Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.06.2001, Az.: L 4 KR 174/99
Anspruch gegen gesetzliche Krankenkasse auf Kostenerstattung von selbstbeschaffter Leistung; Umfang der Versorgung mit Arzneimitteln und Heilmitteln; Instantdickungsmittel "Quick & Dick"
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 28.06.2001
- Aktenzeichen
- L 4 KR 174/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 25750
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2001:0628.L4KR174.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 03.08.1999 - AZ: S 11 KR 142/98
Rechtsgrundlagen
- § 13 Abs 3 SGB V
- § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V
Fundstellen
- NZS 2002, 263
- SGb 2002, 332
Prozessführer
B.
Prozessgegner
Deutsche Angestellten-Krankenkasse, Nagelsweg 27.35.20097 Hamburg.
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine Versicherte, die an erheblicher Schluckstörung (Mikrozephalie) leidet, hat keinen Anspruch gegen ihre gesetzliche Krankenkasse auf Versorgung mit dem Instant-Dickungsmittel "Quick & Dick".
- 2.
Das Instant-Dickungsmittel "Quick & Dick" ist ein Lebensmittel und weder ein Arzneimittel noch ein Heilmittel oder ein Hilfsmittel iSd §§ 31 Abs. 1 Satz 1, 32 Abs. 1, § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V.
Der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle
hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2001
durch
die Richterin Schimmelpfeng-Schütte - Vorsitzende -,
den Richter Wolff und
den Richter Schreck sowie
die ehrenamtliche Richterin Sand und
den ehrenamtlichen Richter Stiegen
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 3. August 1999 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen..
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten nach Rücknahme der Klage, im Übrigen über die Kostenerstattung für das Instant-Dickungsmittel "Quick & Dick" ab Bekanntgabe des Bescheides vom 11. Februar 1998.
Die am 12. Juli 1991 geborene Klägerin ist bei der Beklagten familienversichert. Sie leidet unter einer Mikrozephalie, die erhebliche Schluckstörungen zur Folge hat. Sie erhält Leistungen nach Pflegestufe III nach dem Pflegeversicherungsgesetz (Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI -).
Am 21. November 1997 verordnete die Ärztin für Allgemeinmedizin D. auf Kassenvordruck 4 × 225 mg "Quick & Dick " und führte in ihrem Attest vom selben Tag aus, dass die Klägerin durch eine Mikrozephalie an erheblichen Schluckstörungen leide, vor allem bei sehr flüssiger Nahrung. Feste Nahrung nähme sie nicht zu sich. Die Ernährung sei nur mit breiiger Nahrung möglich. Die Klägerin sei dadurch unterernährt und untergewichtig. Eine adäquate Nährstoff- und Vitaminaufnahme sei nicht gewährleistet. Um weitere Fehlernährung abzuwenden, benötige die Klägerin zum Aufnehmen der Nahrung den Zusatz "Quick & Dick". Hiermit könne die Nahrungsmittelpalette erweitert werden. Der Verordnung sowie dem Attest lag die Produktbeschreibung der Firma Pfrimmer Nutricia GmbH und Co KG über das Produkt "Quick & Dick" bei. Hierbei handelt es sich um ein Instant-Dickungsmittel, welches heißen oder kalten Getränken, Trinknahrungen, Suppen oder pürierten Speisen zugegeben werden kann, um eine festere Konsistenz zu erhalten. Nach Herstellerangabe handelt es sich hierbei um ein diätetisches Lebensmittel ua zur besonderen Ernährung bei Schluckstörungen im Rahmen eines Diätplanes.
Die Beklagte zog das Gutachten nach Aktenlage der Kinderärztin E. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Niedersachsen, vom 21. Januar 1998 bei. Frau Dr. F. führte aus, dass es sich bei dem Dickungsmittel um ein diätetisches Lebensmittel handele, welches nach den Arzneimittel-Richtlinien von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag auf Gewährung des Instant-Dickungsmittels mit Bescheid vom 11. Februar 1998 ab: Lebensmittel besonderer Beschaffenheit, die anstelle gewöhnlicher Lebensmittel verwendet würden, seien weder Arznei- noch Heilmittel im Sinne des SGB V.
