Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 29.09.1995, Az.: 14 UF 50/95

Unterhaltsanspruch eines volljährigen, in einem Heim untergebrachten Kindes; Ausnahmefall von der konkretisierten Härtefallregelung des § 91 Abs. 2 S. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG); Überleitung von Unterhaltsansprüchen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
29.09.1995
Aktenzeichen
14 UF 50/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 29092
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:0929.14UF50.95.0A

Amtlicher Leitsatz

Zum Unterhaltsanspruch eines volljährigen, in einem Heim untergebrachten Kindes; insbesondere, ob ein Ausnahmefall von der konkretisierten Härtefallregelung des § 91 Abs. 2 S. 2 BSHG gegeben ist.

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Berufung des Beklagten ist teilweise begründet. Zwar hat die Tochter des Beklagten einen Unterhaltsanspruch in Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Beträge. Der Übergang der Unterhaltsansprüche auf die Klägerin ist aber gemäß § 91 Abs. 2 S. 2 BSHG ausgeschlossen, so weit die Unterhaltsansprüche einen Betrag von 2.000,- DM monatlich übersteigen.

2

1.

So weit sich der Beklagte darauf beruft, dass die Klägerin für den Zeitraum von Februar 1993 bis einschließlich Juni 1993 wegen der noch nicht rechtskräftigen Überleitung der Unterhaltsansprüche seiner Tochter nicht aktiv legitimiert sei, ist sein Vorbringen in Hinblick auf die Legalzession auf Grund der Neuregelung des § 91 Abs. 1 BSHG mit Wirkung vom 27.6.1993 unerheblich. Denn der in § 91 Abs. 1 BSHG n.F. angeordnete gesetzliche Anspruchsübergang hat zur Folge, dass auch vor Inkrafttreten der Neuregelung fällige Unterhaltsansprüche in Höhe der geleisteten Aufwendungen dem Träger der Sozialhilfe zustehen, wenn die Voraussetzungen des § 91 Abs. 3 S. 1 BSHG erfüllt sind (vgl. BGH FamRZ 1995, 871 f.; OLG Hamburg FamRZ 1994, 126 [OLG Hamburg 05.11.1993 - 12 UF 103/93]; OLG Köln FamRZ 1994, 970 [OLG Köln 31.01.1994 - 10 WF 292/93]). Da dem Beklagten der Bedarf unverzüglich mit Rechtswahrungsanzeige der Stadt D vom 21.1.1993 mitgeteilt worden ist, wirkt die Legalzession somit auf den Beginn der Hilfegewährung am 2.2.1993 zurück. Auf eine wirksame Überleitung der Anprüche nach § 91 Abs. 1 BSHG a.F. kommt es unter diesen Umständen nicht an.

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Unerheblich ist auch, ob und in welchem Umfang eine Überleitung der Unterhaltsansprüche nach § 90 BSHG möglich wäre. Denn seit der Neuregelung des § 91 BSHG gilt für die Inanspruchnahme Unterhaltspflichtiger nur noch die Regelung des § 91 BSHG, nicht mehr auch die des § 90 BSHG. § 90 BSHG greift auch nicht ersatzweise in Fällen ein, in denen Unterhaltsansprüche nach § 91 BSHG nicht auf den Träger der Sozialhilfe übergehen. Denn für den Übergang von Unterhaltsansprüchen auf den Sozialhilfeträger enthält § 91 BSHG eine abschließende Regelung, die als Spezialvorschrift die Regelung des § 90 BSHG verdrängt (vgl. Schellhorn, FuR 1993, S. 261 ff., 265).

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Unter diesen Umständen ist es auch nicht angezeigt, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über den Widerspruch des Beklagten gegen die Überleitung der Unterhaltsansprüche mit Bescheid der Klägerin vom 17.1.1995 auszusetzen. Denn nach dem Vorstehenden ist die Entscheidung des Rechtsstreits nicht i.S. von § 148 ZPO ganz oder zum Teil von der Wirksamkeit einer Überleitung der Unterhaltsansprüche abhängig.

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2.

Die Tochter des Beklagten hat einen Unterhaltsanspruch in Höhe der geltend gemachten Heimunterbringungskosten und des gezahlten Taschengeldes aus den §§ 1601 ff. BGB.

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Die Unterhaltsbedürftigkeit der Tochter des Beklagten und seine Leistungsfähigkeit sind unstreitig gegeben. Ebenfalls ist unstreitig, dass sich die Ehefrau des Beklagten auf Grund ihrer Einkommensverhältnisse nicht an dem Barunterhalt der Tochter beteiligen muss.

