Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 19.03.2019, Az.: 7 A 1156/18
Begleitschein; Fleisch; Gelantine; Kollagen; Lebensmittel; Sammlung; Tierfell; tierisches Nebenprodukt; Transport
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 19.03.2019
- Aktenzeichen
- 7 A 1156/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 69657
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- 1069/2009 EGV 1069/2009
- 142/2011 EGV 142/2011
- Anh III EGV 853/2004
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Tierfelle, die zur Gelantine- oder Kollagenherstellung verwendet werden sollen, unterfallen den Regeln über Fleisch im Anhang III Abschnitt I der Verordung (EG) Nr. 853/2004.
Tierfelle dürfen in einer Schlachterei vor Abschluss der Fleischuntersuchung unterschiedslos in einem Container gesammelt werden. Allerdings sind sämtliche Felle einer Charge als tierisches Nebenprodukt und nicht als Lebensmittel anzusehen, wenn auch nur ein den Fellen zuzuordnender Schlachtkörper als genussuntauglich bewertet worden ist.
Werden Tierfelle transportiert, muss entweder das für Rohstoffe zur Gewinnung von Gelantine oder Kollagen oder das für tierische Nebenprodukte vorgeschriebene Dokument beigefügt sein. Die Verwendung eines Mischpapiers, welches die Kategorisierung der Felle offen lässt, ist nicht vorgesehen.
Ein Schlachtunternehmen kann sich nicht auf ein abweichendes von der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz entwickeltes Begleitscheinverfahren berufen. Dies gilt insbesondere für Transporte von Fellen in einen anderen Mitgliedstaat.
Tenor:
Die Nrn. 1, 2 und 6, 1. und 2. Fall, des Bescheides des Beklagten vom 30. Januar 2018 werden aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt 3/5 und der Beklagte 2/5 der Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der andere Beteiligte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Am … 2017 haben Amtstierärzte des Beklagten im Betrieb der Klägerin in L., in welchem jährlich etwa 130.000 Kälber und 20.000 Rinder geschlachtet werden, eine Kontrolle durchgeführt.
Bei dieser Überprüfung wurde festgestellt, dass sämtliche Felle der geschlachteten Rinder und Kälber unsortiert über eine sog. Druckluftkanone in Container gelangen. Sie werden anschließend in den im … ansässigen Häutehandelsbetrieb „…“ verbracht, welcher mit tierischen Nebenprodukten der Kategorie 3 umgehen darf. Dieser Betrieb sortiert anhand der Ohrmarken die Häute der als genussuntauglich beurteilten Tiere aus, welche zu Leder verarbeitet werden. Die übrigen Felle werden für die Gelantine- oder Kollagenherstellung verwendet.
Die Klägerin fügt beim Transport der Container ein Papier (FO 7.5/39 F) bei, welches als „Begleitdokument des Rohstoffs für die Gelatineherstellung gemäß VO (EG) Nr. 853/2004“ sowie als „Handelspapier gem. VO (EG) Nr. 1069/2009 für die Abholung/Sammlung und Beförderung von tierischen Nebenprodukten, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind“ bezeichnet wird. Darin können die vorläufig beschlagnahmten Schlachttierkörper mit der jeweiligen Ohrmarken-Nr. benannt werden. Die Klägerin teilt dem Empfängerbetrieb dann zeitnah mit, welche Tiere bei der Fleischuntersuchung abschließend als untauglich beurteilt worden sind.