Dagegen legte die Mutter der Klägerin als deren gesetzliche Vertreterin fristgerecht Widerspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend, dass es sich bei dem begehrten Instant-Dickungsmittel weder um ein Arznei- noch um ein Heilmittel, sondern um ein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung handele. Das Produkt ermögliche, der Versicherten gewöhnliche Nahrungsmittel und insbesondere Flüssigkeiten zuzuführen, es werde gerade nicht als Nahrungsmittel verwendet. Diese würden auf eigene Rechnung beschafft, wofür keine Kostenübernahme beantragt worden sei. Die Klägerin könne infolge ihrer schweren Mehrfachschädigung weder saugen noch ihren Mund schließen, weshalb die Flüssigkeitszufuhr, die auf Grund massiver Verdauungsprobleme ohnehin erhöht sei, ein großes Problem darstelle. Mit dem Instant-Dickungsmittel könnten sowohl kalte als auch warme Flüssigkeiten angedickt werden. Bei der Klägerin stünde der Einsatz einer Ernährungssonde im Raum, um die lebensnotwendige Flüssigkeitszufuhr sicherzustellen. Hierdurch würde die Klägerin nur unnötig beansprucht. Zudem stünden den Kosten für das Instant-Dickungsmittel iHv 113,70 DM/Monat Mehrkosten für die Sondenernährung in Höhe von ca 1.306,80 DM/Monat gegenüber. Die Mutter der Klägerin hat sich im Übrigen auf die vorgelegte Aufstellung des Ernährungsberaters G. vom 29. Juni 1998 und auf das Schreiben des Landkreises Hannover - Gesundheitsamt - vom 19. Dezember 1997 berufen.
Den Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss bei der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 1998 unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Dezember 1997 - 1 RK 23/95 = BSGE 81, 240 - zurück: Lebensmittel seien von der Versorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Dies gelte auch, wenn ihnen über den generellen Ernährungszweck hinaus krankheitsheilende oder -lindernde Wirkung zukomme. Mehraufwendungen wegen krankheitsbedingter Verwendung bestimmter Lebensmittel oder Diätkost könnten von den gesetzlichen Krankenversicherungen nicht erstattet werden.
Hiergegen hat die Mutter der Klägerin am 20. Mai 1998 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und zur weiteren Begründung vorgetragen: Das Instant-Dickungsmittel werde nicht als Arznei- oder Heilmittel, sondern als Hilfsmittel zur Versorgung mit Lebensmitteln und Flüssigkeiten benötigt. Es sei in seiner Hilfsmitteleigenschaft einer Ernährungssonde vergleichbar.
Das SG Hannover hat der Klage mit Urteil vom 3. August 1999 stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, die Kosten für die Anschaffung des Dickungsmittels "Quick & Dick" zu übernehmen. Zur Begründung hat das SG Hannover im Wesentlichen ausgeführt: Das Instant-Dickungsmittel sei ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs 1 SGB V. Es diene dem Zweck, dünnflüssige Speisen oder Flüssigkeiten anzudicken, damit diese von Personen mit Schluckstörungen aufgenommen werden könnten. Hiermit werde eine krankheitsbedingte Behinderung des Schluckens und damit der normalen Nahrungsaufnahme ausgeglichen. Dem Anspruch könne nicht entgegengehalten werden, dass es sich bei dem Produkt "Quick & Dick" um ein Nahrungsmittel handele. Das BSG habe in seiner Entscheidung vom 9. Dezember 1997, aaO, zwar entschieden, dass Diätmittel und Krankenkost keine Arznei- oder Heilmittel iSd gesetzlichen Krankenversicherung seien. Das hier umstrittene Präparat sei jedoch kein Nahrungsmittel. Der Zweck dieses Mittels bestehe nicht darin, dem Körper Nährstoffe zuzuführen, wie dies bei üblichen Diätlebensmitteln der Fall sei. Es werde allein deshalb eingesetzt, um die Konsistenz flüssiger Lebensmittel so zu verändern, dass diese trotz der Schluckstörung von der Klägerin aufgenommen werden könnten. Unschädlich sei in diesem Zusammenhang, dass "Quick & Dick" als Stärkeprodukt selbst über Nährstoffe verfüge, weil der bezweckte Verdickungseffekt auch allein durch synthetische Präparate erreicht werden könne. Das Dickungsmittel sei demnach nicht mit typischen Diätnahrungsmitteln wie zB Eiweißersatzpräparaten und milch- oder getreidefreien Produkten zu vergleichen.
