Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 26.02.2018, Az.: 6 A 5109/16

Abfall vom Islam; Atheismus; Atheist; Bagdad; Blasphemie; Interner Schutz nicht möglich; Irak; Miliz; Religiöse Verfolgung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
26.02.2018
Aktenzeichen
6 A 5109/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 73972
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Bescheid der Beklagten vom 25. August 2016 wird aufgehoben, soweit er dem vorgenannten Verpflichtungsausspruch entgegensteht.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger, arabischer Volkszugehörigkeit und irakischer Staatsangehörigkeit, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Er reiste mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern, ehemals den Klägern zu 2. bis 5., nunmehr die Kläger im Verfahren 6 A 1801/18, auf dem Landweg am 19. September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte in der zuständigen Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) für sämtliche Familienangehörige Asylanträge.

Zur Begründung seines Antrags führte der Kläger in seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt u.a. aus, er habe gemeinsam mit seiner Familie das Land verlassen, weil er sich vom Islam abgewandt und zum Atheismus bekannt habe und infolgedessen fürchte, durch religiöse Fanatiker getötet zu werden.

In der Anhörung schilderte der Kläger, er habe nach dem Besuch der Mittelschule und des Gymnasiums in Abu Ghraib drei Jahre an der Universität Bagdad Maschinenbauingenieurwesen studiert, die Hochschule jedoch ohne Abschluss verlassen. Anschließend habe er als Elektroingenieur bei einer Reisefirma am Flughafen Bagdad gearbeitet und dort Reiseplanungen am PC vorgenommen. Zudem sei er Inhaber eines Ladens für Handys, Zubehör und Elektronik gewesen. Auf seine familiären Verhältnisse angesprochen, gab der Kläger an, er habe mit seiner Familie in der westlich an Bagdad angrenzenden Stadt Abu Ghraib gelebt. Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter habe zunächst in Abu Ghraib gelebt; mittlerweile lebe sie in Bagdad im Stadtteil Al Dora.

Der Kläger gab ferner an, seit dem Jahr 2009 Atheist zu sein. Sein verstorbener Vater und sein verstorbener Großvater seien ebenfalls Atheisten gewesen; sein Großvater habe sogar bis zu seinem Tod nie gebetet. Seit dem Beginn der Konflikte im Irak zwischen den Sunniten und Schiiten habe er begonnen zu recherchieren, welche von beiden Seiten Recht habe. So habe er viele wissenschaftliche Abhandlungen über den Islam von etablierten Religionswissenschaftlern gelesen. Viele dieser Bücher habe er von seinem Cousin erhalten, der Islamwissenschaften studiere. Letztendlich habe er sich von der Religion abgewandt und die Heiligkeit des Koran aufgehoben. Seine Mutter und ihr neuer Ehemann seien religiös. Nachdem er, der Kläger, nicht mehr gebetet und gefastet und des Weiteren über seine religiösen Auffassungen diskutiert habe, habe seine Mutter seinen Gesinnungswandel bemerkt und ihm gesagt, er solle nicht über derartige Dinge diskutieren. Anfangs hätten nicht alle gewusst, dass er Atheist sei, lediglich seine Frau und seine Familie. Mit seinem Cousin habe es einmal ein Problem gegeben, als sie über Religion diskutiert hätten. In sozialen Netzwerken habe er zudem unter falschem Namen Nachrichten geschrieben.

Zudem habe er mit der ehemaligen Klägerin zu 2. eine geschiedene Frau geheiratet. Seine Ehefrau sei im Herbst 2007 im Alter von 14 Jahren von ihren Eltern zwangsverheiratet worden. Bereits zwei Tage nach der Hochzeit habe sie gesundheitliche Probleme bekommen, woraufhin sie ihre Familie zunächst zu islamischen religiösen Gelehrten geschickt hätten. Im Frühjahr 2010 habe sie sodann den Kläger kennen gelernt und habe sich im Juni 2010 aus gesundheitlichen Gründen gerichtlich scheiden lassen. Im August 2010 habe sie ihn dann geheiratet.

In der Folgezeit habe er per SMS anonyme Drohungen bekommen, die er zunächst ignoriert habe. Ca. drei oder vier Monate nach der ersten Drohung habe sich der erste Ehemann seiner Frau als Urheber zu erkennen gegeben; dieser habe ihn unter Verwendung unterschiedlicher Telefonnummern auch telefonisch belästigt, insbesondere auf der Arbeit. Der Ex-Mann habe ihm Vorhaltungen gemacht und ausgeführt, er, der Kläger, habe ihm seine Rechte genommen, weil die von den Eltern der Klägerin zu 2. gegen seinen Willen und vorgeblich aus gesundheitlichen Gründen veranlasste Scheidung eine Farce gewesen sei. Zudem habe der Ex-Mann am Telefon Koranverse zitiert und gesagt, er werde sie niemals in Ruhe lassen, wobei er auch tödliche Gewalt gegen ihre Kinder angedroht habe. Zunächst habe er die Drohungen nicht ernst genommen, zumal er immer wieder längere Zeiträume gegeben habe, in denen sich der Ex-Mann nicht gemeldet habe. Wegen der Probleme mit dem Ex-Mann seiner Frau sei er nie zur Polizei gegangen, weil er sich nicht habe vorstellen können, dass die Regierung etwas dagegen habe tun können.

Am 14. August 2015 habe schließlich eine bewaffnete Gruppe die Wohnung des Klägers aufgesucht. Er sei zu diesem Zeitpunkt nicht zuhause gewesen, seine Mutter habe jedoch mit ihnen gesprochen. Ihren Angaben zufolge hätten die Mitglieder der Gruppe nach ihm persönlich gefragt; auf die Nachfrage seiner Mutter nach ihrem Anliegen hätten sie ihr mitgeteilt, sie wollten persönlich mit ihm sprechen. Anschließend hätten sie mitgeteilt, sie würden wiederkommen und seien sodann gegangen. Seine Frau sei beim Eintreffen der Gruppe mit den Kindern in einen anderen Raum geflohen und habe sich dort eingeschlossen. Anschließend habe seine Mutter ihn angerufen, ihm von dem Vorfall mit der ihr unbekannten Gruppe erzählt und ihm mitgeteilt, er solle auf keinen Fall nachhause kommen. Seine Mutter habe nicht gewusst, ob der Vorfall etwas mit seiner Arbeit am Flughafen zu tun habe, weil eine Arbeit am Flughafen immer mit der Regierung in Verbindung gebracht werde, oder mit einer seiner Äußerungen zur Religion. Seine Frau habe ihm zudem erzählt, dass bei ihrem Ex-Mann immer wieder bewaffnete Personen ein- und ausgegangen seien, was sie ihm früher nicht erzählt habe, um ihn nicht zu beunruhigen. Nach dem Vorfall mit den bewaffneten Männern habe er große Angst bekommen.

Er habe sodann sechs oder sieben Tage entweder am Flughafen oder bei Freunden übernachtet und mit seiner Frau abgesprochen, dass sie, alle wichtigen Dokumente bei sich führend, mit seiner Mutter und seinem Stiefvater zu seinen Schwiegereltern kommen sollte, um sich dort mit ihm zu treffen. Dort habe er ihr seinen Plan eröffnet, das Land in Richtung Türkei zu verlassen, um die Familie in Sicherheit zu bringen. Seine Frau sei zunächst dagegen gewesen; er habe sie erst überzeugen müssen, indem er ihr dargelegt habe, dass sie nicht so lange warten könnten, bis etwas passiert sei.

Er sei dann noch bis zum 28. August 2015 zur Arbeit gegangen, weil er das Geld für den restlichen Monat gebraucht habe. Seine Frau und seine Kinder hätten sich zunächst noch für fünf oder sechs Tage zuhause in ihrer Wohnung in Abu Ghraib aufgehalten, dann bei ihren Eltern. Er selbst habe an seinem Arbeitsplatz nichts befürchtet, weil die Regierung den Flughafen wegen der Anwesenheit von Politikern und Beamten streng kontrolliert habe.

In Deutschland habe er sodann unter seinem richtigen Namen in sozialen Netzwerken religionskritische Äußerungen veröffentlicht. Sein Cousin habe dies erfahren und es seinem Onkel erzählt, der seine Mutter sodann für ihren Erziehungsstil kritisiert habe. Er, der Kläger, habe beispielsweise einen Beitrag veröffentlicht mit dem Titel „Die Religionshändler sind gefährlicher als die Religion selbst“. Hierbei habe er u.a. am Beispiel des Abu Huraira, auf den sich der Kalif Abu Bakr vielfach berufen habe, über die wissenschaftliche Ungültigkeit und Lügen der Hadithen geschrieben, ferner über islamischen Faschismus, die Organisation „Islamischer Staat“ und deren Gründung und schließlich über Koransuren, welche den Tod motivierten. In Reaktion auf seine Veröffentlichungen habe er viele Kommentare und Drohungen von Fremden, Freunden, Bekannten und Verwandten erhalten. Die Kommentare der Fremden habe er ignoriert, diejenigen der Bekannten und Verwandten blockiert. Im Falle seiner Rückkehr in den Irak fürchte er, dass er als Atheist ermordet und sein Leichnam auf der Straße geschändet werde.

Die Ehefrau des Klägers führte in ihrer Anhörung aus, sie habe in Bagdad sechs Jahre die Grundschule besucht. Sie habe noch zwei Brüder und drei Schwestern, die ebenso wie ihre Eltern in Bagdad lebten. Sie selbst habe in Abu Ghraib gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern gelebt und sei Hausfrau gewesen. Sie habe noch zwei Brüder und drei Schwestern, die – mit Ausnahme einer Schwester - allesamt in Bagdad im Haus der Eltern lebten.

