Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 11.06.1996, Az.: 12 UF 33/96
Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs einer getrennt lebenden Ehefrau im Wege der einstweiligen Verfügung; Entfallen eines Verfügungsgrundes durch Zeitablauf
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 11.06.1996
- Aktenzeichen
- 12 UF 33/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 21448
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:0611.12UF33.96.0A
Rechtsgrundlage
- § 940 ZPO
Fundstelle
- FamRZ 1997, 182 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Der Verfügungsgrund für einstweilige Verfahren entfällt, wenn eine Partei anderweit Kredit in Anspruch nimmt und erst 6 Monate nach Trennung klagt.
Tatbestand
Die getrennt lebende Ehefrau verlangt im Wege der einstweiligen Verfügung Notunterhalt in Höhe von 2.210,-- DM. Das AG hat dem Verfügungsbeklagten monatliche Zahlungen von 1.550,-- DM für die Dauer von 6 Monaten aufgegeben. Dagegen richtet sich dessen Berufung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
Der Antrag auf Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen, ohne dass es auf den zwischen den Parteien bestehenden Streit über den Bestand eines Unterhaltsanspruchs sowie die Höhe der jeweils zuzurechnenden Einkünfte ankäme. Denn es fehlt bereits an einem Grund für die begehrte einstweilige Verfügung.
Die Rechtsprechung hat die Leistungsverfügung auf Zahlung von Unterhalt trotz des grundsätzlich nur vorläufigen Charakters einer jeden einstweiligen Verfügung ausnahmsweise für die Fälle zugelassen, in denen ein Unterhaltsgläubiger auf sofortige Zahlungen angewiesen ist, um seinen dringendsten Lebensbedarf sicherzustellen.
Wenn es auch im Allgemeinen nicht darauf ankommt, aus welchen Gründen ein Unterhaltsgläubiger in eine Notlage geraten ist, entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass es an einem Verfügungsgrund dann fehlt, wenn der Antrag mit erheblicher Verzögerung gestellt wird und bei rechtzeitiger Verfolgung der Ansprüche bereits ein Unterhaltstitel im Hauptsacheverfahren zu erreichen gewesen wäre (OLG Frankfurt/M FamRZ 1990, 540 m.w.N.; OLG Oldenburg 11 UF 58/90; Zöller-Vollkommer § 940 Rdn. 4; Rdn. 8 Unterhalt c).
Gerade bei der Leistungsverfügung, durch die nicht nur eine Sicherung, sondern sogleich eine Befriedigung des verfolgten Anspruchs erreicht wird, sind an die Annahme eines Verfügungsgrundes strenge Anforderungen zu stellen. Abgesehen davon, dass in einem Eilverfahren die Höhe des Unterhaltsanspruchs häufig nur unzulänglich beurteilt werden kann, besteht gerade hier die Gefahr, dass auf Grund einer einstweiligen Verfügung erbrachte Leistungen verbraucht werden und ein Unterhaltsschuldner Rückforderungsansprüche nicht mehr durchsetzen kann, wenn sich im Verfahren zur Hauptsache herausstellt, dass keine oder nur erheblich geringere Ansprüche bestanden. Angesichts dieser einem Unterhaltsschuldner drohenden erheblichen Nachteile, und dem Zweck der Leistungsverfügung, eine plötzlich aufgetretene Notlage bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu überbrücken, ist es mit dem Wesen eines Eilverfahrens unvereinbar, wenn ein Unterhaltsgläubiger durch längeres Zuwarten diese Notlage erst heraufbeschwört.
Hier wäre es der Verfügungsklägerin möglich gewesen, durch rechtzeitige prozessuale Maßnahmen schon weit vor November 1995 eine Entscheidung in der Hauptsache zu erreichen. Der bereits Anfang des Jahres 1995 erfolgten Trennung der Parteien folgte Mitte Februar, spätestens aber Anfang März 1995 der Auszug der Verfügungsklägerin aus der gemeinsamen Wohnung. Ihr war auch bewusst, dass sie in der nächsten Zeit für ihren Unterhaltsbedarf auf Leistungen Dritter angewiesen war. Denn wie sie selbst vorbringt, hat sie für ihren Unterhalt Darlehen und das Kapital aus einem vorzeitig gekündigten Bausparvertrag eingesetzt. Gleichwohl hat sie erst durch Anwaltsschreiben vom 11. August 1995 den Verfügungsbeklagten auf Unterhalt für sich und die Kinder in Anspruch genommen. Das Klageverfahren hat sie erst im September 1995 eingeleitet und damit seit der Trennung mehr als 6 Monate ungenutzt verstreichen lassen. In dieser Zeit hätte sie bei konzentrierter Prozessführung jedoch bereits eine Entscheidung in der Hauptsache erreichen können.
Damit steht schon die zögerliche Rechtsverfolgung seitens der Verfügungsklägerin dem Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung entgegen. Darüber hinaus ist aber auch eine aktuelle, auf andere Weise nicht abzuwendende Notlage nicht hinreichend dargelegt. Denn die Verfügungsklägerin hat nicht nur erst im Oktober 1995 rund 11.500,- DM aus dem gekündigten Bausparvertrag erhalten, über deren Verwendung sie konkret nichts weiter vorträgt, sondern sich auch einen PKW zum Wert von 5.000,- DM angeschafft. Wenn sie auch in ihrer Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen angibt, dass hierfür ein vom Bafög-Amt für ihre Tochter gezahlter Unterhaltsvorschuss verwendet wurde, belegt dies doch, dass sie über nicht unerhebliche Geldmittel für eigene Zwecke verfügen konnte. Unter diesen Umständen kann von einer akuten Notlage nicht mehr ausgegangen werden. Darauf, woher ein Unterhaltsgläubiger Geldmittel erhalten hat, kommt es dabei nicht an.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist demnach mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711, 713 ZPO.