Gegen das am 26. August 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. September 1999 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen eingelegt. Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte weiter vor: Die Zweckbestimmung des streitbefangenen Instant-Dickungsmittels entspreche nicht der eines Hilfsmittels iSd gesetzlichen Krankenversicherung. Die Leistungspflicht der Krankenkassen sei auf Maßnahmen beschränkt, die gezielt der Krankenbehandlung dienten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 3. August 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Begriff des Hilfsmittels sei gesetzlich nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des BSG beschränke sich der Hilfsmittelbegriff ausschließlich auf "Sachen". Somit könnten sämtliche Sachen, die durch ersetzende, unterstützende oder entlastende Wirkung den Erfolg der Krankenbehandlung sicherten, Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V sein. Bei dem Dickungsmittel handele es sich nicht um ein die Hilfsmitteleigenschaft ausschließendes Nahrungsmittel, weil sein Zweck darin bestehe, die Konsistenz flüssiger Lebensmittel oder Flüssigkeiten zu verändern. Es diene nicht der Zuführung von Nährstoffen. Damit sei das streitbefangene Instant-Dickungsmittel ein Hilfsmittel im Rahmen des Grundbedürfnisses "Unterstützung der Nahrungsaufnahme". Der Mutter der Klägerin seien in der Zeit von Oktober 1997 bis Juli 2000 Kosten iHv 5.439,84 DM für die Beschaffung des streitbefangenen Instant-Dickungsmittels entstanden.
Die Klägerin hat die Klage für die Zeit vor Bekanntgabe des Bescheides vom 11. Februar 1998 im Termin vom 28. Juni 2001 zurückgenommen.
Die Beklagte hat die Gutachten des MDK Niedersachsen, Gutachterin H., zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den Vorschriften des SGB XI sowie des MDK Niedersachsen, I., vom 26. Oktober 2000, ergänzt am 8. Dezember 2000, dem Gericht überreicht.
Der Senat hat zu den Inhaltsstoffen des Instant-Dickungsmittels "Quick & Dick" die Auskunft der Firma Pfrimmer Nutricia GmbH vom 24. Januar 2000 beigezogen. Danach besteht "Quick & Dick" ausschließlich aus modifizierter Stärke mit der Verkehrsbezeichnung Hydroxypropyldistärkephosphat (= E 1442) nach Anlage 4 der Zusatzstoff-Verkehrsverordnung vom 29. Januar 1998 (BGBl 230, 269, 292; früher: Anlage 2 der Zusatzstoff-Verkehrsverordnung vom 10. Juli 1984, BGBl I 897 nebst Anlagenband). Für das genannte Produkt darf gemäß § 3 Abs 2 Nr 4 Buchst b i.V.m. Anlage 8 der Achten Verordnung zur Änderung der Diätverordnung vom 21. November 1996 (BGBl I 19.06.1812) die nachfolgende Aussage verwendet werden: "zur besonderen Ernährung bei Störungen der Nahrungsaufnahme im Rahmen eines Diätplanes geeignet".
Der Senat hat im Lebensmittelgeschäft das Produkt "Dr. Oetker Custin Fix Speisebinder ohne Kochen" für 2,19 DM (125 g Packung) erwoben und in den Prozess eingeführt (vgl Sitzungsniederschrift vom 26. Juni 2001 S 2). Es enthält das Mittel Hydroxyprophyldistärkephosphat E 1442.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte des ersten und zweiten Rechtszuges und den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143 f SGG statthafte Berufung ist zulässig.
