Landessozialgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.06.2001, Az.: L 4 KR 66/96 ZVW
Verjährung bei Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 07.06.2001
- Aktenzeichen
- L 4 KR 66/96 ZVW
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 24587
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2001:0607.L4KR66.96ZVW.0A
Fundstellen
- Breith. 2001, 827-828
- NZS 2002, 112
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts unterliegt nicht der Verjährung (Anschluss an BSG, Beschluss vom 15.02.2001 - 6 RKa 20/93 -).
- 2.
Maßgebend für die Festsetzung des Gegenstandswerts ist der mit dem Rechtsstreit verfolgte unmittelbare wirtschaftliche Erfolg. Der mittelbare wirtschaftliche Erfolg des Rechtsstreites ist nicht zu berücksichtigen.
- 3.
Liegen in Zulassungsstreitigkeiten nichtärztlicher Leistungserbringer exakte Zahlen vor, die den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg des Rechtsstreits konkretisieren, kommt bei der Festsetzung des Gegenstandswerts eine Schätzung nach den voraussichtlichen Jahreseinnahmen nicht in Betracht.
Der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle
hat am 7. Juni 2001
durch
die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht Schimmelpfeng-Schütte
beschlossen:
Tenor:
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Berufungsverfahren wird auf 7.736,59 DM festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes ist statthaft.
Die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung hinsichtlich des Rechts der Klägerin, jetzt noch den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes zu stellen, ist unbeachtlich. Eine gesetzliche Ausschlussfrist, nach deren Ablauf ein Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes nicht mehr gestellt werden kann, existiert nicht. Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes unterliegt nicht der Verjährung. Denn bei der Festsetzung des Gegenstandswertes geht es nicht um einen materiell-rechtlichen Anspruch. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ist vielmehr lediglich eine von mehreren Voraussetzungen für die Durchsetzung eines Kostenerstattungsanspruches. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 15. Februar 2001 (6 RKa 20/83) an.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist das Antragsrecht auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung prozessualer Befugnisse kann vorliegen, wenn die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Allerdings führt der Zeitablauf allein noch nicht zur Verwirkung. Es müssen besondere Umstände hinzukommen, die die späte Antragstellung als missbräuchlich und dem Gegner nicht zumutbar erscheinen lassen (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl. 1998, § 66 Rn 13 a mwN). Solche Umstände hat der Beklagte weder vorgetragen noch bestehen hierfür Anhaltspunkte.
Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Berufungsverfahren - L 4 KR 66/96 ZVW - beträgt 7.736,59 DM.
Nach § 116 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) i.V.m. § 51 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 10 BRAGO, § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO ist der Gegenstandswert für das sozialgerichtliche Verfahren mangels vorhandener ausdrücklicher Wertvorschriften nach billigem Ermessen zu bestimmen; bei nicht vermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert auf 8.000,00 DM, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 1 Million DM anzunehmen. Da für Zulassungsstreitigkeiten keine der in § 8 Abs. 2 Satz 1 BRAGO aufgeführten Vorschriften der Kostenordnung anwendbar ist, ist der Gegenstandswert im vorliegenden Fall nach billigem Ermessen zu bestimmen.
Streitgegenstand war die Kassenzulassung zur Abgabe von Sehhilfen im Ersatzkassenbereich in der Zeit vom 12. November 1990 bis zur Schließung des Betriebes der Klägerin am 11. Februar 1994. Der Rechtsstreit richtete sich gegen den Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. und war daher auf den Bereich der Ersatzkassen begrenzt. Der Streitgegenstand beschränkte sich darüber hinaus auf die Zulassung ausschließlich für das Filialgeschäft in A.. Für das Rechtsverhältnis der Klägerin zu den übrigen gesetzlichen Krankenkassen hatte das Verfahren zwar präjudizielle, aber doch nur eine mittelbare Bedeutung. Entsprechendes gilt für die wirtschaftliche Situation des Hauptgeschäfts der Klägerin in B.. Dieser lediglich mittelbare wirtschaftliche Erfolg des Rechtsstreites ist nach Auffassung des Senats bei der Bestimmung des Gegenstandswertes nicht zu berücksichtigen. Das folgt nicht nur aus dem in § 8 Abs. 2 Satz 1 BRAGO i.V.m. § 18 Abs. 2 Kostenordnung niedergelegten allgemeinen Grundsatz, dass es für die Bestimmung des Wertes eines Verfahrens auf den Hauptgegenstand des Geschäfts ankommt; für Fälle der vorliegenden Art bedeutet das, dass ausschließlich auf den mit dem Streitgegenstand des Rechtsstreits unmittelbar verfolgten wirtschaftlichen Wert abzustellen ist. Die Unbeachtlichkeit des mittelbaren wirtschaftlichen Erfolgs wird weiter dadurch belegt, dass sich der Gegenstandswert auch bei einer Klage, mit der nur ein Teilbetrag einer Forderung geltend gemacht wird, nur nach diesem Teilbetrag bemisst, nicht aber nach dem mittelbaren wirtschaftlichen Erfolg der Klage für den Gesamtbetrag der Forderung.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Gegenstandswert nicht nach dem Dreifachen der Jahreseinnahmen des Filialbetriebes zu bestimmen. Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass der Senat bei Zulassungsstreitigkeiten in entsprechender Anwendung von § 13 Gerichtskostengesetz regelmäßig den Ansatz von drei Jahreseinnahmen für angemessen hält. Der Ansatz von drei Jahreseinnahmen ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn zur Konkretisierung des angestrebten wirtschaftlichen Erfolges des Rechtsstreites exakte Zahlen nicht verfügbar sind und aus diesem Grund eine Schätzung vorgenommen werden muss. Liegt jedoch konkretes Zahlenmaterial vor, scheidet eine Schätzung aus. Es entspricht in diesen Fällen billigem Ermessen, den tatsächlichen Wert zugrunde zu legen.
Nach Angaben der Klägerin sind ihr seitens der Ersatzkassen für den streitigen Zeitraum Kassenanteile von insgesamt 15.473,18 DM (13.549,00 DM - DAK plus 1.924,18 DM - BEK) erstattet worden. Von diesem Betrag sind geschätzte Unkosten von 50 % abzusetzen, so dass ein Wert von 7.736,59 DM verbleibt.
Soweit die Klägerin die Festsetzung eines Gegenstandswertes von 36.000,00 DM für das einstweilige Anordnungsverfahren vor dem Sozialgericht Hannover - S 2 Kr 85/91 eA - beantragt, bleibt sie erfolglos. Über die Festsetzung des Gegenstandswertes im erstinstanzlichen Verfahren hat das Sozialgericht selbst zu entscheiden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).