Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 29.01.2004, Az.: 11 U 154/03

Abholungsfrist; Auftraggeber; Auftragserteilung; Auftragsverhältnis; Auktion; Auktionator; Bevollmächtigung; Ersteigerer; Genehmigungsvorbehalt; Kaufvertragsschluss; Stellvertreter; Stellvertretung; Vernichtungsandrohung; Versteigerer; Versteigerung; Vertretungsmacht; Vollmachterteilung; Vorbehaltsaufhebung; Zuschlagerteilung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.01.2004
Aktenzeichen
11 U 154/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50894
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 12.06.2003 - AZ: 3 O 202/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Auftraggeber eines Auktionators muss sich von diesem dem Ersteigerer gesetzte enge Abholungsfristen mit Vernichtungsandrohung als Aufgabe eines beim Zuschlag vereinbarten Vorbehalts zurechnen lassen.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 12. Juni 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Der Kläger - nach eigener Darstellung ein Schmuck- und Kunstgewerbehändler - erwarb im Rahmen der Auflösung der Bestände der E. bei einer Auktion, die das Auktionshaus T. (im Folgenden kurz: T.) im Auftrage der Liquidationsgesellschaft der E. durchführte, Anfang Dezember 2000 durch Zuschlag die Positionen 934 bis 945 des Auktionskataloges (GA 83). Es handelte sich dabei um je einen druckluft- und stromgesteuerten Sessel. Der Zuschlag wurde dem Kläger nach eigener Darstellung nur unter dem Vorbehalt der Genehmigung des Geschäftes durch die Beklagte, die Liquidationsgesellschaft der E., erteilt.

2

Am 9. Januar 2001 richtete das Auktionshaus T. das in Kopie Bl. 5 zu den Akten gereichte Schreiben an den Kläger, in dem ihm mitgeteilt wurde, die ersteigerten Gegenstände, u. a. auch diejenigen mit den Positionsnummern 934 bis 943 stünden zur Abholung bereit. Die Ware werde ihm jedoch nur nach vollständiger Bezahlung ausgehändigt werden. Er wurde zur Abholung bis Donnerstag, 11. Januar 2001, aufgefordert.

3

Unter dem 18. Januar 2001 wurde dem Kläger wiederum von dem Auktionshaus T. mitgeteilt, dass die Sessel leider nicht zum Verkauf zur Verfügung stünden (GA 7).

4

Eine Aushändigung der Sessel an den Kläger erfolgte nicht.

5

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe den Vorbehalt aufgehoben; dieser Inhalt ergebe sich aus dem Schreiben vom 9. Januar 2001. Ferner sei dem Kläger gegenüber die Aufhebung des Vorbehalts auch von der Mitarbeiterin K. des Auktionshauses am 10. Januar 2001 telefonisch bestätigt worden. Im Vertrauen auf die Beständigkeit des Erwerbs habe der Kläger am 10. Januar 2001 die Sessel mit erheblichem Gewinn weiterveräußert. Im Rechtsstreit macht der Kläger Schadensersatz, insbesondere in Form entgangenen Gewinns, und Lagerkosten geltend.

6

Die Beklagte hat zunächst alles bestritten, insbesondere dass Gegenstände in ihrem Auftrag versteigert worden sei, dass die Sessel dazu gehörten, hat weiter behauptet, ihr lägen keinerlei Informationen über den Vorgang vor, hat bestritten, dass der Kläger den Kaufpreis bis auf 1.000 DM ausgeglichen habe; begründet hat sie ihr Prozessverhalten insbesondere damit, dass betreffend die E. ein Aktenbestand von 33.000 Aktenordnern vorliege und sie mit der Auffindung von Unterlagen überfordert sei. Die Beklagte ist vom Landgericht mehrfach zu wahrheitsgemäßem Vortrag aufgefordert worden.

7

Das Landgericht hat schließlich Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin K. und des Zeugen B. Wegen der Einzelheiten der Zeugenvernehmung wird auf die Niederschrift Bl. 97 ff. d. A. Bezug genommen.

8

Das Landgericht hat die Beklagte dem Grunde nach als dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet angesehen. Es hat gemeint, zwar hätten die Zeugen sich nicht erinnern können, wann und wie der Vorbehalt, unter dem der Kauf durch den Kläger gestanden habe, aufgehoben worden sei. Aus dem Schreiben vom 9. Januar 2001 des Auktionshauses habe der Kläger nach dem Empfängerhorizont jedoch die Aufhebung des Vorbehalts entnehmen können und dürfen. Dementsprechend habe der Kläger das Zustandekommen eines Kaufvertrages über die Sessel bewiesen.

9

Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingereichten Berufung.

10

Die Beklagte rügt zum einen, das Landgericht habe nicht davon ausgehen dürfen, dass sie, die Beklagte, die Sessel bei dem Auktionshaus zur Versteigerung gegeben habe. Sie, die Beklagte, habe schon seit der Klageerwiderung vorgetragen, dass auch Gegenstände anderer Firmen bei dem Auktionshaus zur Versteigerung gelangt seien. Dieser Vortrag sei auch für eine Beweiserhebung hinreichend substantiiert. Es sei nicht Aufgabe der Beklagten, darzulegen, wer die Sessel zur Auktion eingeliefert habe und namhaft zu machen, welche anderen Firmen Auftraggeber der Auktionen gewesen seien.