Das Rechtsmittel ist auch begründet und das Urteil des SG Hannover vom 3. August 1999 deshalb aufzuheben.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1998 ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf das Instant-Dickungsmittel gemäß Verordnung der Allgemeinmedizinerin D. vom 21. November 1997 ab Bekanntgabe des Bescheides vom 11. Februar 1998. Für die Zeit davor wird keine Kostenerstattung mehr geltend gemacht.
Nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenkassen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistung. Demzufolge hat der Versicherte den für den Sachleistungsanspruch vorgesehenen Weg der Realisierung von Leistungen, nämlich die Behandlung auf Krankenschein bzw Versicherungskarte bei zugelassenen Vertragsärzten oder zugelassenen Krankenhäusern, im Regelfall einzuhalten. Von diesem, die gesetzliche Krankenversicherung regelnden, Sachleistungsprinzip darf nach § 13 Abs 1 SGB V zu Gunsten des Kostenerstattungsprinzips nur in den gesetzlich bestimmten Ausnahmefällen abgewichen werden.
Für selbstbeschaffte Leistungen enthält § 13 Abs 3 SGB V eine Ausnahmeregelung. Hiernach steht den Versicherten ein Anspruch auf Kostenerstattung zu, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alternative) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, soweit sie notwendig war (2. Alternative), und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Die 2. Alternative des § 13 Abs 3 SGB V regelt folglich die Kostenerstattung für den Fall, dass eine Sachleistung zu Unrecht von der Krankenkasse verweigert und der Versicherte dadurch gezwungen wurde, sich die notwendige Leistung selbst zu beschaffen. Haftungsbegründendes Tatbestandsmerkmal ist somit der Kausalzusammenhang, dh es kommt auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen Ablehnung und dem eingeschlagenen Beschaffungsweg an. Die Kosten dürfen daher erst nach Ablehnung durch die Krankenkasse entstanden sein. Der Versicherte muss sich vor jeder Therapieentscheidung in zumutbarem Umfang um die Gewährung der Behandlung als Sachleistung bemühen, dh er muss vor Behandlungsbeginn mit der Krankenkasse Kontakt aufnehmen und deren Entscheidung abgewartet haben (vgl Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 13 SGB V Rnr 28 f). Die Beklagte hat zu Recht die für die Zeit ab Bekanntgabe des Bescheides vom 11. Februar 1998 geltend gemachte Erstattung abgelehnt. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Klägerin mit dem Instant-Dickungsmittels "Quick & Dick" zu versorgen. Instant-Dickungsmittel, die aus sogenannter modifizier Speisestärke bestehen und bei der Aufnahme flüssiger Speisen und Getränke mitverzehrt werden, sind weder Arznei-, noch Heil- oder Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die von der Krankenkasse zu gewährende Krankenbehandlung umfasst neben der ärztlichen Behandlung ua nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln.
Diätnahrungsmittel sind keine Heilmittel im Sinne des § 32 Abs 1 SGB V, weil sie zum Verzehr und nicht zur äußeren Einwirkung auf den Körper bestimmt sind (vgl zum Begriff des Heilmittels, BSGE 28, 158, 159 f = SozR Nr 30 zu § 182 RVO; BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 Seite 62; BSG SozR 3-2200 § 182 Nr 11 Seite 47 f).