Der Beklagte untersagte der Klägerin nach Anhörung mit Bescheid vom 30. Januar 2018, zugestellt am 6. Februar 2018, unter Anordnung der sofortigen Vollziehung jeweils ab dem Tag nach der Zustellung (1.) die Sammlung und Lagerung von Rinderfellen von genusstauglich beurteilten Tieren, die für die Lebensmittelgewinnung Verwendung finden sollen, zusammen mit Rinderfellen, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, (2.) jede Form des Inverkehrbringens oder der Abgabe von Rinderfellen von als genusstauglich beurteilten Tieren zum Zwecke der Lebensmittelgewinnung, soweit diese mit Rinderfellen, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, gesammelt oder gelagert worden bzw. in Berührung gekommen sind, (3.) bei der Versendung von Rinderfellen von genusstauglich beurteilten Tieren andere als die vorgeschriebenen Begleitdokumente nach dem Muster der Anlage zum Anhang III der Verordnung (EG) 853/2004 zu nutzen, (4.) bei der Versendung von Rinderfellen, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, andere Handelspapiere als nach dem Muster des Anhangs VIII Kapitel III der Verordnung (EG) 142/2011 zu nutzen, und (5.) bei der Versendung der Rinderfelle das derzeit genutzte Begleitdokument zu verwenden. Für den Fall der Nichtbefolgung wurden (6.) jeweils Zwangsgelder zwischen 5.000 € und 10.000 € angedroht. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden: Bei der Betriebskontrolle am 5. September 2017 sei festgestellt worden, dass Rinderfelle von genusstauglich beurteilten Tieren und zur Lebensmittelgewinnung vorgesehen Rinderfellen mit solchen, die nicht für den menschlichen Verkehr bestimmt und daher tierische Nebenprodukte der Kategorie 3 seien, in ein und denselben Sammelcontainer gelangten. Dies sei ein Verstoß gegen den Anhang III, Abschnitt I Kapitel IV Nr. 16 lit.c der Verordnung (EG) Nr. 853/2004. Im Anschluss an die amtliche Fleischuntersuchung solle als genussuntauglich erklärtes Material nicht mit genusstauglich beurteiltem Fleisch, welches für die Lebensmittelgewinnung Verwendung finde, in Berührung kommen. Es bestehe die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung der als genusstauglich beurteilten Felle. Die unzulässig vermischten Rinderfelle würden anschließend zusammen mit einem selbst entworfenen und nicht den Vorschriften entsprechendem Begleit- und Handelspapier zum Bestimmungsbetrieb befördert. Die Klägerin habe sich trotz Hinweises geweigert, ihre Praxis zu ändern und auf verfahrenstechnische Notwendigkeiten verwiesen.
Am 6. März 2018 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie trägt im Wesentlichen vor: Ihre Verfahrensweise werde bei allen Rinderschlachtbetrieben in Deutschland praktiziert und sei daher nicht zu beanstanden. Die an einem Schlachttag gewonnenen Häute und Felle würden in einem Container gesammelt, worunter sich vereinzelt auch solche befinden könnten, für deren Schlachtkörper die amtliche Fleischuntersuchung noch nicht beendet sei. Sämtliche Häute und Felle seien zunächst für die Herstellung von Gelatine bzw. Kollagen als Lebensmittel vorgesehen, sodass es sich nicht um tierische Nebenprodukte im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 handele. Gelegentlich würden Tiere und damit auch die Felle als genussuntauglich verworfen. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Tierfelle vor der Prüfung der Genusstauglichkeit zunächst gemeinsam zwischengelagert und transportiert würden. In einer Stellungnahme der Länderarbeitsgemeinschaft gesundheitlicher Verbraucherschutz vom 8./9. November 2005 iVm einem Beschluss der Arbeitsgruppe Fleisch-und Geflügelfleischhygiene und fachspezifische Fragen von Lebensmitteln tierischer Herkunft (AFFL) vom 11. März 2004 sei ausgeführt, dass die Anforderungen nach Anhang III Abschnitt XIV Kapitel I Nr. 3 der Verordnung (EG) 853/2004 erst erfüllt sein müssten, wenn die Häute aus der Sammelstelle für die Gelatine- und Kollagengewinnung verbracht würden. Die Trennung müsse aber nicht schon bei der Lieferung vom Schlachtbetrieb erfolgt sein, wenn die Kennzeichnung der Häute und deren Dokumentation eine eindeutige Zuordnung zuließen. Bei ihr sei jedes