Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.06.2018, Az.: 10 OA 176/18

Zurückweisung einer Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung in einer Asylstreitigkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.06.2018
Aktenzeichen
10 OA 176/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 63555
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2018:0619.10OA176.18.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 08.03.2018 - AZ: 11 A 4822/16

Amtlicher Leitsatz

Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG erfasst nicht nur das Hauptverfahren, sondern auch alle gerichtlichen Entscheidungen in selbständigen und unselbständigen Nebenverfahren im Zusammenhang mit dem Asylgerichtsverfahren.

Tenor:

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Berichterstatter der 11. Kammer - vom 8. März 2018 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1

Die Kläger begehren die Festsetzung einer Erledigungsgebühr sowie die Erstattung von Aufwendungen für die Anfertigung von Kopien.

2

Die Kläger haben am 19. September 2016 Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 6. September 2016, mit dem unter anderem ihre Asylanträge als unzulässig abgelehnt und ihre Abschiebung nach Polen angedroht worden ist, erhoben und die Aufhebung des Bescheids beantragt, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen. Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2016 haben die Kläger ihre Klage weiter begründet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat mit Schreiben vom 9. Mai 2017 mitgeteilt, dass der Bescheid vom 6. September 2016 wegen Ablaufs der Überstellungsfrist aufgehoben und sich einer Erledigungserklärung der Kläger bereits vorab angeschlossen werde. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 30. Mai 2017 den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Daraufhin hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt und der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens auferlegt.

3

Nachdem die Kläger zunächst mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10. Oktober 2017 eine Festsetzung von Kosten in Höhe von 843,23 Euro beantragt hatten, erweiterten sie mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2017 die Kosten um eine Erledigungsgebühr gem. Nr. 1003, 1002 VV RVG in Höhe von 507,00 Euro. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der 11. Kammer des Verwaltungsgerichts Oldenburg setzte mit Beschluss vom 15. Januar 2018 unter Absetzung der beantragten Erledigungsgebühr und eines Teils der beantragen Kopierkosten die von der Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten auf 821,81 Euro fest. Zur Begründung wird in dem Beschluss ausgeführt, dass eine Notwendigkeit der Anfertigung von Kopien lediglich für 23 Seiten bestanden habe und besondere Bemühungen des Prozessbevollmächtigten, die zu der Erledigung des Rechtsstreits geführt hätten, nicht ersichtlich seien.

4

Die hiergegen von den Klägern mit Schriftsatz vom 2. Februar 2018 beantragte Entscheidung des Gerichts, wies das Verwaltungsgericht als Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss mit Beschluss vom 8. März 2018 durch den Berichterstatter der 11. Kammer zurück. Zur Begründung wird in dem Beschluss ausgeführt, dass eine - wie von Nummer 1002 VV-RVG geforderte - besondere Mitwirkungshandlung des Prozessbevollmächtigten nicht vorliege und lediglich für 23 Kopien die Notwendigkeit der Anfertigung plausibel dargetan worden sei.

5

Gegen diesen Beschluss wendet sich die beim Verwaltungsgericht Oldenburg am 3. April 2018 eingegangene Beschwerde der Kläger, zu deren Begründung sie vortragen, dass die Erledigungsgebühr nicht an eine besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts zu knüpfen sei. Da das Merkmal "besonders" keine klare Abgrenzung ermögliche, sei an das Erledigungsereignis anzuknüpfen, das sicher feststellbar sei.

II.

6

Die Beschwerde (§§ 165, 151, 146 Abs. 1 VwGO), über die der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zu entscheiden hat (vgl. Senatsbeschluss vom 17.01.2018 - 10 OA 30/18 -, nicht veröffentlicht; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 15.11.2017 - 12 OA 125/17 -, juris Rn. 3), bleibt ohne Erfolg.

7

Sie ist bereits nicht zulässig. Nach § 80 Asylgesetz können Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Um eine solche asylrechtliche Streitigkeit handelt es sich hier bei der Klage gegen einen ablehnenden Asylbescheid, so dass der mit der vorliegenden Beschwerde angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 8. März 2018 unanfechtbar ist. Auch ergibt sich nicht etwas anderes daraus, dass die in dem Beschluss enthaltene Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft von einer Beschwerdemöglichkeit ausgeht (vgl. etwa Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.02.2018 - 13 OA 40/18 -, juris Rn. 4; Hessischer VGH, Beschluss vom 16.01.2018 - 4 E 805/17.A -, juris Rn. 11; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.02.2017 - A 2 S 271/17 -, BeckRS 2017, 103950 Rn. 4).

