Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 29.01.2004, Az.: 14 U 158/03

Werklohn für die Durchführung von Bauarbeiten im Rahmen des Neubaus eines Leineauslasses an dem Mittellandkanal; Entgegen eines Bodengutachtens der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) wesentliche Erschwerung der durchgeführten Rammarbeiten; Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten; Einfluss der Bodenbeschaffenheit auf den Rammaufwand

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.01.2004
Aktenzeichen
14 U 158/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 35394
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2004:0129.14U158.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 20.06.2003 - AZ: 8 O 3431/01

Fundstellen

  • BauR 2004, 1301-1304 (Volltext mit amtl. LS)
  • BauR 2004, 1302-1304
  • BauRB 2004, 208 (Volltext mit amtl. LS)
  • BrBp 2004, 434
  • FStBay 2005, 311-312
  • GuG aktuell 2004, 39
  • IBR 2004, 184
  • OLGReport Gerichtsort 2004, 290-292
  • altlasten spektrum 2015, 61

In dem Rechtsstreit
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. Juni 2003 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

(§ 540 Abs. 1 ZPO):

2

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten weiteren Werklohn für die Durchführung von Bauarbeiten im Rahmen des Neubaus eines Leineauslasses an dem Mittellandkanal.

3

Wegen der näheren Sachdarstellung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Die Kammer hat die Klage abgewiesen, wegen der Begründung wird ebenfalls auf die Ausführungen des landgerichtlichen Urteiles verwiesen.

4

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Prozessziel weiterverfolgt. Sie vertritt die Auffassung, dass sie sich auf das Bodengutachten der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) habe verlassen dürfen, welches ausweislich der darin enthaltenen textlichen Bewertungen die von ihr durchgeführten Rammarbeiten als wesentlich leichter durchzuführen habe erwarten lassen, als es tatsächlich der Fall gewesen sei. Eine Überprüfung dieses Bodengutachtens sei mit den ihr, der Klägerin, zur Verfügung stehenden Mitteln weder ohne weiteres möglich noch erforderlich gewesen, zumal es sich bei der BAW um die kompetente Fachbehörde schlechthin handele. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. ... (welches das Landgericht zur Klärung der Frage eingeholt hat, ob die Bodendichte in dem Gutachten der BAW richtig beschrieben war und ob die Klägerin anhand dessen den Rammaufwand so, wie von ihr ursprünglich vorgenommen, kalkulieren durfte) sei zudem unzutreffend, weil sich entgegen der Auffassung des Sachverständigen der Rammaufwand aus den Diagrammen, die dem Bodengutachten der BAW anlagen, nicht ohne weiteres habe ermitteln lassen. Darüber hinaus habe der Sachverständige nicht in der gebotenen Weise in Rechnung gestellt, dass am Ort des Bauvorhabens eine vollständig andere Bodenart als durch das Bodengutachten ausgewiesen vorgelegen habe (Tonboden statt Sandboden). Schließlich habe sich der gerichtliche Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens von Begriffsdefinitionen leiten lassen, die zum Zeitpunkt der Auftragserteilung noch nicht maßgeblich gewesen seien.

5

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteiles die Beklagte zu verurteilen, an sie 248.610,19 EUR (486.239,28 DM) nebst 10 % Zinsen seit dem 3. Januar 2000 zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

7

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

8

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

9

II.

Die Berufung erweist sich als unbegründet. Die Kammer hat aus zutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung der ihr angeblich entstandenen Mehrkosten im Zusammenhang mit erschwerten Rammbedingungen nicht für begründet angesehen. Die Einwendungen der Berufung greifen demgegenüber nicht durch.

10

1.

Entgegen der von der Klägerin zumindest in erster Instanz vertretenen Ansicht kann sich ein Anspruch wegen der Mehrkosten nicht auf § 2 Nr. 8 Abs. 3 VOB/B i.V.m. §§ 677 ff. BGB gründen, weil die von der Klägerin zusätzlich aufgewandten Mühen im Zusammenhang mit den Rammarbeiten (Wechsel des Rammgerätes und vermehrter Zeitaufwand) kein Geschäft der Beklagten darstellten, welches die Klägerin in fremdem Interesse besorgt haben könnte. Ausweislich des die Parteien verbindenden Bauvertrages und der ihm zu Grunde liegenden Leistungsbeschreibung oblag es der Klägerin, die Spundbohlen mittels Rammung bis in die vereinbarte Tiefe einzubringen. Der zeitliche oder sächliche Aufwand, den die Klägerin dafür benötigen würde, war nicht Gegenstand der Vereinbarung der Parteien, sondern lediglich der internen Kalkulation der Klägerin. Etwaigen Mehraufwand hatte die Klägerin demzufolge wegen der von ihr vertraglich übernommenen Verpflichtung im eigenen Interesse ohne zusätzliches Entgelt zu erbringen.

