Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 25.02.2000, Az.: 74 IK 60/99
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe; Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 25.02.2000
- Aktenzeichen
- 74 IK 60/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 31012
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2000:0225.74IK60.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 21 Abs. 1 InsO
- § 306 Abs. 2 InsO
- § 309 InsO
Fundstellen
- KKZ 2001, 160-162
- NZI 2001, 65
- ZInsO 2001, 34 (amtl. Leitsatz)
- ZInsO 2001, 36 (amtl. Leitsatz)
- ZInsO 2000, 233-234 (Volltext mit red. LS)
Gründe
Die Schuldnerin hat am 3.8.1999 den Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt. Mit Beschl. v. 7.9.1999 ist ihr PKH für das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren (§§ 305 - 310 InsO) bewilligt worden. Zugleich ist Drittschuldnern gem. §§ 306 Abs. 2, 21 Abs. 1 InsO aufgegeben worden, pfändbare Beträge an die Hinterlegungsstelle des AG Göttingen zu zahlen. Daraufhin sind vom Arbeitgeber der Schuldnerin bislang an die Gläubigerin zu 7 aufgrund einer Abtretung abgeführte Beträge beginnend ab dem Monat September 1999 hinterlegt worden.
Der überarbeitete Schuldenbereinigungsplan v. 30.11.1999 weist 14 Gläubiger mit einer Gesamtforderung i.H.v. ca. 230.000 DM aus. Bei einer Laufzeit von 60 Monaten und einer monatlichen Schuldentilgung von 590 DM ergibt sich eine Regulierungsquote von 15,48 %. Dem überarbeiteten Plan haben zunächst fünf Gläubiger widersprochen, u.a. die Gläubigerin zu 7, die an der Gesamtforderung 37,86 % hält. Da unter Hinzurechnung der übrigen widersprechenden Gläubiger die Summenmehrheit nicht erreicht war, hat das Gericht mit Beschl. v. 21.1.2000 den von der Schuldnerin gestellten Antrag auf Zustimmungsersetzung gem. § 309 InsO zurückgewiesen.
Gegen diesen am 31.1.2000 zugestellten Beschluß hat die Schuldnerin mit Schreiben v. 10.2.2000 rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Schreiben v. 22.2.2000 hat die Gläubigerin zu 7 mitgeteilt, dass sie im Hinblick auf das beigefügte Schreiben des Diakonischen Werkes N. nunmehr dem Schuldenbereinigungsplan ohne Vorbehalt zustimmt.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache begründet. Der Beschl. v. 21.1.2000 ist aufzuheben. Die Einwendungen der widersprechenden Gläubiger sind durch eine gerichtliche Zustimmung zu ersetzen.
Die erforderliche Kopf- und Summenmehrheit liegt nunmehr vor. Von den 14 Gläubigern widersprechen noch vier Gläubiger, die von der Gesamtforderung ca. 36 % halten.
Die Gläubiger Nr. 1, 6 und 10 haben ihre Ablehnung nicht begründet. Damit liegt die gem. § 309 InsO erforderliche Glaubhaftmachung nicht vor, die Einwendungen dieser Gläubiger sind unbeachtlich.
Die Gläubigerin Nr. 5 hat ihre Zustimmung von der Erfüllung dreier Bedingungen abhängig gemacht, die allerdings einer Zustimmungsersetzung nicht entgegenstehen.
1.
Zunächst verlangt die Gläubigerin Nr. 5, dass ihre Forderung unter Anrechnung der bisher erbrachten Zahlungen wieder auflebt, sofern die Schuldnerin die Vereinbarung nicht oder nicht fristgerecht einhält. Ziffer 6 des Schuldenbereinigungsplanes v. 30.11.1999 trägt dem Rechnung. Danach hat jeder Gläubiger die Möglichkeit, die weitere Abwicklung zu kündigen, wenn die Schuldnerin mit mehr als zwei aufeinanderfolgenden Raten in Verzug geraten ist und der Gläubiger erfolglos eine zweiwöchige Frist zur Zahlung des rückständigen Betrages mit der Erklärung gesetzt hat, dass er bei Nichtzahlung innerhalb der Frist den Vergleich kündigen werde.
2.
Die Gläubigerin zu 5 verlangt weiter, dass Geld- und Sachgewinne, die einen Wert von 200 DM übersteigen, zu 50 % in die zu verteilende Masse fallen und quotal auf die Gläubiger verteilt werden. Der Schuldenbereinigungsplan v. 30.11.1999 sieht lediglich eine Verpflichtung vor, dass Vermögen, das die Schuldnerin von Todes wegen erwirbt, zur Hälfte des Wertes an die Gläubiger herausgegeben wird. dass die Schuldnerin sich nicht zur Herausgabe weiteren Vermögenszuwachses verpflichtet, stellt keinen Versagungsgrund gem. § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO dar. Auch für das Restschuldbefreiungsverfahren besteht lediglich die Obliegenheit, Vermögen, das von Todes wegen erworben wird, zur Hälfte des Wertes herauszugeben (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO).
3.
Schließlich verlangt die Gläubigerin zu 5, dass die beim AG Göttingen hinterlegten pfändbaren Beträge aus dem Arbeitseinkommen sowie die künftig während der Laufzeit des Planes vom Arbeitgeber gezahlten Weihnachts- und Urlaubsgelder quotal auf die Gläubiger aufzuteilen sind.
a)
Nach den Angaben im Vermögensverzeichnis erhält die Schuldnerin ein Urlaubsgeld i.H.v. 1.300 DM. Dieses ist unpfändbar gem. § 850 a Nr. 2 ZPO.
b)
An Weihnachtsvergütung erhält die Schuldnerin ebenfalls 1.300 DM. Gem. § 850 a Nr. 4 ZPO ist dieses pfändbar bis zum Höchstbetrag von 540 DM.
