Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 25.06.1996, Az.: 5 W 84/96
Voraussetzungn für das Erfüllen eines Vergütungsanspruchs einer Berufsbetreuerin aus dem Einkommen und Vermögen der Betreuten; Umfang der Amtsermittlung bezüglich der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Betroffenen; Grenzen der Inanspruchnahme des Vermögens einer Betreuten; Voraussetzungen für das Vorliegen von Mittellosigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 25.06.1996
- Aktenzeichen
- 5 W 84/96
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 21595
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:0625.5W84.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 27 FGG
- § 29 FGG
- § 25 FGG
- § 12 FGG
- § 565 Abs. 2 ZPO
Fundstelle
- FamRZ 1996, 1361-1362 (red. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
Bindungswirkung eines Aufhebungsbeschlusses des Rechtsbeschwerdegerichts - Mittellosigkeit bei 1.700 DM Rente und 25.000 DM Barvermögen - Umfang der Amtsermittlung.
Gründe
Nach dem die Sache zurückverweisenden Beschluss des Senats vom 20.·12.1995 - 5 W 194/95 (OLGR OL 1996, 127) hat das Landgericht erneut den Anträgen des Beteiligten auf Festsetzung der Vergütung der Betreuerin für die Zeit vom 1.1. bis 30.9.1994 gegen die Betreute stattgegeben.
Dagegen richtet sich die gemäß §§ 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde, mit der die Betroffene weiterhin geltend macht, sie sei mittellos und daher auch nicht verpflichtet, die Vergütung aus ihrem Einkommen und Vermögen zu zahlen.
Das Landgericht hat ausgeführt, der Senatsbeschluss berücksichtige die bisherige Rechtsprechung der Kammer nur teilweise. Im Interesse der Rechtssicherheit seien bestimmte Regelkriterien - Einkommens- und Vermögensgrenzen - unverzichtbar. Es sei unvertretbar, durch die Kammer weitere Ermittlungen zu der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Betroffenen durchzuführen. Die von ihr nunmehr gemachten Angaben zu den finanziellen Aufwendungen seien sehr pauschal gegriffen und überhöht. Es sei im Übrigen manchmal hinzunehmende Folge, Betreute bis zum Erreichen der Sozialhilfegrenzen in Anspruch zu nehmen, da es kaum einzusehen sei, dass Privatgläubiger einen weiterreichenden Zugriff auf das Vermögen haben sollten als die öffentliche Hand. Sozialstaatsprinzip und der Subsidiaritätsgrundsatz erfordere ein Eintreten des Staates erst, wenn Einkommen und Vermögen zur Bedarfsdeckung nicht mehr ausreichten.
Diese Ausführungen halten der im Verfahren der weiteren Beschwerde lediglich möglichen rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Vorinstanzen sind an die der Aufhebung zugrunde liegende rechtliche Beurteilung durch das Rechtsbeschwerdegericht gebunden. Die Bindungswirkung bezieht sich nicht nur auf die Zurückverweisung, sondern auch auf die tragenden Gründe, die dafür herangezogen werden, mithin ursächlich geworden sind und betrifft grundsätzlich auch das Rechtsbeschwerdegericht selbst, wenn es erneut mit der Sache befasst wird. Das ergibt sich aus der entsprechenden Geltung von § 565 Abs. 2 ZPO im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. statt aller Keidel/Kuntze/Winkler, FG, 13. Aufl., § 27 Rn. 60, 69·f m.v.w.N.). Diese Bindungswirkung hat das Landgericht nicht ausreichend beachtet, soweit es bei seiner Entscheidungsfindung auf die Notwendigkeit fester Einkommens- und Vermögensgrenzen und die darauf beruhende Fortgeltung der gefestigten eigenen Rechtsprechung hinweist. Der Senat hat in dem nochmals in Bezug genommenen Beschluss im Einzelnen dargelegt, dass und warum solche festen Grenzziehungen im Wege des Richterrechts - etwa durch Analogien zu anderen gesetzlichen Bestimmungen oder lediglich durch Heranziehung von anderen rechtlichen Grundgedanken - für die Bestimmung der Mittellosigkeit ausscheiden, über die allein nach dem finanziellen Gesamtstatus der Betroffenen entschieden werden kann.