11

Demzufolge ist ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Mehrkosten allenfalls denkbar unter dem Gesichtspunkt eines Verschuldens bei Anbahnung des Vertragsschlusses oder danach (pVV oder cic, vgl. BGHZ 124, 64 ff. = NJW 1994, 850 f. [BGH 11.11.1993 - VII ZR 47/93]), wie das Landgericht, welches eine "schuldhafte" Verursachung der Mehrkosten geprüft hat, grundsätzlich zutreffend wohl angenommen hat. Nur dies und nicht auch das Durchgreifen dieser Anspruchsgrundlage hat der Senat in der mündlichen Verhandlung (entgegen der von der Klägerin im insoweit zumindest missverständlichen Schriftsatz vom 21. Januar 2004 geäußerten Ansicht) zum Ausdruck gebracht.

12

2.

Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist jedoch davon auszugehen, dass eine etwaige Pflichtverletzung der Beklagten (ausweislich des Gutachtens des in erster Instanz beauftragten Sachverständigen Prof. Dr. ... sind die textlichen Bewertungen der Bodendichte in dem der Klägerin zur Verfügung gestellten Bodengutachten der BAW in der Tat teilweise unzutreffend) jedenfalls kein schutzwürdiges Vertrauen bei der Klägerin auslösen konnte. Abgesehen davon, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen der von der Klägerin kalkulierte Rammaufwand von 21 Tagen mit einem 3,0 t-Rammgerät selbst dann deutlich zu gering bemessen gewesen wäre, wenn die textlichen Feststellungen im Bodengutachten zutreffend gewesen wären (wogegen sich die Klägerin mit der Berufung auch gar nicht wendet), hätte sich die Klägerin auf die textlichen Bewertungen ohnehin nicht verlassen dürfen, sondern bei Auswertung der dieser Bewertung zu Grunde liegenden Daten zu dem Schluss gelangen müssen, dass die Bodenverhältnisse, zumindest bis in die Tiefe, über die sich das Bodengutachten ohnehin nur verhält, eine Rammung weder in der von ihr vorgestellten Zeit noch mit dem von ihr vorgesehenen, aber unterdimensionierten Gerät tunlich erscheinen ließen. Hinzu kommt, so der Sachverständige weiter, dass sich die Klägerin auf die textlichen Bewertungen schon deswegen nicht verlassen durfte (und deshalb auch die dieser Bewertung zu Grunde liegenden Rammdiagramme mit in Betracht ziehen musste), weil die textlichen Begriffe (beispielsweise "mitteldicht") relativer Natur waren, denen keine feststehenden absoluten Größenordnungen (hier Anzahl der Rammschläge pro 10 cm Eindringtiefe) gegenüberstanden. Demnach hätte die Klägerin bei der ihr zuzumutenden Prüfung der Ausschreibungsunterlagen deren (nur im textlichen Bewertungsteil vorliegende) Fehlerhaftigkeit erkennen müssen und zwar anhand der dieser Bewertung zu Grunde liegenden Daten, insbesondere aus den die Proberammungen betreffenden Diagrammen.

13

3.

An der Richtigkeit dieser Tatsachenfeststellung des Landgerichts, welches sich auf die Ausführungen des auch dem Senat als besonders sachkundig und kompetent bekannten Sachverständigen Prof. Dr. ... stützt, vermag die Berufung keine konkreten Zweifel aufzuzeigen, die eine erneute Feststellung gebieten könnten, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

14

a)

Soweit die Klägerin ihre Auffassung weiterverfolgt, sie habe sich auf die textlichen Wertungen des Gutachtens der BAW verlassen dürfen und diese nicht selber interpretieren müssen, stehen dem die Ausführungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen entgegen, die weder Unvollständigkeiten noch Widersprüche erkennen lassen. Demzufolge sind die abgestuften textlichen Begriffe zur Bewertung der Lagerungsdichte ("locker", "mitteldicht" usw.) weder feststehend genug, noch ausreichend aussagekräftig, um den Rammaufwand ohne weiteres kalkulieren zu können. Dies erscheint schon deswegen nachvollziehbar, weil die gängigen Rammwerte, die diese Begriffe nach den Erläuterungen des Sachverständigen ausfüllen, ohnehin eine hohe Streuung aufweisen. So lässt z.B. eine "mitteldichte Sandlagerung" einen Rammwert zu, der in der Größenordnung von 4 bis 9 Rammschlägen für eine Eindringtiefe von jeweils 10 cm liegt. Schon wegen dieser Streuung von über 100 % kann nachvollziehbarerweise der konkrete Rammaufwand nicht anhand des textlichen Begriffes allein festgestellt werden, weshalb die Klägerin ohnehin gehalten gewesen wäre, die dem Bodengutachten anliegenden Diagrammermittlungen des Rammaufwandes dahingehend zu überprüfen, ob und an welcher Stelle sich der konkrete Aufwand innerhalb dieses (ohnehin nicht fest definierten) Begriffes halten werde. Angesichts dessen hätte sie feststellen können, dass die Rammwerte der textlichen Einschätzung nicht entsprachen. Dies wäre, wie eine Überprüfung des Bodengutachtens der BAW schon ohne die anliegenden Diagramme zeigt, sogar anhand des Textteiles dieses Gutachtens feststellbar gewesen: So ist der S. 5 dieses Gutachtens zu entnehmen, dass in dem Bereich zwischen 38 und 31 m NN der Boden "locker bis mitteldicht" sei. Auf S. 9 desselben Gutachtens ist aber die Angabe zu finden, dass dort mit einer Schlagzahl N10 von 7 bis 12 zu rechnen ist, was nach den Ausführungen des Sachverständigen einer mitteldichten (Schlagzahl 4 bis 9) bzw. sogar dichten (Schlagzahl über 10) Lagerung entspricht.

