Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 02.07.2015, Az.: S 46 KR 404/13

Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung eines Versicherten durch eine gesetzliche Krankenkasse

Bibliographie

Gericht
SG Osnabrück
Datum
02.07.2015
Aktenzeichen
S 46 KR 404/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 22907
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGOSNAB:2015:0702.S46KR404.13.0A

Fundstellen

  • MedR 2015, 871
  • NZS 2015, 707

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 1.645,76 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung streitig. Die Klägerin ist Trägerin des G., das in der Zeit vom 13. Oktober 2010 bis zum 28. Oktober 2010 H. (Versicherte) aufgrund einer dekompensierten Leberzirrhose bei bekannter chronischer Virushepatitis C (B18.2) behandelte. Die Klägerin forderte für die Behandlung von der Beklagten, bei der die Versicherte in der Zeit des Krankenhausaufenthaltes gesetzlich krankenversichert war, 4.308,73 EUR unter Abrechnung der Fallpauschale DRG H60Z, die die Forderung erfüllte und die Abrechnung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüfen ließ, der im Gutachten vom 17. November 2010 zu dem Ergebnis gelangte, dass für die Behandlung die Fallpauschale DRG H62B abzurechnen sei, weil die Diagnose B18.2 mangels eines Ressourcenverbrauchs nicht zu kodieren gewesen sei. Die Beklagte forderte hierauf gestützt 1.645,76 EUR von der Klägerin zurück und rechnete in der Höhe mit unstreitigen Forderungen der Klägerin auf. Mit der 2013 erhobenen Klage macht die Klägerin diesen Betrag nebst Zinsen geltend. Die Klägerin trägt vor, die chronische Virushepatitis C Infektion der Versicherten habe einen Ressourcenverbrauch verursacht. Bei dieser Infektion gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen und verpflichtend einzuhaltende Hygienestandards, so das Tragen eines zusätzlichen Paares Handschuhe. Aufgrund dessen bestehe ein erhöhter Pflege- und Behandlungsaufwand. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige stellte fest, dass bezüglich der Hepatitis-C-Infektion diagnostische Maßnahmen dem Entlassungsbericht nicht zu entnehmen seien. Die Infektion sei (Mit-)Verursacher der Leberzirrhose bei der Versicherten gewesen und habe die therapeutischen Maßnahmen wie z.B. eine Aszitespunktion erforderlich gemacht, wäre aber bei einer Leberzirrhose anderer Genese ebenfalls notwendig gewesen. Ein erhöhter Betreuungs-, Pflege- oder Überwachungsaufwand sei ebenfalls nicht dokumentiert. Ein gewisser Mehraufwand und Ressourcenverbrauch habe durch das Einhalten von Vorsichtsmaßnahmen bestanden. Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr 1.645,76 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. Dezember 2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass es bei Hygiene- und Sicherheitsvorschriften nicht um die Sicherheit des Patienten gehe und es sich deshalb nicht um Maßnahmen handele, die das Patientenmanagement beeinflussten. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die Inhalte der Gerichtsakte, des Verwaltungsvorgangs der Beklagten und der Patientenakte des G. verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist im Gleichordnungsverhältnis zwischen einem Krankenhausträger und einer Krankenkasse statthaft. Es bedurfte keines Vorverfahrens oder Einhaltung einer Klagefrist (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. Urteil vom 30. Juni 2009, B 1 KR 24/08 R). Der Anspruch der Klägerin in Höhe der Klageforderung aus unstreitigen Forderungen ist durch die Aufrechnung der Beklagten gemäß § 69 Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen. Rechtsgrundlage des Rückzahlungsanspruchs ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Dabei gelten ähnliche Grundsätze wie im Recht der ungerechtfertigten Bereicherung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 812 ff BGB). Ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis liegt hier vor, denn die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus sind öffentlich-rechtlicher Natur, vgl. § 69 Satz 3 SGB V. Durch die Erfüllung der Forderung der Klägerin für die Behandlung der Versicherten in der Zeit vom 13. Oktober 2010 bis zum 28. Oktober 2010 leistete die Beklagte im Rahmen eines solchen Rechtsverhältnisses in Höhe der Klageforderung ohne Rechtsgrund. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem am 1. November 1992 in Kraft getretenen Vertrag zu den Bereichen des § 112 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 und 5 SGB V zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen (Niedersächsischer Landesvertrag). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsteht die Zahlungsverpflichtung einer gesetzlichen Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den bei ihr versicherten Patienten. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser i.S. des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, wenn die Versorgung i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich war. Der Höhe nach folgt der Anspruch aus § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Anlage 1 zu der Vereinbarung zu dem Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2010 (Fallpauschalenvereinbarung 2010 - FPV 2010) nach § 17b Abs. 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG). Mit den Entgelten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG werden alle für die Versorgung des Patienten erforderlichen allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet, § 7 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nr. 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Einschlägig ist vorliegend die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog, § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG. Der Fallpauschalenkatalog ist nach diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG in zwei Schritten. In einem ersten Schritt werden die Diagnosen und Leistungen gemäß dem im Jahr 2010 gültigen Klassifikationssystem ICD-10-GM 2010 und dem "Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V" (OPS) verschlüsselt, vgl. § 301 Abs. 2 SGB V. Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die Deutschen Kodierrichtlinien Version 2010 (DKR) und der OPS 2010. In einem zweiten Schritt wird der Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Kranken- kasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 der FPV 2010 werden die Fallpauschalen jeweils von dem die Leistung erbringenden Krankenhaus nach dem am Tag der Aufnahme geltenden Fallpauschalenkatalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregeln abgerechnet. Zur Einstufung in die jeweils abzurechnende Fallpauschale sind Programme (Grouper) einzusetzen, die vom DRG-Institut der Selbstverwaltungspartner nach § 17b Abs. 2 des KHG zertifiziert sind, § 1 Abs. 6 Satz 1 der FPV 2010. Ausgehend hiervon ist der streitige Behandlungsfall mit der DRG H62B zu vergüten. Zu dieser Fallpauschale führen die zwischen den Beteiligten unstreitig zu kodierenden Hauptdiagnose, Nebendiagnosen und Prozeduren. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Diagnose B18.2 nicht zu kodieren. Gemäß der Kodierrichtlinie D003i ist die die Nebendiagnose definiert als: "Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt." Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist: - therapeutische Maßnahmen - diagnostische Maßnahmen - erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand. Durch das Sachverständigengutachten ist erwiesen, dass die Diagnose B18.2 das Patientenmanagement im Falle der Versicherten nicht durch einen dieser Faktoren beeinflusst hat. Diagnostische Maßnahmen erfolgten unstreitig nicht. Therapeutische Maßnahmen bezüglich der Diagnose B18.2 nahmen die behandelnden Ärzte ebenfalls nicht vor. Insoweit ist es unerheblich, dass die chronische Virushepatitis C Infektion die Leberzirrhose verursachte, die wiederum behandelt wurde. Denn die therapeutischen Maßnahmen wären auch bei einer Leberzirrhose anderer Genese ebenfalls notwendig gewesen (vgl. Seite 5 des Gutachtens), was beweist, dass die therapeutischen Maßnahmen ausschließlich auf die Behandlung der Leberzirrhose zielten. Hygiene- und Sicherheitsstandards stellen zudem weder einen Betreuungs-, Pflege- noch Überwachungsaufwand dar, weil sie nicht das Patientenmanagement durch eine zusätzliche Betreuung, Pflege oder Überwachung des Patienten beeinflussen, sondern dem Schutz Dritter (insbesondere Beschäftigte des Krankenhauses, Besucher und andere Patienten) dienen und damit das allgemeine Krankenhaus- und Behandlungsmanagement beeinflussen. Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es für die Kodierung einer Nebendiagnose nicht aus, dass ein irgendwie gearteter Aufwand durch die Nebendiagnose verursacht wird. Die einschlägige Kodierrichtlinie D003i benennt die erforderlichen Faktoren, die das Patientenmanagement beeinflussen müssen. Ein erhöhter Hygiene- und Sicherheitsaufwand zählt nicht hierzu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus den §§ 3 Abs. 1, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).