8

Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG erfasst nicht nur das Hauptsacheverfahren, sondern auch alle gerichtliche Entscheidungen in selbständigen und unselbständigen Nebenverfahren im Zusammenhang mit dem Asylgerichtsverfahren, wie etwa die Verfahrenseinstellung, Kostenentscheidung, Gegenstandswertfestsetzung, (Teil-)Versagung von Prozesskostenhilfe, Aussetzung und Ruhensanordnung, Richterablehnung, Zeugen- und Sachverständigenentschädigung, Zurückweisung der Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung, selbst wenn diese Entscheidungen - in Ergänzung des Asylgesetzes - ihre Rechtsgrundlage in anderen Gesetzen (z.B. VwGO, GKG, RVG, ZPO) haben (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.02.2018 - 13 OA 40/18 -, juris Rn. 3 m.w.N.; Hessischer VGH, Beschluss vom 16.01.2018 - 4 E 805/17.A -, juris Rn. 5; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 28.02.2017 - A 2 S 271/17 -, BeckRS 2017, 103950 Rn. 2, und vom 02.09.2011 - A 12 S 2451/11 -, BeckRS 2011, 54423; vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 30.05.2017 - 21 CS 17.30500 -, juris Rn. 2; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 09.05.2016 - 1 E 298/16.A -, und vom 15.09.2014 - 11 E 909/14.A -, jeweils juris; einschränkend: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.07.2016 - OVG 3 K 40.16 -, juris Rn. 5).

9

Dem steht vorliegend auch § 1 Abs. 3 RVG bereits deshalb nicht entgegen, weil sich bei einer Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts über die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung das Verfahren nicht nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes richtet, sondern nach der Verwaltungsgerichtsordnung (so auch Hessischer VGH, Beschluss vom 16.01.2018 - 4 E 805/17.A -, juris Rn. 7 f.). Darüber hinaus war mit der Einführung der Regelung des § 80 AsylG ein umfassender Rechtsmittelausschluss bezweckt und es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 1 Abs. 3 RVG hieran etwas ändern wollte (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.02.2017 - A 2 S 271/17 -, BeckRS 2017, 103950 Rn. 3).

10

Überdies wäre die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache nicht zu beanstanden.

11

Entgegen der Auffassung der Kläger entsteht die Erledigungsgebühr (Nr. 1002 Satz 1 VV-RVG) nur bei einer besonderen, nicht nur unwesentlichen und gerade auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung gerichteten Tätigkeit des Rechtanwalts, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV-RVG) abgegoltenen Leistungen der Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs sowie der Beratung des Mandanten zu einem verfahrensmäßig angemessenen Verhalten hinausgeht (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 08.07.2013 - 5 OA 137/13 -, juris Rn. 4 m.w.N., und Beschluss vom 11.06.2007 - 2 OA 433/07 -, juris Rn. 7; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 28.11.2011 - 6 B 34/11 -, juris Rn. 4; Bayerischer VGH, Beschluss vom 05.04.2017 - 19 C 15.1844 -, juris Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.09.2015 - OVG 6 K 13.15 -, juris; Sächsisches OVG, Beschluss vom 30.07.2015 - 3 E 41/15 -, juris Rn. 8; OVG Bremen, Beschluss vom 24.04.2015 - 1 S 250/14 -, juris Rn. 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.10.2014 - 12 E 567/14 -, juris Rn. 11). Mit der Erledigungsgebühr soll die Entlastung der Gerichte und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um eine möglichst weitgehende Herstellung des Rechtsfriedens zwischen den Beteiligten ohne gerichtliche Sachentscheidung honoriert werden (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 08.07.2013 - 5 OA 137/13 -, juris Rn. 4 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.; Sächsisches OVG, a.a.O.). Dabei kommt es maßgeblich darauf an, dass der Prozessbevollmächtigte an der materiell-rechtlichen Erledigung mitgewirkt hat. Allein eine Mitwirkung daran, den Rechtsstreit nach einer Erledigung in der Sache nunmehr auch in prozessualer Hinsicht - durch Abgabe einer Erledigungserklärung - zu beenden, reicht insoweit nicht aus, weil dies keine Tätigkeit darstellt, die über die allgemeine Prozessführung hinausgeht. Sie ist deshalb bereits durch die Verfahrensgebühr abgegolten ist (Niedersächsisches OVG, a.a.O. m.w.N.; vgl. Bayerischer VGH, a.a.O. Rn. 17, 20; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.10.2014 - 1 E 197/14 -, juris Rn. 6). Das Erledigungsereignis ist entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht in der Erledigungserklärung zu sehen (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 30.12.2016 - 15 C 16.1973 -, juris Rn. 17, 20), sondern in der Aufhebung des Bescheids durch die Beklagte infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist. Hieran hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger, über die allgemeine Verfahrensförderung hinaus, nicht mitgewirkt.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 83b AsylG.

13

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).