15

b)

Soweit die Klägerin weiter beanstandet, dass ausweislich eines von ihr eingeholten Gegengutachtens des Sachverständigen ... eine Überprüfung des Bodengutachtens der BAW nicht mit geringem Aufwand möglich gewesen sei, sondern vertiefte weitergehende Kenntnisse und Untersuchungen erfordert hätte, ist dies nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht zutreffend. Vielmehr genügt die Gegenüberstellung der in den Diagrammen ermittelten Rammwerte, um den tatsächlich erforderlichen Rammaufwand (zumindest bis in diejenige Tiefe, bis in die Proberammungen überhaupt durchgeführt worden sind) festzustellen, jedenfalls für eine auf diesem Gebiet tätige Fachfirma mit dem entsprechenden Hintergrundwissen (bei der Klägerin handelt es sich ja um eine Arbeitsgemeinschaft aus gleich mehreren solcher Unternehmen). Auch der Senat sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Sachverständigenausführungen zu zweifeln, zumal, wie zuvor geschildert, entsprechende Diskrepanzen sogar dem Textteil des Bodengutachtens zu entnehmen sind.

16

c)

Auch der Angriff der Klägerin gegen die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. ... hinsichtlich des (hier nicht anzunehmenden) Einflusses der Bodenbeschaffenheit auf den Rammaufwand sind nicht geeignet, die Richtigkeit der Tatsachenfeststellung der Kammer in Zweifel zu ziehen. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass es im konkreten Fall keinen Unterschied mache, ob im Baustellenbereich, wie im Bodengutachten angenommen, überwiegend Sandböden zu finden seien oder, wie sich im Nachhinein gezeigt habe, Tonböden. Entgegen der Auffassung der Berufung hat der Sachverständige seine Erkenntnisse nachvollziehbar begründet. Insbesondere dem ergänzenden Gutachten des Sachverständigen vom 20. September 2002 ist zu entnehmen, dass der gesamte Rammaufwand sich zum einen zusammensetzt aus dem sog. Spitzendruck, also dem Widerstand, der der Spitze des einzurammenden Objektes entgegengesetzt wird, und der Mantelreibung, also dem Reibungswiderstand an den Seiten des einzurammenden Objekts. Letztere ist zwar in Tonboden geringfügig höher, dafür ist aber nach den Darstellungen des Sachverständigen der Spitzendruck geringer, weshalb sich der Rammaufwand in etwa gleich verhält. Auch diese Erläuterung erscheint nachvollziehbar und ohne Widerspruch.

17

d)

Soweit schließlich die Klägerin noch rügt, dass der Sachverständige Definitionen der Lagerungsdichte zu Grunde gelegt habe, die zur damaligen Zeit in der wissenschaftlichen und praktischen Diskussion noch nicht existiert hätten, ist der Sachverständige dem einerseits vertieft entgegengetreten (Bl. 183 f. d.A.), andererseits ist dies nach seinen Ausführungen ohnehin nicht erheblich, weil feste und verlässliche Definitionen der Begriffe nicht vorliegen.

18

e)

Dass der Sachverständige zudem ausgeführt hat, der von der Klägerin kalkulierte Rammaufwand sei selbst in dem Falle erheblich unterdimensioniert, wenn die textlichen Bewertungen des Bodengutachtens zutreffend gewesen wären, wogegen die Klägerin mit der Berufung nichts eingewandt hat, ist bereits erwähnt worden. Abgesehen davon, dass das Vertrauen der Klägerin in die Richtigkeit der textlichen Bewertungen des Bodengutachtens nach dem oben Gesagten nicht schutzwürdig gewesen ist, erscheint es angesichts dessen ohnehin zweifelhaft, ob und in welchem Maße sich ein von der Beklagten verursachter Irrtum überhaupt ausgewirkt hat.

19

4.Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

20

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Wert der Beschwer und Streitwert für das Berufungsverfahren: 248.610,19 EUR.

Den Wert der Beschwer hat der Senat mit Blick auf § 26 Nr. 8 EGZPO festgesetzt.