Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 23.11.2000, Az.: 74 IK 49/2000
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Aufgespaltene Zuständigkeit zwischen Vollstreckungsgericht und Insolvenzgericht
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 23.11.2000
- Aktenzeichen
- 74 IK 49/2000
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 31059
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2000:1123.74IK49.2000.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 InsO
- § 765a ZPO
- § 766 ZPO
Fundstelle
- ZInsO 2001, 275-278
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Für eine Entscheidung über einen Antrag nach § 765a ZPO ist nach Stellung des Insolvenzantrages das Insolvenzgericht zuständig.
- 2.
Nach § 850f Abs. 1a ZPO sind bei der Bestimmung des Bedarfs des Schuldners dessen besondere Bedürfnisse sowie Unterhaltsverpflichtungen im Rahmen der §§ 11-26 BSHG angemessen zu berücksichtigen. Daneben können weitere Besonderheiten sowie die Belange der Gläubiger berücksichtigt werden.
Tatbestand
Mit bei Gericht am 30.3.2000 eingegangenem Antrag hat der Schuldner Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt. Der 1964 geborene Schuldner ist beamteter Fernmeldehandwerker und seit dem Jahre 1984 verheiratet. Er ist Vater dreier Kinder (geboren 1988, 1990 und 1995). Der 1988 geborene Sohn ist behindert. Es fallen erhebliche Therapiekosten an, die nicht voll erstattet werden. Sein Eigenanteil bei den Krankenversicherungskosten beziffert der Schuldner für das Jahr 1999 auf 4.564,82 DM. Über das Vermögen der Ehefrau des Schuldners ist ebenfalls ein Verbraucherinsolvenzverfahren anhängig (74 IK 48/00). Die Ehefrau des Schuldners erzielte aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Jahre 1999 negative Einnahmen i.H.v. monatlich 497,73 DM.
Das Nettoeinkommen des Schuldners beläuft sich nach Abzug von Lohn- und Kirchensteuer auf 4.173,51 DM.
Ausweislich der Bezügemitteilung des Arbeitgebers für Mai 2000 erfolgt für vermögenswirksame Leistungen ein Abzug i.H.v.13,00 DM und für Pfändung/Abtretung ein Abzug i.H.v.198,00 DM.
Zzgl. Kindergeld i.H.v.840,00 DM ergibt sich ein Überweisungsbetrag i.H.v.4.802,51 DM.
Insgesamt liegen 21 Pfändungen/Abtretungen vor über einen Gesamtbetrag i.H.v. ca. 67.000 DM. Weiter ist aufgrund eines Beschlusses des AG Duderstadt der Steuererstattungsanspruch des Schuldners gegenüber dem FA Göttingen gepfändet.
Das Gläubigerverzeichnis weist 32 Gläubiger mit einer Gesamtforderung von ca. 63.000 DM aus. Hauptgläubiger sind die C-Bank (Quote 28,98 %), der P.-S.-u.D.Verein (Quote 7,92 %) und die Universität G. (Quote 7,07 %). Die restlichen Gläubiger sind überwiegend Ärzte bzw. Apotheker.
Im Rahmen des PKH-Anhörungsverfahrens hat das Insolvenzgericht die neun Hauptgläubiger angehört. Mit Beschl. v. 5.6.2000 hat das Insolvenzgericht dem Antragsteller für das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren (§§ 305 - 310 InsO) PKH bewilligt. Der Antrag auf Ersetzung der Einwendungen der Gläubiger ist zurückgewiesen worden, da den widersprechenden Gläubigern Nr. 1 bis 3, 5, 9 von der Gesamtforderung mehr als die Hälfte, nämlich 50,53 %, zustehen.
Mit Schreiben v. 18.6.2000 hat der Schuldner beantragt, die Pfändungsfreigrenze gem. § 850f ZPO heraufzusetzen und gem. § 765a ZPO die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungsbeschluss des AG Duderstadt (betreffend die Einkommenssteuerrückerstattung) ganz oder teilweise aufzuheben.