Bei dem Instant-Dickungsmittel handelt es sich auch nicht um ein Arzneimittel (§ 31 Abs 1 S 1 SGB V). Der Begriff des Arzneimittels wird im SGB V selbst nicht erläutert. Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG), die im Wesentlichen mit dem allgemeinen Sprachgebrauch übereinstimmt, sind darunter Substanzen zu verstehen, deren bestimmungsgemäße Wirkung darin liegt, Krankheitszustände zu erkennen, zu heilen, zu bessern, zu lindern oder zu verhüten (vgl § 2 Abs 1 AMG idF der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 - BGBl I, 3018). Das von der Klägerin begehrte Instant-Dickungsmittel dient dem gegenüber in erster Linie der Ernährung und ist daher ein Lebens- und kein Arzneimittel (vgl Urteil des BSG vom 27. September 1994, Az: 8 RKn 9/92 zu Heilwasser, in Die Dienstleistungen 1996, 296; SozSich, 1997, 31-32; Urteil vom 28. Januar 1999, Az: B 8 KN 1/98 KR R in SozR 3-2500 § 27 Nr 10 zu Säuglingsnahrung bei Neurodermitis und Urteil vom 18. Mai 1978, Az: 3 RK 11/77 in BSGE 46, 179, 182 bzw SozR 2200 § 182 Nr 32). Die Kombination aus Instant-Dickungsmittel und Getränk tritt an die Stelle des haushaltsüblichen Getränkes, dessen Verzehr der Klägerin wegen der Erkrankung nicht oder nur erschwert möglich ist. Gem § 1 Abs 1 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz idF der Bekanntmachung vom 9. September 1997, BGBl I, 2390 (LMG) sind Lebensmittel im Sinne dieses Gesetzes Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitendem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden. Bei dem Instant-Dickungsmittel handelt es sich folglich um ein Lebensmittel im Sinne des § 1 Abs 1 LMG. Diesen Zweck verlieren Lebensmittel nicht dadurch, dass sie speziell zu dem Zweck hergestellt werden, eine auf die Krankheit abgestimmte Ernährungsweise zu ermöglichen. Bei dem Instant-Dickungsmittel "Quick & Dick" handelt es sich nach Angaben der Herstellerfirma um ein Produkt aus modifizierter Stärke = Hydroxypropyldistärkephosphat = E 1442. Es dient der Klägerin zur Andickung von Getränken, um als Brei eingenommen zu werden. Hierfür kommen, wie gerichtsbekannt ist (vgl. Sitzungsniederschrift vom 28. Juni 2001, S 2), auch andere handelsübliche Produkte zum Andicken von Flüssigkeiten zB für Puddings oder Gelees in Betracht. Entgegen der Ansicht des SG, sind die im Haushalt ansonsten verwendeten Dickungsmittel zum gleichen Zweck geeignet. Dabei kommt es nicht darauf an, dass bei diesen Stärkemehlen ein Aufkochen der Flüssigkeit notwendig ist. Der für die Klägerin maßgebliche Zweck der Andickung ist die Aufnahme von Flüssigkeit in festerer Form. Der vom SG unterstellte Verlust an Nährwert (Vitamine) und Geschmacksveränderungen ist für die reine Flüssigkeitsaufnahme unerheblich. Darüber hinaus gibt es noch weitere haushaltsübliche Dickungsmittel wie Gelatine, Mehl, Speisestärke, Pektin, Agar Agar, oder etwa das in dem begehrten Produkt "Quick & Dick" allein enthaltene Hydroxypropyldistärkephosphat = E 1442. Diese Art der modifizierten Stärke ist zB in "Dr Oetker Gustin Fix Speisebinder ohne Kochen zur Herstellung von Fruchtgrützen, Fruchtfüllungen, Suppen und Soßen" enthalten (vgl Sitzungsniederschrift vom 28. Juni 2001, S 2). Dieses Produkt ist mit dem von der Klägerin begehrten Instant-Dickungsmittel "Quick & Dick" entgegen der Ansicht der Klägerin identisch. Bei beiden Produkten handelt es sich eindeutig um Lebensmittel iSv § 1 Abs 1 LMG, denn sie dienen dem Verzehr im Sinne des LMG.
