Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 26.09.1995, Az.: 5 U 67/95
Rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft an Stelle einer vereinbarten Gütertrennung; Bedeutung der Dauer der Zugewinngemeinschaft für die Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen; Veränderung der Dauer der Zugewinngemeinschaft
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 26.09.1995
- Aktenzeichen
- 5 U 67/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 29251
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1995:0926.5U67.95.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1372 BGB
- § 1436 BGB
- § 2325 BGB
- Art. 8 Abs. 1 Gleichberechtigungsgesetz
Fundstelle
- FamRZ 1996, 1505-1506 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Keine rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft an Stelle einer vor In-Kraft-Treten des Gleichberechtigungsgesetzes vereinbarten Gütertrennung.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche.
Die Klägerin ist das einzige Kind aus der ersten Ehe ihres am 2.5.1988 verstorbenen Vaters. Er war mit der Beklagten in zweiter Ehe seit dem 18.11.1954 verheiratet. Durch gemeinschaftliches Testament vom 23.8.1985 setzten sich die Eheleute gegenseitig zu befreiten Vorerben und ihre beiden gemeinsamen Kinder zu Nacherben ein. Die Klägerin schlug später ihr das darin ausgesetzte Vermächtnis von 250.000,- DM aus.
Bezüglich des ehelichen Güterrechts trafen die Eheleute folgende Regelungen: Durch notarielle Erklärung vom 30.12.1955 - UR.-Nr. 245/55 des Notars Z., D. - bestimmten sie, "dass die sämtlichen von der Erschienenen zu 2) eingebrachten und von ihr später erworbenen Sachen und sonstigen Vermögensgegenstände zu ihrem Vorbehaltsgut gehören sollen und dass die Verwaltung und Nutznießung des Erschienenen zu 1) an dem Vermögen der Erschienenen zu 2) ausgeschlossen sein soll.
Wir beantragen,
dies im Güterrechtsregister einzutragen.
Der Wert des Vermögens der Erschienenen zu 2) nach Abzug der Schulden beträgt 8.000,- DM." Dementsprechend erfolgte die Eintragung unter GR 506 im Güterrechtsregister am 12.3.1956.
Im notariellen Ehevertrag vom 30.7.1979 - UR.-Nr. 1039/79 des Notars C., D. - erklärten sie:"In Abänderung des Ehevertrages vom 30.12.1955 vereinbaren wir hiermit, dass mit dem heutigen Tage für unsere Ehe der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelten soll.
Wir beantragen die Eintragung im Güterrechtsregister.
Wir schätzen den Wert unseres Vermögens auf DM 500.000,-." Am 5.9.1979 wurde die "Aufhebung der Gütertrennung" im Güterrechtsregister eingetragen.
Am 22.1.1988 schlossen sie einen notariellen Gütertrennungsvertrag - UR.-Nr. 11/88 des Notars K., O.. Darin heißt es u.a.: "1) Wir heben von jetzt ab den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft auf und vereinbaren für unsere Ehe den Güterstand der Gütertrennung.
4) Wir beantragen, die Eintragung der Gütertrennung in das Güterrechtsregister.
5) Zum Ausgleich der in der Vergangenheit bisher entstandenen Zugewinnansprüche wird Folgendes vereinbart: Der Erschienene zu 1) hält an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gr. H., eine stille Beteiligung in Höhe von 3.500.000,- DM (i. W.: drei Millionen fünfhunderttausend Deutsche Mark).
Hiervon überträgt der Erschienene zu 1) an die Erschienene zu 2) als Ausgleich für die bis heute erworbenen Zugewinnausgleichsansprüche einen Anteil von 3.000.000,- DM (i. W.: drei Millionen Deutsche Mark) einschließlich der Gewinnbeteiligungsrechte. Die Erschienene zu 2) nimmt die Übertragung hiermit an.
6) Den Wert unseres Vermögens geben wir mit 6.000.000,- DM (i. W.: sechs Millionen Deutsche Mark) an." Vorprozessual zahlte die Beklagte an die zu 1/8 pflichtteilsberechtigte Klägerin 390.000,- DM.
Nach Auskunftserteilung über die Zuwendungen, die der Erblasser der Beklagten während der Ehe und Dritten in den letzten zehn Jahren vor seinem Tode gemacht hat, begehrt die Klägerin weitere Zahlung auf ihre Pflichtteilsberechtigung.