Fell mindestens anhand der Ohrmarke eindeutig identifizierbar. Eine Rückverfolgbarkeit sei daher jederzeit gewährleistet. Der Umstand, dass auch Felle verdächtiger Schlachtkörper mit Fellen genusstauglicher Tiere kurzzeitig in Kontakt seien, führe nicht zu Gefahren. Dass die Innenseiten der Felle als Lebensmittel verwendet würden, stehe nicht entgegen, weil die Außenseiten der Felle ohnehin nicht wie ein Lebensmittel gesäubert seien. Die Häute und Felle seien von dem Beklagten auch unzutreffend als „Fleisch“ im hygienerechtlichen Sinne eingestuft worden. Notwendig sei insoweit das Vorhandensein einer Muskelfaserstruktur, an der es insoweit fehle. Dies ergebe sich aus den Definitionen der Begriffe „Separatorenfleisch“ und „Fleischzubereitungen“ im Anhang I Nrn. 1.14 und 1.15 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004. Daher finde Anhang III Abschnitt I Kapitel IV Nrn. 15 und 16c dieser Verordnung hier keine Anwendung. Die angesprochenen Häute und Felle seien vielmehr Rohstoffe zur Herstellung von Gelatine und Kollagen. Die Anforderungen würden abschließend und eigenständig in den Abschnitten XIV und XV des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 geregelt. Dass die Einstufung in genusstaugliche und nicht für den menschlichen Verzehr bestimmter Häute und Felle bereits abgeschlossen sein müsse, wenn diese den Schlachtbetrieb verlassen, sei nicht zutreffend. Die weitergehende Untersuchung führe nach der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 nicht automatisch zur Genussuntauglichkeit des Schlachtkörpers; dies solle hierdurch gerade erst festgestellt werden. Die Felle und die Haut müssten bereits unmittelbar nach dem Entbluten der Tiere von dem Schlachtkörper abgelöst werden. In diesem Zeitpunkt stehe das Ergebnis der amtlichen Fleischuntersuchung in keinem Fall fest. Dieses liege regelmäßig erst innerhalb von 30-40 Minuten nach dem Entbluten vor. Es gebe aber auch Fälle, in denen die endgültige Beurteilung erst bis zu 48 Stunden nach der Schlachtung erfolge. Bis dahin befinde sich die Haut in einem noch laufenden Bewertungsprozess mit einer Tendenz zur genusstauglichen Beurteilung. Die amtliche Überwachung sei durch das von ihr praktizierte Begleitscheinverfahren sichergestellt. Soweit Schlachtkörper dann als nicht zum menschlichen Verzehr geeignet bewertet würden, würden die dazugehörigen Felle in der Sammelstelle oder der Gerberei anhand der Ohrmarken aussortiert. Die von dem Beklagten vorgeschriebenen Begleitdokumente würden erst dann zur Anwendung kommen, wenn das Ergebnis der amtlichen Fleischuntersuchung feststehe. Das von ihr, der Klägerin, verwendete Dokument sei gerade für die Zeit vor dem Abschluss der amtlichen Fleischuntersuchung konzipiert. In einem AFFL-Beschluss vom 5./6. November 2013 sei für diese Fälle ein spezielles Begleitscheinverfahren vorgesehen. Die Länder seien nach der Geschäftsordnung der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz grundsätzlich an diesen Beschluss gebunden. Das von ihr, der Klägerin, verwandte Dokument sei in gleicher Weise geeignet, Häute und Felle, welche genusstauglich seien, von denen, welche genussuntauglich seien, sicher zu trennen. Nr. 3 und 4 der Verfügung des Beklagten seien schon deshalb rechtswidrig, weil die Verfügung nur für Häute und Felle gelte, welche noch nicht endgültig beurteilt seien. Außerdem seien für solche Fälle in ihrem Betrieb gar keine Verstöße festgestellt worden. Die Untersagung der Verwendung des von ihr verwendeten Vordrucks sei unverhältnismäßig. Er erfülle jedenfalls den Zweck des amtlichen Begleitscheinverfahrens nach dem AFFL-Beschluss vom 5./6. November 2013. Die Vorschriften über die Lebensmittelhygiene nach der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 würde zudem ausdrücklich nicht für Sammelstellen gelten, die mit Rohstoffen für Gelatine und Kollagen umgingen, sofern sie hierfür eine entsprechende Genehmigung hätten. Davon sei bei der Fa. D. auszugehen. Die Beschränkung des amtlichen Begleitscheinverfahrens auf die rein innerstaatliche Anwendung in dem AFFL-Beschluss vom 5./6. November 2013 stelle allerdings einen