Insbesondere wird darin die Möglichkeit eines Vergleichs mit der Vollstreckungsmöglichkeit von Privatgläubigern oder der Eigenbeteiligung bei Sozialhilfeleistungen erörtert und abgelehnt und zwar im Kern letztlich wegen der Natur von Betreuungsmaßnahmen als Aufgabe staatlicher Wohlfahrtspflege auch gegen den Willen der Bedürftigen. Das waren die maßgeblichen, also tragenden Gründe, die auch der Senat weiterhin in dieser Sache zu beachten hat.
Dazu zählt aber auch die vom Senat vorgenommene Grenzziehung zum Erreichen von Sozialhilfegrenzen. Die Formulierung, dass es nicht das Ziel des Betreuungsrechts sei, Betreute bis zum Erreichen dieser Grenzen in Anspruch zu nehmen, lässt eine vom Landgericht daraus offenbar abgeleitete Tolerierung einer solchen Folge nicht zu. Wie den Beschlussgründen deutlich zu entnehmen ist, darf eine Heranziehung des Einkommens und Vermögens von Betreuten regelmäßig nur soweit erfolgen, als es im Einzelfall im Rahmen der Zumutbarkeit maßvoll, aber nicht unwesentlich über diesen Grenzen bleibt. Weiter gehendes ist im Übrigen auch dem vom Landgericht schlagwortartig herangezogenen Sozialstaatsprinzip und Subsidiaritätsprinzip nicht zu entnehmen.
Wenn das Landgericht weitere Ermittlungen zur Beurteilung der wirtschaftlichen Gesamtsituation für erforderlich, seine Vornahme aber für unvertretbar hält, verletzt es die in § 12 FGG festgelegte Verpflichtung, die Feststellung der Tatsachen "von Amts wegen ... zu veranstalten". Diese gesetzliche Pflicht umfasst insbesondere auch die Ermittlung der Einkommens- und Vermögenssituation von Betreuten, wenn es um die Frage der Mittellosigkeit geht und damit, gegen wen sich der Vergütungsanspruch des Betreuers richtet (vgl. nur OLG Frankfurt BtPrax 1996, 108, 110 m.v.w.N.).
Schließlich hat das Landgericht bei der Erörterung des Beweisstoffes wesentliche Umstände - wie die Herkunft und Zweckbestimmung des Barvermögens und dessen Verwendung - unberücksichtigt gelassen und damit § 25 FGG verletzt.
Diese Rechtsverstöße zwingen den Senat aber nicht, die Sache erneut einer Vorinstanz zu überweisen, da der Sachverhalt entgegen der Auffassung des Landgerichts hinreichend aufgeklärt ist und dem Senat eine eigene Beurteilung erlaubt (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler a.a.O. Rn. 65). Da die maßgeblichen Parameter der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Betroffenen nach dem Akteninhalt nunmehr feststehen, neue Ermittlungen also nicht notwendig sind, kann der Senat diese Beurteilung selbst vornehmen, auch wenn das Landgericht die ihm obliegende Beurteilung nicht vorgenommen und von den ihm als Tatsachengericht gemäß dem Senatsbeschluss a.a.O. insoweit eingeräumten Spielraum keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler a.a.O. Rn. 42, 59 m.v.w.N.)
Es ist der Betroffenen nach den Grundsätzen des Senatsbeschlusses a.a.O. nicht zuzumuten, von den laufenden Einkünften (rd. 1.700,--·DM) die Betreuungsvergütung zu bedienen und ihr Barvermögen (noch rund 25.000,-- DM) dafür einzusetzen.
