Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 23.03.2000, Az.: 74 IN 22/00
Ablehnung eines in einem Insolvenzeröffnungsverfahren bestellten Sachverständigen
Bibliographie
- Gericht
- AG Göttingen
- Datum
- 23.03.2000
- Aktenzeichen
- 74 IN 22/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 31071
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGGOETT:2000:0323.74IN22.00.0A
Fundstellen
- NZI 2001, 33
- ZInsO 2000, 347-348 (Volltext mit red. LS)
Gründe
Die Schuldnerin des vorliegenden Verfahrens hat am 7.2.2000 Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt. Das Gericht hat mit Beschl. v. 8.2.2000 einen RA als Sachverständigen eingesetzt. Mit Anwaltsschriftsatz v. 22.2.2000 hat der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, einen neuen Sachverständigen zu bestellen. Begründet wird die Beschwerde damit, dass der Beschwerdeführer persönlich an der Schuldnerin mit einem Treuhandvertrag beteiligt ist. Weiter ist der Beschwerdeführer Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die in einem Rechtsstreit als Gläubiger eine Forderung gegen ein Unternehmen geltend macht, bei dem der Sachverständige Insolvenzverwalter ist. Nach Auffassung des Beschwerdeführers besteht die Möglichkeit, dass der Sachverständige bei seiner gutachterlichen Tätigkeit im vorliegenden Verfahren die Gelegenheit habe, für das anhängige Gerichtsverfahren, in dem er als Insolvenzverwalter beteiligt ist, Vorteile zu erarbeiten.
Das AG Göttingen hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das LG Göttingen hat die sofortige Beschwerde mit Beschl v. 1.3.2000 (10 T 22/00) als unzulässig verworfen, da gem. § 6 Abs. 1 InsO ein Rechtsmittel nicht vorsieht. Weiter hat das LG Göttingen ausgeführt, es bestünde Anlaß, den Vortrag des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt eines Befangenheitsgesuches zu prüfen.
Dem Vortrag des Beschwerdeführers im Schriftsatz v. 22.2.2000 läßt sich entnehmen, dass ein Ablehnungsgesuch vorliegt. Dies ist jedoch aus zweierlei Gründen unzulässig.
1.
Die Ablehnung eines in einem Insolvenzeröffnungsverfahren bestellten Sachverständigen ist grds. unzulässig.
a)
Bereits unter Geltung der KO war anerkannt, dass bei Beauftragung eines Sachverständigen eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit (§§ 406, 42 ZPO) nicht stattfindet (Kilger/Karsten Schmidt, KO, § 107 Rn. 2; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 75 Rn. 1 b).
b)
Teilweise wird eine Ablehnung allerdings auch für zulässig gehalten (AG Köln, InVo 1999, 141, 142; Bolling, KTS 1990, 599, 603 f.). Das AG Köln führt zur Begründung an, genau wie ein Sachverständiger im Zivilprozeß soll der Sachverständige im Konkursverfahren die Entscheidung des Richters vorbereiten, das Konkurseröffnungsverfahren habe Ähnlichkeiten mit der Beweiserhebung durch Sachverständigen beweis im Zivilprozeß. Diese Auffassung überzeugt nicht.
Wird ein ("starker") vorläufiger Verwalter eingesetzt, wird er regelmäßig auch beauftragt als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und ggf. welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens bestehen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO). Wird ein "schwacher" vorläufiger Verwalter eingesetzt, wird er regelmäßig zugleich als Sachverständiger beauftragt mit der Prüfung des Vorliegens eines Eröffnungsgrundes und einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse. Hintergrund ist u.a., dem vorläufigen Verwalter bei Abweisung mangels Masse jedenfalls einen Anspruch auf Sachverständigenentschädigung zu sichern (vgl. FK-InsO/Schmerbach, § 22 Rn. 52, § 21 Rn. 6). In diesen Fällen lassen sich die Tätigkeitsbereiche des vorläufigen Verwalters und des Sachverständigen nicht trennen. Ein vorläufiger Insolvenzverwalter kann aber wegen Besorgnis der Befangenheit nicht abgelehnt werden. Dann ist es nur konsequent, auf das Recht zur Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit hinsichtlich der Tätigkeit als Sachverständiger auszuschließen (FK-InsO/Schmerbach, § 22 Rn. 43).