ungerechtfertigten Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit innerhalb der Europäischen Union dar. Zwar sei dieses Begleitscheinverfahren im Gemeinschaftsrecht nicht ausdrücklich vorgesehen. In dem Anhang III Abschnitte XIV und XV jeweils Kapitel II Nr. 3 werde insoweit aber auf die Richtlinie 97/78/EG verwiesen. Diese enthalte Bestimmungen, wie bei einem Verkehr über die Landesgrenzen eine amtliche Überwachung gewährleistet sei. Daher stehe das Gemeinschaftsrecht dem Begleitscheinverfahren nach dem AFFL-Beschluss nicht entgegen. Das Gemeinschaftsrecht setze nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 lediglich Mindeststandards. Das amtliche Begleitscheinverfahren sichere effektiv die ordnungsgemäße Verwendung noch nicht abschließend beurteilter Tierhäute. Die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit seien nicht gegeben. Von unbehandelten Häuten und Fellen gingen keine Gesundheitsgefahren aus. Es sei auch davon auszugehen, dass die niederländischen Überwachungsbehörden mit dem praktizierten Verfahren einverstanden seien, so dass ein Überwachungsdefizit nicht zu befürchten sei. Dass die Fleischuntersuchung im Zeitpunkt der Abgabe der Felle bereits abgeschlossen sein müsse, ergebe sich auch nicht aus dem Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 853/2004. Sonst hätte dies ausdrücklich in die Vorgabe für das entsprechende Formular aufgenommen werden müssen. Der Verweis auf die Richtlinie 97/78/EG zeige, dass eine Beförderung bereits vor Abschluss der Fleischuntersuchung zulässig sei. Die AFFL prüfe derzeit die Möglichkeit, zukünftig auf das amtliche Begleitscheinverfahren für Häute und Felle ganz zu verzichten, wenn durch eine Kombination der Dokumente nach den Verordnungen (EG) Nrn. 853/2004 und 1069/2009 sowie eine eindeutige Kennzeichnung eine sichere Trennung in der Sammelstelle oder der Gerberei gewährleistet sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2018 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor: Der genannte Beschluss der AFFL vom 11. März 2004 befasse sich lediglich mit Material von als genusstauglich beurteilten Tieren und stehe daher der angegriffenen Verfügung nicht entgegen. Dieser habe sich außerdem nur auf eine Abgabe aus dem Schlachtbetrieb vor einem BSE-Test bezogen, der zum damaligen Zeitpunkt Bestandteil der Fleischuntersuchung gewesen sei. Zudem sei auch dort eine strikte Trennung und ein konkretes Begleitscheinverfahren vorgesehen. Das Begleitscheinverfahren könne nach dem AFFL-Beschluss vom 5./6. November 2013 auch nur innerstaatlich Anwendung finden. Die Klägerin hätte die Möglichkeit, sämtliche Rinderfelle als von Anfang an nicht für den menschlichen Verkehr geeignet zu bestimmen. Die im Schlachtbetrieb der Klägerin anfallenden Rinderfelle, die als genusstauglich beurteilt würden, seien vollständig als Lebensmittel einzustufen und als Lebensmittel zu behandeln. Es handle sich auch um „Fleisch“ im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 853/2004. Die Klägerin habe, wenn sie an ihrer bisherigen Praxis festhalten wolle, die Möglichkeit, ausnahmslos alle im Schlachtbetrieb anfallenden Rinderfelle als tierisches Nebenprodukt abzugeben.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Dauerverwaltungsakten wie dem Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2018 der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 3 C 7.14 - juris, Rn. 10).
Rechtsgrundlage des Bescheides des Beklagten vom 30. Januar 2018 ist in Bezug auf die Nrn. 1 - 3 und die Nr. 5 nicht § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB, sondern die vorrangige Regelung des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/04 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz, wonach die zuständige Behörde bei Feststellung eines Verstoßes u.a. gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften (Art. 2 Abs. 10 der Verordnung) die erforderlichen Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft (vgl. zum Anwendungsvorrang: OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Oktober 2018 - 13 LA 297/17 – juris, Rn. 6; Beschluss vom 28. Oktober 2013 - 13 ME 132/13 - juris, Rn. 10 und 16).