Auf ihre vorherige Ehe angesprochen, führte sie aus, sie sei von ihrer Familie im Alter von vierzehn Jahren gegen ihren Willen an einen deutlich älteren Mann verheiratet worden. Diese Ehe sei für sie ein Schock gewesen. Im Haus ihres ersten Ehemannes habe sie merkwürdige Dinge beobachtet. Sie habe schon am ersten Tag erkannt, dass ihr Ex-Mann entgegen der vorherigen Angabe ihrer Familie kein Elektro-Ingenieur sei. Im gesamten Haus hätten sich Waffen befunden, selbst im Schlafzimmer. Sie sei bereits nach zwei Tagen dauerhaft psychisch krank geworden. Ihre Eltern hätten sie sodann zu einem Sheikh gebracht, der sie mit abergläubischen Mitteln behandelt hätte, d.h. mit Messen und Stromschlägen. Im Jahr 2009, als sie bereits wieder bei ihren Eltern gelebt habe, habe sie ihren jetzigen Ehemann kennengelernt, der sie an einen richtigen Arzt vermittelt habe. Ihr damaliger Ehemann habe bereits zu dieser Zeit immer wieder ihre Eltern aufgesucht und diese unter Drohungen zur Herausgabe seiner Frau aufgefordert. Sie habe dann im Jahr 2010 einen Antrag auf Scheidung beim Gericht gestellt, woraufhin das Gericht in Abwesenheit ihres damaligen Ehemannes die Scheidung ausgesprochen habe. Später habe ihr Ex-Mann dann ihren neuen Ehemann telefonisch bedroht, wenn dieser außer Hauses gewesen sei. Genaueres habe ihr Mann ihr jedoch nicht erzählt. Einmal, ungefähr Anfang 2015, habe sie mitbekommen, wie ihr Ex-Mann ihren Ehemann und ihre Kinder telefonisch mit dem Tode bedroht habe.

Etwa Ende Juli oder Anfang August 2015 seien dann die Bewaffneten bei ihnen zuhause erschienen. Es habe an der Tür geklopft, und ihre Schwiegermutter habe die Tür einen Spaltbreit geöffnet. Daraufhin hätten die Männer nach ihrem Mann gefragt. Es habe sich um zwei oder drei, ggf. auch um drei oder vier Personen gehandelt. Als sie die Männer mit den Waffen gesehen habe, sei sie sofort mit ihren Kindern in einen anderen Raum gegangen. Nachdem die Männer weggegangen seien, habe ihre Schwiegermutter dann ihren Sohn, den Kläger, angerufen. Sie selbst wisse nicht, ob die Bewaffneten von ihrem Ex-Mann geschickt worden seien, oder aber ob es sich um Personen gehandelt habe, welche sich an den atheistischen Äußerungen ihres Ehemannes gestört hätten.

Ca. eine Woche nach dem Vorfall habe sie noch bei ihrer Schwiegermutter und deren Mann gelebt. Nach einer Woche habe ihr Ehemann sie angerufen und gesagt, sie solle mit den Kindern und allen Papieren zu ihren Eltern fahren. Dort hätten sie sich dann getroffen. Ihr Mann habe sie letztendlich von der Ausreise im Interesse der Sicherheit der Familie überzeugt. Zudem habe er ihr mitgeteilt, es sei für ihn sehr schwierig, unter Muslimen zu leben, da er im Orient in der konservativen Gesellschaft nicht über Religion sprechen könne und keinen sicheren Platz zum Leben habe. Ihr Ehemann habe bis zu ihrer Ausreise aus dem Irak nicht bei den Schwiegereltern bleiben können, da diese sehr religiös seien, er jedoch immer wieder mit ihnen über Religion diskutiert und den Islam kritisiert habe. Sie selbst habe große Sorge um ihre Kinder, ihren Ehemann und sich selbst gehabt.

In Deutschland angekommen, habe ihr Mann zudem im Internet Beiträge über seine atheistischen Auffassungen veröffentlicht. Deswegen habe er Probleme mit Freunden und seinen Cousins bekommen. Einer seiner Cousins habe die Veröffentlichungen dem Onkel ihres Ehemannes gezeigt, der daraufhin dessen Mutter zur Rede gestellt habe. Ab April 2016 habe sie auch kein Kopftuch mehr getragen, nachdem ihr Ehemann ihr vor Augen geführt habe, was der Sheikh ihr angetan habe.

Sie selbst habe keine Möglichkeit gesehen, im Irak zu bleiben, selbst unter Verlegung ihres Wohnsitzes. Ihr Ehemann sei Atheist, für ihn sei es überall gefährlich. Im Falle einer Rückkehr in den Irak sei sie sicher, dass ihr Ehemann ermordet werden würde.

Mit Bescheid vom 25. August 2016, den Klägern zugestellt am 30. August 2016, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) sowie auf Anerkennung als Asylberechtigte (Nr. 2) und erkannte den Klägern den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3). Zudem stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen (Nr. 4) und drohte die Abschiebung der Kläger in den Irak an (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) befristete es auf dreißig Monate ab dem Tag der Abschiebung.

Zur Begründung führte es u.a. aus, aus dem klägerischen Vorbringen sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Selbst bei Wahrunterstellung und wohlwollender Beurteilung sei dem Sachvertrag lediglich zu entnehmen, dass es diffuse telefonische Drohungen des Ex-Ehemannes gegeben habe, ferner einen Besuch bewaffneter Leute, der aber nicht nachhaltig zuzuordnen gewesen sei. Überdies sei es dem Kläger zuzumuten gewesen, auf das Mittel der innerstaatlichen Schutzgewährung (§ 3 e Asylgesetz (AsylG)) zurückzugreifen, bevor er die Flucht ins Ausland antrete.

Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG scheitere daran, dass die Kläger keine Anhaltspunkte vorgetragen hätten, aus denen sich individuelle gefahrerhöhende Umstände im Rahmen des bewaffneten Konflikts in der Provinz Bagdad ergäben.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger für sich und die übrigen Familienangehörigen mit Schriftsatz vom 7. September 2016 Klage erhoben und zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung führt er u.a. aus, insbesondere wegen seines nun vom Islam abgewandten Lebens drohe ihm bei Rückkehr in den Irak eine asylrelevante Verfolgung.

Mit Beschluss vom 7. November 2017 hat die Kammer den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen, der den Klägern mit Beschluss vom 12. Februar 2018 Prozesskostenhilfe bewilligt hat.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. August 2016 zu verpflichten,

1. den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

2. hilfsweise den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

bzw.

3. hilfsweise festzustellen, dass bei den Klägern Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung.

Das Gericht hat das Verfahren in Bezug auf die ehemaligen Kläger zu 2. bis 5 mit Beschluss vom 6. März 2018 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 6 A 1801/18 fortgeführt.

In Bezug auf den Inhalt der informatorischen Befragung des Klägers und seiner Ehefrau, der ehemaligen Klägerin zu 2., wird verwiesen auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 26. Februar 2018. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die der Berichterstatter gemäß § 76 Abs. 1 AsylG anstelle der Kammer als Einzelrichter entscheidet, hat Erfolg. Sie ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Einzelrichter ist dabei nicht daran gehindert, auf Basis der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2018 über die Klage zu entscheiden, obgleich kein Vertreter der Beklagten erschienen ist. Das Gericht hat die Beteiligten nämlich mit der Ladung darauf hingewiesen, dass auch in ihrer Abwesenheit mündlich verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der Bescheid des Bundesamtes vom 25. August 2016, mit dem dieses Begehren abgelehnt worden ist, verletzt den Kläger in seinen Rechten und ist aufzuheben, soweit er dem vorgenannten Anspruch entgegensteht (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Nach § 3 Abs. 4 AsylG in der Fassung des Gesetzes vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394) wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. § 3 Abs. 1 AsylG bestimmt dazu, dass ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) ist, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Diese Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sind in der Person des Klägers erfüllt.

Eine „begründete Furcht“ vor Verfolgung (vgl. auch Art. 1 GFK, Art. 2 RL 2011/95/EU) liegt vor, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67, Rn. 19). Der danach maßgebliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Zu bewerten ist letztlich, ob aus Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Schutzsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in das Herkunftsland als unzumutbar erscheint. Zu begutachten ist die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat (BVerwG, Urteil vom 06.03.1990 - 9 C 14.89 -, juris). Dabei entspricht die zunächst zum nationalen Recht entwickelte Rechtsdogmatik zur Frage der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ auch dem neueren europäischen Recht (BVerwG, Urteil vom 01.06.2011 - 10 C 25.10 -, BVerwGE 140, 22; Nds. OVG, Urteil vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17, BeckRS 2017, 118678, Rn. 29).

Bei der Bewertung, ob die im Einzelfall festgestellten Umstände eine die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG rechtfertigende Verfolgungsgefahr begründen, ist zu unterscheiden zwischen der Frage, ob dem Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungshandlung gemäß den §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG droht, und der Frage einer ebenfalls beachtlich wahrscheinlichen Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund (Nds. OVG, Urteil vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17, BeckRS 2017, 118678, Rn. 30).

Beim Flüchtlingsschutz gilt für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das gilt unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt ausgereist ist oder nicht. Die Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU (sog. Qualifikationsrichtlinie), nicht (mehr) durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Nach dieser Vorschrift besteht eine tatsächliche Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.06.2011 - 10 C 25.10 -, BVerwGE 140, 22, Rnr. 21 f.; Nds. OVG, Urteil vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17, BeckRS 2017, 118678, Rn. 31).