7

Bei der Heimunterbringung der Tochter des Beklagten seit dem 1.12.1993 richtet sich ihr Bedarf grundsätzlich nach den durch die Heimunterbringung anfallenden Kosten (vgl. BGH FamRZ 1986, 48 ff., 49; OLG Hamm FamRZ 1987, 742; AG Hamburg FamRZ 1991, 1086 [AG Hamburg 19.09.1990 - 17 C 1947/89]). Diese bestehen in Höhe der geltend gemachten Forderung. Denn durch die Heimunterbringung fallen auf Grund des berechneten Tagessatzes und des der Tochter des Beklagten gewährten Taschengeldes die geltend gemachten Kosten unter Anrechnung des gezahlten Kindergeldes an.

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Bedarfsdeckend können dabei nicht die von dem Beklagten und seiner Ehefrau gezahlten Spenden berücksichtigt werden. Denn diese kommen nicht unmittelbar der Tochter des Beklagten zugute.

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Die der Tochter des Beklagten gezahlte Vergütung wegen ihrer Arbeit in den Behindertenwerkstätten ist nicht bedarfsmindernd anzurechnen. Insoweit ergibt sich zwar auf Grund der vorgelegten Verdienstbescheinigung von Oktober 1994, dass nicht der allein zur Errechnung der Sozialversicherungsbeiträge aufgeführte Betrag von brutto 3.136,- DM ausgezahlt wird, sondern nur ein monatlicher Betrag von 321,- DM. Nach den Darlegungen der Klägerin ist dieser Betrag jetzt einschließlich des Taschengeldes auf monatlich 345,- DM gestiegen. Das Arbeitsentgelt kann aber nicht bedarfsdeckend berücksichtigt werden. Denn es handelt sich dabei nicht eigentlich um einen zur Deckung des Lebensbedarf gezahlten Lohn, sondern die Vergütung für die Arbeit in den Behindertenwerkstätten soll mehr als Anerkennnung für die Arbeit in den Behindertenwerkstätten und als Versuch einer Vorbereitung auf eine Eingliederung in das Erwerbsleben dienen (vgl. OLG Celle FamRZ 1986, 910 ff., 911; OLG Hamm FamRZ 1987, 1151).

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3.

Der Übergang der Unterhaltsansprüche der Tochter des Beklagten auf die Klägerin ist im vorliegenden Fall zwar nicht vollständig wegen einer "unbilligen Härte" i.S. von § 91 Abs. 2 S. 2 BSHG ausgeschlossen. Angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falles erscheint es aber angemessen, dass der Übergang der Unterhaltsansprüche auf einen Betrag von 2.000,- DM monatlich beschränkt wird.

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Da die Tochter des Beklagten seit dem 30.12.1991 das 21. Lebensjahr vollendet hat, liegt eigentlich für den hier geltend gemachten Zeitraum ein Regelfall der unbilligen Härte nach § 91 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz BSHG (so genannte konkretisierte Härtefallregelung) vor. Nach allgemeiner Meinung kommt aber ein Abweichen von diesem Regelfall dann in Betracht, wenn - ausgerichtet an den Interesssen der Allgemeinheit an einem gerechtfertigten Einsatz öffentlicher Mittel - die Nichtinanspruchnahme der unterhaltspflichtigen Eltern unangemessen und mit den Anliegen des Sozialhilferechts unvereinbar wäre (vgl. BVerwGE 56, S. 220 ff., 224 [BVerwG 17.08.1978 - 5 C 33/77]; BVerwG FamRZ 1994, 33 ff., 35 [VGH Bayern 17.06.1993 - 5 C 43/90]; jeweils zu der mit § 91 Abs. 2 S. 2 BSHG n.F. vergleichbaren Regelung des § 91 Abs. 3 S. 1 BSHG a.F.). Sehr gute wirtschaftliche Verhältnisse des Unterhaltspflichtigen können dabei einen solchen Ausnahmefall begründen. Denn der Schutzgedanke des § 91 Abs. 2 S. 2 BSHG n.F., die unterhaltspflichtigen Eltern in den Fällen zu entlasten, in denen bei typisierende Betrachtungsweise über den täglichen Lebensunterhalt hinaus besonders hohe Kosten wie hier durch die Heimunterbringung entstehen, verliert sein Gewicht in Fällen einer sehr guten Einkommens- und Vermögenslage des Unterhaltspflichtigen (vgl. BVerwG FamRZ 1994, 33ff., 35) [VGH Bayern 17.06.1993 - 5 C 43/90].