In Bezug auf die Nr. 4 und 5 des Bescheides des Beklagten vom 30. Januar 2018 ist Grundlage (auch) § 12 Abs. 2 TierNebG, wonach die zuständige Behörde im Einzelfall u.a. die Anordnungen treffen kann, die zur Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 und der zu ihrer Durchführung erlassenen Versordnung (EG) Nr. 142/2011 erforderlich sind.
Danach sind hier die Nrn. 1 und 2 der Verfügung vom 30. Januar 2018 rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblich ist hier die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs. Der Beklagte beruft sich auf deren Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit dem Anhang III Abschnitt I Kapitel IV Nr. 16 c, wonach Lebensmittelunternehmer, die Schlachthöfe betreiben, im Anschluss an die Fleischuntersuchung sicherstellen müssen, dass vorläufig beschlagnahmtes oder für genussuntauglich erklärtes Fleisch sowie nicht für den menschlichen Verzehr geeignete Nebenprodukte nicht mit genusstauglich beurteiltem Fleisch in Berührung kommen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Abschnitt I des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 853/2004, welcher die Anforderungen an Fleisch von als Haustiere gehaltenen Huftieren regelt, allerdings anwendbar. Nach dem Anhang I Nrn. 1.1 und 1.2 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 sind Fleisch alle genießbaren Teile von Rindern, einschließlich Blut. Die bei der Klägerin anfallenden Felle sollen unter anderem noch zur Kollagen- und Gelatineherstellung zum menschlichen Verzehr dienen.
Aus den Nrn. 1.14 und 1.15 des Anhangs I der Verordnung (EG) 853/2004 folgt keine abweichende Beurteilung des Begriffes „Fleisch“. Danach wird „Separatorenfleisch“ definiert als ein Erzeugnis, das durch Ablösung des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. des an dem Geflügelschlachtkörper haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen wird, dass die Struktur der Muskelfasern hierdurch aufgelöst oder verändert wird. Fleischzubereitungen sind frisches Fleisch einschließlich Fleisch, das zerkleinert wurde, dem Lebensmittel, Würzstoffe oder Zusatzstoffe zugegeben wurden oder das einem Bearbeitungsverfahren unterzogen wurde, das nicht ausreicht, die innere Muskelfaserstruktur des Fleisches zu verändern und so die Merkmale frischen Fleisches zu beseitigen.
Aus diesen Definitionen ergibt sich nicht, das Fleisch in jedem Falle noch eine Muskelfaserstruktur besitzen muss. Maßgeblich ist insoweit die umfassende Begriffsbestimmung in den Nrn. 1.1 und 1.2 des Anhangs I der Verordnung (EG) 853/2004, die keine Bedeutung hätte, wenn sie an anderer Stelle durch weitere Anforderungen ergänzt würde. Erfasst ist hierbei etwa ausdrücklich auch Blut, das zweifelsfrei keine Muskelfaserstruktur besitzt. In den Nrn. 1.14 und 1.15 des Anhangs I der Verordnung (EG) 853/2004 wird lediglich spezielles Fleisch berücksichtigt, nämlich solches, welches an Knochen haftet bzw. bei dem eine Behandlung stattgefunden hat.
Die Regelungen in den Abschnitten XIV und XV des Anhangs III der Verordnung (EG) 853/2004 über die Herstellung von Gelatine und Kollagen sind keine abschließenden die Vorschriften des Abschnitts I verdrängenden Bestimmungen. Sie richten sich nach den Abschnitten XIV und XV Nr. 1 in erster Linie an die Hersteller dieser Produkte. Dies ist aber nicht die Klägerin, sondern die Abnehmerin der Rinderfelle. Zudem sehen die jeweiligen Kapitel I Nr. 3 dieser Abschnitte des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 gerade vor, dass nur Rohstoffe von als genusstauglich eingestuften Tieren für die Gelantine- und Kollagenproduktion verwendet werden dürfen. Es handelt sich mithin um Regelungen, die an den Abschnitt I des Anhangs III der Verordnung (EG) 853/2004 anknüpfen.