Lebensmittel sind, wie § 2 Abs 3 Nr 1 AMG ausdrücklich klarstellt, keine Arzneimittel. Sie gehören damit auch nicht zur Arzneimittelversorgung als Teil der Krankenbehandlung. Dabei kann offen bleiben, ob der Arzneimittelbegriff des SGB V in der jeder Hinsicht mit demjenigen des AMGübereinstimmt (vgl Urteil des BSG vom 9. Dezember 1997 - Az.: 1 RK 23/95 in BSGE 81, 240, SozR 3-2500 § 27 Nr 9 mwN). Das BSG führt darin aus, dass eine Ausweitung des Arzneimittelbegriffs durch Einbeziehung von Diät- oder Krankenkost der begrenzten Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung widerspräche. Diese verfolge nicht das Ziel, den Versicherten vor krankheitsbedingten Nachteilen umfassend zu schützen. Bei der Vielzahl von Auswirkungen, die eine Krankheit auf die Lebensführung des Betroffenen haben könne, wäre das Krankenversicherungsrisiko nicht sachgerecht begrenzbar, wenn es sich auf alle durch die Krankheit veranlassten Aufwendungen erstrecken würde. Die Leistungspflicht der Krankenkassen sei deshalb, soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt, auf Maßnahmen beschränkt, die gezielt der Krankheitsbekämpfung dienten. Mehrkosten und andere Nachteile und Lasten, die der Versicherte im täglichen Leben wegen der Krankheit habe, seien der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen und nicht von der Krankenkasse zu tragen. Das gelte grundsätzlich auch für Mehraufwendungen, die durch eine besondere, krankheitsangepasste Ernährungsweise entstünden. Dementsprechend habe der 3. Senat des BSG schon zum früheren Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) entschieden, dass Lebensmittel, auch soweit ihnen über ihren generellen Ernährungszweck hinaus eine spezifisch krankheitsheilende, krankheitslindernde oder verschlimmerungshemmende Wirkung zukomme, keine Arzneimittel im Sinne des Leistungsrechts der Krankenversicherung seien (vgl BSGE 46, 179, 182 = SozR 2200 § 182 Nr 32 Seite 82). Dieser Rechtsstandpunkt sei nicht dadurch relativiert worden, dass der 3. Senat in späteren Entscheidungen zu § 182 Abs 1 RVO die Auffassung vertreten habe, eine Krankenkost könne von der Krankenkasse ausnahmsweise gewährt werden, wenn zu der Heilwirkung der Kost für den einzelnen Versicherten noch besonders gravierende Umstände, insbesondere eine unzumutbare hohe finanzielle Belastung durch die im Vergleich zu üblichen Lebensmitteln teueren Diätpräparate hinzutreten würden. Damit sei nicht zum Ausdruck gebracht worden, dass beim Vorliegen derartiger Umstände die Krankenkost zum Arzneimittel werde. Die Arzneimitteleigenschaft einer Substanz werde durch den Verwendungszweck bestimmt und habe nichts mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten zu tun. Andernfalls könnte ein und dasselbe Produkt je nach der Situation des Erkrankten einmal Arzneimittel sein und ein anderes Mal nicht.
Als Lebensmittel iSv § 1 Abs 1 LMG handelt es sich bei dem Instant-Dickungsmittel nicht um ein anderes Hilfsmittel iSv § 33 Abs 1 S 1 SGB V. Nach der Aufzählung in § 33 Abs 1 S 1 SGB V sind Hilfsmittel solche technischen und sächlichen Mittel, die vom Versicherten getragen oder mitgeführt werden können. Nur teilweise sind sie als anderes Hilfsmittel iSv § 33 Abs 1 S 1 SGB V zum Verbrauch bestimmt (zB Einmalwindeln). Den Hilfsmitteln generell ist bislang eigen, dass sie nicht zum Verzehr bestimmt sind. Aus diesem Grund hat das BSG in seiner Entscheidung vom 9. Dezember 1997 (aaO) ausgeführt, dass die Einbeziehung von Diät- oder Krankenkost der begrenzten Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung widerspräche. Das BSG hat die Diät- oder Krankenkost nicht als anderes Hilfsmittel im Sinne der Vorschrift angesehen. Das BSG hat aus den og Gründen die Verordnung hierfür generell ausgeschlossen. Selbst wenn dem nicht gefolgt würde, so wäre das begehrte Instant-Dickungsmittel "Quick & Dick" als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen und würde aus diesem Grunde aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausscheiden. Ein Anspruch auf Versorgung hiermit besteht gem § 33 Abs 1 S 1 SGB V nicht.
Nach alledem konnte das angefochtene Urteil des SG keinen Bestand haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor (§ 160 Abs 2 SGG).