Nichts anderes kann gelten, wenn das Gericht nicht einen vorläufigen Verwalter bestellt, der zugleich als Sachverständiger beauftragt wird, sondern lediglich (zunächst) das mildere Mittel der Bestellung eines "isolierten" Sachverständigen (vgl. FK-InsO/Schmerbach, § 22 Rn. 57) wählt.
Entgegen der Auffassung des AG Köln (InVo 1999, 142) ist der Sachverständige im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht dem Sachverständigen im Zivilprozeß vergleichbar. Im Zivilprozeß ist der Sachverständige Entscheidungsgehilfe des Richters und mit der Beantwortung von konkret gefaßten Beweisfragen beauftragt. Zeitlich gesehen ist er nur während eines Teiles des Verfahrens tätig. Anders verhält es sich im Insolvenzeröffnungsverfahren. Nach Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das Insolvenzgericht ist dem Sachverständigen das gesamte weitere Verfahren übertragen, das mit der Vorlage eines Abschlußgutachtens endet, auf Grund dessen der Insolvenzrichter seine Entscheidung tritt. Der Sachverständige im Insolvenzeröffnungsverfahren entscheidet selber, welche Fragen entscheidungserheblich und damit klärungsbedürftig sind und welcher Beweismittel er sich bedient. Der Insolvenzrichter wird nur eingeschaltet bei mangelnder Kooperationsbereitschaft des Schuldners oder sonstiger Auskunftspersonen. Der Sachverständige im Insolvenzeröffnungsverfahren hat damit eine wesentlich stärkere Stellung als der Sachverständige im Zivilprozeßverfahren, er ist von seiner Stellung her einem vorläufigen Insolvenzverwalter angenähert. Dieser kann aber nicht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
Hinzu kommt, dass ein Sachverständiger im Insolvenzeröffnungsverfahren erforderlichenfalls auch zum vorläufigen Verwalter ernannt wird. Diese Fälle sind in der Praxis nicht selten. Unklar ist, wie verfahren werden sollte, wenn ein (abgelehnter) Sachverständiger während des Ablehnungsverfahrens zum vorläufigen Verwalter ernannt wird.
c)
Abgelehnt werden kann nur ein Sachverständiger, der außerhalb des Insolvenzeröffnungsverfahrens tätig wird, so der mit der Prüfung der Schlußrechnung beauftragte Sachverständige (vgl. OLG Köln, ZIP 1990, 58 = EWiR 1991, 391; FK-InsO/Schmerbach, § 22 Rn. 43).
d)
Vergleichbar der Aufsichtspflicht über den vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 58, 59 InsO) obliegt dem Insolvenzgericht allerdings ein Aufsichtsrecht und eine Aufsichtspflicht über den Sachverständigen. Erforderlichenfalls wird das Insolvenzgericht einen anderen Sachverständigen gem. §§ 404 Abs. 1 Satz 3, 360 Satz 2 ZPO ernennen (FK-InsO/Schmerbach, § 22 Rn. 43).
2.
Verfahrensbeteiligte im Insolvenzeröffnungsverfahren sind der Schuldner und - bei Vorliegen eines Fremdantrages - der Gläubiger. Im vorliegenden Fall liegt ein Eigenantrag vor, die Antragstellerin als GmbH wird vertreten durch den Geschäftsführer. Allenfalls diesem könnte ein Ablehnungsrecht zustehen, nicht aber den Beschwerdeführern, die durch einen Treuhandvertrag an der Schuldnerin beteiligt sind.
3.
Das Insolvenzgericht hat eine Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt zu den Ausführungen wie im Anwaltsschriftsatz v. 22.2.2000. Aus den Darlegungen des Sachverständigen ergibt sich, dass keine Veranlassung zum Einschreiten des Insolvenzgerichtes besteht gem. den obigen Ausführungen zu 1 d.