Ihren Pflichtteilsanspruch hat sie nach dem Nachlasswert mit 149.164,88 DM berechnet und zu den Pflichtteilsergänzungsansprüchen Folgendes vorgetragen: Den 3 Mio DM Zugewinnausgleich auf Grund der Gütertrennungsvereinbarung 1988 stehe lediglich ein Ausgleichsanspruch der Beklagten in Höhe von 533.416,50 DM gegenüber, der Restbetrag von 2.466.583,50 DM stelle mithin eine Schenkung dar, wovon sie 1/8, das sind 308.322,93 DM, zu beanspruchen habe.
...
Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, es habe von Ehebeginn bis zur Gütertrennungsvereinbarung 1988 und nicht - wie von der Klägerin zu Grunde gelegt - vom Ehevertrag 1979 an der Güterstand der Zugewinngemeinschaft gegolten. Das ergebe sich aus den Überleitungsvorschriften des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18.6.1957. Die notarielle Erklärung von 1955 sei keine andere Vereinbarung im Sinne dieser Vorschriften gewesen, durch die die sonst für nach dem 1.3.1953 geschlossenen Ehen geltende Zugewinngemeinschaft verdrängt worden wäre. Der Güterstand der ehemännlichen Nutznießung und Verwaltung habe gem. Art. 117 GG seit dem 1.4.1953 ohnehin nicht mehr gegolten, sodass ihre notarielle Erklärung ins Leere gegangen sei und keine Gütertrennung mehr habe bewirken können.
Für das Hausgrundstück habe sie vom Beklagten nur 51.500,- DM erhalten; für den Erwerb der KG-Beteiligung sei ihr nur eine Darlehensforderung gegen die dem Erblasser gehörende Firma geschenkt worden.
Das Landgericht hat sachverständig beraten der Klage in Höhe von 163.295,81 DM stattgegeben. Nach den Bewertungen des Sachverständigen habe die Klägerin einen Pflichtteilsanspruch von 194.164,88 DM und Pflichtteilsergänzungsansprüche von 308.322,43 DM betreffend die Zugewinnausgleichszahlung, wobei es ein Bestehen der Zugewinngemeinschaft von 1979 bis 1988 zu Grunde gelegt hat, 40.808,- DM betreffend die KG-Beteiligung und 10.000,- DM betreffend das Hausgrundstück.
Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren in vollem Umfang weiter.
Unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen bekräftigt sie ihre Auffassung, dass die Zugewinngemeinschaft von 1954 bis 1982 bestanden habe. Unabhängig davon hätten sie in zulässiger Weise durch den Ehevertrag 1988 die Zugewinngemeinschaft rückwirkend auch für diesen Zeitraum vereinbaren können und auch vereinbart. Die Schenkungen 1963 und 1969 seien daher in die Zugewinnausgleichsberechnung mit einzubeziehen.
...
Die Klägerin verteidigt unter ergänzender Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung, wobei sie insbesondere ihre Auffassung über die Dauer der Zugewinngemeinschaft bekräftigt und auf die korrekte Berechnung des Sachverständigen anhand der buchmäßig ausgewiesenen Positionen hinweist.
Zu der Zinsforderung legt sie eine Bescheinigung vor, in der ihr ein Unternehmensberater eine Verzinsung von 13 % p.a. seit 1991 von Beträgen über 50.000,- DM bescheinigt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache bis auf einen Teil des Zinsanspruchs keinen Erfolg.
Das Landgericht hat anhand der Ergebnisse der Sachverständigenberatung die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zutreffend berechnet. Die Angriffe der Berufung gegen den auf dieser Grundlage zuerkannten Hauptsachebetrag gehen insgesamt ins Leere.
I.)
Für die Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß § 2325 BGB im Zusammenhang mit der gem. Gütertrennungsvertrag vom 22.1.1988 als Zugewinnausgleich bezeichneten Zahlung von 3.000.000,- DM und den weiteren Zuwendungen 1963 und 1969 ist die Dauer der Zugewinngemeinschaft von entscheidender Bedeutung. Für diesen Zeitraum ist der auszugleichende Zugewinn nach den gesetzlichen Regelungen der §§ 1372 ff BGB zu ermitteln. Liegt dieser Betrag unter der tatsächlich erfolgten Ausgleichszahlung, so ist der Differenzbetrag mangels Gegenleistung als unentgeltliche Zuwendung bei der Pflichtteilsergänzung in Ansatz zu bringen. Eine rückwirkende Veränderung der Dauer der Zugewinngemeinschaft ist rechtlich nicht möglich. Unentgeltliche Zuwendungen, die außerhalb dieses Zeitraums liegen, sind nicht bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs, sondern bei der Pflichtteilsergänzungsberechnung zu berücksichtigen.