Hinsichtlich der Anforderungen an den Klägervortrag muss unterschieden werden zwischen den in die eigene Sphäre des Asylsuchenden (bzw. hier: des um Flüchtlingsschutz Nachsuchenden) fallenden Ereignissen, insbesondere seiner persönlichen Erlebnisse, und den in den allgemeinen Verhältnissen seines Herkunftslandes liegenden Umständen, die seine Furcht vor Verfolgung rechtfertigen sollen. Lediglich in Bezug auf erstere muss er eine Schilderung geben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen, wobei dem persönlichen Vorbringen des materiell beweisbelasteten Klägers und dessen Würdigung nach § 108 VwGO im Hinblick auf die regelmäßig bestehende Not an anderen Beweismitteln gesteigerte Bedeutung zukommt. Zur Anerkennung kann schon allein sein Tatsachenvortrag führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft“ sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann (Nds. OVG, Urteil vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17, BeckRS 2017, 118678, Rn. 33). Hinsichtlich der allgemeinen politischen Verhältnisse im Herkunftsland reicht es hingegen wegen seiner zumeist auf einen engeren Lebenskreis beschränkten Erfahrungen und Kenntnisse aus, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich - ihre Wahrheit unterstellt - hinreichende Anhaltspunkte für eine nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung für den Fall einer Rückkehr in das Herkunftsland ergeben (BVerwG, Urteil vom 04.11.1981 - 9 C 251/81 -, juris; Urteil vom 22.03.1983 - 9 C 68.81 -, juris). Hier ist es Aufgabe der Beklagten und der Gerichte, unter vollständiger Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen, die Gegebenheiten im Herkunftsstaat aufzuklären und darauf aufbauend eine in besonderem Maße von Rationalität und Plausibilität getragene Prognose zu treffen (Nds. OVG, Urteil vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17, BeckRS 2017, 118678, Rn. 34 f.).

Führt dies für sich genommen zu keinem für den Schutzsuchenden günstigen Ergebnis, verbleibt es bei allgemeinen Beweislastregeln. Allgemein gilt, dass die humanitäre Schutzrichtung des Asyl- und Flüchtlingsrechts weder eine Umkehr der objektiven Beweislast noch eine Folgenabwägung im Sinne eines „better safe than sorry“ gebietet (vgl. hierzu Ellerbrok/Hartmann, NVwZ 2017, S. 522 (523)). Das gilt erst recht, wenn es allein um die genaue Ausprägung des Schutzstatus, nicht aber um das Ob der Schutzgewährung geht (Nds. OVG, Urteil vom 27.06.2017 – 2 LB 91/17, BeckRS 2017, 118678, Rn. 36).

Auf Basis dieses rechtlichen Maßstabs haben im vorliegenden Fall die für die Verfolgung des Klägers sprechenden Umstände bei einer zusammenfassenden Bewertung der Umstände größeres Gewicht als die dagegen sprechenden Umstände. Das Gericht kommt aufgrund des aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks zu der Überzeugung, dass dem Kläger im Falle der Rückkehr in den Irak aus individuellen, nur in seiner Person liegenden Gründen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Verfolgung droht.

Dem Kläger kommt bei der Beurteilung der Frage, ob ihm weiterhin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsgefahren im Irak drohen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - juris Rn. 32; Urteil vom 01.03.2012 - 10 C 7.11 - juris Rn. 12) die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie nicht zugute. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil der Kläger nicht vorverfolgt aus dem Irak ausgereist ist.

Selbst wenn man den Vortrag des Klägers sowie seiner Ehefrau in Bezug auf den Besuch einer bewaffneten Gruppe bei ihnen zuhause – unter Außerachtlassung insoweit bestehender Restzweifel des Einzelrichters - als tatsächlich zutreffend unterstellt, so steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass diese mutmaßliche Bedrohung an einen spezifischen Verfolgungsgrund im Sinne des § 3 Abs. 1, § 3b Abs. 1 AsylG anknüpfte. Aus welchen Gründen die bewaffnete Gruppe den Kläger mutmaßlich heimsuchte bzw. bedrohte, ließ sich nicht aufklären.

Das Gericht geht jedoch aufgrund der aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere unter Berücksichtigung der glaubhaften und substantiierten Ausführungen des Klägers zu seiner Weltanschauung, davon aus, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Religion von Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG bedroht ist.

Nach § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG umfasst der Begriff der Religion dabei insbesondere theistische, nichttheistische und – so wie im vorliegenden Fall in Rede stehend – atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Als Verfolgungen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen (Nr. 1), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall in Ansehung des Klägers im Falle einer Rückkehr in den Irak erfüllt.

Ausweislich der dem Gericht zum Irak vorliegenden Erkenntnismittel besteht für Personen, die sich – wie der Kläger – offen zu ihren atheistischen Anschauungen bekennen, eine besondere Gefahr, Opfer gewaltsamer Übergriffe durch religiöse Fundamentalisten zu werden.

Als Ausgangspunkt ist dabei festzuhalten, dass es sich beim Atheismus im Irak um ein traditionell verbreitetes Phänomen handelt, was sich indiziell auch an den Ausführungen des Klägers zu der atheistischen Weltanschauung seines Vaters und Großvaters verdeutlicht. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln existiert im Irak seit jeher, d.h. auch in den heutigen Zeiten der massiven konfessionellen Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten, eine verbreitete atheistische Strömung in der irakischen Zivilbevölkerung.

Zur generellen Situation von Atheisten im Irak heißt es in einem Bericht des Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Doccumentation (ACCORD) aus September 2017 (ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Bagdad: Berichte über Verfolgungshandlungen gegen Atheisten und gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit islamkritisch zeigen [a-10329-1], 18. September 2017, S. 1 der Druckversion):

 „Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO) gibt in einer Mitschrift eines Herkunftsländertreffens bezüglich Irak vom Juli 2017 die Aussage von Mark Lattimer, dem Leiter der Initiative Ceasefire Centre for Civilian Rights zum Thema Atheismus im Irak wieder. Laut Lattimer seien im Irak junge Menschen einer Reihe von Einflüssen ausgesetzt und es gebe auch eine Menge älterer Leute, die nicht religiös seien. Nur weil das Land immer stärker konfessionell geprägt sei, bedeute dies nicht notwendigerweise, dass alle Menschen religiöser würden. Es gebe eine starke kommunistische Strömung mit einer säkularen Einstellung im Irak, die immer noch stark in der irakischen Zivilgesellschaft verankert sei. Religion werde unterschiedlich stark praktiziert, dies heiße jedoch nicht, dass es leicht sei, sich als Atheist zu identifizieren, und nur selten geschehe so etwas öffentlich. Manchmal würden Personen angeben, sie seien Muslime, würden sich aber im Privaten als Atheisten definieren […].“

Weiter führt der Bericht in Bezug auf die Verbreitung atheistischer Auffassungen im Irak aus (ACCORD, a.a.O., S. 2 f. bzw. S. 5 der Druckversion):

„Die in den USA ansässige Online-Zeitung Al-Monitor, die vor allem über den Na-hen Osten berichtet, schreibt in einem etwas älteren Artikel vom März 2013, dass der Atheismus im Irak tiefgehende historische Wurzeln habe, seine Verbreitung in allen gesellschaftlichen Gruppen und Altersgruppen allerdings neu sei.“

„Die irakische Nachrichtenwebsite The Baghdad Post schreibt im Jänner [sic] 2017, dass laut Angaben von Experten die Anzahl junger irakischer Männer und Frauen, die sich dem Atheismus zuwenden würden, steige. Sie würden meist aus einem intellektuellen Milieu kommen und ihre radikalen Meinungen auf sozialen Medien verbreiten. Dort würden sie Gott, sowie den Propheten Mohammed und seine Familie angreifen. Das Phänomen des Atheismus habe soziale und intellektuelle Gründe, so The Baghdad Post weiter. Laut Experten habe sich der Atheismus ausgebreitet, da sunnitische und schiitische Politiker und Milizen die Religion missbraucht hätten, um mehr Anhänger zu gewinnen […]“

„Die in saudischem Besitz befindliche, in London herausgegebene Onlinezeitung Elaph schreibt im August 2017, dass sich in den letzten Jahren das Phänomen des Atheismus insbesondere unter jungen Leuten im Irak ausgebreitet habe. Dies sei auf die Korruption in der Regierung und die Verbreitung von Technologie in allen Bereichen des Lebens zurückzuführen. Andere würden das Phänomen hingegen nicht als einen „echten Atheismus“, sondern viel mehr als eine Reaktion auf religiöse politische Parteien deuten […].“

[Your Middle East, eine schwedische non-profit Organisation und Medienplattform, berichtet in einem Beitrag zum Thema Atheismus im Irak vom Februar 2014:]       „In einer 2011 veröffentlichten Umfrage der nicht mehr existenten kurdischen Nachrichten-agentur AKnews seien irakische Bürger befragt worden, ob sie an Gott glauben würden. Vier Prozent hätten mit „wahrscheinlich nicht“ und sieben Prozent mit „Nein“ geantwortet. Laut Nawaf Al-Kaabi, einem Studenten aus Basra, könne die Zahl der Atheisten 2014 noch weit höher liegen. […] Al-Kaabi stimme jedoch auch zu, dass viele Atheisten im Irak, wenn sie offen über ihre Auffassungen sprechen würden, einer Gefahr durch Extremisten und Milizen, die in Verbindung mit religiösen Gruppen stehen würden, ausgesetzt sein könnten […].“

Nach irakischem Recht besteht dabei keine ausdrückliche Strafandrohung für Menschen, die vom islamischen Glauben abfallen, jedoch wird ein vom Islam abkehrender Religionswechsel rechtlich nicht anerkannt. Diesbezüglich hebt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Republik Österreich im Länderbericht Irak für das Jahr 2017 hervor (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Irak, 24. August 2017 (letzte Kurzinformation eingefügt am 23. November 2017), S. 125 f.):

„Die Verfassung erklärt den Islam als die offizielle Religion und legt fest, dass kein Gesetz beschlossen werden darf, das den „bestehenden Vorschriften des Islam“ widerspricht. Die Verfassung gewährt das Recht auf Religionsfreiheit für Muslime, Christen, Jesiden, und Saebäer/Mandäer. […] Es existieren zwar keine Gesetze im irakischen Zivil- oder Strafrecht, die Strafen für Personen vorsehen, die vom islamischen Glauben abfallen, es gibt jedoch Gesetze und Regulierungen, die die Konversion vom islamischen Glauben zu anderen Religionen verhindern.“

Dass die irakische Rechtsordnung einen Religionswechsel vom Islam nicht anerkennt, bestätigt zudem ein Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) aus Mai 2016 (SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 20. Mai 2016 zu Irak: Gesetzliche Lage für die Abkehr vom Islam in der Autonomen Region Kurdistan, Schutzwille der Behörden, S. 1):

„Laut den UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Iraq vom 31. Mai 2012 verbietet das irakische Strafgesetz zwar die Konversion zum Christentum nicht, hingegen sehen die irakischen Gesetze des Personenstandrechts die rechtliche Anerkennung eines Religionswechsels nicht vor. Auf der Identitätskarte einer konvertierten Person steht auch nach deren Konversion noch, dass sie/er Muslimin/Muslim ist.“

Gefahren für Atheisten gehen dabei zum Teil durch Mitarbeiter staatlicher Behörden aus, vor allem aber durch private Dritte, welche die im Irak bestehenden Strafgesetze zu Lasten von Atheisten auslegen.

