Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 10.02.2015, Az.: S 29 AS 500/12 WA

Bibliographie

Gericht
SG Osnabrück
Datum
10.02.2015
Aktenzeichen
S 29 AS 500/12 WA
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 44898
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Osnabrück unter dem Aktenzeichen S 29 AS 655/11 wirksam durch Rücknahme beendet worden ist.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begeht in dem Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2011 die Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch – Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne Berücksichtigung einer Bedarfsgemeinschaft mit Herrn B. und wendet sich im vorliegenden Verfahren insbesondere gegen die Vorgehensweise des Beklagten im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 15. April 2008 (Az. B 14/7b AS 58/06 R).

Die am 24. Oktober 1960 geborene Klägerin steht nach vorangegangenem Bezug von Arbeitslosenhilfe seit dem 1. Januar 2005 bei dem Beklagten im Leistungsbezug nach dem SGB II. Sie bewohnte mit dem Herrn B. von 1995 bis 1998 eine gemeinsame Wohnung in der C. in A-Stadt. Zum 25. September 1998 zogen sie gemeinsam in eine 105 qm große Doppelhaushälfte unter der Anschrift "A-Straße in A-Stadt". Für die Wohnung ist eine Bruttokaltmiete von 552,00 € (inklusive einer Betriebskostenvorauszahlung von 40,00 €) zu entrichten. Ferner fielen monatliche Abschläge für Erdgas in Höhe von 77,00 € und für Wasser in Höhe von 4,00 € an.

Der am 25. August 1960 geborene B. bezog im streitigen Zeitraum eine zeitlich befristete Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch - Sozialgesetzbuch (SGB VI) in Höhe von monatlich 530,93 € sowie schwankendes Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung. Bei Herrn D. ist nach dem geltenden Schwerbehindertenrecht ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 anerkannt. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2012 gewährte die Deutsche Rentenversicherung Bund Herrn D. eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer.

Gegenüber der damaligen Bundesanstalt für Arbeit gab die Klägerin in Zusammenhang mit dem Bezug von Arbeitslosenhilfe mit Schreiben vom 14. Oktober 2002 an, dass es sich bei ihrer "Wirtschaftsgemeinschaft" mit Herrn D. um eine reine Zweckgemeinschaft handele. Sie diene der Aufteilung der gesamten Kosten für Wohnungsmiete, Strom, Telefon und Lebensmittel. Eine eheähnliche Gemeinschaft habe zum Zeitpunkt des Einzugs vorgelegen. Diese Lebenspartnerschaft bestehe nicht mehr. Es sei daraus eine reine Zweckgemeinschaft geworden, um sich die Kosten für die Lebenshaltung zu teilen. Eine wechselseitige Verfügungsbefugnis über Einkommen, Konto und Vermögen habe auch nie vorgelegen. Sie teile sich mit Herrn D. die Wohnfläche, es bestünden aber getrennte Schlafmöglichkeiten. Im Rahmen eines Hausbesuchs am 29. Oktober 2002 stellte der Außendienst der Bundesanstalt für Arbeit fest, dass zwei getrennte Schlafräume bestünden, die auch beide benutzt ausgesehen hätten. Die Küche werde von beiden Parteien genutzt. Herr D. bewohne im Obergeschoss zwei Zimmer. Die Klägerin habe erklärt, dass die Wohngemeinschaft in absehbarer Zeit aufgelöst würde (Aktenvermerk vom 30. Oktober 2002). Am 16. März 2005 führte der Außendienst des Beklagten einen Hausbesuch durch. Dabei wurde festgestellt, dass von den drei Räumen im Obergeschoss das Schlafzimmer mit Doppelbett und Kleiderschrank von Herrn D. genutzt wurde. Das Büro und ein kleines Wohnzimmer würden von beiden genutzt, wobei die Klägerin auf der Couch im Wohnzimmer schlafe. Die im Untergeschoss liegenden Räume (Wohnzimmer, Bad und Küche) würden von beiden gemeinsam genutzt (Bericht von 22. März 2005). In einem Bericht vom 16. November 2006 über einen weiteren Hausbesuch am 14. November 2006 heißt es, dass die Klägerin nunmehr im großen Schlafzimmer schlafe, während Herr D. im kleineren Zimmer nächtige. Das Büro würde weiterhin von beiden gemeinsam genutzt. Bei weiteren Hausbesuchen am 16. Juni 2010 und am 28. April 2011 wurde eine Besichtigung der Wohnräume durch die Klägerin nicht gestattet.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin zunächst langjährig Leistungen nach dem SGB II für alleinstehende Hilfebedürftige. Nachdem die Klägerin während einer stationären Rehabilitationsmaßnahme des Herrn D. im Dezember 2010 sich in dessen Leistungsangelegenheiten mehrfach an den Beklagten gewandt hatte, ging dieser von einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft aus. Mit Bescheid vom 20. Juni 2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin und Herrn D. als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01. Juli bis 31. Dezember 2011 in Höhe von monatlich insgesamt 613,26 €. Dabei ging der Beklagte von einem Regelbedarf in Höhe von jeweils 328,00 € und einem Bedarf für Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von insgesamt 607,00 € (530,00 € Kaltmiete inklusive Nebenkosten und 77,00 € Heizkosten) aus. Der Beklagte berücksichtigte als Einkommen einen Betrag in Höhe von monatlich 248,51 € abzüglich des Grundfreibetrages von 100,00 € und eines Erwerbstätigenfreibetrages in Höhe von 29,70 € aus einer geringfügigen Beschäftigung des Herrn D. sowie die Erwerbsminderungsrente in Höhe von monatlich 530,93 €. Hinsichtlich der Höhe des anzurechnenden Erwerbseinkommens erfolgte die Bewilligung vorläufig. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass der Klägerin und Herrn D. bislang monatliche Unterkunftskosten in Höhe von jeweils 265,00 € gewährt worden seien. Der Gesamtbetrag von 530,00 € übersteige den angemessenen Unterkunftsbedarf der Bedarfsgemeinschaft von derzeit 315,00 €. Die bisher gewährten Unterkunftskosten könnten daher nur für einen Zeitraum von längstens sechs Monaten, also bis zum 31. Dezember 2011 berücksichtigt werden.

