Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.01.2004, Az.: 8 U 179/03

Zurückweisung einer Berufung; Vortäuschung eines Diebstahls; Anspruch aus einer Vollkaskoversicherung wegen der Beschädigung des Pkws; Verstoß gegen die gerichtliche Hinweispflicht

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.01.2004
Aktenzeichen
8 U 179/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 35359
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2004:0105.8U179.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 09.10.2003 - AZ: 2 O 41/03

Fundstellen

  • ZfS 2004, 321 (Volltext mit amtl. LS)
  • zfs 2004, 321 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
am 5. Januar 2004
einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 9. Oktober 2003 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 6.296,91 EUR.

Gründe

1

Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen. Zur Begründung wird gem. § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO zunächst auf die Ausführungen im Beschluss des Senats vom 5. Dezember 2003 verwiesen, an denen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin im Schriftsatz vom 19. Dezember 2003 in vollem Umfang festzuhalten ist. Ergänzend ist zu bemerken:

2

1.

Entgegen der Ansicht der Klägerin weicht der Senat mit seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Aus dem von der Klägerin herangezogene Urteil VersR 1997, 102 ergibt sich lediglich, dass das äußere Bild eines Kfz-Diebstahls nicht in Frage steht, wenn feststeht, dass das Fahrzeug mit einem passenden Schlüssel weggefahren worden ist, weil die Schlösser unversehrt sind, der Versicherungsnehmer sämtliche Originalschlüssel vorlegen kann und sich an diesen keine Kopierspuren befinden.

3

Hier geht es demgegenüber nicht um das äußere Bild eines Kfz-Diebstahls mit den insoweit dem Versicherungsnehmer zugute kommenden Beweiserleichterungen, sondern darum, ob - gewissermaßen auf der zweiten Stufe - konkrete Tatsachen bewiesen sind oder unstreitig feststehen, die die Annahme mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahelegen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht ist. Diese ergeben sich hier daraus, dass der Pkw nur einen Tag nach der behaupteten Entwendung wenige Kilometer entfernt in erheblich beschädigtem Zustand wieder aufgefunden wurde und an diesem ausweislich der Feststellungen des Gutachters Dipl.-Ing. W. Spuren am Türschloss und den abgerissenen Leitungen am Anlassschalter vorgefunden wurden, die auf eine dilettantische Vorgehensweise und Spurenlegung hindeuten, eine Entwendung ohne Benutzung eines Originalschlüssels jedoch ausschließen. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Sachverhalt wurde der Pkw dagegen erst einige Zeit später in I. u.a. mit einer eingeschlagenen Scheibe der Fahrzeugtür aufgefunden. Der PKW wurde mithin durch den Dieb zumindest zeitweise benutzt, um hiermit nicht unerhebliche Strecken zurückzulegen. Hier ist dagegen auch weiterhin nicht ersichtlich, warum ein Dieb, der der Klägerin oder ihrer Tochter mit einer Entwendung oder Beschädigung lediglich schaden wollte, sich zusätzlich noch die Mühe des Legens von Aufbruchs- und Entwendungsspuren hätte machen sollen.

4

2.

Ferner bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Fahrzeug, wenn es denn nicht mit einem der Originalschlüssel weggefahren worden sein sollte, durch Verladen auf oder Abschleppen durch ein anderes Fahrzeug entwendet worden wäre. Dagegen spricht nicht nur, dass Spuren eines weiteren Fahrzeugs erst 15 Meter entfernt vom Auffindeort des Pkws gesichert werden konnten, während auf der Grasfläche, auf der das Fahrzeug der Klägerin abgestellt war, solche Spuren gerade nicht aufgefunden werden konnten. Es ist unerfindlich, wie ein anderes Fahrzeug, das den PKW der Klägerin abgeschleppt oder verladen hat, diese Strecke ohne weitere Spuren hätte zurücklegen sollen. Im Übrigen widerspricht es auch jeglicher Lebenswirklichkeit, dass ein Täter, der der Klägerin oder ihrer Tochter lediglich schaden wollte, zunächst am Abend des 23. August 2002 mehr oder minder zufällig den PKW vor der Gaststätte sieht, diesen dann der Klägerin zuordnet und anschließend noch ein weiteres Fahrzeug zum Abschleppen oder Verladen herbeischafft, obwohl nach den eigenen Bekundungen der Zeugin M. P. ein derartiges Abtransportieren von dem gut einsehbaren Bereich vor der Gaststätte hätte auffallen müssen.

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3.

Ein Anspruch aus der Vollkaskoversicherung wegen der Beschädigung des Pkws kommt ebenfalls nicht in Betracht, da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der erheblichen Wahrscheinlichkeit eines vorgetäuschten Diebstahls auch indizielle Bedeutung im Rahmen des § 61 VVG zukommt (VersR 1997, 1095, 1096 [BGH 25.06.1997 - IV ZR 245/96];  1986, 330;  1985, 78). Soweit die Klägerin nunmehr vorträgt, die auf der Motorhaube des PKW vorgefundenen Schuhabdruckspuren stammten weder von ihr noch ihrer Tochter M. P. oder deren Lebensgefährten W. R., handelt es sich zum einen um neuen Vortrag im Berufungsverfahren. ohne dass einer der Zulassungsgründe des § 531 Abs. 2 ZPO ersichtlich ist oder auch von der Klägerin nur mit Substanz behauptet wird. Zum anderen vermag dieser Umstand angesichts der übrigen Indizien, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit für einen nur vorgetäuschten Diebstahl sprechen, der Klägerin nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dass hier möglicherweise noch eine weitere Person Spuren am PKW hinterlassen hat, vermag angesichts dieser Sachlage alleine nicht die hier bestehende erhebliche Wahrscheinlichkeit der Schädigung durch eine nicht betriebsfremde Person auszuschließen.

6

4.

Ohne Erfolg macht die Klägerin schließlich geltend, das Landgericht habe seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO verletzt, weil es in der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2003 der Klägerin keine Schriftsatzfrist auf ein neues Vorbringen der Beklagten eingeräumt habe. Zunächst hat die Klägerin einen derartigen Verfahrensfehler entgegen § 520 Abs. 3 S. 2 Ziff. 2 ZPO nicht bereits in der Berufungsbegründung gerügt. Vor allem ist eine Verletzung der Hinweispflicht hier aber nicht ersichtlich. Weder aus dem Protokoll der Sitzung noch aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ist ersichtlich, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung neuen und überraschenden Vortrag gehalten hätte, auf den der Klägerin eine Schriftsatzfrist hätte eingeräumt werden müssen. Aus dem Protokoll ergibt sich neben einem Stellen der Anträge lediglich, dass die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Eine Schriftsatzfrist hat die Klägerin selbst nicht beantragt.

7

Die Klägerin hat auch überhaupt nicht dargelegt, welcher neue Vortrag der Beklagten, der nicht in ihren Schriftsätzen enthalten war, hier erfolgt sein soll. Auch die Entscheidungsgründe verwerten ersichtlich nur den bereits schriftsätzlich gehaltenen Vortrag der Parteien und den Inhalt der Strafakten.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 6.296,91 EUR.