Diesbezüglich äußert sich ACCORD in der bereits zitierten Anfragebeantwortung aus September 2017 wie folgt (ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Bagdad: Berichte über Verfolgungshandlungen gegen Atheisten und gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit islamkritisch zeigen [a-10329-1], 18. September 2017, S. 5 der Druckversion):

 „Die US-amerikanische Tageszeitung The Washington Times veröffentlicht im August 2017 einen Artikel über die Lage von Atheisten in der arabischen Welt. […] Atheismus sei im Irak und in Ägypten nicht illegal, jedoch würden Beamte häufig Blasphemie und andere Anklagepunkte gegen Atheisten vorbringen.“

Der Humanistische Pressedienst (HPD) ergänzt dies in einem Artikel aus Januar 2017 wie folgt (HPD, Artikel vom 19. Januar 2017, Wagnis Atheismus im Irak, S. 2 der Druckversion):

„Streng gläubige irakische Muslime halten Atheismus für strafrechtlich relevant und berufen sich hierbei auf § 372 des irakischen Strafgesetzbuches, in dem das Thema Blasphemie behandelt wird. Unter den aufgelisteten strafbaren Handlungen werden Apostasie und Atheismus zwar an keiner Stelle erwähnt. Ungeachtet dessen ist es für streng gläubige Muslime bereits Gotteslästerung, wenn jemand nicht an Allah glaubt.“

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bestätigt diese Einschätzung in seinem Lagebericht Irak für das Jahr 2017 (BFA, a.a.O., S. 125 f.):

„Iraks Muslime sind aber darüber hinaus auch nach wie vor der Scharia, dem islamischen Recht, untergeordnet. Dieses verbietet Apostasie, also den Abfall vom islamischen Glauben. Menschen, die den islamischen Glauben ablegen wollen, sind darüber hinaus oft ernsthafter Verfolgung durch die Gesellschaft ausgesetzt, werden zum Teil sogar getötet, oftmals von den eigenen Angehörigen/Bekannten. Feindseligkeiten gegenüber den Konvertiten oder Atheisten sind im Irak weit verbreitet (IRB 10.6.2014, vgl. IRB 2.9.2016).“

Ein im April 2007 verfasstes Gutachten des German Institute of Global and Area Studies (GIGA), Institut für Nahost-Studien, erläutert dieses religiös-dogmatische Begriffsverständnis eines mit dem Tode zu ahndenden Abfalls vom Islam. Der nach religiösem Recht strafbare Abfall vom Islam sei streng betrachtet nicht gleichbedeutend mit der individuellen Entscheidung für eine andere Religion, sondern erfordere darüber hinaus zusätzlich einen Angriff auf die staatliche Gemeinschaft der Gläubigen (GIGA, Stellungnahme vom 2. April 2007 an das Verwaltungsgericht Aachen im Verfahren 4 K 605/05.A). Hierzu führt das Gutachten aus (GIGA, a.a.O., S. 6):

„Die individuelle Entscheidung für eine andere Religion ist nach dem eigentlichen Bedeutungsgehalt des Abfalls vom Islam überhaupt nicht von diesem Begriff erfasst, denn das gibt es eigentlich nach den dortigen Vorstellungen nicht, ein Muslim kann nicht individuell über seine Glaubenszugehörigkeit disponieren, da diese eben auch einer „Nationalität“ und einer Zugehörigkeit zu einem Staat entspricht, deshalb sind für solche Vorstellungen eigentlich auch nach dem „Recht der Shariah“ kein Raum. Nur wenn man den eigentlichen Bedeutungsgehalt weglässt, und das „Recht der Shariah“ gleichsam „kahl“ auf den vorliegenden Fall anwenden würde, würde man begrifflich zu einem „Abfall vom Islam“ gelangen und damit dann zu einer Todesstrafe.“

Dieses Begriffsverständnis wird wie folgt begründet (GIGA, a.a.O., S. 1-4):

„Im Islam gibt es keine Trennung zwischen Staats- und Glaubensgemeinschaft. Der Muslim ist qua definitionem nicht nur Mitglied der Gemeinschaft der Gläubigen, sondern, als solcher, auch Mitglied der dieser Gemeinschaft entsprechenden „Staatsbevölkerung“. Der Islam geht – gedanklich – davon aus, dass die Gemeinschaft der Gläubigen in dem von ihr dominierten Gebiet auch die Staatsgewalt innehat. Das folgt aus den geschichtlichen Anfängen des Islams, in welcher mit der Ausbreitung der Religion automatisch auch die territorial-staatspolitische Ausbreitung einherging. Diese Ausbreitung wurde dann durch den Propheten im Rahmen von Verträgen mit unterstützenden Stämmen so befestigt, dass diese zugleich an die Religion und an den islamischen Staat gebunden waren. Nach dem Tode des Propheten fühlten sich diese Stämme zum Teil nicht mehr an die mit ihm getroffenen Abmachungen gebunden, und kündigten dem islamischen Staat die Gefolgschaft. […] Aus der seinerzeitigen Zentrale wurden dann zu diesen Stämmen Botschafter geschickt, die die Aufgabe hatten, die Stämme zur Einhaltung ihrer Vertragsverpflichtungen zu bestimmen, zu denen besonders auch die Verpflichtung, Steuern an die Zentrale zu bezahlen, gehörte, und auf den Einwand der Stämme, dass man ja die Religion gerne behalten wolle, aber die Steuerverpflichtung und die Zugehörigkeit zum islamischen Staat ablehne, wurde diesen Stämmen dann bedeutet, dass man das eine nicht ohne das andere brauche, so dass beide Verpflichtungen unmittelbar zusammengehörten. Die Angelegenheit wurde dann kriegerisch ausgetragen, und seit dieser Zeit verbindet sich mit dem Abfall von Islam letztlich der politische Hochverrat, nämlich das rechtswidrige „Wegbrechen“ vertraglich gebundener Stämme aus der territorial-politischen Einheit des islamischen Staates.

In diesem Sinne wird auch – bis heute – der Abfall vom Islam verstanden, das liest sich nur in den religiös-rechtlichen Abhandlungen nicht ausdrücklich so, weil die politische Konnotation vorausgesetzt wird, nämlich die untrennbare Einheit von Staat und Religion.

Ihrem Wesen und ihrer geschichtlichen Herkunft nach, ist daher die Strafbarkeit des Abfalls vom Islam gleichbedeutend mit dem politischen Hochverrat, und das ist auch der Grund dafür, dass etwa in einem Land, das sehr auf die Übereinstimmung des staatlich kodifizierten Strafrechtes mit dem islamischen Recht bedacht ist, wie etwa der Iran, der Abfall vom Islam als solcher keine Regelung im dort geltenden Strafrecht gefunden hat (vgl. zur Bedeutung: Halim et. Al. Criminal Justice in Islam, S. 42 ff.).

Auch die nach den religiösrechtlichen Vorstellungen vorgesehene Todesstrafe für den Abfall vom Islam hat ihren Grund in diesem eigentlichen Bedeutungsinhalt des „Abfalls vom Islam“, der eben zur gedanklich-geistigen Voraussetzung hat, dass jemand nicht allein seinen Glauben aufgibt, sondern dass er sich als Gläubiger, und deshalb Angehöriger sowohl einer „islamischen Nation als auch des islamischen Staates“ seiner Loyalitätspflichten entschlägt, und in ein anderes Lager übergeht. […]

Der koranische Text spielt nicht auf einen Übertritt zu einer anderen Religionsgemeinschaft an, und darauf kommt es auch, wenn man den politischen Kontext betrachtet, nicht an. Denn die Stämme, die nach dem Tode des Propheten […] vom Islam abfielen, wollten nicht etwa Christen werden, oder sich mit christlichen Mächten verbünden, sondern sie wollten sich ihrer politischen und finanziellen Verpflichtungen entschlagen, die Perspektive der Annahme einer anderen Religion spielte dabei keine Rolle.“

Zugleich betont das Gutachten des German Institute of Global and Area Studies, wie stark die Bejahung eines mit dem Tode zu ahndenden Abfalls vom Islam im konkreten Fall vom Begriffsverständnis des jeweiligen religiösen Akteurs abhängt (GIGA, a.a.O., S. 4-6):

„Die heutigen Fundamentalisten und gewalttätigen oder gewaltbereiten Fanatiker schert naturgemäß auch der politisch-geschichtliche Kontext nicht, für sie ist jeder, der den Islam verlässt, ein Abtrünniger und, nach der religiös-rechtlichen Vorgabe mit dem Tode zu bestrafen […]. Das heißt, es kommt hier sehr auf die Art und Weise des Verständnisses der Shariah an, ab wann man und unter welchen Umständen man in einer ganz privaten Handlungsweise, die dazu noch im Ausland stattfindet, also gar keinen Bezug zu dem „Haus des Friedens“, also dem nach dortiger Vorstellung vom Islam beherrschten Gebiet dieser Erde hat, einen Abfall vom Islam sehen würde.