Die nach Nr. 1 des Bescheides des Beklagten vom 30. Januar 2018 beanstandete Sammlung von Rinderfellen findet jedoch nicht im zeitlichen Anwendungsbereich der Nr. 16 c des Anhangs III Abschnitt I Kapitel IV der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 („im Anschluss an die Fleischuntersuchung“), sondern bereits vor Abschluss der Fleischuntersuchung statt. Denn die Felle werden sofort nach dem Abziehen - und damit in jedem Falle vor dem Ergebnis der amtlichen Überprüfung - in einen Sammelbehälter geblasen.
Für dieses Stadium („vor Abschluss der Fleischuntersuchung“) sieht Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit dem Anhang III Abschnitt I Kapitel IV Nr. 15 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 vielmehr vor, dass für den Fall, dass Blut oder andere Nebenprodukte der Schlachtung (Anhang I Nr. 1.11 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004) verschiedener Tiere in einem einzigen Behältnis gesammelt werden, der gesamte Inhalt für genussuntauglich erklärt werden muss, wenn auch nur ein einziger dieser Tierkörper für genussuntauglich erklärt wurde. Mithin verbietet die Vorschrift die von der Klägerin praktizierte unterschiedslose Sammlung der Rinderfelle vor Abschluss der Fleischuntersuchung nicht; diese führt lediglich dazu, dass die Felle nicht mehr als Lebensmittel verwendet werden dürfen, wenn auch nur der Tierkörper eines einzigen Felles in einem Behältnis für genussuntauglich erklärt wurde. Dies entspricht dem allgemeinen Prinzip des Lebensmittel- und Nebenproduktenrechts, dass bei einer Vermischung, die gesamte Charge der jeweils niedrigsten Stufe der möglichen Kategorisierungen zugeordnet wird (vgl. Art. 2, 8 lit.g und 9 lit.g der Verordnung (EG) Nr. 1069/09).
Dementsprechend ist auch die Nr. 2 des Bescheides des Beklagten vom 30. Januar 2018 rechtlich zu beanstanden. Darin wird der Klägerin jede Form des Inverkehrbringens der Rinderfelle untersagt, sofern solche genussuntauglicher und genusstauglicher Tierkörper gemeinsam gesammelt worden sind. Indes sind die Felle einer Charge nach den obigen Ausführungen in diesem Fall insgesamt als tierisches Nebenprodukt der Kategorie 3 nach der Verordnung (EG) 1069/2009 anzusehen. Nach deren Art. 10 lit. b handelt es sich nämlich um Teile von Tieren, die gemäß den Gemeinschaftsvorschriften - nämlich hier auf Grund der Regelung im Anhang III Abschnitt I Kapitel IV Nr. 15 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 - als genussuntauglich zurückgewiesen wurden. Dieses Material darf nach Maßgabe des Art. 14 der Verordnung (EG) 1069/2009 verwendet werden.
Die Nrn. 3 - 5 der Verfügung des Beklagten vom 30. Januar 2018 sind dagegen rechtmäßig.
In ihnen wird der Klägerin die Nutzung des von ihr verwendeten Formulars, welches sich sowohl auf taugliche als auch auf untaugliche Rinderfelle bezieht und als „Begleitdokument des Rohstoffs für die Gelatineherstellung gemäß VO (EG) Nr. 853/2004“ und „Handelspapier gemäß VO (EG) Nr. 1069/2009 für die Abholung/Sammlung und Beförderung von tierischen Nebenprodukten, die nicht für den menschlichen Verkehr bestimmt sind“, bezeichnet wird, untersagt (Nr. 5). Zudem wird ihr sinngemäß aufgegeben, stattdessen entweder das „Begleitdokument für Rohstoffe für die Herstellung von Gelatine und oder Kollagen für den menschlichen Verzehr“ oder das für tierische Nebenprodukte vorgesehene Handelspapier zu nutzen (Nr. 3 und 4).
Die Anforderungen an das Begleitdokument für Rohstoffe für die Herstellung von Gelatine oder Kollagen für den menschlichen Verzehr sind im Anhang III Abschnitte XIV und XV Kapitel II Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr 853/2004 iVm der Anlage geregelt. Danach muss den Rohstoffen bei der Beförderung oder der Lieferung an eine Sammelstelle oder eine Gerberei sowie der Lieferung an einen Gelantine- oder Kollagenverarbeitungsbetrieb ein Dokument beigefügt sein, aus dem der Herkunftsbetrieb hervorgeht und das die in der Anlage verlangten Angaben enthält. Es kann sich nach den obigen Ausführungen dabei nur um Container mit Rinderfellen handeln, die ausnahmslos als genusstauglich bewertet worden sind.