11

Die Beklagte macht ferner geltend, angesichts der Aussagen, wonach die Zeugen sich an konkrete Weisungen der Beklagten nicht hätten erinnern können, sei das Landgericht zu Unrecht zu der Überzeugung gelangt, dass aus dem Schreiben vom 9. Januar 2001 eine Aufgabe des Vorbehalts durch die Beklagte zu sehen sei. Der Urkunde lasse sich ein solcher Erklärungsinhalt schon ausdrücklich nicht entnehmen. Auch konkludent komme eine derartige Auslegung nicht in Betracht. Zudem habe die Klägerin nicht vorgetragen, dass das Auktionshaus hinsichtlich der Aufhebung des Vorbehalts als Bevollmächtigte der Beklagten gehandelt habe.

12

Die Beklagte beantragt,

13

das Urteil des LG Hannover vom 12.06.2003 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

14

Der Kläger beantragt,

15

die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

16

Der Kläger verteidigt unter Erweiterung und Vertiefung seines Vorbringens das landgerichtliche Urteil.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

18

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

19

Die Beklagte ist dem Kläger dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet.

20

Die Beklagte hat die in Rede stehenden Sessel dem Kläger verkauft. Die Beklagte hat sich zum Verkaufe der Restbestände der E. des Auktionshauses T. als ihrer Beauftragten bedient. Die Handlungen dieser Beauftragten muss die Beklagte sich gemäß § 278 BGB sowie, soweit es um rechtsgeschäftliche Erklärungen geht, gemäß § 164 BGB als Handeln eines Bevollmächtigten zurechnen lassen. Soweit eine ausdrückliche Bevollmächtigung zu einzelnen Handlungen nicht erteilt worden sein mag, gilt dies zumindest im Rahmen einer Duldungs- und Anscheinsvollmacht.

21

Die Beklagte hat nicht in Abrede genommen, eine Vielzahl von Verkaufsgeschäften über das Auktionshaus T. haben vornehmen zu lassen.

22

Dementsprechend oblag es ihr, wollte sie aus von dem Auktionshaus geschlossenen Geschäften nicht verpflichtet werden, dessen Handlungen zu kontrollieren, um eine Verpflichtung kraft Duldungsvollmacht zu vermeiden. Folglich hätte es der Beklagten bereits oblegen, das Katalogangebot für die Versteigerung von Anfang Dezember 2000, das unstreitig die Sessel enthalten hatte, zu kontrollieren und von dem Auktionshaus T. abändern zu lassen, wenn Gegenstände enthalten waren, zu deren Versteigerung die Beklagte einen Auftrag nicht erteilt hatte oder nicht gegen sich gelten lassen wollte. Derartiges nimmt die Beklagte aber nicht für sich in Anspruch.

23

Ferner hätte es der Beklagten oblegen, wollte sie Handlungen des Auktionshauses im weiteren Verlauf nach Versteigerung der Gegenstände nicht gegen sich gelten lassen, derartige Handlungen des Auktionshauses eng zu kontrollieren. Auch hieran fehlt es. Dementsprechend ist die landgerichtliche Würdigung zutreffend, die das Aufforderungsschreiben des Auktionshauses an den Kläger vom 9. Januar 2001, mit welchem er mit Frist zum 11. Januar 2001 zur Abholung der Waren und deren vollständiger Bezahlung aufgefordert worden ist, als Aufhebung des Vorbehalts angesehen hat. Nachdem dieses Schreiben auch noch die Drohung enthielt, im Falle der Nichteinhaltung der 2-tägigen Frist die Waren auf Kosten des Klägers entsorgen zu wollen, konnte der Kläger dies nicht anders verstehen, denn als Aufhebung des Vorbehalts der Beklagten gegen die Gültigkeit des durch den Versteigerungszuschlag zustande gekommenen Kaufvertrages.

24

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ist für die Rechtsmeinungen der Beklagten, wonach das Landgericht nicht habe davon ausgehen dürfen, dass sie die Sessel zum Verkauf gegeben habe und den Vorbehalt aufgegeben habe, schon nach der eigenen Darstellung der Beklagten kein Raum. Ein im rechtsgeschäftlichen Leben auftretendes Unternehmen wie die Beklagte kann sich nicht darauf zurückziehen, vom Umfang der aus dem eigenen Aufgabenbereich herrührenden Rechtsgeschäfte überfordert und deswegen zur Kontrolle eingeschalteter Beauftragter nicht in der Lage gewesen zu sein.

25

Dementsprechend muss ein solches Unternehmen wie die Beklagte es auch gegen sich gelten lassen, wenn ihre Beauftragten den Erwerbern von Gegenständen derartig kurze Fristen mit der Androhung der Vernichtung der ersteigerten Waren bei Kostenlast des Erwerbers heraussenden, dass diese als Aufgabe von Bedingungen der zuvor geduldeten Zuschläge im Versteigerungsverfahren verstanden werden.

26

Demnach stellt die von der Beklagten vorgenommene Lieferungsverweigerung eine vorsätzliche Vertragsverletzung gegenüber dem Kläger dar, aus welcher die Beklagte dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet ist.

III.

27

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 97 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Kostenlast des Berufungsverfahrens sowie aus § 708 Nr. 10 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit.

28

Zur Zulassung der Revision hat der Senat weder aus Gründen der Fortbildung des Rechts noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache einen Anlass gesehen.

29

Die Parteien haben insoweit auch nichts aufgezeigt, was zu anderer Beurteilung hätte führen können.