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Hier liegt ein solcher Ausnahmefall vor, der einen Ausschluss des Übergangs der Unterhaltsansprüche auf die Klägerin grundsätzlich auch über die Vollendung des 21. Lebensjahres der Tochter hinaus nicht für geboten erscheinen lässt. Denn der Beklagte hat sehr gute Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Unstreitig verfügte er schon 1992 über ein durchschnittliches monatliches Einkommen von fast 22.000,- DM. Daneben wohnt er mietfrei in einem Einfamilienhaus und hatte 1992 noch aus Grundstücken und Firmenbeteiligungen ein Vermögen von 143.373,13 DM.

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Nach den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger aus dem Jahr 1982 , die als Muster für Richtlinien der zuständigen Sozialhilfeträger dienen sollen und an denen sich die Klägerin im vorliegenden Fall orientiert hat, ist grundsätzlich dann ein Ausnahmefall von der konkretisierten Härtereglung gegeben, wenn das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen über einer Einkommensgrenze des Dreifachen des Grundbetrages nach § 81 BSHG, des dreifachen Familienzuschlags und den einfachen Kosten der Unterkunft liegt (vom Beginn des 28. Lebensjahres an erhöht sich der Satz vom Dreifachen auf das Sechsfache). Nach der nachvollziehbaren und von dem Beklagten nicht im Einzelnen bestrittenen Berechnung der Klägerin lag diese Eigenbedarfsgrenze ohne Berücksichtigung der bei dem Beklagten nicht anfallenden Unterkunftskosten bis zum 1.7.1994 bei 6.609,- DM. Selbst wenn wegen des ab dem 1.7.1994 erhöhten Grundbetrages und der Erhöhung des Familienzuschlages nunmehr von einer höheren Eigenbedarfsgrenze von monatlich 7.021,80 DM ausgegangen wird, übersteigt das Einkommen des Beklagten von gerundet 22.000,- DM monatlich diese Grenze um eine Mehrfaches, sodass hier auch unter Beachtung der genannten Empfehlungen grundsätzlich ein Ausnahmefall von der konkretisierten Härteregelung gegeben ist.

14

Unter Berücksichtigung der hier bestehenden individuellen Besonderheiten erscheint es aber angemessen, dass der Beklagte wegen der von der Klägerin getragenen Heimkosten und des Taschengeldes nur in Höhe von 2.000,- DM monatlich in Anspruch genommen wird. Das entspricht etwa 2/3 der genannten Kosten.

15

Nach den genannten Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe soll zwar von dem die Eigenbedarfsgrenze übersteigenden Einkommen generell ein Drittel in Anspruch genommen werden. Danach könnte hier die Klägerin mit Erfolg die Zahlung der gesamten Heimkosten und des Tachengeldes geltend machen. Zu beachten ist aber einmal, dass diese Empfehlungen nicht einhellig von dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge gebilligt worden sind (vgl. Hänlein, Die Heranziehung Unterhaltspflichtiger bei langwährender Pflegebedürftigkeit Volljähriger nach dem BSHG und BGB, S.78) und sich insoweit keine einheitliche Praxis der Träger der Sozialhilfe herausgebildet hat (vgl.Schellhorn/Jurazek/Seipp, BSHG, 14. Aufl., Rz. 76 zu § 91 BSHG). Nach den baden-württembergischen Sozialhilferichtlinien wird zum Beispiel empfohlen, die Inanspruchnahme der Eltern über das 21. Lebensjahr der behinderten Kinder hinaus auf eine Obergrenze von 150 % des Regelsatzes für einen über 21-jährigen Haushaltsangehörigen zu beschränken (vgl. Hänlein, a.a.O.., S. 78/79).

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Bei einem Regelsatz von derzeit 526,- DM monatlich (vgl. die Nds. Verordnung über die Festsetzung der Regelsätze nach dem BSHG vom 16.6.1995 -Nds. GVBl. 1995, S. 175-) bedeutet dies, dass der Beklagte unter Berücksichtigung der baden-württembergischen Sozialhilferichtlinien derzeit nur wegen eines Betrages von 789,- DM monatlich in Anspruch genommen werden könnte. Die genannten Empfehlungen berücksichtigen zum anderen keine Härtegründe, die unabhängig von Einkommensverhältnissen bestehen können. So soll nach den neuesten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge hinsichtlich der Heranziehung Unterhaltspflichtiger in der Sozialhilfe (abgedruckt in FuR 1995, 62 ff.) bei der Prüfung der Frage, ob ausnahmsweise von der konkretisierten Härtefallregelung abgewichen wird, nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls berücksichtigt werden, ob sich eine unbillige Härte aus materiellen und immateriellen Gründen ergibt (vgl. Rz. 18 der Empfehlungen).