Die Ansicht der Beklagten, bereits vor der im Ehevertrag vom 30.7.1979 vereinbarten Zugewinngemeinschaft habe auf Grund der Übergangsvorschriften nach Art. 8 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 Gleichberechtigungsgesetz seit dem In-Kraft-Treten des Gleichberechtigungsgesetzes am 1.7.1958 für ihre Ehe der Güterstand der Zugewinngemeinschaft gegolten, trifft nicht zu. Entscheidender rechtlicher Ansatz ist der Ehevertrag vom 30.12.1955. Eine darin vereinbarte Gütertrennung hätte gemäß Art. 8 Abs. 1 Ziff. 5 Gleichberechtigungsgesetz auch nach dem 1.7.1958 Bestand gehabt. Durch den Verweis in Art. 8 Abs. 1 Ziff. 5 Satz 2 Gleichberechtigungsgesetz auf die vorstehenden Ziff. 3 und 4 ist klargestellt, dass diese Regelung auf den zu beurteilenden Ehevertrag anzuwenden ist.
Nach dem Wortlaut besteht an der vereinbarten Gütertrennung kein Zweifel. Der Ausschluss von Verwaltung und Nutznießung des Vermögens der Ehefrau durch den Ehemann entspricht der gemäß § 1436 BGB damaliger Fassung notwendigen Formulierung, um Gütertrennung zu vereinbaren. Dieser Güterstand war auch verfassungsgemäß und galt weiter fort und konnte vereinbart werden. Der Vereinbarung fehlte es auch nicht an einem Regelungsgehalt, wie die Beklagte meint, weil seit 1953 bis zum Gleichberechtigungsgesetz ohnehin Gütertrennung gegolten habe.
Zunächst können Parteien durchaus auch zur Klarstellung etwas durch Vereinbarung regeln, um sicher zu sein, dass der gewünschte Güterstatus auch bestimmt für ihre Ehe gilt. Dafür bestand in der am Anfang regelungslosen Übergangszeit nach dem Wegfall des gesetzlichen Güterstandes der ehemännlichen Verwaltung und Nutznießung durchaus Anlass. Hinzu kommt, dass der gesetzliche Güterstand der Gütertrennung auf Grund entsprechender Vereinbarung nicht identisch ist mit dem Güterstand, der in diesem Zeitraum gegolten hat, wenn Eheleute keine Gütervereinbarung getroffen hatten. Dasübersieht die Berufung, obwohl sie die entsprechende Stelle im Gutachten des Bundesgerichtshofs für das Bundesverfassungsgericht - BGHZ 11 Anh. S. 34 ff, 73 f - selbst zitiert: Der gesetzliche Güterstand mangels besonderer Vereinbarung ist gerade nicht der gesetzlich geregelte Güterstand mit dem Regelungsgehalt der §§ 1427 ff BGB damaliger Fassung, sondern eine "Art Gütertrennung, wie sie mangels besonderer Vorschriften in allen Lebensbereichen gilt". Die Eheleute haben aber in dem Ehevertrag 1955 den gesetzlich geregelten Güterstand der Gütertrennung vereinbart und damit den allgemeinen "übergesetzlichen" Güterstand ausgeschlossen. Das haben seinerzeit auch alle Beteiligten so gesehen. Der Ehevertrag 1979 belegt deutlich, dass die Eheleute den 1955 vereinbarten Güterstand ändern wollten von der Gütertrennung zur Zugewinngemeinschaft. So erfolgte auch die Eintragung im Güterrechtsregister.
Zugewinngemeinschaft hat daher zwischen den Eheleuten vom 30.7.1979 bis 22.1.1988 gegolten. Eine rückwirkende vertragliche Ausdehnung auf den davor liegenden Zeitraum zur Schaffung einer gesetzlichen güterrechtlichen Grundlage für angestrebte Vermögensverschiebungen - wie es der Berufung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat offenbar vorgeschwebt hat - ist rechtlich ausgeschlossen.
Die angesprochenen weiteren Schenkungen erfolgten 1969 (Kommanditbeteiligung) und 1963 (Geld für den Erwerb eines Hausgrundstücks) und liegen damit - wie vorstehend ausgeführt - außerhalb des Zeitraumes, in dem die Zugewinngemeinschaft galt. § 1380 BGB ist dafür nicht einschlägig (MünchKomm.-Gernhuber, BGB, 3. Aufl.,§ 1380 Rn. 11 m.w.N. in Fußn. 12).
Sachverständiger und Landgericht haben die unentgeltlichen Zuwendungen insoweit zutreffend bei der Berechnung der Pflichtteilsergänzung behandelt.