Mit Beschl. v. 30.6.2000 hat das Insolvenzgericht - Insolvenzrichter - entschieden, dass das AG Göttingen - Insolvenzgericht - sachlich und örtlich zuständig ist zur Entscheidung über den Antrag des Schuldners auf Heraufsetzung des unpfändbaren Betrages gem. § 850f ZPO. Weiter ist entschieden worden, dass funktionell auch vor Verfahrenseröffnung der Rechtspfleger zuständig ist (AG Göttingen, NZI 2000, 493).
Mit Beschl. v. 7.7.2000 ist das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und Rechtsanwalt W zum Treuhänder bestellt worden. Am 8.9.2000 fand die Gläubigerversammlung statt, ein Schlusstermin ist noch nicht anberaumt worden.
Der Rechtspfleger hat zum Antrag des Schuldners v. 18.6.2000 die Gläubiger angehört, die teilweise Stellung genommen haben. Mit Beschl. v. 13.9.2000 hat der Rechtspfleger den Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners nach § 765a ZPO zurückgewiesen. Zugleich hat er den unpfändbaren Betrag gem. § 850f Abs. 1 ZPO festgesetzt auf monatlich 3.764,51 DM. Der Rechtspfleger hat einen monatlichen persönlichen Bedarf i.S.d. BSHG i.H.v. 5.657,53 DM ermittelt. Die infolge der 40 %igen Schwerbehinderung des im Jahre 1988 geborenen Sohnes aufzubringenden finanziellen Mehraufwendungen hat der Rechtspfleger unberücksichtigt gelassen, da schon der bis dahin errechnete persönliche Bedarf des Schuldners wesentlich höher ist als das ihm zur Verfügung stehende monatliche Einkommen. Das dem Schuldner pfandfrei zu belassene monatliche Einkommen hat der Rechtspfleger unter Abzug des Kindergeldes und der vorrangigen Pfändung auf 3.764,51 DM festgesetzt (Auszahlungsbetrag 4.802,51 DM ./. 840 DM Kindergeld ./. 198 DM gepfändeter Betrag).
Dem Antrag des Schuldners gem. § 765a ZPO hat der Rechtspfleger mit der Begründung zurückgewiesen, dass gem. § 802 ZPO ausschließlich das AG Duderstadt als Vollstreckungsgericht berufen ist und dass die Vorschrift des § 765a ZPO im Insolvenzverfahren keine Anwendung findet.
Der Beschl. ist an Schuldner und Gläubiger förmlich zugestellt und an den Treuhänder übersandt worden. Schuldner und Treuhänder haben sofortige Beschwerde eingelegt. Der Rechtspfleger hat die Akten dem LG Göttingen zur Entscheidung übersandt. Das LG Göttingen hat mit Beschl. v. 10.10.2000 (10 T 127/00, 10 T 130/00) entschieden, dass hinsichtlich beider Rechtsbehelfe im Hinblick auf die Regelung des § 6 Abs. 1 InsO die befristete Erinnerung gem. § 11 Abs. 2 RPflG statthaft und zur abschließenden Entscheidung der Insolvenzrichter beim AG zuständig ist.
Der Rechtspfleger hat daraufhin die Akten mit Nichtabhilfevermerk dem Insolvenzrichter vorgelegt.
Entscheidungsgründe
A)
Zuständigkeit
Im Beschl. v. 30.6.2000 (NZI 2000, 493) hat das Insolvenzgericht ausgesprochen, dass für Entscheidungen gem. §§ 850 ff. ZPO im Rahmen eines Insolvenzverfahrens vom Zeitpunkt der Antragstellung an das Insolvenzgericht zuständig ist. Diese Auffassung wird von der überwiegenden Rechtsprechung ebenfalls vertreten (AG München, ZInsO 2000 , 407; AG Aachen, NZI 2000, 554; LG München, ZInsO 2000, 628[LG München 11.08.2000 - 14 T 10247/00]; OLG Köln, ZInsO 2000, 499[OLG Köln 18.08.2000 - 2 W 155/00]; OLG Frankfurt, NZI 2000, 531; OLG Köln, ZInsO 2000, 603[OLG Köln 16.10.2000 - 2 W 189/00]).
