Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 26.06.1996, Az.: 2 U 98/96
Veränderung der Darlegungslast des Versicherers in der Berufsunfähigkeitsversicherung für einen Verweisungsberuf; Anforderungen an die Darlegungslast eines Versicherungsunternehmens; Frühere Ausübung einer Berufstätigkeit durch einen Versicherungsnehmer; Zumutbarkeit eines tatsächlich ausgeübten Berufs
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 26.06.1996
- Aktenzeichen
- 2 U 98/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 21451
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:0626.2U98.96.0A
Amtlicher Leitsatz
Keine Veränderung der Darlegungslast des Versicherers in der Berufsunfähigkeitsversicherung für einen Verweisungsberuf, wenn der VN eine bestimmte Berufstätigkeit früher einmal ausgeübt hat.
Entscheidungsgründe
Die Beklagte kann die Klägerin nicht mit Erfolg auf einen Vergleichsberuf verweisen. Sie hat insoweit der ihr obliegenden Darlegungslast nicht genügt, obwohl die Klägerin zutreffend auf die Substantiierungspflicht der Beklagten hingewiesen hat.
Der Versicherungsnehmer muss bei einem Anspruch aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung darlegen, dass er seinen Beruf in seiner bisherigen Ausgestaltung nicht mehr dauernd ausüben kann. Darüberhinaus hat er summarisch vorzutragen, dass er auch nicht mehr in der Lage ist, andere Tätigkeiten zu verrichten, die auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung von ihm ausgeübt werden könnten und die seiner bisherigen Lebensstellung entsprächen (BGH VersR 1988, 234, 236 [BGH 11.11.1987 - IV a ZR 240/86]; Senat OLGR Oldenburg 1995, 186). Der Vortrag der Klägerin genügt entgegen der Ansicht der Berufungserwiderung diesen Voraussetzungen. Die Klägerin hat nämlich bereits im ersten Rechtszug dargelegt, dass sie nicht nur berufsunfähig hinsichtlich der von ihr zuletzt konkret ausgeübten Tätigkeit sei, sondern dass sie auch nicht in der Lage sei, eine andere, ihrer Ausbildung, Erfahrung und Lebensstellung entsprechende Tätigkeit im Sinn der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung auszuüben.
Demgegenüber hat die Beklagte ihrer Darlegungslast hinsichtlich der von ihr genannten Vergleichsberufe nicht genügt. Für einen schlüssigen Vortrag des Versicherers ist es insoweit erforderlich, dass dieser den von ihm beanspruchten Verweisungsberuf bezüglich der ihn jeweils prägenden Merkmale (insbesondere erforderliche Vorbildung, übliche Arbeitsbedingungen, zum Beispiel Arbeitsplatzverhältnisse, Arbeitszeiten, ferner übliche Entlohnung, etwa erforderliche Fähigkeiten oder körperliche Kräfte, Einsatz technischer Hilfsmittel) näher konkretisiert. Nur dann kann und muss der Versicherungsnehmer das Bestreiten von Berufsunfähigkeit mit substantiierten Beweisangeboten bekämpfen, die nicht als Ausforschungsversuch zu werten sind, sondern denen nachgegangen werden muss. Soweit der Versicherungsnehmer - als Ausgangspunkt für das Aufzeigen von Vergleichsberufen - auf die Kenntnis der Ausgestaltung des bisherigen Berufs angewiesen ist, kann er diesem Anliegen ausreichend mit einer Unterrichtungsobliegenheit in seinen Versicherungsbedingungen Rechnung tragen (BGH VersR 1988, 234, 236 [BGH 11.11.1987 - IV a ZR 240/86]; BGH VersR 1994, 1O95; BGH r+s 1995, 78; Senat OLGR Oldenburg 1995, 151, 152 sowie 186). Diesen Maßstäben wird der Vortrag der Beklagten nicht gerecht. Sie hat im ersten Rechtszug lediglich die Berufe der Tankwartfrau, Schneiderin, Näherin, Büroangestellten und Verkäuferin genannt sowie die Auffassung vertreten, die Klägerin sei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen. Die Beklagte beschreibt kein Berufsbild nach der erforderlichen Vorbildung, den üblichen Arbeitsbedingungen, der Arbeitszeit sowie den erforderlichen Fähigkeiten. Im Übrigen fehlt es an jeglichen konkreten Angaben zur üblichen Entlohnung.
Eine veränderte Darlegungslast ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Klägerin seit 1984 verschiedene Berufe, u.a. den der Tankwartfrau, der Damenschneiderin, der Büroangestellten und der Verkäuferin, ausgeübt hat. Zwar ist der Versicherungsnehmer ausnahmsweise darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass eine bestimmte Tätigkeit als Vergleichsberuf nicht in Betracht kommt, wenn er dieser Tätigkeit tatsächlich noch nach Eintritt der behaupteten Berufsunfähigkeit in einem anderen Beruf nachgeht (BGH VersR 1995, 159); denn in diesem Ausnahmefall hat der Versicherungsnehmer hinsichtlich der Zumutbarkeit des tatsächlich ausgeübten Berufs ausnahmsweise einen Wissensvorsprung vor dem Versicherer. Damit ist der vorliegende Sachverhalt jedoch nicht vergleichbar, da die Klägerin im Zeitpunkt des Eintritts der Berufungsunfähigkeit die von der Beklagten genannten Vergleichsberufe nicht mehr ausgeübt hat.