Das Recht der Schariah ist nämlich nichts feststehendes, kein Gesetzbuch oder keine Gesetzessammlung oder Vorschriftensammlung, in der man nur nachschauen müsste, um zu finden, was die Todesstrafe begründet. Mit der Shariah verbinden sich vielmehr alle nach islamischer Rechtsauffassung zusammenhängenden Rechtsvorstellungen, wobei natürlich zu diesen Rechtsvorstellungen auch die unterschiedlichen Rechtsauffassungen verschiedener Schulen und verschiedener „Denkungsarten“ gehörten.

Dies bedeutet, dass es hier darauf ankommt, wer für sich in Anspruch nimmt, das „Recht der Shariah“ auf den Kläger anzuwenden: Unter „Taliban-Umständen“, also vor dem Hintergrund der Herrschaftsausübung äußerst düster und verbohrt denkender Fundamentalisten, die normalerweise über die nötigen Rechtskenntnisse gar nicht verfügen, würde ein solcher „reiner Religionsabfall“ ausreichen (können). Normalerweise wäre freilich zu verlangen, dass der Abfall von der Religion auch eine Stoßrichtung gegen die Gemeinschaft der Gläubigen hat, der typische Tabubruch ist insoweit die Mission, die in allen islamischen Ländern strikt verboten ist. Wer also etwa versucht, andere zum Abfall vom Islam und zur Annahme eines neuen Glaubens zu bewegen […], der würde nach dortiger Vorstellung daran mithelfen, die Gemeinschaft der Gläubigen zu verkleinern und damit einen Angriff gegen diese Gemeinschaft richten, und das könnte dann schon eher zu einer Todeswürdigkeit des Abfalls vom Islam passen. Ebenso der Abgefallene, der seinerseits dann seinen „neuen Glauben“ weiterverbreiten will, oder der sich aus religiös motivierten Gründen gegen die Glaubens-/Staatsgemeinschaft wendet.“

Mit diesem Befund korrespondierend hält der vorgenannte Artikel des Humanistischen Pressedienstes (HPD, Artikel vom 19. Januar 2017, Wagnis Atheismus im Irak, S. 3 der Druckversion) fest:

„Zwar unterscheiden einige islamische Gelehrte hier zwischen einem "rein privaten" Abfall vom Glauben und öffentlich gezeigter Apostasie, mit der aktiv die Glaubensgemeinschaft bekämpft werde. Nach deren Ansicht wäre nur letztere nach islamischem Recht mit dem Tode zu bestrafen. Derartige Feinheiten interessieren streng gläubige Muslime allerdings eher nicht, zumal sich jedes Bekenntnis zur Areligiosität als öffentliche Provokation deuten lässt.“

Die im Irak dominierende gesellschaftliche Auffassung in Bezug auf Atheisten beschreibt ACCORD in der Anfragebeantwortung aus September 2017 unter Wiedergabe eines Artikels von Al-Monitor aus März 2013 folgendermaßen (ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Bagdad: Berichte über Verfolgungshandlungen gegen Atheisten und gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit islamkritisch zeigen [a-10329-1], 18. September 2017, S. 2 der Druckversion):

 „Die vorherrschende gesellschaftliche Meinung sei, dass es sich bei ihnen um moralisch verdorbene Personen oder Agenten ausländischer Gruppen wie den Zionisten oder Freimaurern („Masons“) handle. Diese Wahrnehmung könnte mitunter auf alle ausgeweitet werden, die für Liberalismus und Säkularismus eintreten würden. Wie der Artikel anführt, sei es angesichts der vorherrschenden Atmosphäre religiöser Auseinandersetzungen und religiösen Fundamentalismus dringend notwendig, Atheisten, Agnostiker und Säkularisten zu schützen. Sie seien als Gruppe nicht anerkannt und es gebe keine irakischen oder internationalen Einrichtungen, die sie schützen oder verteidigen würden […]

In einem Bericht für den Zeitraum von 2013 bis September 2016 hatte das Immigration and Refugee Board of Canada festgestellt (IRB, Iraq: Information on the treatment of atheists and apostates by society and authorities in Erbil; state protection available (2013-September 2016), S. 2 f. der Druckversion), dass es nach Erkenntnissen der Zeitschrift Al-Monitor zahlreiche irakische Websites für Atheisten gebe. Ihre Mitgliederlisten würden diese jedoch geheim halten aus der Angst heraus, verfolgt oder getötet zu werden, sei es durch extremistische religiöse Milizen oder Gruppen, sei es gar durch einfache Bürger auf der Straße. Hiermit korrespondierend habe die kurdisch-irakische Nachrichtenseite Safaq News am 16. Mai 2014 darüber berichtet, dass Atheisten im Irak fürchteten, wegen ihrer Anschauungen getötet zu werden.

Die fortwährende Bedrohung von Menschen mit atheistischen Auffassungen beschreibt die vorgenannte Anfragebeantwortung von ACCORD aus September 2017 dabei wie folgt (ACCORD, a.a.O., S. 1, S. 3 f.):

„Die in den USA ansässige Nachrichtenagentur Religion News Service (RNS), die vor allem über religiöse, spirituelle und moralische Themen berichtet, geht in einem Artikel vom Dezember 2013 auf die Geschichte von Faisal Saeed Al-Mutar, einem Iraker, der sich offen zu seiner Haltung als säkularer Humanist und Atheist bekenne und mittlerweile in den USA lebe, ein. Als er noch im Irak gelebt habe, habe Al-Mutar Todesdrohungen von al-Qaida-Mitgliedern und der Mahdi-Armee, zwei einflussreichen und mächtigen religiösen Milizen im Irak, erhalten. Zwar sei es im Irak kein Verbrechen, atheistisch zu sein, doch würden religiöse Milizen Angelegenheiten in die eigenen Hände nehmen. Allerdings sei es laut Abdul Sattar Jawad, einem Gastprofessor an der Duke University (USA) und Experten für Nahost-Studien, falsch, anzunehmen, dass es im Nahen Osten eine weit verbreitete Verfolgung nicht religiöser Menschen gebe. Obwohl es religiöse Führer gebe, die nicht gläubige Menschen hassen oder ablehnen würden, werde die meiste Gewalt von „Extremisten“ verübt. Atheismus könne toleriert werden, wenn man sich nicht gegen die herrschenden Familien, Parteien, aufwiegelnden Geistlichen, Politiker und despotischen Herrscher und Regierungen stelle […]

„Pacific Standard, eine in den USA erscheinende Zeitschrift, die unter anderem über gesellschaftliche Probleme berichtet, veröffentlicht im Jänner 2016 einen Artikel zur Lage von Atheisten im Nahen Osten. Laut dem Artikel würden sich Atheisten nicht vorrangig vor ihrer Regierung, sondern vor ihren Mitbürgern fürchten. Ahmed, ein irakischer Atheist, habe angegeben, dass es in Bagdad kein Gesetz gebe, das Atheismus verbiete. Er setze sich daher viel lieber mit staatlichen Behörden auseinander als mit Mitmenschen, da letztere versuchen könnten, ihn für seine Ansichten zu töten […]

Die in Großbritannien ansässige Nachrichtenwebsite zu den Golfländern und der arabischen Welt AlKhaleej Online berichtet in einem Artikel vom November 2016 über den 26-jährigen Hussein al-Nujaifi […]: Hussein und viele andere Leute, so Al-Khaleej Online, seien davon überzeugt, dass der Irak von einer Gruppe Geistlicher kontrolliert werde, die das Töten Unschuldiger und die Zerstörung des Landes unterstützen würden. Für gebildete junge Leute stelle der Atheismus eine Art Zuflucht für ihre Ambitionen dar, da sie nach Frieden suchen würden und davon ausgehen würden, dass die Klasse von Politikern, die islamischen Gremien vorstehen und religiöse Predigten halten würden, diesen verloren hätten. Ahmad al-Dschumaili, ein Maler, habe al-Khaleej Online gesagt, dass Atheismus für ihn die Rettung vor der „Brutalität der Extremisten“ sei, jedoch sei es für eine Person nicht leicht, sich zu ihrem Atheismus zu bekennen, dies gelte insbesondere in den Gebieten, in denen Einheiten der Volksmobilisierung (zumeist schiitische Milizen, Anm. ACCORD) Kontrolle ausüben würden. Dort, so al-Dschumaili, würden solche Personen bestimmt getötet. (Al-Khaleej Online, 25. November 2016).“

 „Al-Monitor schreibt in einem weiteren Artikel vom Juni 2017, dass islamische Bewegungen im Irak in den letzten Wochen ihre gegen Atheismus gerichtete Rhetorik intensiviert hätten, Iraker über die Verbreitung des Phänomens gewarnt und von einer Notwendigkeit gesprochen hätten, Atheisten entgegenzutreten. Die islamischen Bewegungen und Parteien seien besorgt, dass die öffentliche Stimmung sich gegen sie richten und sich dies wiederum auf die Wahlen auswirken könne, die für Ende 2017/Anfang 2018 angesetzt seien. Ammar al-Hakim, der Führer des zumeist schiitischen Parteienbündnisses Irakische Nationalallianz, das die große Mehrheit im Parlament und in der Regierung stelle, habe gegen die Verbreitung des Atheismus gewarnt. Manche Menschen, so alHakim, würden die Orientierung der irakischen Gesellschaft an religiösen Prinzipien und ihre Verbindung zu Gott verübeln. Er rufe dazu auf, diesen fremden atheistischen Ideen mit gutem Denken zu konfrontieren und den Unterstützern solches Gedankenguts mit einer „eisernen Faust“ entgegenzutreten, indem man die Methoden offenlege, mit denen sie ihre Ideen propagieren würden. […] Während des Ramadan hätten religiöse Predigten in schiitischen Städten im Zentral- und Südirak die Verbreitung säkularer und atheistischer Ideen angegriffen, da diese als Bedrohung der irakischen Gesellschaft aufgefasst würden. Der ehemalige Premierminister Nuri al-Maliki, der weitreichenden Einfluss innerhalb der pro-iranischen Fraktionen der Volksmobilisierungseinheiten (Popular Mobilisation Units) habe, habe im Mai 2017 vor einer angeblichen gefährlichen Verschwörung säkularer und nichtreligiöser Bewegungen gewarnt, die die islamischen Parteien entmachten und selbst die Kontrolle erlangen wollen würden.“