Zur Frage der Zuständigkeit zur Entscheidung über Anträge gem. § 765a ZPO hat das Insolvenzgericht in seinem Beschl. v. 30.6.2000 (NZI 2000, 493) keine Stellung genommen. Auch in diesem Fall ist von einer Zuständigkeit des Insolvenzgerichtes auszugehen. Eine aufgespaltene Zuständigkeit zwischen Vollstreckungsgericht und Insolvenzgericht wäre unpraktikabel und würde der beabsichtigten Zuständigkeitskonzentration in § 2 Abs. 1 InsO entgegenlaufen (vgl. FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 57 für den vergleichbaren Fall einer Erinnerung gem. § 766 ZPO).
B)
Sofortige Erinnerung des Schuldners
Im Ergebnis ist die sofortige Erinnerung des Schuldners zurückzuweisen. Für eine Entscheidung über einen Antrag gem. § 765a ZPO ist nach Stellung des Insolvenzantrages das Insolvenzgericht zuständig (s.o. A).
Es kann dahinstehen, ob die sofortige Erinnerung des Schuldners bereits deshalb unzulässig ist, da der beim FA gepfändete Betrag ausgekehrt und damit die Vollstreckung beendet ist.
Ebenso kann dahinstehen, ob die auf die Einzelzwangsvollstreckung zugeschnittene Vorschrift des § 765a ZPO anwendbar ist im Rahmen einer Gesamtvollstreckung im Insolvenzverfahren. Dafür könnte sprechen, dass auch die auf eine Einzelzwangsvollstreckung zugeschnittenen Vorschriften der §§ 850 ff. ZPO im Rahmen des Insolvenzverfahrens anwendbar sind (s.u. C I). Eine Anwendbarkeit kommt allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht (HK-InsO/Kirchhoff, § 14 Rn. 29; FK-InsO/Schmerbach, § 14 Rn. 23; AG Göttingen, ZInsO 1999, 476, 477[AG Göttingen 26.07.1999 - 71 IN 145/99]; offengelassen von OLG Köln, ZInsO 2000, 104, 107[OLG Köln 03.01.2000 - 2 W 224/99] = ZIP 2000, 552).
Im vorliegenden Fall liegen nämlich die Voraussetzungen des § 765a ZPO ersichtlich nicht vor. Die durch die Gläubigerin P.-S.-u.D.Verein vorgenommene Pfändung bedeutet nicht wegen ganz besonderer Umstände eine Härte, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Allein aus den wegen der Behinderung des Sohnes nötigen erhöhten finanziellen Aufwendungen ergibt sich dies nicht.
Auf die Frage, ob für die Beurteilung und die Abwägung mit dem Schutzbedürfnis des Gläubigers abzustellen ist auf den pfändenden Gläubiger (im Zeitraum nach Antragstellung und vor Eröffnung) oder auf die Gesamtheit der Gläubiger (nach Eröffnung), kommt es daher nicht an.
Dem Schuldner verbleibt nur die Möglichkeit, durch Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte zu reagieren.
C)
Sofortige Erinnerung des Treuhänders
Auch die sofortige Erinnerung des Treuhänders ist zurückzuweisen.
I.
Die auf die Einzelzwangsvollstreckung zugeschnittenen Vorschriften der §§ 850 ff. ZPO sind auch anwendbar im Rahmen des Insolvenzverfahrens bei einer Gesamtvollstreckung. Das Schutzbedürfnis des Schuldners oder auch der Gläubiger (z.B. im Fall des § 850c Abs. 4 ZPO) sind in beiden Verfahrensarten gleich zu bewerten. Dies gilt insbesondere im Falle des § 850f Abs. 1 ZPO, der dem Schuldner garantieren soll, dass er den sozialhilferechtlichen Mindestsatz erhält. Auch die oben im Rahmen der Zuständigkeit (A) zitierte Rechtsprechung geht von der Anwendbarkeit der §§ 850 ff. ZPO, insbesondere auch des § 850f Abs. 1 ZPO, aus.