Die Verwendung des Handelspapiers für die Beförderung von nicht zum menschlichen Verzehr bestimmten tierischen Nebenprodukten ist in der Nr. 4 des Bescheides vom 30. Januar 2018 angeordnet. Nach Anhang VIII Kapitel III Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 142/2011 muss während der Beförderung den tierischen Nebenprodukten u.a. ein Handelspapier entsprechend einem in diesem Kapitel vorgesehenen Muster beiliegen. Nach den obigen Ausführungen ist dieses Dokument immer dann zu verwenden, wenn sich in dem jeweiligen Container ein Rinderfell befindet, welches von einem als genussuntauglich bewerteten Schlachtkörper stammt.
Die Anordnungen zu 3.) und 4.) im Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2018 sind erforderlich. Denn die Klägerin ist der unzutreffenden Rechtsauffassung, dass sie die Dokumente nicht zu verwenden brauche, weil die Einordnung als Lebensmittel oder tierisches Nebenprodukt noch im Empfängerbetrieb erfolgen könne und es für Verwendung einer Fellcharge für die Herstellung von Gelantine oder Kollagen für den menschlichen Verzehr ausreiche, wenn die Felle der als genussuntauglich beurteilten Tiere herausgesucht werden. Diese Praxis ist aber - wie ausgeführt - mit den sich aus Anhang III Abschnitt I Kapitel IV Nr. 15 der Verordnung (EG) 853/2004 ergebenden Grundsätzen nicht vereinbar.
Ein Mischpapier, wie es die Klägerin für den Fall, dass Tierkörper vorläufig beschlagnahmt sind, verwendet, ist dementsprechend gemeinschaftsrechtlich nicht vorgesehen, so dass auch deren Untersagung in der Nr. 5 des Bescheides des Beklagten vom 30. Januar 2018 rechtlich nicht zu beanstanden ist.
Die Verwendung eines solchen Dokuments ermöglicht auch nicht Anhang III Abschnitte XIV und XV Kapitel II Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004. Diese Vorschriften sehen lediglich vor, dass gem. der Richtlinie 97/78/EG bei Einfuhr von Rohstoffen zur Herstellung von Gelantine oder Kollagen für den menschlichen Verzehr aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union, nach der Veterinärkontrolle an der Grenze diese auf direktem Weg zur Bestimmungsanlage zu bringen sind. Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 97/78/EG bestimmt, dass der Transport von der Veterinärkontrolle an der Grenze bis zum Bestimmungsort unter amtlicher Kontrolle erfolgt. Es handelt sich mithin um ein spezielles Verfahren bei der Einfuhr von Tierfellen aus Drittstaaten, welches keinen Rückschluss auf die Anforderungen innergemeinschaftlicher Transporte zulässt.
Aus den angeführten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ergibt sich mithin, dass die Klägerin Behälter mit Fellen schon dann als tierisches Nebenprodukt, welches nicht zu menschlichen Verkehr bestimmt ist, deklarieren muss, wenn auch nur ein Fell von einem bei der Fleischuntersuchung als genussuntauglich beurteilten Tier stammt. Nur wenn sämtliche Felle eines Containers von als genusstauglich bewerteten Tieren stammen, dürfen diese als Lebensmittel deklariert und versandt werden. Sofern im Zeitpunkt des beabsichtigten Transports die Tierkörper noch nicht abschließend untersucht sind, kann die Klägerin es nicht offenlassen, wie sie die Felle deklariert. Eine vorläufige Kategorisierung ist nicht vorgesehen. Die Klägerin muss vielmehr mit dem Transport eines Containers warten bis eine abschließende Einstufung möglich ist oder muss (vorsorglich) diese als nicht zum menschlichen Verzehr bestimmtes Nebenprodukt deklarieren.
