Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.09.1995, Az.: 2 W 102/95
Berechnung einer Beweisgebühr nach informatorischer Anhörung einer Partei; Anforderungen an das Vorliegen einer Beweisaufnahme und eines Beweisbeschlusses
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 28.09.1995
- Aktenzeichen
- 2 W 102/95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1995, 28979
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1995:0928.2W102.95.0A
Rechtsgrundlagen
- § 273 ZPO
- § 31 Abs. 1 Ziff. 3 BRAGO
Amtlicher Leitsatz
Keine Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO, wenn das Gericht nach streitiger Verhandlung informatorische Anhörung der Partei und "gemäß § 273 ZPO" Ladung von Zeugen beschließt und anordnet.
Gründe
Die Zivilkammer hat nach streitiger Verhandlung u.a. beschlossen, den Kläger zu dem von ihm behaupteten Diebstahl eines bei der Beklagten versicherten PKW anzuhören, sich die Parteivernehmung des Klägers vorbehalten sowie "gemäß § 273 ZPO" die Ladung von drei Zeugen angeordnet und den Parteien aufgegeben, einen Vorschuss für die Zeugengebühren zu zahlen. In der nachfolgenden mündlichen Verhandlung hat die Kammer nach Anhörung des Klägers von der Vernehmung der Zeugen abgesehen, weil der Kläger den sog. Vollbeweis des Diebstahls zu führen, Beweis insoweit aber nicht angetreten habe.
Bei dieser Sachlage liegt - was auch die Beklagte nicht anzweifelt - ein die Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Zif. 3 BRAGO auslösendes Beweisaufnahmeverfahren nicht vor. Denn die Anhörung des Klägers ist keine Beweisaufnahme und es ist im Übrigen kein Beweisbeschluss, sondern eine ausdrücklich auf § 273 ZPO gestützte Maßnahme ergangen, die es der Kammer ermöglichen sollte, eine nach Anhörung des Klägers möglicherweise erforderliche Beweisaufnahme in demselben Termin durch Vernehmung des Klägers als Partei und/oder der vorsorglich geladenen Zeugen durchzuführen.
Die Auffassung der Beklagten, die Kammer hätte bei richtiger Anwendung des Prozessrechts einen Beweisbeschluss erlassen müssen, gebührenrechtlich sei der auf § 273 ZPO gestützte Beschluss daher als Beweisbeschluss anzusehen, ist nicht zutreffend. Dabei kann unerörtert bleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Anordnung in der Form des § 273 ZPO, die "in Wahrheit" die Anordnung des Beweisaufnahmeverfahrens enthält, eine Beweisgebühr auslöst (vgl. hierzu Riedel/Sußbauer, BRAGO, 7. Aufl., § 31 Rdn. 111 m.w.N.). Denn das Verfahren des Landgerichts ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden. Es entspricht vielmehr dem Grundsatz, dass ein Beweisbeschluss, der die Parteien mit weiteren Kosten belastet, nur und erst dann ergehen soll, wenn zur Überzeugung des erkennenden Gerichts feststeht, dass eine Beweiserhebung - vorbehaltlich selbstverständlich einer Veränderung des Sach- und Streitstands - entscheidungserheblich ist. Dies war - wie sich aus dem weiteren Verfahrensablauf vor dem Landgericht unschwer ergibt - nicht der Fall. Dementsprechend ist es auch unerheblich, dass der Beschluss nach streitiger Verhandlung ergangen ist. Ebenfalls nicht zuzustimmen ist der Ansicht der Beschwerdeführerin, der Beschluss sei deshalb gebührenrechtlich wie ein Beweisbeschluss zu behandeln, weil die Kammer zur Anordnung der in § 273 Abs. 2 ZPO genannten vorbereitenden Maßnahmen nicht befugt gewesen wäre. Denn anders als aus § 272 b ZPO a.F. ergibt sich unmittelbar aus § 273 Abs. 1 und 2 ZPO, dass nicht nur der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Prozessgerichts, sondern dass daneben auch das Kollegialgericht als Ganzes vorbereitende Maßnahmen veranlassen kann.
Bereits von seinen Prämissen her wenig plausibel ist die Argumentation, der Beschluss sei deshalb gebührenrechtlich wie ein Beweisbeschluss zu behandeln, weil die darin enthaltenen, auf § 273 ZPO gestützten Anordnungen dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten in gleicher Weise wie ein Beweisbeschluss Anlass zu der Prüfung gegeben hätten, ob er weitere Beweismittel benennen wolle. Denn dabei wird zum einen übersehen, dass der Prozessbevollmächtigte in jeder Lage des Verfahrens und nicht erst nach prozessleitenden Anordnungen oder nach Beweisbeschlüssen Anlass zu der Prüfung hat, wozu und wodurch im Interesse der Partei Beweis anzutreten ist.
Zum anderen erhält der Prozessbevollmächtigte die Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO nicht für seine Bemühungen vor Erlass eines Beweisbeschlusses oder zu dessen Ergänzung, sondern für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren.
Unerheblich ist schließlich auch der Hinweis der Beschwerdeführerin darauf, dass die Regelungen in Nr. 1006 und 1012 Kostenverzeichnis a.F. Maßnahmen nach § 273 ZPO in bestimmten Fällen einem Beweisbeschluss gleichstellten. Denn abgesehen davon, dass diese Bestimmungen bereits zu Beginn des Rechtsstreits nicht mehr in Kraft waren, betrafen sie die Gerichtsgebühren und nicht die anderen Gesetzmäßigkeiten folgende Höhe der Anwaltsgebühren.