II.
§ 850f Abs. 1a ZPO verweist auf die Vorschriften der §§ 11-26 BSHG. Daneben können besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen sowie Unterhaltspflichten eine Anhebung des Pfändungsbetrages erfordern. Überwiegende Belange der Gläubiger dürfen nicht entgegenstehen.
Abzustellen ist in erster Linie auf eine Vergleichsberechnung des individuellen Sozialhilfebedarfes des Schuldners gem. §§ 11-26 BSHG (§ 850f Abs. 1a ZPO). Daneben können weitere Besonderheiten berücksichtigt werden (§ 850f Abs. 1b, c ZPO).
III.
1.
Die Berechnung des Bedarfes des Schuldners gestaltet sich wie folgt, wobei die Numerierung und Reihenfolge auf S. 2 des Beschl. des Rechtspflegers v. 13.9.2000 eingehalten wird.
a)
Bedarf des Haushaltsvorstandes
Nach Antragstellung, aber vor Entscheidung des Rechtspflegers ist der monatliche Regelsatz mit Wirkung v. 1.7.2000 für den Haushaltsvorstand in Niedersachsen durch Verordnung v. 4.7.2000 (Niedersächsisches Gesetzes- und Verordnungsblatt 2000, 154) festgesetzt worden auf550 DM.
b)
Erwerbstätigenpauschale
Zugrundezulegen bei Erwerbstätigkeit ist ein Zuschlag von wenigstens 25 % (FK-InsO/Kothe, § 312 Rn. 50). Im vorliegenden Fall sind zugrundezulegen 50 %, also275 DM.
Der Schuldner arbeitet inzwischen an sechs Tagen in der Woche in täglich wechselnden Schichten, auch an Sonn- und Feiertagen. Aufgrund schlechter Busverbindungen ist er auf die Benutzung eines Fahrzeuges für die Fahrt zwischen seinem Wohnort S. und seinem Arbeitsort in G. (einfache Strecke 17 km) angewiesen. Im übrigen wird bei Erwerbstätigkeit vom Sozialamt der Stadt Göttingen grds. eine Pauschale von 50 % zugrundegelegt.
c)
15 % Zuschlag auf Ziffer a) für besondere Aufwendungen
Hinzuzurechnen ist ein Zuschlag von 15 % des Regelsatzes zur Abgeltung einmaliger Beihilfen gem. § 21, 12 BSHG (LG Göttingen, 5 T 105/98, Beschl. v. 17.9.1999, S. 4 unten ). Es ergibt sich ein Betrag i.H.v.82,50 DM.
d)
Pauschale für den Ehegatten
Gem. § 2 Abs. 3 Nr. 4 RegelsatzVO sind zugrundezulegen 80 % des Regelsatzes für einen Haushaltsvorstand. Davon geht auch die Niedersächsische Verordnung zur Festsetzung des Regelsatzes nach dem BSHG v. 4.7.2000 (Niedersächsisches Gesetzes- und Verordnungsblatt 2000, 154) aus. Es ergibt sich ein Betrag i.H.v.440 DM.
e)
15 % Zuschlag auf Ziffer d) für besondere Aufwendungen
Es ergibt sich ein Betrag i.H.v.440 DM.
f)
Pauschale für das erste Kind inkl. 15 % für besondere Aufwendungen
Es ergibt sich ein Betrag i.H.v.440 DM.
g)
Pauschale für das zweite Kind inkl. 15 % für besondere Aufwendungen
Es ergibt sich ein Betrag i.H.v.411,70 DM.
h)
Pauschale für das dritte Kind inkl. 15 % für besondere Aufwendungen
Es ergibt sich ein Betrag i.H.v.316,25 DM.
i) Miete
Die Kaltmiete für die im November 1995 angemietete 4-Zimmer-Wohnung nebst Küche und Toilette mit einer Wohnfläche von ca. 135 qm beträgt1.380 DM.