17

Hier liegen besondere, individuellen Umstände vor, die zwar nicht geeignet sind, von einer Inanspruchnahme des Beklagten vollständig abzusehen, die aber nur eine eingeschränkte Inanspruchnahme in Höhe von etwa 2/3 der von der Klägerin getragenen Kosten hinsichtlich der Heimunterbringung der Tochter des Beklagten rechtfertigen. So ist die Tochter des Beklagten schon seit ihrer Geburt geistig schwer behindert. Sie ist von dem Beklagten und seiner Ehefrau seit diesem Zeitpunkt bis zu ihrer Heimunterbringung versorgt und gepflegt worden, ohne dass dafür öffentliche Mittel in Anspruch genommen worden sind. Auch jetzt noch nehmen der Beklagte und seine Ehefrau die Tochter, wie der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, an fast jedem Wochenende und während ihres Jahresurlaubs zu sich und entlasten dadurch die Klägerin. Der Beklagte und seine Ehefrau müssen sich daneben jetzt auch noch vermehrt um ihren Sohn kümmern, der, wie der Beklagte vorgetragen hat, an einem Krebsleiden erkrankt ist. Schließlich ist zu beachten, dass der Beklagte und seine Ehefrau nach dem unbestritten Vorbringen des Beklagten den Trägerverein des Heims, in dem die Tochter untergebracht hat, durch großzügige direkte Spenden und durch Vermietung eines Hauses unter dem Marktwert unterstützt haben.

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Daneben kann allerdings im Rahmen der Härtefallprüfung nicht die Ursache der Behinderung der Tochter des Beklagten berücksichtigt werden. Denn der Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass die Behinderung seiner Tochter auf einer schuldhaft begangenen ärztlichen Fehlbehandlung der Kindesmutter während der Geburt der Tochter in den Städtischen Kliniken der Klägerin beruht und dass die Klägerin über die §§ 278, 831 BGB für eventuelle Behandlungsfehler von Ärzten oder ärztlichem Hilfspersonal einzustehen hat.

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Selbst wenn nach dem bestrittenen Vorbringen des Beklagten davon ausgegangen wird, dass die geistige Behinderung der Tochter des Beklagten auf einem Sauerstoffmangel während der Geburt zurückzuführen ist, ist allein daraus nicht ersichtlich, dass dieser Sauerstoffmangel auf Grund einer ärztlichen Fehlbehandlung entstanden ist. Auch die von dem Beklagten vorgetragene Umstände, dass die Geburt zu spät eingeleitet worden und während der Geburt kein Arzt anwesend gewesen sei, sprechen allein nicht dafür , dass ein eventueller Sauerstoffmangel auf einer ärztlichen Fehlbehandlung beruht. Daneben hat der Beklagte keine konkreten Tatsachen oder Indizien vorgetragen, die auf eine Ursächlichkeit zwischen einer Fehlbehandlung während der Geburt seiner Tochter und ihrer geistigen Behinderung schließen lassen könnten.

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Nach alledem kann die Klägerin den Beklagten wegen der auf sie übergegangenen Unterhaltsansprüche seiner Tochter nur in Höhe von monatlich 2.000,- DM beginnend mit dem 2.2.1993 in Anspruch nehmen.

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Der von dem Beklagten nicht mit Gründen angefochtene Zinsanspruch hinsichtlich der Rückstände bis einschließlich Mai und September 1994 ergibt sich aus den §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 , 291 BGB.

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4.

Aus dem Vorstehenden folgt auch, dass der Beklagte nicht mit Erfolg mit eventuellen Schadensersatzansprüchen seiner Tochter, die hinsichtlich eventueller vertraglicher Ansprüche nicht verjährt wären, gegen den aus übergegangenem Recht der Klägerin zustehenden Unterhaltsansprüchen aufrechnen kann. Denn wie oben im Einzelnen ausgeführt worden ist, hat der Beklagte nicht substantiiert dargelegt, dass seiner Tochter Schadensersatzansprüche wegen einer ärztlichen Fehlbehandlung während ihrer Geburt und dem Aufenthalt in dem Krankenhaus der Klägerin zustehen. Abgesehen davon ist auch zweifelhaft, ob die allein von der Tochter unterzeichnete Abtretungserklärung angesichts ihrer geistigen Behinderung überhaupt wirksam ist. Der Beklagte hat insoweit nicht substantiiert dargelegt, dass seine Tochter im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Abtretungserklärung geschäftsfähig war.

