Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 27.09.1995, Az.: 2 U 172/95

Vollbremsung infolge einer Schreckreaktion; Grob fahrlässige Herbeiführung eines Versicherungsfalls; Grobe Fahrlässigkeit bei Wildschaden

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
27.09.1995
Aktenzeichen
2 U 172/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 29108
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:0927.2U172.95.0A

Amtlicher Leitsatz

Keine grobe Fahrlässigkeit bei Wildschaden in der Fahrzeugversicherung, wenn Kraftfahrer infolge einer Schreckreaktion Vollbremsung einleitet statt weiterzufahren, um so Schaden gering zu halten.

Gründe

1

Das Landgericht hat einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 12 Nr. 1 I d AKB in Verbindung mit dem Teilkaskoversicherungsvertrag in Höhe von 15.048,49 DM nebst Zinsen bejaht und dazu festgestellt, dass der Schaden am versicherten Pkw Opel, amtl. Kenzeichen ..., aus dem Unfall des Klägers vom 5.5.1993 gegen 0.30 Uhr auf der Landesstraße aus Richtung Kreuzung B 401 in Richtung Bockhorst, Höhe Ortsschild Bockhorst, durch den Zusammenstoß mit einem Hasen verursacht worden sei. Zwar sei das Fahrzeug nicht durch das Gewicht des Tieres, sondern durch die starke, möglicherweise durch Schreck veranlasste Bremsung des Klägers im Kurvenbereich in Verbindung mit einer zügigen, jedoch nicht überhöhten Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen. Diese Bremsung sei nicht im Rahmen eines Ausweichmanövers, für das es schon zu spät gewesen sei, erfolgt.

2

Der Angriff der Berufung zielt ausschließlich darauf ab, dass der Kläger den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Er habe, wie sich aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ergebe, eine Vollbremsung durchgeführt, anstatt einfach weiterzufahren, wie es richtig sei und auch im Rahmen der für den Kläger noch nicht lange zurückliegenden Fahrschulausbildung gelehrt werde.

3

Der Anspruch des Klägers ist vom Landgericht, im Wesentlichen auf die vom BGH in VersR 1992, 349 f, genannten Grundsätze gestützt, zutreffend begründet worden. Insoweit folgt der Senat den Entscheidungsgründen und sieht von einer eigenen Darstellung ab, § 543 Abs. 1 ZPO.

4

Die beweispflichtige Beklagte hat keine Umstände nachgewiesen, die eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls und damit eine Leistungsfreiheit gemäß § 61 VVG ergeben.

5

Die objektiv fehlerhafte Reaktion des Klägers ist als momentane Fehlreaktion subjektiv nicht als erheblich gesteigertes Verschulden anzusehen. Es handelte sich um eine spontane Abwehr- oder Schreckreaktion.

6

Nach der im Rahmen seiner in der mündlichen Verhandlung erfolgten Anhörung hat der Kläger den Hasen allenfalls unmittelbar vor dem Zusammenprall - ohne eine Möglichkeit zur Reaktion - erkannt. Die Bremsung und das Lenkmanöver erfolgten im Zusammenhang mit dem durch den Zusammenstoß verursachten lauten Knall und der damit einhergehenden Erschütterung. Der Sachverständige hat aus dem Schadensbild die hohe Wahrscheinlichkeit abgeleitet, dass der Zusammenprall eine recht heftige Verformung der Frontpartie und einen lauten Knall mit sich brachte. Die festgestellte Reaktion des Klägers sei sehr häufig anzutreffen und als typisch zu bezeichnen.

7

Ein abgeklärter Fahrer hätte das Fahrzeug jedoch beherrschen können. Eine derart typische und spontane Fehlreaktion ergibt keinen gesteigerten Schuldvorwurf. Dass die Situation nach dem Lehrbuch anders zu bewältigen gewesen wäre, kann keine Bewertung als grobe Fahrlässigkeit rechtfertigen. Die Beklagte hat auch nicht dargetan, dass der Kläger ein besonders abgeklärter oder für solche Gefahrensituationen besonders geschulter Fahrer war.