Unter Berücksichtigung des zum Zeitpunkt der Anmietung noch hohen Mietniveaus und der Größe der Familie (fünf Personen) ist diese Miete als angemessen anzusehen.
j) Nebenkosten
Ebenso sind zu ersetzen die angemessenen Nebenkosten i.H.v.300 DM.
k) Strom
Auch die Stromkosten i.H.v.153 DM sind berücksichtigungsfähig.
l) Telefon
Telefonkosten sind i.d.R. nicht berücksichtigungsfähig (Schellhorn/Jiraseck/Seipp, BSHG, § 12 Rn. 41; Zöller/Stöber, ZPO, § 850f Rn. 4). Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall das Telefon bedingt durch den Beruf des Schuldners zu berücksichtigen ist. Eine Berücksichtigungsfähigkeit ergibt sich jedenfalls aus der Behinderung des Sohnes. Der Betrag i.H.v.50 DM ist anzusetzen.
m) GEZ
Rundfunk- und Fernsehgebühren werden zwar als nichtersatzfähig angesehen (Schellhorn/Jiraseck/Seipp, BSHG, § 12 Rn. 39; Zöller/Stöber, ZPO, § 850f Rn. 4). Der Betrag i.H.v. 28,25 DM ist jedoch zu berücksichtigen. Soweit darauf abgestellt wird, dass der notwendige Betrag durch den Regelsatz pauschal abgegolten ist (Schellhorn/Jiraseck/Seipp, BSHG, § 12 Rn. 39), wird dabei übersehen, dass Sozialhilfeempfänger auf Antrag eine Befreiung bei der GEZ erhalten. Dies spricht für eine Berücksichtigungsfähigkeit.
n) Pkw-Versicherung
Der Schuldner ist berufsbedingt auf seinen Pkw angewiesen (s.o. b). Die Pkw-Versicherung i.H.v.67,93 DM ist daher berücksichtigungsfähig.
o) Hausratversicherung
Auch die Kosten der Hausratversicherung i.H.v.22,90 DM sind zu berücksichtigen. Dies folgt aus § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG (vgl. Schellhorn/Jiraseck/Seipp, BSHG, § 76 Rn. 38). Neben den Vorschriften der §§ 11-26 ist nach Auffassung des Gerichtes auch die Vorschrift des § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG zu berücksichtigen. § 76 BSHG bestimmt den Begriff des berücksichtigungsfähigen Einkommens in sozialhilferechtlicher Sicht. Vergleichbar ist der vorliegende Fall, in dem der pfändbare Teil des Einkommens i.S.d. §§ 850 ff. ZPO errechnet wird.
p) Haftpflichtversicherung
Die freiwillige Haftpflichtversicherung i.H.v.10,02 DM ist aus den v.g. Erwägungen ebenfalls berücksichtigungsfähig.
q) Lebensversicherung
Aus den v.g. Erwägungen ist ebenso zu berücksichtigen die Risikolebensversicherung mit einem Betrag i.H.v. monatlich53,24 DM.
r) Kindergartenbeiträge
Auch der Kindergartenbeitrag i.H.v.224 DM ist zu berücksichtigen (Schellhorn/Jiraseck/Seipp, BSHG, § 12 Rn. 55).
s) Kranken- und Pflegeversicherung
Der Betrag i.H.v.425,54 DM ist entsprechend § 13 BSHG berücksichtigungsfähig.
Es ergibt sich ein Gesamtbetrag i.H.v.5.268,03 DM.
2.
Weitere, infolge der 40 %-igen Schwerbehinderung des ältesten Sohnes aufzubringende finanzielle Mehraufwendungen sind in obiger Rechnung noch nicht berücksichtigt. Ob und in welchem Umfang sie anfallen, kann dahinstehen. Eine Berücksichtigung würde nämlich nichts ändern an dem dem Schuldner zustehenden pfandfreien Vermögen (s. sogl. 3.). Gegen die Berechnung hat nur der Treuhänder Rechtsbehelf eingelegt.