„Al-Monitor berichtet weiter zum Phänomen Atheismus im Irak, dass ein bekannter Buchladen in Bagdad eine steigende Anzahl junger Leute verzeichnet habe, die Bücher über Atheismus kaufen würden. Selbst in der heiligen Stadt Najaf und innerhalb religiöser schiitischer Einrichtungen habe Al-Monitor mit mehreren religiösen Studenten gesprochen, die nicht nur damit begonnen hätten, die grundsätzlichen Bekenntnisse des Islam in Frage zu stellen, sondern sogar die grundsätzlichen Prinzipien von Religion im Allgemeinen. Diese Studenten würden unverzüglich von der Gesellschaft ausgeschlossen, wenn sie ihre Auffassungen offen kundtun würden. Der Menschenrechtsaktivist, Autor und Satiriker Faisal al-Mutar habe al-Monitor gegenüber berichtet, dass Atheisten im Irak unter schwierigen Umständen leben würden, da die Regierung mehrheitlich aus islamischen Parteien bestehe und islamisch geprägte Milizen die Gesellschaft kontrollieren würden. […] Viele Atheisten seien aufgrund von Schikanen und Drohungen gezwungen gewesen, aus dem Irak zu fliehen. Dschamal al-Bahadli, ein Atheist der auf sozialen Medien offen über seine Auffassungen spreche, habe gesagt, dass er Todesdrohungen von schiitischen Milizen in Bagdad erhalten habe, was ihn 2015 dazu gezwungen habe, das Land zu verlassen.“ […]

Diese Erkenntnisquellen zur Gefahr atheistischer Äußerungen im Irak, spezifisch im Raum von Bagdad, finden ihre Entsprechung in der persönlichen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung. Das Gericht ist aufgrund der insgesamt glaubhaften und substantiierten Ausführungen des Klägers zu der Überzeugung gelangt, dass er aufgrund seiner öffentlichen religionskritischen bzw. atheistischen Äußerungen im Falle einer Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG ausgesetzt sein wird.

Dabei steht zunächst zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die religionskritischen Äußerungen des Klägers einer atheistischen Weltanschauung entspringen, die er für sich als unbedingt innerlich verpflichtend ansieht.

Der Kläger hat bereits in seiner Anhörung beim Bundesamt detailliert und substantiiert geschildert, wie er sich, aufgrund der vorherrschenden Religionskonflikte im Irak und der damit einhergehenden negativen Folgen für sein näheres Umfeld, u.a. mit Hilfe von Büchern seines Religionswissenschaften studierenden Cousins vermehrt mit schiitischen und religiösen Lehren auseinandergesetzt habe, um schlussendlich zu der Erkenntnis zu gelangen, dass beide Religionen mangelbehaftet sein und dass der Koran kein heiliges Buch darstelle. Hieran anknüpfend hat der Kläger, der mittlerweile bereits weitgehend flüssig Deutsch spricht, in der mündlichen Verhandlung seinen Weg zum Atheismus für den Einzelrichter nochmals plausibel und glaubhaft dargelegt.

Er hat ebenso glaubhaft darzutun vermocht, dass er sich bereits im Irak im Internet religionskritisch geäußert habe. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung dargelegt, im Irak sei er noch sehr vorsichtig gewesen, was er veröffentlichte. Zum Teil habe er auch einfach Beiträge von anderen Personen geteilt bzw. „gelikt“. Beispielsweise habe er etwa auf Facebook unter seinem eigenen Namen Beiträge veröffentlicht, in denen er dazu aufgefordert habe, Staat und Religion zu trennen. Zudem habe er mitgeteilt, dass Religion nicht von Gott geschaffen worden sei, sondern von Menschen gemacht und mit Inhalten gefüllt werde. Zudem habe er religiöse Autoritäten als falsche Propheten bezeichnet bzw. als Menschen, die nur vorgäben, Propheten zu sein. Dabei habe er darauf geachtet, den Islam bzw. seine Angehörigen nicht direkt anzugreifen, sondern möglichst weitgefasste bzw. doppeldeutige oder abstrakte Formulierungen zu verwenden. Diese Beiträge habe er oftmals unter seinem eigenen Namen bei Facebook veröffentlicht. Zum Teil habe er auch einen Fake-Account bzw. einen Account unter Pseudonym verwendet, da es oftmals vorgekommen sei, dass islamische Gruppierungen Facebook-Gruppen oder einzelne Accounts gemeldet hätten, um die Löschung zu veranlassen. Diese substantiierten Äußerungen wertet der Einzelrichter insbesondere deshalb als glaubhaft, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung zahlreiche Ausdrucke seiner Postings aus dem Irak vorgelegt hat, welche nach Auskunft der Dolmetscherin die dargetanen religionskritischen Inhalte haben. Zudem entspricht die Schilderung des Klägers in Bezug auf das von ihm wahrgenommene Risiko derartiger öffentlicher Äußerungen der dargestellten Erkenntnismittellage im Irak.

Des Weiteren steht auch zur Überzeugung des Einzelrichters fest, dass der Kläger nach der Ausreise aus dem Irak seine atheistische Weltanschauung in Deutschland verfestigt und im zunehmenden Maße öffentlich kundgetan hat. So hat er unter Vorlage von Ausdrucken seines Facebook-Kontos, welche die Dolmetscherin in der mündlichen Verhandlung auszugsweise übersetzte, glaubhaft dargelegt, zahlreichen offenen wie geschlossenen Facebook-Gruppen beigetreten zu sein, welche atheistische Anschauungen propagieren bzw. die Mitglieder auffordern, darüber zu diskutieren. In einer dieser Gruppen hat er in ironischer Anspielung auf die islamische religiöse Pflicht zur Pilgerreise dazu aufgefordert, wer dazu in der Lage sei, solle sich als Atheist bekennen. Schließlich ließ sich aus dem Facebook-Konto des Klägers ersehen, dass er äußerst religionskritische Bücher des deutschsprachigen Autors Hamed Abdel („Mohamed – eine Abrechnung“, „Der islamische Faschismus – eine Analyse“ sowie „Ein Araber und ein Betrüger“) öffentlich anpries. Bei diesen religionskritischen Äußerungen handelt es sich im Einklang mit den obigen Feststellungen zum Verhalten des Klägers in seinem Heimatland auch um beachtliche Nachfluchttatbestände im Sinne des § 28 Abs. 1 S. 1 HS 2 AsylG, d.h. Entschlüsse, welche einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung entsprechen.

Auf Basis dieser Feststellungen zur Weltanschauung des Klägers gelangt der Einzelrichter überdies zu der Überzeugung, dass im Falle seiner Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr besteht, dass er Opfer gewaltsamer Übergriffe religiöser Extremisten wird.

So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass er bereits in seinem näheren Umfeld im Irak negative Reaktionen wegen seiner atheistischen Ansichten erhalten habe. Als Konsequenz seiner Facebook-Postings in Deutschland hätten ihn zudem Freunde und Bekannte, die zum Teil aus demselben Stadtteil wie er selbst kamen, ebenso wie Verwandte und Fremde online beschimpft und bedroht.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Kläger sich nicht nur „isoliert“ vom Islam abgewandt hat, sondern Atheismus öffentlich bewirbt und andere dazu auffordert, es ihm gleichzutun, womit auf Basis der obigen Erkenntnismittel eine erhöhte Gefahr einhergeht, wegen des „Abfalls vom Islam“ getötet zu werden. Die Gefahr ist für den Kläger dabei nochmals höher, weil er im Falle einer Rückkehr nach Bagdad zurückkehren würde, da er aus dem unmittelbaren räumlichen Umfeld von Bagdad stammt und seine Familie mütterlicherseits wie auch die Familie seiner Ehefrau weiterhin in Bagdad wohnhaft ist. Bagdad wird jedoch zu großen Teilen von den Einheiten der Volksmobilisierung kontrolliert, die nach den obigen Erkenntnismitteln als religiös-extremistische Milizen besonders geneigt sind, gegen Menschen mit atheistischen Weltanschauungen vorzugehen, zumal mit ihnen alliierte Politiker seit Herbst 2017 vermehrt öffentlich dazu aufrufen, atheistisches Gedankengut „mit eiserner Faust“ zu bekämpfen.

Die dem Kläger drohende Verfolgung durch private Dritte ist auch flüchtlingsrechtlich beachtlich im Sinne des § 3c Nr. 2, Nr. 3 AsylG. Hiernach kann die Verfolgung ausgehen von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die in Nummer 2 der Norm genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger kann sich nicht auf wirksamen staatlichen Schutz vor der drohenden Verfolgung durch religiöse Extremisten berufen, insbesondere sofern diese von Anhängern der Einheiten der Volksmobilisierung ausgeht.

