Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 08.10.2000, Az.: 74 IN 131/00

Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
08.10.2000
Aktenzeichen
74 IN 131/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 31048
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2000:1008.74IN131.00.0A

Fundstelle

  • ZInsO 2001, 45-46 (Volltext mit amtl. LS)

Gründe

1

Mit Schreiben v. 5.7.2000 hat die Antragstellerin einen Antrag gestellt auf Insolvenzeröffnung gegen

2

"Gebr. Sch. Grundstücksgemeinschaft GbR":

3

...

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Der Antrag wird darauf gestützt, dass die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin rechtskräftig titulierte Kapitalforderungen i.H.v. insgesamt ca. 40 Mio. DM sowie eine rückständige Zinsforderung i.H.v. ca. 1,8 Mio. DM hat.

5

Zur Glaubhaftmachung hat die Antragstellerin vorgelegt acht Darlehensverträge, in der als Darlehensnehmer jeweils genannt ist "Gebr. Sch. Grundstücksgemeinschaft GbR (Gesellschafter E. Sch., W.-R. Sch., L. Sch.)." Beleihungsobjekte sind gewerblich genutzte Grundstücke. Diese standen bereits bei Abschluß der Darlehensverträge im Eigentum der Gebrüder Sch. Wie sich im weiteren Verlaufe des Insolvenzverfahrens ergeben hat, sind im Grundbuch eingetragen die Gebrüder Sch. zu je 1/3 als Eigentümer.

6

Mit Beschl. v. 7.7.2000 hat das Insolvenzgericht ein allgemeines Verfügungsverbot verhängt und Rechtsanwalt W. zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Im Gutachten v. 13.10.2000 kommt der vorläufige Verwalter zu dem Ergebnis, dass Zahlungsunfähigkeit und eine die voraussichtlichen Kosten des Verfahrens deckende freie Insolvenzmasse vorliegt.

7

In dem Bericht wird weiter ausgeführt, dass es weder einen mündlichen noch einen schriftlichen oder notariellen Gesellschaftsvertrag gibt. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Darlehensnehmerin die auch im Grundbuch eingetragene Grundstücksgemeinschaft ist, über deren Vermögen das Verfahren eröffnet werden soll.

8

Das Insolvenzgericht eröffnet das Insolvenzverfahren über das Vermögen der als Bruchteilsgemeinschaft anzusehenden Gebr. Sch. Grundstücksgemeinschaft.

9

Zunächst ist durch Auslegung zu ermitteln, gegen wen sich der Insolvenzantrag richtet. In der Antragsschrift ist genannt die Gebr. Sch. Grundstücksgemeinschaft GbR, bestehend aus den drei namentlich bezeichneten Gebrüdern Sch.. Die Bezeichnung "Gemeinschaft GbR" ist jedoch widersprüchlich. Erkennbar wurde die in den Darlehensverträgen für die Schuldner als Darlehensnehmer gewählte Bezeichnung übernommen. In den Darlehensverträgen ist jeweils ausgeführt, dass die Bank den Darlehensnehmer ein am Beleihungsobjekt grundpfandrechtlich abzusicherndes Darlehen in bestimmter Höhe zur Verfügung stellt. Das Beleihungsobjekt steht jedoch nicht im Eigentum einer GbR, sondern - ausweislich der Grundbucheintragungen - im Eigentum einer Bruchteilsgemeinschaft. Auszugehen ist daher davon, dass Darlehensnehmer und Schuldner die Bruchteilsgemeinschaft ist.

10

Hinzu kommt, dass die Darlehensverträge durch die Teileigentümer unterzeichnet wurden ohne Zusatz, der auf eine GbR hinweist. Einige der Verträge unterzeichnete einer der Brüder Sch. aufgrund einer notariellen Vollmacht v. 5.11.1981. In dieser Vollmacht wird die Rechtsmacht erteilt, die Brüder gegenseitig bei Grundstücksgeschäften jeglicher Art zu vertreten. Die Rechtsmacht, im Rahmen einer GbR zu handeln, wird in dieser Vollmacht nicht erwähnt.

11

Darlehensnehmerin ist folglich die Grundstücksgemeinschaft, in deren Eigentum auch die Grundstücke stehen. Gegen sie richtet sich der Insolvenzantrag. Das Insolvenzgericht bejaht auch eine Insolvenzfähigkeit der Grundstücksgemeinschaft gem. § 11 InsO. Gem. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO kann ein Insolvenzverfahren eröffnet werden über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit. In der Legaldefinition wird u.a. aufgeführt die GbR, nicht aber die Bruchteilsgemeinschaft gem. §§ 741 ff. BGB. Sofern sich die Literatur äußert, wird die Insolvenzfähigkeit einer Bruchteilsgemeinschaft abgelehnt (Kübler/Prütting, InsO, § 11 Rn. 29). Zur Begründung wird angeführt, dass diese Gemeinschaft keine Parteifähigkeit aufweist und auch im Gesetz nicht ausnahmsweise für insolvenzfähig erklärt wird. Mit der Frage der Parteifähigkeit hat jedoch die Insolfähigkeit nichts zu tun. Die Gesetzesmaterialien weisen darauf hin, dass mit der Anerkennung der GbR als insolvenzfähig nicht automatisch die passive Parteifähigkeit verbunden ist (BT-Drucks. 12/7302, S. 156). Zur Begründung für die Anerkennung der Insolvenzfähigkeit der GbR weist die Gesetzesbegründung auf das praktische Bedürfnis hin, das sich daraus ergibt, dass auch GbR nicht selten als Träger eines Unternehmens am Geschäftsverkehr teilnehmen (BT-Drucks. 12/2443, S. 112).

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Diese Überlegungen treffen auch zu auf eine Grundvermögen haltende Bruchteilsgemeinschaft gem. §§ 741 ff. BGB. Derartige Gemeinschaften nehmen häufig am Geschäftsverkehr teil, indem sie bebaute Grundstücke halten, die gewerblich an Dritte zum Betrieb von Geschäften vermietet werden, wobei teilweise personelle Verpflichtungen bestehen. Der Vermögensbestand der Bruchteilsgemeinschaft läßt sich insbesondere beim Vorhandensein von Grundeigentum mit Hilfe der Grundbücher mindestens so sicher feststellen wie bei der GbR. Nach Auffassung des Insolvenzgerichtes ist deshalb eine erweiternde Auslegung dahin geboten, dass auch Bruchteilsgemeinschaften als insolvenzfähig i.S.d. § 11 InsO anzusehen sind. Es bedarf nicht eines Antrages gegen jeden einzelnen Bruchteilseigentümer.