftsteuerlichen Behandlung von Erwerben von Todes wegen sowie der Höhe der Freibeträge in der Zeit seit der Veröffentlichung des BVerfG Beschlusses vom 22. Juni 1995 (2 BvR 552/91 - BStBl 1995 II S. 671) und seinem Ableben am 21. Mai 1996 in seinen Dispositionenüber die Verteilung seines Vermögens zu Lebzeiten bzw. von Todes wegen eingeschränkt gewesen sein kann (krit. dazu z.B. Völkers/Kolaschnik ZEV 1996 S. 214; Moench, Kommentar zum ErbStG, Loseblattausgabe Stand April 1999, § 37 Rz. 2).

13

Derartige Rechtsunsicherheiten hat jedoch das BVerfG in seinem Beschluss vom 22. Juni 1995 (a.a.O.) ersichtlich mit seiner Anordnung, dass eine gesetzliche Neuregelung (erst) bis zum 31. Dezember 1996 zutreffen sei und dass es für die Zeit ab 1. Januar 1996 bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung verbleiben könne, in Kauf genommen und als (verfassungs-)rechtlich hinnehmbar erachtet. In jedem Fall ist die vom Kl begehrte "fiktive" Minderung seiner Bereicherung nach Maßgabe des mutmaßlichen Erblasserwillens -die Kenntnis des Erblassers von der erst nach seinem Tod rückwirkend in Kraft gesetzen Erhöhung des Freibetrages aus § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1996 und entsprechend erhöhte Geldzuwendungen an die Kinder des Kl vorausgesetzt - mit der Regelung des § 10 ErbStG unvereinbar; auch sonst gibt es für dieses Begehren keine gesetzliche Grundlage.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

15

Die Revision ist nicht zugelassen worden.