3.
Der Rechtspfleger hat den pfandfreien Teil des Einkommens festgesetzt auf monatlich 3.764,51 DM. Der Differenzbetrag zu dem oben errechneten Gesamtbedarf beläuft sich auf 1.503,52 DM. Es kann daher dahinstehen, ob das Kindergeld von 880 DM und der Betrag der "vorrangigen Pfändung" i.H.v. 198 DM einzuberechnen ist.
a)
Hinsichtlich der vorrangigen Pfändung ist allerdings hinzuweisen auf § 114 Abs. 3 InsO. Die vorrangige Pfändung ist inzwischen unwirksam und dürfte nicht mehr zu berücksichtigen sein.
b)
Die Anrechnung des Kindergeldes ist streitig. Der Rechtspfleger hat das Kindergeld nicht angerechnet. Ob dies im Hinblick auf die oben unter Buchstaben f) bis h) gewährten Pauschalen zutreffend ist, kann dahinstehen, da es für das Ergebnis letztendlich egal ist. Für eine Berücksichtigung des Kindergeldes sprechen sich aus Schellhorn/Jiraseck/Seipp, BSHG, § 76 Rn. 28; LG Göttingen, Beschl. v. 17.9.1999, 5 T 105/98, S. 5 unten. Die gegenteilige Auffassung vertritt unter Hinweis auf § 850e Nr. 2a Satz 3 ZPO Stöber, Forderungspfändung, Rn. 1155, 1158.
4.
Überwiegende Belange der Gläubiger stehen nicht entgegen.
Der Gläubiger zu 20) beruft sich darauf, der Schuldner habe Ende 1996 und damit ca. ein Jahr vor der Behandlung seines Sohnes zwischen Januar und März 1998 die eidesstattliche Versicherung abgegeben und zudem erklärt, sein Sohn sei privatversichert. Allein daraus folgt jedoch nicht der Verdacht einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, die einer Erhöhung gem. § 850f Abs. 1 ZPO entgegenstehen könnte. Ob und aus welchen Gründen die Behandlungskosten nicht erstattet wurden, ist nicht ersichtlich und vorgetragen.
Auf die Einwendungen des Gläubigers Nr. 27 im Schriftsatz v. 25.7.2000 muss nicht näher eingegangen werden, da die dort bestrittenen Positionen in die Berechnung nicht eingeflossen sind.
IV.
Auch verfahrensmäßig ist die zur Erhöhung des Pfändungsfreibetrages führende Entscheidung des Rechtspflegers nicht zu beanstanden. Der Rechtspfleger hat nicht nur dem Treuhänder, sondern sämtlichen Gläubigern rechtliches Gehör vor der Entscheidung gewährt. Es kann daher dahinstehen, ob die Anhörung der Gläubiger mit der nachfolgenden förmlichen Zustellung des Beschlusses des Rechtspflegers durch Zustellungsurkunde erforderlich war oder ob es genügt, dem Treuhänder und bei einfachen Fallgestaltungen mit wenigen Gläubigern möglicherweise auch der Gläubigerversammlung rechtliches Gehör zu gewähren (OLG Frankfurt, NZI 2000, 531, 533). Durch eine Gewährung rechtlichen Gehöres in der Gläubigerversammlung kann zwar die Übersendung der Unterlagen an eine mögliche Vielzahl von Gläubigern verhindert werden. Eine förmliche Zustellung des Beschl. des Rechtspflegers, der mit der sofortigen Erinnerung gem. § 11 Abs. 2 RpflG anfechtbar ist, kann aber nur vermieden werden, wenn im Termin der Rechtspfleger die Entscheidung verkündet. Gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 beginnt nämlich in diesem Falle die Beschwerdefrist mit der Verkündung, so dass es einer förmlichen Zustellung nicht mehr bedarf (vgl. FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 12 und § 8 Rn. 10).
V.
Folglich ist auch die sofortige Erinnerung des Treuhänders zurückzuweisen.