Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.06.2001, Az.: L 4 KR 29/00

Zahlungsweise des Krankengeldes

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
28.06.2001
Aktenzeichen
L 4 KR 29/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 24589
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2001:0628.L4KR29.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Stade - 13.01.2000 - AZ: S 1 KR 65/99

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Vorschriften über die Zahlungsweise des Krankengeldes nach Kalendermonaten mit je 30 Tagen und die nach Wochen bestimmte Dauer des Krankengeldes haben unterschiedliche Zielsetzungen und sind daher nicht deckungsgleich (§ 47 Abs. 1 Sätze 4 und 5 in der alten Fassung durch das Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 12.12.1996, BGBl. I 1859 - heute: § 47 Abs. 1 Sätze 6 und 7 SGB V; § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V).

  2. 2.

    Der pauschale Ansatz von 30 Tagen pro Kalendermonat (§ 47 Abs. 1 Sätze 4 und 5 in der alten Fassung durch das Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 12.12.1996, BGBl. I 1859 - heute: § 47 Abs. 1 Sätze 6 und 7 SGB V) dient der technischen Vereinfachung der Krankengeldzahlung.

Der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle
hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2001
durch
die Richterin Schimmelpfeng-Schütte - Vorsitzende -,
den Richter Wolff und die Richterin Böhmer-Behr sowie
die ehrenamtliche Richterin Sand und
den ehrenamtlichen Richter Stiegen
für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 13. Januar 2000 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 17. Januar 1999 bis 26. Januar 1999.

2

Der am 16. Oktober 1937 geborene Kläger war bei der Beklagten als Selbständiger freiwillig versichert mit Krankengeldanspruch vom Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit an. Seit dem 2. Juni 1997 war er wegen eines chronisch rezidivierenden Lumbalsyndroms arbeitsunfähig. Die Beklagte zahlte ihm ab 17. Juni 1997 bis zum 16. Januar 1999 Krankengeld (kalendertägliche Höhe bis zum 31. Mai 1998: 91,00 DM; ab dem 1. Juni 1998: 92,34 DM). Die Zahlungen ruhten für die Zeit vom 15. Januar 1998 bis 16. Februar 1998. Die Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 3. September 1998 darauf hin, dass sein Krankengeldanspruch am 29. November 1998 ende. Am 26. November 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Krankengeldanspruch am 16. Januar 1999 ende. Sie führte aus, das sie den Beginn der 78 Wochen ab Beginn der Krankengeldzahlung berechnet habe. Da auch für den Ruhenszeitraum eine Beitragszahlung erfolgt sei, sei diese Zeit nicht mitberücksichtigt worden. Krankengeld sei für längstens 78 Wochen zu zahlen. Dies entspreche 546 Kalendertagen. Dagegen legte der Kläger am 1. Dezember 1998 Widerspruch ein und führte aus, die Beklagte habe den 31. des Monats bei der Zahlung nicht berücksichtigt und nur für insgesamt 536 Tage anstatt für 546 Kalendertage gezahlt.

3

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 1999 zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass nach § 47 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) das Krankengeld für Kalendertage gezahlt werde. Sei für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, sei dieser mit 30 Tagen anzusetzen. Nach § 48 Abs. 1 SGB V erhielten Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an.

4

Nach § 48 Abs. 3 SGB V würden bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldes Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruhe, wie Zeiten des Bezuges von Krankengeld berücksichtigt. Zeiten, für die kein Anspruch auf Krankengeld bestehe, blieben unberücksichtigt.

5

Soweit hier geltend gemacht werde, dass bei der Berechnung und der Fristsetzung der Krankengeldhöchstbezugsdauer die gleichen zeitlichen Grundsätze anzusetzen seien, wie bei der Zahlung des Krankengeldes, so könne das allein schon aus der Gesetzeschronologie keine Berücksichtigung finden. Es bestünden zwei getrennte Gesetzesbestimmungen. In der einen werde die Zahlungsweise des Krankengeldes (hier Kalendertage) zuzüglich einer Sonderregelung (Monat mit 30 Tagen) festgelegt. In einer davon getrennten weiteren Gesetzesbestimmung werde die Fristenberechnung (78 Wochen innerhalb von je drei Jahren) festgelegt. Nach § 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) würden für die Berechnung von Fristen und die Bestimmung von Terminen §§ 187 bis 193 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechend gelten. Gemäß § 188 BGB ende eine Frist, die nach Wochen bestimmt sei, mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspreche, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt falle, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstage der Frist entspreche. Entsprechend habe es auch bei allen Rechtsstreitigkeiten, die im Zusammenhang mit der Berechnung der Höchstbezugsdauer höchstrichterlich entschieden worden seien, keinen davon abweichenden Berechnungsmodus gegeben.

6

Hiergegen hat der Kläger am 12. April 1999 Klage zum Sozialgericht (SG) Stade erhoben und die Auszahlung von Krankengeld für weitere 10 Kalendertage begehrt.