23

5.

Die von dem Beklagten hilfsweise beantragte Vorlage des Rechtsstreits gemäß Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung der Frage, ob die Vorschriften, nach denen der Beklagte hier in Anspruch genommen wird, in der Handhabung der Klägerin verfassungswidrig sind, ist nicht angezeigt.

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Die Inanspruchnahme des Beklagten über die Vollendung des 21. Lebensjahres seiner Tochter hinaus ist unter Berücksichtigung seiner guten Einkommens- und Vermögensverhältnisse und der individuellen Härtegründe im Rahmen des Betrages von 2.000,- DM monatlich nicht verfassungswidrig. Denn die Unterhaltspflicht nach dem BGB ist auch nicht an eine Zeitschranke gebunden. Der Typisierung der Härtefallregelung in § 91 Abs. 2 S. 2 BSHG sind zudem durch den mit dem allgemeinen Gleichheitssatz verflochtenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Grenzen gezogen, der auch im Bereich begünstigender Regelungen nicht vernachlässigt werden darf (vgl. BVwerGE 56, 220 ff., 224). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es jedoch, in Fällen sehr guter Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen von seiner Inanspruchnahme auch nach der Vollendung des 21. Lebensjahres des Unterhaltsberechtigten nicht vollständig abzusehen. Den individuellen Härtegründen ist dadurch Rechnung getragen worden, dass die Inanspruchnahme des Beklagten auf einen Betrag von 2.000,- DM monatlich begrenzt worden ist. Dabei ist auch zu beachten, dass der Beklagte, wie er selbst vorträgt, seiner Tochter bei einer Nichtbehinderung ein Studium finanziert hätte. In diesem Fall wäre er aber auch über das 21. Lebensjahr seiner Tochter hinaus unterhaltsverpflichtet gewesen. Es tritt auch keine Ungleichbehandlung gegenüber Eltern von behinderten minderjährigen Kindern ein, die einen Intergrationskindergarten besuchen. Selbst wenn, wie der Beklagte vorträgt, in diesem Integrationsbereich die Eingliederungshilfe nach einem Erlass des Niedersächsischen Sozialministeriums nicht von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eltern abhängig ist, liegt schon angesichts der unterschiedlichen Kosten kein vergleichbarer Fall zu der hier gewährten Eingliederungshilfe durch eine ganztägige Heimunterbringung und Arbeit in einer Behindertenwerkstatt vor.

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So weit der Beklagte eine Inanspruchnahme über das 27. Lebensjahr seiner Tochter hinaus für unbillig und verfassungswidrig hält, braucht darüber nicht entschieden zu werden. Denn dieser Fall tritt erst am 30.12.1997 ein. Im Übrigen ergibt sich aus dem klarstellenden Urteil des BVerwG vom 17.6.1993 (FamRZ 1994, 33 ff.), dass auch nach Vollendung des 27. Lebensjahres des behinderten Kindes bei sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern die Überleitung von Unterhaltsansprüchen nicht schlechthin ausgeschlossen ist.

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Schließlich ist auch die Vorschrift des § 91 Abs. 4 BSHG, wonach nunmehr im Zivilrechtsweg über den Übergang der Unterhaltsansprüche auf den Träger der Sozialhilfe zu entscheiden ist, nicht verfassungswidrig. Diese Einführung eines einheitlichen Rechtsweges entspricht den vergleichbaren Regelungen des gesetzlichen Übergangs von Unterhaltsansprüchen im Ausbildungsförderungs-, Unterhaltsvorschuss- und Arbeitsförderungsrecht. Dem Unterhaltspflichtigen wird dadurch kein Recht abgeschnitten und ihm auch der gesetzliche Richter nicht entzogen. Denn die Zivilgerichte haben künftig umfassend die sozialhilferechtlichen Regelungen des § 91 BSHG mit zu prüfen (vgl. Westreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Rz. 19 zu § 91 BSHG unter Hinweis auf die amtliche Begründung der Neuregelung des § 91 BSHG). Auch dadurch, dass gegenüber der Regelung des § 188 VwGO nunmehr in Fällen der Überprüfung des Übergangs der Unterhaltsansprüche auf den Träger der Sozialhilfe im Zivilrechtsweg grundsätzlich eine Kostentragungspflicht gilt, wird dem Unterhaltspflichtigen nicht in verfassungswidriger Weise der gesetzliche Richter entzogen. Denn für den Fall, dass er bedürftig ist, kann er Prozesskostenhilfe nach den entsprechenden Bestimmungen der §§ 114 ZPO ff. beanspruchen.

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6.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.