Gegen die Entscheidung des Beklagten erhob die Klägerin am 7. Juli 2011 Widerspruch, den der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2011 zurückwies.

Die Klägerin hat am 7. September 2011 Klage vor dem Sozialgericht Osnabrück erhoben. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 29 AS 655/11 geführt. Mit ihrem Schreiben vom 10. Mai 2012, welches bei Gericht am 14. Mai 2011 einging, hat die Klägerin die Rücknahme der Klage erklärt.

Am 12. Juni 2012 hat die Klägerin mitgeteilt, das Verfahren fortzuführen zu wollen.

Die Klägerin beantragt nunmehr wörtlich,

festzustellen, dass das Verfahren des Beklagten unzulässig ist, bezogen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, insbesondere B 14/7b AS 58/06 R.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, aller weiteren Verfahrensakten der Klägerin sowie des Herrn D. in der 4., 22. und 29. Kammer des SG Osnabrück sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Fortführung des Verfahrens ist nicht begründet. Die Klägerin hat durch ihre schriftliche Erklärung vom 10. Mai 2012 den Rechtsstreit durch Rücknahme beendet.

Bei der Rücknahme der Klage handelt es sich um eine Prozesshandlung mit prozessualer Gestaltungswirkung. Ein Widerruf dieser Prozesserklärung ist nicht möglich. Die Grundsätze über die Anfechtung wegen Irrtums, Täuschung oder anderer Willensmängel sind nicht anwendbar (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 20. Dezember 1995, 6 RKa 18/95; Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 01. November 1995, 11 B 105/95; Thüringer Landessozialgericht (LSG), Urteile vom 16. Januar 200, L 6 RJ 596/01 und vom 18. Februar 2004, L 1 U 831/03 sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. Juni 2008, L 12 AL 8/07).

Für einen Widerruf der Rücknahmeerklärung nach den Regeln über die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens fehlt es an einem Wiederaufnahmegrund gemäß der §§ 179 ff. SGG i.V.m. den §§ 578 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Wiederaufnahmegründe im Sinne dieser Vorschriften hat die Klägerin nicht vorgetragen und sind zudem auch nicht ersichtlich.

Einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X hat die Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2011 bereits am 18. Juli 2012 gestellt. Auf das diesbezügliche Verfahren S 29 AS 889/12 wird verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.