Hiervon geht im Grundsatz auch der maßgebliche Beschluss des AFFL vom 5./6. November 2013 aus, welcher die Anwendung eines Leitfadens der bayrischen Behörden zum Umgang mit Häuten und Fellen zur Anwendung empfohlen hat. Darin wird (S. 10) ausdrücklich angeführt, dass die Sendung vor dem Versand grundsätzlich abschließend beurteilt und kategorisiert sein muss.
Allerdings sieht dieser Beschluss des AFFL für Häute und Felle, bei denen die amtliche Fleischuntersuchung noch nicht abgeschlossen ist, ein besonderes Begleitscheinscheinverfahren und nicht die Verwendung der Dokumente nach den Verordnungen (EG) Nrn. 853/2004 und 142/2011 vor. Dieser Begleitschein weist Ähnlichkeiten mit dem von der Klägerin verwendeten Dokument auf.
Das Begleitscheinverfahren sieht zunächst ein schriftliches Einvernehmen der betroffenen Behörden über die Anwendung des Begleitscheinverfahrens vor (Nr. 1). Darüber hinaus muss (3.) der amtliche Begleitschein von der Behörde des Absendebetriebes an die Behörde des Empfängerbetriebes und den Empfangsbetrieb selbst übermittelt werden. Schließlich (5.) teilt die Behörde des versendenden Betriebes der zuständigen Behörde des Empfangsbetriebs und dem Empfangsbetrieb selbst die endgültige Beurteilung der Tierkörper mit. Dieses amtliche Begleitscheinverfahren soll nur innerstaatlich Anwendung finden (Nr. 8).
Die Praxis dieses Begleitscheinverfahrens vermag die Rechtmäßigkeit der Nr. 3 bis 5 des Bescheides des Beklagten vom 30. Januar 2018 nicht in Frage zu stellen. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 20 EU GR-Charta) nicht vor.
Zunächst ist maßgeblich, dass diese Praxis von den oben erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Regelungen abweicht und daher rechtswidrig ist. Die Klägerin kann in einem solchen Fall eine Gleichbehandlung nicht beanspruchen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2005 - 1 D 30.03 - juris, Rn. 82; OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. August 2017 - 13 ME 122/17 - juris, Rn. 24).
Zwar können die Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004, ohne die Erreichung der Ziele dieser Verordnung zu gefährden, nach Maßgabe der Abs. 4 bis 8 der Bestimmung einzelstaatliche Vorschriften zur Anpassung der Anforderungen des Anhangs III erlassen. Indes handelt es sich bei dem AFFL-Beschluss ersichtlich nicht um eine Rechtsvorschrift, sondern um die Dokumentation einer Verwaltungspraxis.
Abgesehen davon können sich Betroffene auf derartige verwaltungsinterne Bestimmungen nur berufen, wenn sie Ausdruck einer tatsächlichen Verwaltungspraxis sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2012 - 8 C 18.11 - juris, Rn. 31 f.).
Aus dem Beschluss des AFFL vom 5./6. November 2013 (S. 10) geht aber hervor, dass das vorgesehene amtliche Begleitscheinverfahren nur innerstaatlich Anwendung findet, nicht aber auf ein Verbringen der Häute und Felle in einen anderen Mitgliedstaat. Soweit die Klägerin vorträgt, dass diese Beschränkung des AFFL-Beschlusses auf die innerstaatlichen Häuteverwertung gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs (Art. 34 f. AEUV) verstoße, überzeugt dies die Kammer nicht. Ihr Anspruch auf Gleichbehandlung ist - wie ausgeführt - auf die tatsächliche Verwaltungspraxis beschränkt. Die Klägerin erstrebt dagen eine Ausweitung des (rechtswidrigen) Begleitscheinverfahrens. Die Ansicht der Klägerin würde dazu führen, dass ein gemeinschaftswidriges Verhalten nunmehr auch auf den innergemeinschaftlichen Handel übertragen und der Verstoß noch vertieft wird.
Soweit die Klage erfolgreich ist, sind auch die darauf beruhenden Zwangsgeldandrohungen rechtswidrig und aufzuheben; im Übrigen finden diese ihre rechtliche Grundlage in den §§ 64, 65 Abs. 1 Nr. 2, 67, 70 Nds. SOG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.