7

Das SG hat mit Urteil vom 13. Januar 2000 die Bescheide der Beklagten vom 3. September und 26. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 1999 aufgehoben und sie verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit vom 17. bis 26. Januar 1999 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, von der Höchstbezugsdauer im Hinblick auf die Berechnungsvorschrift des § 47 Abs. 1 Satz 5 SGB V abzuweichen. Zwar würde es dort heißen, der Kalendermonat werde mit 30 Tagen angesetzt, wenn das Krankengeld für den ganzen Monat zu zahlen sei. Die Fiktion stehe jedoch im systematischen Zusammenhang mit den ansonsten vor allem in § 47 SGB V enthaltenen Berechnungsvorschriften. Bezugspunkt sei vor allem § 47 Abs. 2 Satz 3 SGB V, wonach als Regelentgelt (von dem ausgehend das Krankengeld mit einem bestimmten Prozentsatz ermittelt werde) der 30. Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten Arbeitsentgelts als Regelentgelt anzusehen sei. Die Auslegung der Beklagten sei mit dem Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur schwer zu vereinbaren. Die Höchstbezugsdauer wäre im Einzelfall jeweils davon abhängig, ob das Krankengeld für Kalendertage, wochenweise oder jeweils für einen ganzen Kalendermonat gezahlt werde. Während sich bei kalendertäglicher oder wöchentlicher Zahlungsweise der Höchstanspruch von 78 Wochen bzw 546 Tagen realisiere, müsse sich ein Versicherter mit monatlichen Krankengeldbezügen - wie der Kläger - mit der je nach dem Beginn des Zeitpunktes kürzeren Zahlungsdauer abfinden. Zufällige Abweichungen ergäben sich bei der Sichtweise der Beklagten auch danach, ob die Arbeitsunfähigkeit in einem Kalendermonat mit 31 Tagen oder aber mit weniger Tagen beginne.

8

Die Beklagte hat gegen das ihr am 4. Februar 2000 zugestellte Urteil am 11. Februar 2000 die vom SG zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass § 47 Abs. 1 SGB V eine gesetzlich vorgesehene Pauschalierung der Krankengeldzahlung enthalte, an die die gesetzliche Krankenversicherung gebunden sei. Die Krankengeldzahlung sei dementsprechend richtig für insgesamt 536 Tage innerhalb der Anspruchsfrist von 78 Wochen vorgenommen worden. Die Einlassung, dass das Krankengeld nicht monatlich gezahlt worden sei, greife nicht, da die Auszahlung des Krankengeldes abhängig von den vorgelegten Auszahlungsscheinen stets bis zum Tag der bestätigten Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen habe. Der Zahlungsrhythmus sei den Versicherten freigestellt, auch monatliche Zahlungen seien möglich. Die Pauschalierung der Krankengeldzahlung für ganze Kalendermonate nach § 47 SGB V habe keinen Einfluss auf die Höchstbezugsdauer nach § 48 SGB V.

9

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 13. Januar 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

11

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte und der Prozessakte Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

13

Die vom SG gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGG) zugelassene Berufung ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

14

Sie ist auch begründet.

15

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 17. Januar 1999 bis 26. Januar 1999.

16

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden. Gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V entsteht der Anspruch auf Krankengeld von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 4 SGB V in der hier anzuwendenden Fassung durch das Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 12. Dezember 1996 (BGBl I 1859) wird das Krankengeld für Kalendertage gewährt. Ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen (§ 47 Abs. 1 Satz 5 SGB V idF vom 12. Dezember 1996). Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Nach § 48 Abs. 3 SGB V werden bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldes Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruht, wie Zeiten des Bezuges von Krankengeld berücksichtigt. Zeiten für die kein Anspruch auf Krankengeld besteht, bleiben unberücksichtigt.

17

Während § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V somit die Dauer des Krankengeldes regelt, bestimmt § 47 Abs. 1 Satz 5 SGB V idF vom 12. Dezember 1996 die Art und Weise der Zahlung des Krankengeldes, wenn es für einen ganzen Kalendermonat zu gewähren ist. Die Berechnung richtet sich dabei nicht nach den Tagen, an denen tatsächlich gearbeitet worden wäre. Es gilt vielmehr eine Sonderregelung. Aus Gründen der Vereinfachung wird jeder Kalendermonat pauschal mit 30 Tagen angesetzt, gleichgültig, ob der einzelne Monat 28, 30 oder 31 Tage hat. Das bedeutet einerseits, dass auch der Februar mit 30 Tagen angesetzt wird und dass das Krankengeld außerdem auch für Kalendertage gezahlt wird, an denen nicht gearbeitet worden wäre, z. B. für Sonn- und Feiertage oder für sonstige arbeitsfreie Tage. Andererseits aber werden die Monate Januar, März, Mai, Juli, August, Oktober und Dezember nicht mit 31, sondern nur mit 30 Tagen berechnet.

18

Diese allein zur technischen Vereinfachung der Zahlungsweise von Krankengeld in § 47 Abs. 1 Satz 5 SGB V idF vom 12. Dezember 1996 getroffene Regelung ist zu unterscheiden von der Regelung der Dauer des Krankengeldes. Die Höchstdauer des Krankengeldes bestimmt sich nach Wochen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Unabhängig von dem Zahlungsmodus gemäß § 47 Abs. 1 Satz 5 SGB V idF vom 12. Dezember 1996 endet die Gewährung von Krankengeld mit Ablauf von 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren. Die pauschale Zahlungsweise des Krankengeldes nach Kalendermonaten mit je 30 Tagen (§ 47 Abs. 1 Satz 5 SGB V idF vom 12. Dezember 1996) und die nach Wochen bestimmte Dauer des Krankengeldes (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V) haben unterschiedliche Zielsetzungen und sind daher nicht deckungsgleich.

19

Die Beklagte hat dem Kläger Krankengeld vom 17. Juni 1997 bis zum 16. Januar 1999 gezahlt und dabei den Zeitraum des Ruhens des Krankengeldanspruches (15. Januar 1998 bis 16. Februar 1998 - 33 Tage -) nicht berechnet. Sie hat ihm somit Krankengeld für die Höchstdauer des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V gewährt. Ein darüber hinausgehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

21

Es haben keine gesetzlichen Gründe vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).