Gegen die Anerkennung der von ihr nunmehr angegebenen Verwendungsaufteilung ihrer Rente in 750,-- DM fixe Kosten und knapp 1.000,-- DM laufenden Unterhalt bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Für einen Einpersonenhaushalt einer 47-jährigen ist diese nachvollziehbare Verteilung nicht zu beanstanden. Weiterer Aufklärung bedarf das nicht. Diese Lebensgestaltung, die mit der Erwerbsunfähigkeitsrente zu erreichen ist, die die Betroffene aus Anlass ihrer Erkrankung bezieht, muss ihr verbleiben. Die monatlichen Betreuungskosten lagen 1992 und 1993 bei ca. 270,-- DM und 1994 bei ca. 180,-- DM. Eine Herabsetzung des ihr für den laufenden Unterhalt monatlich zur Verfügung stehenden Betrages in dieser Größenordnung bedeutete, dass die Betreuerbestellung sie in ihrer bisherigen keineswegs übermäßigen Lebensführung in gravierender Weise einschränken würde. Eine Beschränkung in der genannten Größenordnung ist ihr nach den Gesamtumständen nicht zumutbar, zumal die Betreuung, soweit sie die Vermögenssorge betrifft, gerade angeordnet ist, um sie vor unkontrollierten Ausgaben zu schützen und die bestehende finanzielle Lebensgestaltung zu sichern. Eine teilweise oder ratenweise Vergütungsbezahlung von Betreuten lässt das Betreuungsrecht, wie der Senat in seinem Zurückverweisungsbeschluss a.a.O. dargelegt hat, nicht zu.
Das Sparbuchguthaben muss der Betreuten verbleiben, um ihren nicht aus der laufenden Rente zu finanzierenden Sonderbedarf zu decken.
Aus gesundheitlichen Gründen muss ihr jedenfalls einmal im Jahr eine Kur bzw. ein entsprechender Urlaub ermöglicht bleiben, was ohne diese Rücklage nicht möglich wäre. Bei einem angenommenen Sonderbedarf von durchschnittlich 250,-- DM im Monat wird der Betrag in einem Zeitraum von 8 Jahren aufgezehrt sein. Danach wäre eine Sonderbedarfsbefriedigung nicht mehr möglich.
Es kann dahinstehen, ob bei solchen Fallgestaltungen regelmäßig bereits zu diesem Zeitpunkt von der Unantastbarkeit eines Guthabens in dieser Größenordnung ausgegangen werden muss. Zwar spricht einiges dafür, da den Betreuten sonst nach der Betreuungsanordnung infolge der Vergütungsverpflichtung nur ein sehr kurzer Zeitraum von ein paar Jahren für eine Sonderbedarfsbefriedigung verbliebe.
Entscheidend ist hier aber zusätzlich, dass dieses kleine Barvermögen aus der Abfindung seitens der Arbeitgeberseite für den krankheitsbedingten Verlust des Arbeitsplatzes als technische Zeichnerin 1991 in Höhe von 35.000,-- DM stammt.
Die arbeitsrechtlichen Folgen ihrer Erkrankung, die dann die Betreuung erforderlich machte, sollten dadurch gerade abgefedert werden. Nicht zuletzt durch die Vermögensbetreuung ist es gelungen, die Aufzehrung der Abfindung seitdem auf 10.000,-- DM zu beschränken. Es war gerade der Grund für die Erweiterung der Betreuung auf die Vermögenssorge, der Betroffenen die Abfindung zu sichern und so wenigstens für einen gewissen Zeitraum die Befriedigung ihres Sonderbedarfs zu ermöglichen. Es erscheint daher nicht angemessen und ist für die Betroffene auch nicht hinzunehmen, wenn die weitgehend aus gesundheitlichen Gründen gebotene und über die Abfindung jedenfalls für einen gewissen Zeitraum mögliche Bedürfnisbefriedigung durch die Betreuungsanordnung in Frage gestellt würde, die ihrerseits nur das Wohl der Erkrankten im Blickfeld hat.
Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Gesamtumstände stehen aus dem Einkommen und Vermögen der Betroffenen keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, um den Vergütungsanspruch der Berufsbetreuerin zu erfüllen. Sie ist daher insoweit als mittellos anzusehen. Die Festsetzung der Vergütung gegen sie war aus diesem Grunde aufzuheben.