Bei den Einheiten der Volksmobilisierung handelt es sich voraussichtlich um eine staatliche Organisation (§ 3c Nr. 1 AsylG), jedenfalls aber um eine solche, welche einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets des Irak beherrscht (§ 3c Nr. 2 AsylG). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich beschreibt diese Organisation, deren größte zugeordnete Miliz die sogenannte Badr-Organisation bildet, in seinem Länderbericht Irak für das Jahr 2017 wie folgt (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Irak, 24. August 2017 (letzte Kurzinformation eingefügt am 23. November 2017), S. 73, S. 78):

„Der Name „Volksmobilisierungseinheiten“ bzw. Al-Hashd al-Shaabi, englisch: Popular Mobilization Units (PMU) oder Popular Mobilization Forces bzw. Front (PMF)) bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig fast ausschließlich schiitische Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Schätzungen zufolge haben die Volksmobilisierungseinheiten zwischen 60.000 und 140.000 Mann unter Waffen. Die Entstehung des Milizenbündnisses kann als Reaktion auf die irakische Offensive des sog. „Islamischen Staates„ (IS) verstanden werden und ist somit eng mit dessen militärischen Erfolgen und territorialen Gewinnen verquickt.“

„Obwohl das Milizenbündnis unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die Volksmobilisierung dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Ministerpräsidenten als Oberkommandierendem unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017). In der Tat scheint es sich so zu verhalten, dass innerhalb der PMF die radikal-schiitischen Gruppen mit Bindungen zum Iran die dominierenden Kräfte sind (Posch 8.2017).“

In Bezug auf das Wirken dieser Milizen finden sich die Feststellungen (BFA, a.a.O. S. 79, S. 83 f.):

„Neben der Finanzierung durch den irakischen, sowie den iranischen Staat bringen die Milizen einen wichtigen Teil der Finanzmittel selbst auf – mit Hilfe der organisierten Kriminalität. Ein Naheverhältnis zu dieser war den Milizen quasi von Beginn an in die Wiege gelegt. Vor allem bei Stammesmilizen waren Schmuggel und Mafiatum weit verbreitet. Die 2003/4 neu gegründeten Milizen kooperierten zwangsläufig mit den Mafiabanden ihrer Stadtviertel. Kriminelle Elemente wurden aber nicht nur kooptiert, die Milizen sind selbst in einem dermaßen hohen Ausmaß in kriminelle Aktivitäten verwickelt, dass manche Experten sie nicht mehr von der organisierten Kriminalität unterscheiden, sondern von Warlords sprechen, die in ihren Organisationen Politik und Sozialwesen für ihre Klientel und Milizentum vereinen – oft noch in Kombination mit offiziellen Positionen im irakischen Sicherheitsapparat.“

„Die Vorstöße des IS im Nord- und Zentralirak 2014 und Anfang 2015 sowie das damit verbundene Sicherheitsvakuum in anderen Landesteilen haben dazu geführt, dass Milizen und Stammesführer in vielen Gegenden die Macht an sich gerissen haben, die Kriminalität zugenommen hat und insgesamt das staatliche Machtmonopol und die Rechtsstaatlichkeit aufgeweicht wurden, einschließlich in der Hauptstadt Bagdad (UNHCR 14.11.2016). Die PMF-Milizen, die ursprünglich entstanden sind, um den IS zu bekämpfen [andere gab es allerdings auch schon vor dem IS], verrichten nun in den Stadtvierteln von Bagdad Polizeiarbeit. Dadurch konkurrieren sie mit der regulären Polizei, missachten die Gesetze und verhalten sich oft eher wie mafiöse Gruppen. […] Die Milizen erschweren zunehmend die Arbeit der lokalen Polizeikräfte. Führungskräfte der Polizei sind gezwungen, mit den führenden Vertretern der Milizen, die in ihrem Stadtteil operieren, zu kooperieren, gesetzt den Fall, die Viertel befänden sich überhaupt unter Polizeikontrolle. Die meisten Stadtviertel von Bagdad haben einen Stützpunkt, zumeist in Form eines Büros, der zu der jeweiligen Miliz gehört, die in dem Teil der Stadt präsent ist (manchmal sind auch mehrere Milizen in einem Viertel präsent). Laut Angaben eines Bagdader Polizisten könne man die mutmaßlichen Rechtsverletzungen der Milizen nicht ahnden; Es käme auch zu Straßenkämpfen zwischen den Milizen und die Polizei müsse neutral bleiben und würde daher nicht in die Kämpfe eingreifen (Niqash 19.1.2017).

Offiziell ist nach wie vor das sogenannte „Baghdad Operations Command“ (BOC) für die Sicherheit in der Stadt zuständig. Es umfasst etwa 70.000 Mitglieder, die aus Soldaten der regulären Armee, der Militärpolizei und der normalen Polizei sowie aus Geheimdiensten bestehen. Viele Bewohner haben jedoch den Eindruck, dass das BOC nicht in der Lage ist, seine Aufgabe zu erfüllen (Niqash 19.1.2017). Daher gibt es den Ruf danach, dass die PMF-Milizen auch offiziell für die Sicherheit zuständig sein sollen, bzw. den Druck, auch von Seiten verschiedener Parlamentsmitglieder, die Milizen stärker in Bagdads Sicherheitskonzept einzubinden, oder ihnen sogar die Sicherheitsagenden komplett zu übergeben und das BOC aufzulösen (IFK 25.7.2017; vgl. Niqash 19.1.2017). Problematisch werden diese Entwicklungen v.a. auch auf Grund der Tatsache gesehen, dass die PMF-Milizen konfessionell sehr einseitig (schiitisch) aufgestellt sind, und einige von ihnen direkt mit dem iranischen Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei affiliiert sind [sowie auf Grund der von ihnen im Irak begangenen Menschenrechtsverletzungen – s. Abschnitt Menschenrechtslage] (Al-Monitor 9.6.2017).“

Auch das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht zum Irak aus Februar 2017 aus, durch die staatliche Akzeptanz, teilweise Führung und Bezahlung der Milizen der PMF verschwimme die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2016), 07.02.2017, S. 15).

Der Kläger kann sich aber auch dann nicht auf wirksamen staatlichen Schutz berufen, sofern die ihm drohende Verfolgung durch religiöse Extremisten von sonstigen nichtstaatlichen Akteuren im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG ausgeht. Der irakische Staat sowie die in § 3c Nr. 2 AsylG genannten Akteue sind nämlich erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten.

Nach § 3d Abs. 2 AsylG muss der Schutz vor Verfolgung wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in § 3d Abs. 1 AsylG genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Letzteres setzt voraus, dass die Betroffenen einen realistischen Zugang zu den Schutzmaßnahmen haben, was insbesondere erfordert, dass sie den Schutz gefahrenfrei in Anspruch nehmen können (Kluth, in: BeckOK AuslR, Stand: November 2017, § 3d AsylG, Rn. 3). Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht gegeben. Dem Kläger ist es nicht möglich, im Falle seiner Rückkehr auf eine für ihn zumutbare Weise wirksamen Schutz vor der Bedrohung durch religiöse Ex- tremisten zu erlangen.

Der Kläger kann sich zum einen nicht schutzsuchend an die irakischen Sicherheitskräfte (Iraqi Security Forces – ISF) wenden, insbesondere an die Polizei.

Die ISF bestehen dabei aus den Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, aus jenen, die vom Verteidigungsministerium verwaltet werden, aus den (vorrangig schiitischen) Milizen, die unter der Dachorganisation der Volksmobilisierung (PMF) zusammen gefasst wurden und dem Counterterrorism Service (CTS; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Irak, 24. August 2017 (letzte Kurzinformation eingefügt am 23. November 2017), S. 70).

Nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (AA) und des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl sind diese irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, landesweit den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Die Anwendung bestehender Gesetze sei nicht gesichert, zumal es ohnehin kein Polizeigesetz gebe. Personelle Unterbesetzung, mangelnde Ausbildung, mangelndes rechtsstaatliches Bewusstsein vor dem Hintergrund einer über Jahrzehnte gewachsenen Tradition von Unrecht und Korruption auf allen Ebenen seien hierfür die Hauptursachen (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2016), 07.02.2017, S. 9; BFA, a.a.O., S. 70). Weite Gebiete des Landes befänden sich außerhalb der effektiven Kontrolle der Regierung und die Schutzfunktion des Staates sei als vermindert anzusehen. Die Menschenrechtslage sei vor allem in Hinblick auf die mangelhafte staatliche Kontrolle und wegen des wenig ausgeprägten Gewaltmonopols samt verbreiteter Straflosigkeit desolat, in der kurdischen Autonomieregion vergleichsweise etwas besser (BFA, a.a.O., S. 70 m.w.N.). Nach Angaben örtlicher Vertrauenspersonen variiere die Qualität der Polizeiarbeit im Einzelfall. Jedenfalls in dicht besiedelten Gebieten wie Bagdad sei es besonders schwierig, zufriedenstellende Polizeiarbeit zu leisten (Landinfo/Migrationsverket – Joint Norwegian-Swedish Fact Finding Mission to Iraq, Iraq: Rule of Law in the Security and Legal system, November 2013, S. 23).

Das Immigration and Refugee Board of Canada kommt in einer Stellungnahme aus Juli 2014 zum Schutz religiöser Minderheiten, darunter Apostaten, zu dem Ergebnis (IRB, Iraq: Situation of religious minorities, including practitioners of "Zoroastrianism" and [Yazidi]; treatment by other groups (including the Islamic State of Iraq and al Sham, ISIS) and the government; state protection (2011-July 2014) [IRQ104909.E], S. 6 der Druckversion), im Gegensatz zur kurdischen Regionalregierung sei die irakische Regierung völlig außerstande, irgendjemandem Schutz zu gewähren, unabhängig von seiner Religion. Nach den zur Verfügung stehenden Quellen vor Ort erfolgten insbesondere Attacken auf religiöse Minderheiten in einem Klima der Straflosigkeit. Die Regierung möge religiös-motivierte Angriffe ggf. öffentlich verurteilen, jedoch nahezu nie ernsthaft untersuchen. Der Regierung ermangele es am Willen oder an der Fähigkeit, religiös-motivierte Attacken zu untersuchen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen; die irakischen Sicherheitskräfte würden Täter kaum jemals fassen, anklagen oder verurteilen. Aus dem hiermit einhergehenden Klima der Straflosigkeit resultierte bei religiösen Minderheiten ein fortwährendes Gefühl der Bedrohung, insbesondere denjenigen mit den geringsten Mitgliederzahlen.

