Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 18.10.2000, Az.: 74 IN 131/00

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
18.10.2000
Aktenzeichen
74 IN 131/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 35561
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2000:1018.74IN131.00.0A

Fundstellen

  • EWiR 2001, 589
  • KTS 2001, 271
  • NZI 2001, 18
  • NZI 2001, 102-103
  • ZIP 2001, 580-581

Tenor:

  1. wird heute am 18.10.2000, 12:00 Uhr, das Insolvenzverfahren gemäß §§ 2, 3, 11, 16 ff. InsO wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet.

  2. Zum Insolvenzverwalter wird bestellt:

  3. Rechtsanwalt B. W., ..., D-37073 Göttingen,

Gründe

1

Mit Schreiben vom 05.07.2000 hat die Antragstellerin einen Antrag gestellt auf Insolvenzeröffnung gegen

"Gebr. S. Grundstücksgemeinschaft GbR, ..., 37120 Bovenden

bestehend aus:

  1. 1.

    Herrn E. S., , ...

  2. 2.

    Herrn L. S. , , ...

  3. 3.

    Herrn W.S.,, "

2

Der Antrag wird darauf gestützt, daß die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin rechtskräftig titulierte Kapitalforderungen in Höhe von insgesamt circa 40 Millionen DM sowie eine rückständige Zinsforderung in Höhe von circa 1,8 Millionen DM hat.

3

Zur Glaubhaftmachung hat die Antragstellerin vorgelegt acht Darlehensverträge, in der als Darlehensnehmer jeweils genannt ist "Gebr. S. Grundstücksgemeinschaft GbR, I.10, 37120 Bovenden (Gesellschafter E. S., W. -R. S. , L. S. )." Beleihungsobjekte sind gewerblich genutzte Grundstücke. Diese standen bereits bei Abschluß der Darlehensverträge im Eigentum der Gebrüder S.. Wie sich im weiteren Verlaufe des Insolvenzverfahrens ergeben hat, sind im Grundbuch eingetragen die Gebrüder S. zu je 1/3 als Eigentümer.

4

Mit Beschluß vom 07.07.2000 hat das Insolvenzgericht ein allgemeines Verfügungsverbot verhängt und Rechtsanwalt Wegener zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Im Gutachten vom 13.10.2000 kommt der vorläufige Verwalter zu dem Ergebnis, daß Zahlungsunfähigkeit und eine die voraussichtlichen Kosten des Verfahrens deckende freie Insolvenzmasse vorliegt.

5

In dem Bericht wird weiter ausgeführt, daß es weder einen mündlichen noch einen schriftlichen oder notariellen Gesellschaftsvertrag gibt. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, daß Darlehensnehmerin die auch im Grundbuch eingetragene Grundstücksgemeinschaft ist, über deren Vermögen das Verfahren eröffnet werden sol

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Das Insolvenzgericht eröffnet das Insolvenzverfahren über das Vermögen der als Bruchteilsgemeinschaft anzusehenden Gebr. S. Grundstücksgemeinschaft.

7

Zunächst ist durch Auslegung zu ermitteln, gegen wen sich der Insolvenzantrag richtet. In der Antragsschrift ist genannt die Gebr. S. Grundstücksgemeinschaft GbR, bestehend aus den drei namentlich bezeichneten Gebrüdern S.. Die Bezeichnung "Gemeinschaft GbR" ist jedoch widersprüchlich. Erkennbar wurde die in den Darlehensverträgen für die Schuldner als Darlehensnehmer gewählte Bezeichnung übernommen. In den Darlehensverträgen ist jeweils ausgeführt, daß die Bank den Darlehensnehmer ein am Beleihungsobjekt grundpfandrechtlich abzusicherndes Darlehen in bestimmter Höhe zur Verfügung stellt. Das Beleihungsobjekt steht jedoch nicht im Eigentum einer GbR, sondern - ausweislich der Grundbucheintragungen - im Eigentum einer Bruchteilsgemeinschaft. Auszugehen ist daher davon, daß Darlehensnehmer und Schuldner die Bruchteilsgemeinschaft ist.

8

Hinzu kommt, daß die Darlehensverträge durch die Teileigentümer unterzeichnet wurden ohne Zusatz, der auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes hinweist. Einige der Verträge unterzeichnete einer der Brüder ... aufgrund einer notariellen Vollmacht vom 05.11.1981. In dieser Vollmacht wird die Rechtsmacht erteilt, die Brüder gegenseitig bei Grundstücksgeschäften jeglicher Art zu vertreten. Die Rechtsmacht, im Rahmen einer GbR zu handeln, wird in dieser Vollmacht nicht erwähnt.

9

Darlehensnehmerin ist folglich die Grundstücksgemeinschaft, in deren Eigentum auch die Grundstücke stehen. Gegen sie richtet sich der Insolvenzantrag. Das Insolvenzgericht bejaht auch eine Insolvenzfähigkeit der Grundstücksgemeinschaft gem. § 11 InsO. Gem. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO kann ein Insolvenzverfahren eröffnet werden über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit. In der Legaldefinition wird u.a. aufgeführt die Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, nicht aber die Bruchteilsgemeinschaft gem. §§ 741 ff. BGB. Sofern sich die Literatur äußert, wird die Insolvenzfähigkeit einer Bruchteilsgemeinschaft abgelehnt (Kübler/Prütting, InsO § 11 Rzn. 29). Zur Begründung wird angeführt, daß diese Gemeinschaft keine Parteifähigkeit aufweist und auch im Gesetz nicht ausnahmsweise für insolvenzfähig erklärt wird. Mit der Frage der Parteifähigkeit hat jedoch die Insolfähigkeit nichts zu tun. Die Gesetzesmaterialien weisen darauf hin, daß mit der Anerkennung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als insolvenzfähig nicht automatisch die passive Parteifähigkeit verbunden ist (Bundestagsdrucksache 12/7302, Seite 156). Zur Begründung für die Anerkennung der Insolvenzfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes weist die Gesetzesbegründung auf das praktische Bedürfnis hin,, das sich daraus ergibt, daß auch Gesellschaften bürgerlichen Rechts nicht selten als Träger eines Unternehmens am Geschäftsverkehr teilnehmen (Bundestagsdrucksache 12/2443, S. 112).

10

Diese Überlegungen treffen auch zu auf eine Grundvermögen haltende Bruchteilsgemeinschaft gem. §§ 741 ff. BGB. Derartige Gemeinschaften nehmen häufig am Geschäftsverkehr teil, indem sie bebaute Grundstücke halten, die gewerblich an Dritte zum Betrieb von Geschäften vermietet werden, wobei teilweise personelle Verpflichtungen bestehen. Der Vermögensbestand der Bruchteilsgemeinschaft läßt sich insbesondere beim Vorhandensein von Grundeigentum mit Hilfe der Grundbücher mindestens so sicher feststellen wie bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes. Nach Auffassung des Insolvenzgerichtes ist deshalb eine erweiternde Auslegung dahin geboten, daß auch Bruchteilsgemeinschaften als insolvenzfähig im Sinne des § 11 InsO anzusehen sind. Es bedarf nicht eines Antrages gegen jeden einzelnen Bruchteilseigentümer.

Schmerbach