In der Nichteinbeziehung des jährlichen Betrages von 540 DM bzw. des Betrages von 2.700 DM während der 5-jährigen Laufzeit des Schuldenbereinigungsplanes liegt jedoch keine Schlechterstellung gem. § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO.
Der für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehende Gesamtbetrag würde sich zwar von 35.400 DM um 2.700 DM auf 38.100 DM erhöhen. Die Forderung der Gläubigerin zu 5 beläuft sich auf 73.481,78 DM. Im vorliegenden Schuldenbereinigungsplan erhält sie bei der Regulierungsquote von 15,48 % in fünf Jahren 11.377,76 DM. Die Regulierungsquote würde sich unter Einberechnung des anteiligen Weihnachtsgeldes auf 16,66 % erhöhen. Die Gläubigerin zu 5 würde 12.242,06 DM erhalten. Dies entspricht einem Mehrbetrag in fünf Jahren i.H.v. 864,30 DM bzw. jährlich 172,86 DM bzw. monatlich 14,41 DM. Zwar ist eine mathematisch genaue Anteilsberechnung nicht erforderlich (FK-InsO/Grote, § 309 Rn. 12). Die bisher vom erkennenden Gericht für unbedenklich erklärten Abweichungen beliefen sich auf Beträge im Bereich von unter 100 DM. Im vorliegenden Fall liegt der Betrag deutlich darüber. Bei einer Differenz von fast 1.500 DM ist eine erhebliche Abweichung angenommen worden (74 IK 25/99, Beschl. v. 5.11.1999; bestätigt vom LG Göttingen, Beschl. v. 20.12.1999, 10 T 94/99).
Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Durch die gewählte Lösung steht die Gläubigerin nämlich nicht wirtschaftlich schlechter, als sie bei Durchführung des Verfahrens über die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung stünde. Würde das Insolvenzverfahren eröffnet und die Restschuldbefreiung durchgeführt, würden zusätzliche Kosten entstehen, die den Betrag von 864,30 DM bei weitem übersteigen. Es würden zunächst für die Durchführung des vereinfachten Insolvenzverfahrens (§§ 311 ff. InsO) Gerichtskosten, Veröffentlichungskosten und Treuhänderkosten entstehen. Bereits diese Kosten erreichen den Betrag von 864,30 DM (zur Berechnung der Kosten im Einzelnen vgl. Beschl. v. 24.9.1999 - 74 IK 23/99 - VuR 2000, 29, 30). Hinzu kommt, dass im nachfolgenden Restschuldbefreiungsverfahren eine jährliche Mindestvergütung des Treuhänders i.H.v. 200 DM anfällt und der Schuldnerin weiterhin der sog. Motivationsrabatt gem. § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO zusteht, Beschl. v. 21.7.1999 - 74 IK 33/99 (ZIP 1999, 1365 = ZInsO 1999, 477).
c)
Aus dem Arbeitseinkommen der Schuldnerin sind bislang hinterlegt Beträge i.H.v. 2.445,10 DM. Diese Beträge wurden vor Hinterlegung von der Arbeitgeberin der Schuldnerin aufgrund einer Abtretung an die Gläubigerin zu 7 geleistet, die inzwischen ihr Einverständnis mit dem Schuldenbereinigungsplan erklärt hat. Vor Verfahrenseinleitung war die Gläubigerin zu 7 im Schreiben der Schuldnerberatung v. 7.6.1999 darauf hingewiesen worden, dass die Abtretung unwirksam sein dürfte. Im Schuldenbereinigungsplan ist die Gläubigerin zu 7 auch nicht für die ersten zwei Jahre unter Berücksichtigung der Regelung des § 114 Abs. 1 InsO i.V.m. Art. 107 EG InsO als alleiniger Zahlungsempfänger aufgeführt. Für das vorliegende Verfahren kann davon ausgegangen werden, dass die Abtretung unwirksam ist. Folglich steht der Betrag der Schuldnerin zu.
Wird dieser Betrag nicht auf die Gläubiger verteilt, liegt darin jedoch kein Versagungsgrund gem. § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO. Es ist nämlich davon auszugehen, dass bei Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens und Durchführung des Restschuldbefreiungsverfahrens zusätzliche Kosten i.H.v. ca. 5.300 DM anfallen würden. Damit wäre sowohl der bislang hinterlegte Betrag i.H.v. 2.445,10 DM aufgezehrt
- 2 1/2 Gerichtsgebühren auf 7.080 DM (Jahreswert der im Schuldenbereinigungsplan vorgesehenen Zahlung)
- Veröffentlichungskosten und sonstige Kosten mindestens
- Treuhändervergütung (§ 13 InsVV)
Im Restschuldbefreiungsverfahren ergeben sich folgende Positionen (vgl. Beschl. v. 21.7.1999 - 74 IK 33/99 (ZIP 1999, 1365 = ZInsO 1999, 477):
- ...
- Treuhändervergütung (§ 14 Abs. 1 1. Alternative) unter Hinzuberechnung einer jährlichen Unkostenpauschale von 40 DM und der Mehrwertsteuer (ebenso wie bei der Treuhändervergütung im vereinfachten Insolvenzverfahren) - sog. Motivationsrabatt (§ 292 Abs. 1 Satz 3 InsO) Es ergibt sich ein Gesamtbetrag i.H.v. der den obigen Betrag von 5.145,10 DM übersteigt.