Hiermit einhergehend beschreibt ACCORD in seiner Anfragebeantwortung aus September 2017, es sei angesichts der vorherrschenden Atmosphäre religiöser Auseinandersetzungen und des religiösen Fundamentalismus dringend notwendig, Atheisten, Agnostiker und Säkularisten zu schützen, da diese als Gruppe nicht anerkannt seien und keine irakischen oder internationalen Einrichtungen existierten, die sie schützen oder verteidigen würden (ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Bagdad: Berichte über Verfolgungshandlungen gegen Atheisten und gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit islamkritisch zeigen [a-10329-1], 18. September 2017, S. 2 der Druckversion).

Der Humanistische Pressedienst (HPD) ergänzt diesen Befund in seinem Artikel aus Januar 2017 wie folgt (HPD, Artikel vom 19. Januar 2017, Wagnis Atheismus im Irak, S. 3 der Druckversion):

„Dass sich im Irak die staatliche Rechtsordnung weder an der Scharia orientiert noch Atheismus unter Strafe gestellt ist, hält auch Polizeivertreter und Richter vereinzelt nicht davon ab, Atheismus als Blasphemie zu deuten. Ein Atheist, der Feindseligkeiten seiner Umgebung ausgesetzt ist, wird daher zögern, sich damit an die Polizei zu wenden. Denn es könnte ihm ergehen wie Yousef Muhammad Ali aus der Region Darbandikhan in Irakisch-Kurdistan. Der erstattete 2014 bei der Polizei Anzeige gegen mehrere Personen, die ihn aufgrund seiner atheistischen und Islam-kritischen Äußerungen mit dem Tode bedroht hatten. Statt die Täter juristisch zu belangen, fand er selber sich plötzlich wegen Blasphemie auf der Anklagebank wieder.

[…] Manche Eltern möchten zwar von ihren atheistischen Kindern nicht hören, es gäbe keinen Gott, tolerieren gleichzeitig aber deren Areligiosität. In anderen Familien ist man da rigoroser, wie der Fall Ahmad Sherwan aus Erbil zeigt, der 2014 durch die Medien ging. Nachdem der damals 15jährige seinem Vater in einer privaten Religionsstunde mitgeteilt hatte, er glaube nicht an Gott, benachrichtigte dieser die Polizei, die seinen Sohn in Einzelhaft nahm und tagelang folterte. Nach 13 Tagen wurde er wieder freigelassen.“

Dem Kläger steht vor der drohenden Verfolgungsgefahr überdies kein interner Schutz im Sinne von § 3e Abs. 1 AsylG zur Verfügung. Hiernach wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Die Kammer nimmt in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil v. 26.10.2017 - 6 A 7844/17 und 6 A 9126/17) an, dass sich Flüchtlinge im Irak aufgrund der vorherrschenden humanitären Verhältnisse in aller Regel nicht dauerhaft in andere Landesteile begeben können. Dazu heißt es im Urteil vom 26. Oktober 2017 (6 A 9126/17):

„Eine inländische Fluchtalternative im Sinne des § 3 e Abs. 1 AsylG besteht nicht. Es fehlt den Flüchtlingen die Möglichkeit sicher in vergleichsweise sichere Landesteile zu reisen und dort aufgenommen zu werden, vgl. § 3 e Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Denn Personen, die aus den vom IS kontrollierten Gebieten im Nord- und Zentralirak fliehen, haben nur eingeschränkten Zugang zu diesen Gebieten in anderen Landesteilen, da strenge Einreise- und Niederlassungsbeschränkungen bestehen, die u.a. an den Nachweis eines Bürgen, eine Meldung bei den örtlichen Behörden und eine erfolgreiche Sicherheitsprüfung durch verschiedene Sicherheitsbehörden geknüpft sind. Die Zugangs- und Niederlassungsvoraussetzungen sind in den Provinzen unterschiedlich ausgestaltet, und mitunter gibt es sogar innerhalb einer Provinz je nach (Unter-)Distrikt unterschiedliche Regelungen. Teilweise werden vollständige Einreisestopps für Flüchtlinge aus Konfliktgebieten verhängt, einschließlich der Provinzen Bagdad, Babel und Karbala. Die Sicherheitsüberprüfungen betreffen vor allem sunnitische Araber und sunnitische Turkmenen, die aus den vom IS kontrollierten Gebieten fliehen und als Sicherheitsrisiko angesehen werden.

Zugangsbeschränkungen an Kontrollpunkten sind nicht immer klar definiert und können je nach Sicherheitslage unterschiedlich angewandt bzw. willkürlich geändert werden. Die Voraussetzungen für eine Bürgschaft entbehren einer Rechtsgrundlage und werden oftmals willkürlich geändert. Sie können an den einzelnen Kontrollpunkten und je nach diensthabendem Personal unterschiedlich gehandhabt werden. Auch wenn Personen alle angegebenen Voraussetzungen an die Bürgschaft erfüllen, ist der Zugang zu einem relativ sicheren Gebiet nicht garantiert, und selbst Menschen mit ernsthaften gesundheitlichen Problemen wurde schon der Zugang verwehrt. Insbesondere ethnische und religiöse Erwägungen können darüber entscheiden, ob der Zugang gewährt oder verwehrt wird. Es besteht das Risiko einer Ausbeutung und Misshandlung, einschließlich sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, da einige Bürgen Geld oder „Dienste“ für die Übernahme der Bürgschaft verlangen. Es kann passieren, dass Schutz suchende Personen ohne Zugang zu grundlegender Versorgung an den Kontrollpunkten festsitzen, weil diese geschlossen sind oder ihnen der Zutritt zu bestimmten Orten verwehrt wird.

Binnenvertriebene werden zunehmend daran gehindert, städtische Gebiete zu betreten, und – bisweilen gegen ihren Willen – in Lager verbracht, in denen ihre Freizügigkeit in unangemessener Weise und ohne legitime sicherheitsbezogene oder sonstige Gründe beschränkt wird. Infolgedessen müssen Flüchtlinge oft in den Konfliktgebieten bzw. in deren Umgebung bleiben (vgl. zum Vorstehenden UNHCR-Position zur Rückkehr in den Irak vom 14.11.2016, S. 4; Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7.2.2017, S. 10-12). Auch das Auswärtige Amt geht davon aus, dass Rückkehrer aus dem Ausland, die derzeit nicht in ihre noch vom IS kontrollierte Heimat zurückkehren können, kaum eine Möglichkeit haben, einen sicheren Aufnahmeplatz zu finden. Ausnahmen stellten ggf. Familienangehörige in nicht umkämpften Landesteilen dar.“

Es ist vorliegend weder ersichtlich noch vorgetragen worden, dass im Fall des Klägers besondere Umstände vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, die Lage des Klägers könne von der vorgenannten Situation abweichen. Im Gegenteil: Die bereits zitierten Beispielsfälle der Verfolgung von Atheisten in der kurdischen Autonomieregion begründen ernsthafte Zweifel daran, dass jemand, der wie der Kläger seine atheistischen Ansichten offen zur Schau trägt, dort vor Verfolgung sicher sein könnte. Zu den Gefahren offen religionskritischer Äußerungen führt der Humanistische Pressedienst insoweit aus (HPD, Artikel vom 19. Januar 2017, Wagnis Atheismus im Irak):

„Das gilt zum Teil auch für die als vergleichsweise tolerant bekannte Autonome Region Kurdistan im Nordirak mit einer eigenen Regionalregierung in Erbil. Sie beansprucht für sich eine noch weitergehend säkularere Ausrichtung, als sie offiziell im übrigen Irak gilt. Und in der Tat werden dort Islam-kritische Diskussionen weniger rigide unterdrückt als anderswo. Religiöse Minderheiten können sich in Kurdistan außerdem erheblich sicherer fühlen als im übrigen Irak und suchen dort auch gezielt Schutz vor dem IS.

Gleichzeitig ist besonders in Erbil die Gesellschaft nach wie vor sehr konservativ und erwartet, dass islamische Normen von allen respektiert werden. Auch in den kurdischen Autonomiegebieten ist es daher nicht überall ratsam, sich offen als Atheist zu bekennen.“

In seiner Stellungnahme aus September 2016 zitiert das Immigration and Refugee Board of Canada zudem einen kurdischen Journalisten aus Erbil mit den Worten, es sei in Kurdistan einfacher als im Rest des Irak, sich zum Atheismus zu bekennen, was jedoch nicht heiße, dass die Menschen vor Ort diesen Schritt auch akzeptieren würden. Ein Vertreter des Kurdistan Secular Center, einer Einrichtung, welche die Trennung von Staat und Religion propagiere, habe zudem in einem Telefoninterview im August 2016 hervorgehoben, die generelle öffentliche Haltung sei, dass man sich nicht gegen Religionen aussprechen dürfe. Menschen mit säkularen Ansichten hätten generell große Angst davor, öffentlich ihre Ansichten zur Religion kundzutun. Sich öffentlich als Atheist zu bekennen, könne tödlich sein, da die Gefahr bestehe, auf der Straße angegriffen oder von der eigenen Familie verstoßen zu werden (IRB, Iraq: Information on the treatment of atheists and apostates by society and authorities in Erbil; state protection available (2013-September 2016), S. 1-3 der Druckversion). Zudem würden auch viele Polizisten und Richter Atheismus als nach Artikel 382 des Irakischen Strafgesetzbuchs zu ahndende Blasphemie ansehen. Menschen, die wegen ihrer Auffassungen bedrängt würden, würden sich daher eher verstecken, als die Polizei um Hilfe zu bitten (IRB, a.a.O., S. 4).

Anhaltspunkte für Ausschlussgründe gegenüber der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 2, Abs. 3 AsylG sowie § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG bestehen nicht.

2.

Die im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes enthaltene Abschiebungsandrohung ist hinsichtlich der Bezeichnung Irak als Zielstaat gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ebenfalls aufzuheben. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, was nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AsylG der Bezeichnung des Staates Irak in der Abschiebungsandrohung entgegensteht. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 11.09.2007 – 10 C 8/07 - BVerwGE 129, 251).

Die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist mit der Aufhebung der Abschiebungsandrohung gegenstandslos geworden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 S. 1, S. 2 ZPO.